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Schadensersatz bei unrechtmäßigem Ausschluss des Angebotes (OLG Saarbrücken, Urt. v. 24.02.2016 – 1 U 60/15)

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BauleistungenRecht

EntscheidungAnspruch des Bieters auf Schadensersatz in Höhe des positiven Interesses, wenn sein preisgünstigstes Angebot zu Unrecht vom Vergabeverfahren ausgeschlossen wird.

 

§§ 13, 16 VOB/A; §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB

Leitsatz

  1. Das Fehlen in der Vergabeausschreibung geforderter rechnerischer Nachweise zu Wärmedämmeigenschaften von Fester- und Türelementen stellt – sofern der Vertragsinhalt hierdurch nicht bestimmt wird – keine einer Abänderung der Vergabeunterlagen vergleichbare Auslassung (§ 13 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A) dar; bei ihrem Fehlen ist die Vergabestelle gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A zu einer Nachforderung verpflichtet.
  2. Wird der preisgünstigste Bieter zu Unrecht vom Vergabeverfahren ausgeschlossen, muss der Auftraggeber Schadensersatz in Höhe des positiven Interesses zahlen.

Sachverhalt

Eine Gemeinde (AG) hatte die Montage von Fenster, Türen und Toren für den Neubau eines Feuerwehrgerätehauses unterhalb des EU-Schwellenwerts im Wege einer beschränkten Ausschreibung ausgeschrieben. Der Preis war alleiniges Zuschlagskriterium. Im LV war bezüglich der Wärmedämmeigenschaften (Fenster- und Türelemente) Folgendes gefordert:

Der rechnerische Nachweis ist je Fenster-/Türelement separat zu führen, Mindestwert. Die Nachweise sind bereits bei Angebotsabgabe dem Angebot beizufügen. Nichtabgabe führt zum Ausschluss! Bieter A hatte das günstigste Angebot abgegeben, vergaß darin jedoch die geforderten rechnerischen Wärmedämmnachweise. Der AG schloss das Angebot ohne Nachforderung der fehlenden Nachweise aus und erteilte den Zuschlag auf ein anderes Angebot. A forderte darauf im Wege der Zivilklage den ihm entgangenen Gewinn, da sein Angebot hätte beauftragt werden müssen.

Die Entscheidung

Das OLG bestätigt das erstinstanzliche Urteil des LG und gibt Bieter A Recht.

A sei zu Unrecht gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 Ziff. b VOB/A ausgeschlossen worden. Ein zwingender Ausschlussgrund nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 Ziff. b VOB/A sei dann gegeben, wenn der Bieter Änderungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen habe (§ 13 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A). Dabei sei der Begriff der Änderungen weit zu verstehen. Er umfasse alle Eingriffe mit verfälschendem Ergebnis, sei es etwa durch Streichungen einzelner Positionen des LV, durch Hinzufügen von bisher nicht vorgesehenen Informationen oder durch Weglassen einer als Ausschlusskriterium gekennzeichneten, vertragswesentlichen Anforderung. Auch der Begriff der Erklärungen und Nachweise in § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A sei weit auszulegen und beziehe sich sowohl auf bieterbezogene Eigen- und Fremderklärungen als auch auf leistungsbezogene Angaben und Unterlagen. Nicht hierunter fielen jedoch, wie sich aus dem systematischen Zusammenhang der Ausschlussgründe nach § 16 Abs. 1 VOB/A ergebe, solche Erklärungen und Nachweise, die bereits nach der vorrangigen Regelung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A zwingend bzw. nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A fakultativ zu einem Ausschluss führten.

Die Abgrenzung, ob es sich beim Fehlen von geforderten Erklärungen um eine nach § 13 Abs. 1 Nr. 5 unzulässige Änderung der Vertragsunterlagen, die zwingend zum Ausschluss führe oder um das Fehlen geforderter Erklärungen und Nachweise im Sinne von § 13 Abs. 1 Nr. 4, die (nach § 16 Abs. 1 Nr. 3) nachzufordern seien, handele, richte sich entscheidend danach, ob die geforderten Angaben die vertragsgegenständlichen Leistungen erst bestimmten und damit wesentlicher Vertragsbestandteil werden oder ob sie den Inhalt des Vertragsangebots lediglich belegen und außerhalb des eigentlichen Vertragstextes stehende Umstände dokumentieren sollten. In diesem Sinne stelle das Fehlen der rechnerischen Nachweise der Wärmedämmeigenschaften keine Änderung der Vergabeunterlagen dar, denn diese wirkten sich nicht auf die Vertragsgestaltung oder den Zuschlagsbeschluss aus. Anders als im LV geforderte Hersteller- und Typenangaben, bei denen es sich um integrale Vertragsbestandteile handele, dienten die hier vom AG geforderten rechnerischen Nachweise nur der (leichteren) technischen Überprüfung, ob die angebotenen Systeme die entsprechenden Anforderungen erfüllten; sie wirkten sich aber in keiner Weise auf die Vertragsgestaltung und insbesondere die angegebenen Preise aus.

Man könne hier daher nicht von einem unvollständigen Angebot im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 Ziff. b VOB/A ausgehen, nur weil die geforderten Nachweise bezüglich der Wärmedämmwerte nicht beigefügt gewesen seien. Somit habe sich der AG pflichtwidrig verhalten, als er das Angebot des A sofort ausgeschlossen habe, ohne die von ihm geforderten Nachweise vorher nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A unter Fristsetzung nachzufordern. Da hier aber A das preisgünstigste Angebot vorgelegt habe und der Preis alleiniges Zuschlagskriterium gewesen sei, habe A gemäß §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf den entgangenen Gewinn (positives Interesse), da der Auftrag einerseits tatsächlich erteilt worden sei und zum anderen A den Zuschlag hätte erhalten müssen.

Rechtliche Würdigung

Eine Entscheidung, die nicht nur den Auftraggeber etwas überrascht haben dürfte. Einmal ist hervorzuheben, dass es sich hier um eine Vergabe unterhalb des Schwellenwertes handelt; zweitens, dass hier – ein seltener Fall – dem Bieter tatsächlich das positive Interesse als Schadensersatz zuerkannt wird, d.h. er wird wirtschaftlich so gestellt, als hätte sein Angebot den Zuschlag erhalten.

Der Auftraggeber wollte hier eigentlich auf „Nummer Sicher“ gehen, als er im LV explizit aufführte, dass der geforderte rechnerische Nachweis bereits bei Angebotsabgabe vorzulegen war und dessen Nichtabgabe zum Angebotsausschluss führt. Gleichwohl erscheint die Entscheidung richtig, da Nachweis eben nicht gleich Nachweis ist. Vielmehr ist dabei zu differenzieren, ob es sich bei den Nachweisen um wesentliche Vertragsbestandteile, die sich letztlich auf den Zuschlag auswirken, handelt, oder lediglich um solche, die weder Einfluss auf Preise noch Zuschlag haben. Im Ergebnis macht das Urteil des OLG Saarbrücken eine rechtssichere Wertung und Zuschlagsentscheidung für den Auftraggeber nicht gerade leichter.

DVNW_Mitglied

Praxistipp

Öffentlichen Auftraggebern ist zu raten, genau zu differenzieren, ob es sich beim Fehlen von geforderten Nachweisen tatsächlich um wesentliche Vertragsunterlagen oder um solche handelt, die gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A nachzufordern sind. Das seit 18.04.2016 geltende neue Vergaberecht ändert an dieser Rechtslage nichts, da es im Baubereich keine Änderungen hinsichtlich der Anforderungen an nachzufordernde Unterlagen vorsieht (siehe § 16a VOB/A bzw. EU VOB/A). Dagegen gilt für den Liefer- und Dienstleistungsbereich nach neuem Vergaberecht nun, dass lediglich eignungsbezogene Unterlagen nachzufordern sind, während dies bei leistungsbezogenen Unterlagen, die die Wirtschaftlichkeitsbewertung der Angebote anhand der Zuschlagskriterien betreffen, ausgeschlossen ist (siehe § 56 Abs. 2 und 3 VgV).

Hinweis der Redaktion
Mehr zu diesem Thema? Herr RA Werner hält in unserer DVNW Akademie das Seminar: „Die Vergabe von Bauleistungen nach dem neuen Vergaberecht 2016″ am 29.09.2016 in Berlin. Weitere Informationen & zur Anmeldung klicken Sie hier.

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Großbauprojekte – Die Kostenkontrolle beginnt mit der Vergabestrategie!

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BauleistungenRecht

Regelmäßig gelangen Großbauprojekte in Deutschland durch Kostenexplosionen und langgezogene Bauzeiten in die Schlagzeilen: Wie berichtet  (Vergabeblog.de vom 08/08/2015, Nr. 23225), wurde anhand der letztjährigen Studie der Hertie School of Governance folgendes festgestellt: Bei 170 untersuchten Großbauprojekten beträgt bei 119 abgeschlossenen Projekten die Kostensteigerung pro Vorhaben durchschnittlich 73 Prozent. Bei 51 noch laufenden Projekten beträgt die Kostensteigerung bereits jetzt schon je Projekt +41 Prozent zu den geplanten Kosten.

Diesen Artikel und die in der Praxis ständig wiederkehrenden eigenen beruflichen Erfahrungen haben die beiden Autoren zum Anlass genommen, die Hintergründe von exorbitanten Preisexplosionen einmal aus baubetrieblicher und vergaberechtlicher Hinsicht zu analysieren.

Die Situation

Wettbewerb, Gleichbehandlung, Transparenz!

Zwar sind uns diese Prinzipien des Vergaberechts altbekannt und vertraut, gleichwohl sind wir aber damit noch lange nicht in der Lage, optimal öffentlich zu beschaffen, wie dies an Beispielen wie der Elbphilharmonie und dem Berliner Großflughafen BER deutlich wird. Denn es sind nicht nur die Faktoren wie Kosten, Termine und technische Qualitäten bei der Bauausführung, die den Erfolg einer zu erbringenden Bauleistung sichern, sondern auch die vorangegangene Vergabe, welche die Bedingungen und Konditionen für den Wettbewerb hinsichtlich der genannten Faktoren vorab festlegt. Von der Qualität der Bewertungssysteme bei komplexen Beschaffungsvorhaben wie IT Systemen etc. ist die Vergabe von Bauleistungen noch weit entfernt, denn hierbei spielt i.d.R. noch immer der Preis die allein entscheidende Rolle.

Wir sind der Auffassung, dass bereits im Vergabeprozess Kriterien Anwendung finden müssen, die zur Einhaltung von Kosten, Terminen und Leistungsqualität während der Ausführungsphase beitragen können.

 

Bauleistung als Vergabeleistung – Vergleichbarkeit mit anderen Beschaffungen?

Im Unterschied zur klassischen Beschaffungs-Vergabe zeichnet sich die Bauleistung vor allem dadurch aus, dass sie meist mittels Standardleistungsbuch katalogartig be- und ausgeschrieben wird. Dies führt u.a. dazu, dass in dem dazugehörigen Leistungsverzeichnis Einheitspreise abgefragt und dann ausschließlich nach ihrer Höhe bewertet werden. Auf den ersten Blick erscheint dies auch logisch. Betrachtet man allerdings rückwirkend, wie sich die tatsächlichen abgerechneten Kosten zu denjenigen verhalten, die bei Angebotsabgabe genannt wurden, so stellt sich doch häufig die Frage, wie es angesichts der angebotenen Preise zu derart exorbitanten Kostensteigerungen kommen konnte.

Selbiges gilt auch in Anbetracht regelmäßig üblicher Nachträge. Inwieweit dort die Grundlagen der Preisermittlung Anwendung für die Bestimmung der Nachtragspreise gefunden haben, darf unter den geschilderten Randbedingungen begründeter Weise bezweifelt werden. Wenn also zum Zeitpunkt der Angebotswertung die Kalkulationsbestandteile nicht hinreichend geprüft, aufgeklärt und einer auf den Zuschlag einflussnehmenden Wertung mit Gewichtung zugeführt worden sind, kann und wird dies für den Auftraggeber fatale Folgen haben:

Ein Beispiel: Im Rahmen einer Sanierungs- und Neubaumaßnahme einer Stadtbauverwaltung sollten Bauleistungen im Bereich der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA) mit einem Auftragswert von ca. 2,5 Mio. € netto vergeben werden. Auszufüllende Formblätter des VHB zur Preisermittlung wurden vom AG nicht angefordert, jedoch verlangte der AG zur Angebotsabgabe eine Vorlage der Urkalkulation. Diese wurde bei der Wertung dann allerdings nicht berücksichtigt sondern lediglich informativ zur Kenntnis genommen ohne die tatsächliche Preiszusammensetzung des Angebots zu hinterfragen.

Im Ergebnis erhielt der augenscheinlich günstigste Bieter mit dem niedrigsten Angebotspreis den Zuschlag.

Erst mit Verlauf der Baumaßnahme wurden im Rahmen von Sachnachträgen (i. S. d. § 1 Abs. 3 und 4 VOB/B i. V. m. § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B) und weiter bei dem nachlaufenden Bauzeitverlängerungsnachtrag die Konsequenzen dieser Vergabe offenkundig: Der bezuschlagte Bieter beanspruchte – unabhängig von jeglicher Position – durchgängig Gemeinkostenzuschläge jenseits von 35 % (bezogen auf die Einzelkosten der Teilleistung – EKT). Mit Ausnahme des Bauzeitverlängerungsnachtrags wurden diese Gemeinkostenzuschläge seitens des Auftraggebers ohne weitergehende Prüfungen der Preisermittlungsgrundlagen auch vergütet.

Allerdings wurde das ausführende Unternehmen im Nachhinein darum gebeten, den Bauzeitennachtrag auf Grundlage von nachzubildenden Preisblättern aufzustellen. Das Ergebnis dieser Vorgehensweise, die aus baubetrieblicher Sicht nur in einer Ablehnung münden konnte, benötigt keine weiteren Erläuterungen.

Es kam folglich bei der Abwicklung der Baumaßnahme naturgemäß zu erheblichen Kostensteigerungen, die, wie nachfolgend erörtert wird, mit geeigneten Mitteln im Zuge der Vergabe in jedem Falle reduziert hätten werden können.

Risikominimierung von Kostenexplosionen – zum Zeitpunkt der Vergabe möglich?

Eine Vielzahl vergleichbarer Fallkonstellationen hat die Autoren deshalb dazu veranlasst, darüber nachzudenken, welche vergabetechnischen Wertungskriterien einem Auftraggeber neben dem Angebotspreis zur Verfügung stehen, um den angesprochenen Problemen entgegenzuwirken. Diesbezüglich bieten sich Zuschlagskriterien wie „terminliche Umsetzung“ und das Qualitätskriterium „Aufwandswert der Bauleistung“ als weitere Parameter an, welche bei der Vergabe entsprechend zu gewichten sind.

Im Einzelnen:

1. Qualität der Ausführungszeit – Realisierbarkeit der Terminplanung

Grundsätzlich wird vom öffentlichen Auftraggeber die Bauzeit samt Ausführungsbeginn und Fertigstellungstermin vorgegeben, so dass dem Bieter diesbezüglich keine freien Gestaltungsmöglichkeiten offen stehen. Anders sieht dies allerdings mit der Terminierung der eigentlichen Umsetzung aus. Hier gilt es zunächst einmal der gesamte gewerksspezifischen Bauablauf innerhalb des vorgebebenen zeitlichen Rahmens darzustellen.

Dies allein genügt jedoch noch nicht den Anforderungen an eine vergleichende Wertung hinsichtlich der Realisierbarkeit. Ergänzend müssen hierzu sowohl die einzelnen Vorgangsdauern durch reale Zeitaufwandswerte und Kapazitäten (Personal/Gerät) hinterlegt werden, als auch Angaben zur täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit und zur Anzahl der wöchentlichen Arbeitstage sowie ggf. Angaben zur Notwendigkeit eines Schichtbetriebes getroffen werden.

Nachfolgend wertungsrelevant bei diesem Kriterium ist im Hinblick auf den Zielerfüllungsgrad das Maß, in welchem die Zeitaufwandswerte rechnerisch mit der Urkalkulation korrespondieren.

2. Qualität der Leistung – Realisierbarkeit des Aufwands

Dem öffentlichen Auftraggeber ist im Weiteren daran gelegen, eine einwandfreie Ausführung der Bauleistung zu erlangen. Somit spielt das Wertungskriterium der Qualität eine ebenfalls maßgebliche Rolle. Was aber bedeutet „Qualität“ für den geschuldeten Bauerfolgt? – Bereits aus dem Begriff der Bauleistung heraus ist es mehr als offensichtlich, dass das Maß für „Qualität“ nicht allein die eingesetzten Materialien sein können, sondern mindestens gleichwertig auch ein realistischer Zeitaufwand für deren Verarbeitung bzw. ein leistungsgerechter Aufwand für die qualitätsvolle Herstellung des zu errichtenden Werks.

Eine sachgerechte Wertung hinsichtlich der Prognose auf eine einwandfreie Leistungserbringung kann daher nur dann erfolgen, wenn die Zeitaufwandswerte sämtlicher maßgeblicher Positionen auf Realisierbarkeit hinsichtlich des angesetzten Aufwands überprüft und bewertet werden.

Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots – Das „beste“ Preis-Leistungs-Verhältnis im Baubereich!

Erst unter Einbezug o.g. Kriterien ergänzend zum Angebotspreis wird es faktisch möglich sein, eine realistische und erfolgsversprechende Prognoseentscheidung hinsichtlich des objektiv tatsächlich besten Preis / Leistungsverhältnisses zu ermitteln. Denn – vergleichbar mit den Reinigungssektor – kann auch im Baubereich eine Leistung nur dann qualitativ hochwertig ausgeführt werden wenn für den vorgegebenen Leistungserfolg auch die dafür vorgesehenen Zeitansätze angemessen und verhältnismäßig sind.

Umsetzung in die Vergabepraxis

Zwar lassen sich die oben beschriebenen Prüfungen der Angebote nur selten ohne baubetriebliche Beratung qualifiziert durchführen. Der damit verbundene Aufwand dürfte jedoch lediglich ein Bruchteil des zu erwartenden Vorteils für den öffentlichen Auftraggeber betragen. Auch die Tatsache, dass ein solches vergaberechtliches Anforderungsprofil naturgemäß zu einer längeren Bearbeitung des Angebotes durch die Bieter der engsten Wahl und im Gegenzug zu einer längeren Angebotsprüfung führen wird, dürften die angesprochenen eklatanten Vorteile maßgeblich positiv überwiegen.

Denn mit der beschriebenen Vorgehensweise lässt sich für den öffentlichen Auftraggeber ein höheres Maß an Sicherheit, sowohl im Hinblick auf die Kosten, als auch hinsichtlich Qualitäten und Terminen erreichen. Bezüglich der Kosten deshalb, weil realitätsnahe Zeitaufwandswerte die Kostenentwicklung nach oben und auf einen objektiv nachvollziehbaren Umfang reduzieren. Bezüglich der Termine, da von Anbeginn an eine höhere Transparenz der Bauabwicklung gewährleistet ist und eine frühzeitige Risikoabwehr ermöglicht wird – und bezüglich der Qualitäten, weil sich eine leistungsgerechte Bauausführung letztendlich qualitativ u.a. an der optimalen Durchführbarkeit von Bautechnik und Personaleinsatz messen lässt.

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Fazit

Der hier vorgetragene Denkansatz der Inanspruchnahme mehrerer Vergabekriterien und deren qualifizierte Umsetzung führt nach dem Verständnis der Verfasser zu einem besseren Preis-Leistungs-Verhältnis, als dies für eine rein preisliche Betrachtung der Angebote angenommen werden kann. Darüber hinaus wird den Beanstandungen der Bieterseite, dass „Immer nur der billigste gewinnt“ entgegengewirkt sowie der Vergaberechtsnovelle und dem dort definierten Anspruch auf Wirtschaftlichkeit als Evaluation des tatsächlich besten (price – value- ratio) Rechnung getragen, was bei einer rein preislichen Betrachtung gerade nicht der Fall ist!

Kontribution

Der Beitrag von Prof. Franz-Josef Schlapka wurde in Zusammenarbeit mit Monika Winkelman verfasst.

Anmerkung der Redaktion
Im Fachausschuss des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW) werden Themen rund um die Bauvergaben diskutiert. Diskutieren Sie mit. Noch kein Mitglied im DVNW? Hier geht’s zur Mitgliedschaft.

Dipl.Ing.(FH) Monika Winkelman

Über Dipl.Ing.(FH) Monika Winkelman

Dipl.-Ing. (FH) Monika Winkelman ist Dozentin für Vergaberecht an der Hochschule Augsburg, ehrenamtliche Beisitzerin Vergabekammer Südbayern und u.a. regelmäßig mit der vergabefachlichen Begleitung von Ausschreibungsverfahren befasst. Sie unterstützt dabei insbesondere kommunale und staatliche Auftraggeber, leitet aber auch als Fachreferentin Seminare zu vergaberechtlichen Themen. Davor war sie über 10 Jahre lang am staatlichen Bauamt München II in der zentralen Vergabestelle mit der Koordinierung und vergaberechtskonformen Abwicklung von nationalen und europäischen Vergabeverfahren betraut.

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Rahmenvereinbarungen: Bindende Verpflichtung oder Wahrung der Flexibilität? – Thema auf dem 3. Deutscher Vergabetag 2016

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Liefer- & DienstleistungenRecht

Am 6. und 7. Oktober 2016 findet in Berlin der 3. Deutsche Vergabetag des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW) statt. Zur Vorbereitung und Auswahl der angebotenen Workshops stellen die Referenten ihren Workshop im Vorfeld des Kongresses vor; heute der Workshop A.2: “Flexible Beschaffung: Rahmenvereinbarungen richtig nutzen”:

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Rahmenvereinbarungen: Bindende Verpflichtung oder Wahrung der Flexibilität?

Das Instrument der Rahmenvereinbarung – legal definiert u.a. in § 103 Abs. 5 GWB als „Vereinbarung zwischen einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern oder Sektorenauftraggebern und einem oder mehreren Unternehmen, die dazu dienen, die Bedingungen für die öffentlichen Aufträge, die während eines bestimmten Zeitraums vergeben werden sollen, festzulegen, insbesondere in Bezug auf den Preis. – ermöglicht es dem Auftraggeber, gleich mehrere Einzelaufträge in nur einem einzigen Vergabeverfahren zu bündeln und hierbei flexibel auf noch bestehende Ungewissheiten bei der Leistungsbeschaffung zu reagieren.

Fraglich ist nun, ob es dem Auftraggeber zur Sicherung der Leistungsbeschaffung auch möglich ist, zwei Rahmenvereinbarungen über dieselbe Leistung parallel abzuschließen – oder etwa zusätzlich zu einer bereits bestehenden Rahmenvereinbarung über dieselbe Leistung eine Einzelvergabe durchzuführen.

I. Zur bisher geltenden Rechtslage

Gem. § 4 EG Abs. 1 Satz 3 VOL/A a.F. war es unzulässig, über dieselbe Leistung mehrere Rahmenvereinbarungen abzuschließen.

1. Zunächst: Was ist unter „derselben Leistung“ idS zu verstehen?

Ob „dieselbe“ Leistung vergeben wird, ist durch wertenden Vergleich festzustellen; entscheidend ist, ob die jeweilige Leistung (respektive der jeweilige Leistungsteil) mit Blick auf ihre funktionale und wirtschaftliche Bedeutung in den Anwendungsbereich der Rahmenvereinbarung fällt[1], und nicht etwa, ob es sich um vollumfänglich kongruente Leistungsgegenstände handelt[2]. Fiel der betroffene Gegenstand ganz oder auch nur teilweise in den Anwendungsbereich, war es dem Auftraggeber nicht erlaubt, hierüber eine weitere Rahmenvereinbarung abzuschließen; unerheblich ist hierbei, ob die bestehende Rahmenvereinbarung neben dem Gegenstand noch andere Leistungen umfasst oder hinsichtlich einzelner Leistungen hinter diesem zurückbleibt.[3]

2. Reichweite des Verbots der Doppelvergabe

Sinn und Zweck des Verbots ist es, die Amortisierungschancen des Rahmenvertragspartners nicht durch eine nachträglich erfolgende separate Vergabe der identischen Leistung zu schmälern. Bereits durch das Wählen dieses spezifischen Vergabeverfahrens (also das Einsetzen einer Rahmenvereinbarung) tritt daher – obwohl eine Abrufverpflichtung in der Regel nicht steht[4] – eine Selbstbindung des Auftraggebers ein.

Dem Auftraggeber solle nicht die Möglichkeit eröffnet werden, gleichartige Leistungen aus mehreren, parallel bestehenden Rahmenvereinbarungen zu variierenden Bedingungen abzurufen; der Grundsatz der Gleichbehandlung gebiete es, für sämtliche Vertragspartner einen einheitlichen Rahmen festzulegen[5]. Aus diesen Gründen dürfte sich das Doppelausschreibungsverbot für den Regelfall bereits aus allgemeinen vergaberechtlichen Prinzipien ergeben.[6]

Fraglich ist, ob die Reichweite der Sperrwirkung jedwede Auftragsvergabe betrifft, so auch die Ausschreibung von Einzelleistungen; eine solche sperrt die Vorschrift jedenfalls nicht ausdrücklich, da sich diese von ihrem Wortlaut her nur auf den Abschluss paralleler Rahmenvereinbarungen bezieht.[7]

Teilweise wird die teleologische Extension der Vorschrift des § 4 EG Abs. 1 Satz 3 VOL/A gefordert; so habe der Auftraggeber seinen Bedarf doch bereits durch Abschluss einer Rahmenvereinbarung gedeckt[8] – für eine anderweitige nachfolgende Beschaffung bestehe also kein Anlass -; außerdem sollten die Rahmenvertragspartner darauf vertrauen dürfen, dass die betreffende Leistung nicht noch einmal im Wettbewerb vergeben werde.[9]

Diese Ansicht wird aber zum einen nicht vom engen Wortlaut der Vorschrift getragen; auch die Zielsetzung des Instruments der Rahmenvereinbarung – nämlich, den öffentlichen Auftraggeber bei Beschaffung wiederkehrender Leistung zu entlasten[10] – und das primäre Anliegen des Vergaberechts, einen offenen Wettbewerb bei der Waren- und Dienstleistungsbeschaffung durch die öffentliche Hand sicherzustellen[11], scheinen dem entgegenzustehen: Bejahte man eine generelle Sperrwirkung, würden die von der jeweiligen Rahmenvereinbarung erfassten Leistungen unwiderruflich und dauerhaft dem Wettbewerb entzogen. Das Doppelausschreibungsverbot soll aber lediglich eine mehrfache und damit über den bestehenden Bedarf hinausgehende Beschaffung ein- und derselben Leistung unterbinden; eine solche Situation ist aber dann nicht gegeben, wenn Einzelleistungen außerhalb einer insoweit bestehenden Rahmenvereinbarung beschafft werden[12]. Die Rahmenvereinbarung legt zwar die Bedingungen für Einzelaufträge, die auf ihrer Grundlage erteilt werden sollen, fest, die einzelnen Abrufe aber werden noch gar nicht konkretisiert. Die Beauftragung bestimmter Einzelleistungen außerhalb einer Rahmenvereinbarung stellt damit auch keine doppelte Deckung eines spezifischen Bedarfs dar.[13] Dies könnte allenfalls dann der Fall sein, wenn die von der Rahmenvereinbarung erfassten Leistungen gänzlich – oder jedenfalls überwiegend – außerhalb der Rahmenvereinbarung beschafft werden, sie also leerliefe.[14]

II. Neue Rechtslage

In § 21 VgV fehlt das o.g. Doppelvergabeverbot gänzlich. Hier lautet es nunmehr nur noch, dass eine Rahmenvereinbarung nicht missbräuchlich oder in einer Art angewendet werden darf, die den Wettbewerb behindert, einschränkt oder verfälscht.

Um die Sicherheit der Leistungsbeschaffung letztlich zu gewährleisten, müsste es nach alter sowie neuer Rechtslage zumindest möglich sein, einzelne Leistungen im Wege einer parallel zur bereits bestehenden Rahmenvereinbarung laufenden Einzelbeauftragung zu beschaffen.

Unklar bleibt zum jetzigen Zeitpunkt, ob durch den Wegfall des § 4 EG Abs. 1 Satz 3 VOL/A – und damit des ausdrücklich normierten Doppelvergabeverbotes – eine zusätzliche, sich auf denselben Leistungsgegenstand beziehende Rahmenvereinbarung zulässig ist, die dem Mandanten einen „Auffang-Pool“ an Unternehmen bieten würde, der dann zum Einsatz käme, sollte entweder der Fall des oben angedachten „Nichtleistenkönnens“ eintreten oder – als weitergehende Frage – sich ein dem Auftraggeber zusagendes Angebot durch die „Rahmenvereinbarung I“ nicht auftun.

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Einladung

Ihre Fragen rund um diesen Themenkomplex werden im Workshop A.2: “Flexible Beschaffung: Rahmenvereinbarungen richtig nutzen” auf dem 3. Deutschen Vergabetag am 6. Oktober 2016 in Berlin von den Referenten Frau Rechtsanwältin Aline Fritz (FPS Fritze Wicke Seelig Partnerschaftsgesellschaft von Rechtsanwälten mbB) und Herrn Dirk Eltus (IT-Einkauf, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR)) gerne beantwortet.

Der Workshop behandelt insbesondere die Themen:

  • Was ist neu in GWB und VgV 2016?
  • Arten von Rahmenvereinbarungen
  • Einzelabrufe und Mini-Wettbewerbe
  • Praxisfälle

Das vollständige Programm des 3. Deutschen Vergabetags 2016 sowie eine Anmeldemöglichkeit finden Sie unter:

www.deutscher-vergabetag.de

Anmerkung der Redaktion
Das Thema Rahmenvereinbarung wird auch im Deutschen Vergabenetzwerk (DVNW) diskutiert. Aktuelle Themen sind u.a.:
Rahmenvertrag: Überschreitung kalkulierter Auftragswert sowie
Mehrere Rahmenvereinbarungen vs. dieselbe Leistung.
Diskutieren Sie mit. Noch kein Mitglied im DVNW? Hier geht’s zur Mitgliedschaft.

 

 


[1] So Völlink in: Ziekow/Völlink, VergabeR, 2. Auflage 2013, § 4 VOL/A, Rn. 8; Schrotz in: Pünder/Schellenberg, VergabeR, 2. Auflage 2015, § 4 EG VOL/A, Rn. 83.

[2] Das Verbot könnte sonst leicht durch nur geringfügige Änderungen des Beschaffungsgegenstandes unterlaufen werfen, Schrotz in: Pünder/Schellenberg, VergabeR, 2. Auflage 2015, § 4 EG VOL/A, Rn. 83.

[3] Schrotz in: Pünder/Schellenberg, VergabeR, 2. Auflage 2015, § 4 EG VOL/A, Rn. 84.

[4] Dies ist zumindest der Fall bei der gängigsten Gestaltungsform, der einseitig verbindlichen Rahmenvereinbarung: Verweigert der Auftragnehmer die abgerufene Leistung, handelt er vertragswidrig; demgegenüber unterliegt der Auftraggeber keiner korrespondierenden Verpflichtung zum Leistungsabruf. Literatur und Praxis gehen überwiegend davon aus, dass Rahmenverträge ohne auftraggeberseitige Abrufverpflichtung idR zulässig sind, so etwa VK Bund v. 29.7.2009, VK 2-87/09; VK Bund v. 20.4.2006, VK 1-19/06; VK Bund v. 28.1.2005, VK 3-221/04; Dicks, Vergabe- und kartellrechtliche Aspekte von Rahmenvereinbarungen, S. 110; Graef, NZBau 2005, 561, 565.

[5] Poschmann in: Müller-Wrede, VOL/A, § 4 EG Rn 47.

[6] Schrotz in: Pünder/Schellenberg, VergabeR, 2. Auflage 2015, Rn. 77.

[7] Vgl etwa Schwetzel in: Heuvels/Höß/Kuß/Wagner, § 4 VOL/A-EG Rn 21.

[8] S. Graef, NZBau 2005, 561, 568; vgl auch Jakobi, VergabeR 2006, 768, 771.

[9] Vgl. Gröning, VergabeR 2005, 156, 158; Zeise in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 4 EG Rn 28; vgl auch BMI-Beschaffungsamt,Vergabehandbuch, S. 134

[10] Knauff, VergabeR 2006, 24, 32; Zeise in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 4 EG Rn 13.

[11] Fehling, § 97 GWB, Rn 52 ff.

[12] Sehen die Einzelausschreibung einer Leistung, die Gegenstand einer Rahmenvereinbarung ist, als erlaubt an: Schrotz in: Pünder/Schellenberg, § 4 EG VOL/A Rn. 69; Zeise in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß VOL/A, § 4 Rn. 21; Knauff VergabeR 2006, 24, 32; a.A. hingegen: Graef NZBau 2005, 561, 568; Gröning VergabeR 2005, 156, 158.

[13] Auch Poschmann in: Müller-Wrede, VOL/A, § 4 EG Rn 48

[14] Schrotz in: Pünder/Schellenberg, VergabeR, 2. Auflage 2015, Rn. 80.

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Rahmenvereinbarungen – Rien ne va plus!?

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Liefer- & DienstleistungenRechtUNBEDINGT LESEN!

Ein Plädoyer für eine sinnvolle Auslegung des § 132 GWB in Bezug auf Rahmenvereinbarungen nach der VgV.

Einleitung

Aus Sicht des europäischen Gesetzgebers hat sich die Rahmenvereinbarung als Instrument bewährt und findet als effiziente Beschaffungsmethode breite An- und Verwendung in Europa (Erwägungsgrund 60 der RL 2014/24/EU). Aus den Erwägungsgründen ergibt sich weiter, dass nur punktuell Klarstellungen vorgenommen werden sollten. Im folgenden Beitrag geht es darum, ob diese Vorgabe auch tatsächlich befolgt wurde und nicht – unter Umständen aus Versehen – eine massive Einschränkung der Flexibilität des Instruments durch die Kodifizierung der sog. „Pressetext-Entscheidung“ des EuGH (Urteil vom 19.06.2008-C-454/06) in Art. 72 der RL 2014/24/EU und dessen Umsetzung in nationales Recht in § 132 GWB (BT-Drs. 18/6281 S. 116 f.) erfolgte. Im Ergebnis wird eine rechtlich vertretbare Auslegung des Anwendungsbereichs des § 132 GWB vorgeschlagen, die dem Charakter des Instruments der Rahmenvereinbarung gerecht wird und sich damit sowohl an der Grundüberzeugung und den Zielen des europäischen Gesetzgebers (s.o.) als auch an den praktischen Bedürfnissen der Auftraggeber nach flexiblen Reaktionsmöglichkeiten orientiert.

Ausgangslage vor der Reform

Bereits vor der Vergaberechtsreform ging die ganz herrschende Meinung in Deutschland (damals noch ohne explizite gesetzliche Grundlage) bzgl. „Einzelvergaben“ davon aus, dass wesentliche Auftragsänderungen während der Vertragslaufzeit ein neues Vergabeverfahren nötig machen können. Man orientierte sich dabei sehr stark an der „Pressetext-Entscheidung“ des EuGH und ging regelmäßig bereits von wesentlichen Änderungen aus, wenn der Wert der Änderung den Schwellenwert überschritt oder 10 – 15 % des ursprünglichen Auftragswertes entsprach. In Bezug auf Rahmenvereinbarungen ging man im Falle der Konstellation, dass man sich hinsichtlich des Auftragsvolumens einer Rahmenvereinbarung (§ 4 EG Abs. 1 S. 2 VOL/A) nicht festgelegt hatte, sondern nur eine „ca. Angabe“ vornahm, einen anderen Weg. Insoweit ging die herrschende Meinung (siehe z.B.: OLG Jena, Beschluss vom 22.08.2011 – 9 Verg 2/11 (NZBau 2011 S. 771 ff.); Richter/Mairgünther in Vergabeblog.de vom 31/07/2013, Nr. 16593 m.w.N.) davon aus, dass insofern eine Einzelfallentscheidung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nötig war. Weitgehende Einigkeit bestand auch, dass starre Prozentwerte oder gar der Schwellenwert bzgl. des Werts der Änderung nicht alleine maßgeblich sein können. Als Grund wurde regelmäßig und zu Recht angeführt, dass eine Rahmenvereinbarung flexibel sein soll und dies der Rahmenvereinbarungen wesensimmanent sei. Im Gegenzug für diese vom Gesetzgeber eingeräumte Flexibilität und die Akzeptanz der zumindest potentiell wettbewerbsbehindernden Wirkung einer Rahmenvereinbarung ist die regelmäßig zulässige Laufzeit relativ eng begrenzt worden. Die „Pressetext-Entscheidung“ des EuGH wurde in dieser Diskussion vor der Reform nicht in Bezug genommen.

§ 132 GWB auf Rahmenvereinbarungen anwendbar?

Die Regelung des § 132 GWB dient der Umsetzung des Art. 72 der Richtlinie 2014/24/EU und soll – nicht zuletzt – Rechtssicherheit in diesen bisher ausschließlich durch die Rechtsprechung geprägten Bereich bringen (Erwägungsgrund 2 der RL 2014/24/EU).

Dies ist zumindest bzgl. der Rahmenvereinbarungen nicht wirklich geglückt.

Auch wenn die Rahmenvereinbarung in Abweichung von Art. 72 der RL 2014/24/EU nicht ausdrücklich in § 132 GWB genannt wird, sprechen doch gewichtige Gründe für eine zumindest grundsätzliche Einbeziehung der Rahmenvereinbarung in den Anwendungsbereich der Regelung. Zunächst gab bereits das Eckpunktepapier zur Reform des Vergaberechts vom 07.01.2015 das klare Ziel einer 1:1 Umsetzung der EU-Richtlinien in das deutsche Recht vor. Weiter lässt die Vorgabe des Art. 72 der RL 2014/24/EU auch nicht wirklich Spielraum für Abweichungen. Schließlich ist § 103 Abs. 5 Satz 2 GWB zu beachten. § 132 GWB erwähnt die Rahmenvereinbarung zwar nicht, schließt sie aber auch nicht ausdrücklich aus. Dementsprechend ist von einer grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 132 GWB auf Rahmenvereinbarungen auszugehen.

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Umsetzung der „Pressetext-Entscheidung“ in § 132 GWB

Die für die hier aufgeworfene Konstellation problematische Ausgestaltung betrifft die sog. „de-minimis-Grenze“ des § 132 Abs. 3 GWB. Wenn man nämlich die diesbezüglichen Ausführungen in den Gesetzgebungsmaterialien (BT-Drs. 18/6281 S. 117) und den Wortlaut des Art. 72 Abs. 2 der RL 2014/24/EU berücksichtigt, spricht viel dafür, dass alleine bei Überschreitung des jeweils maßgeblichen Schwellenwertes durch den Wert der Änderung oder des genannten Prozentwertes automatisch von einer wesentlichen Änderung auszugehen sein soll. Würde man dies nunmehr vollumfänglich auf die oben genannte Problematik („ca. Angabe“) übertragen, würden sich sehr schnell Folgeprobleme ergeben. Zu nennen wäre hier zum Beispiel, dass man unter Umständen eine zweite Rahmenvereinbarung über die gleiche Leistung ausschreiben müsste. Auch wenn sich das bisherige Verbot des § 4 EG Abs. 1 Satz 3 VOL/A nicht mehr explizit in § 21 VgV findet, könnte man doch unter Umständen zumindest über eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung diskutieren (§ 21 Abs. 1 Satz 3 VgV). Weiter könnte es passieren, dass diese massive Einschränkung der Flexibilität das Instrument der Rahmenvereinbarung unattraktiv für die Auftraggeber machen würde und die Verwendung daher zurückgehen könnte. Diese Aspekte sollen vorliegend aber nicht weiter vertieft werden, weil sich die kritischen Situationen bei einer sinnvollen Auslegung des Anwendungsbereichs des § 132 GWB deutlich und auf den bereits vor der Reform bestehenden Umfang reduzieren lassen. Damit wird dann auch dem Willen des europäischen Gesetzgebers (s.o.) nach nur punktuellen Klarstellungen ohne wesentliche Neuerungen im Bereich der Rahmenvereinbarung entsprochen.

Sinnvolle Auslegung des § 132 GWB

Der richtige Ansatz für ein sinnvolles Verständnis des Anwendungsbereichs des § 132 GWB ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut der Regelung. Der maßgebliche Begriff ist die Änderung des Auftrags (im wesentlichen Umfang). Ob man nunmehr von einer Änderung sprechen kann und diese dann auch noch wesentlich ist, hängt doch aber entscheidend davon ab, ob man sich vorher festlegt bzw. dies überhaupt muss.

Eine Rahmenvereinbarung unterscheidet sich von einer „Einzelausschreibung“ – für welche die Regelung des § 132 GWB ohne Zweifel und ohne Einschränkung gilt – vor allem darin, dass bei einer Rahmenvereinbarung das in Aussicht genommene Auftragsvolumen „nur“ so genau wie möglich zu ermitteln und bekannt zu geben ist, aber nicht abschließend festgelegt zu werden braucht. Dies galt vor der Reform (§ 4 EG VOL/A) und ist nunmehr in § 21 Abs. 1 Satz 2 VgV geregelt. In Art. 33 Abs. 1 der RL 2014/24/EU findet sich die Vorgabe, dass die in Aussicht genommene Menge in einer Rahmenvereinbarung auch nur gegebenenfalls festzulegen ist. Diese Vorgaben sind richtig und entsprechen dem Wesen der Rahmenvereinbarung, wie es bereits vor der Reform verstanden wurde. Der Abschluss einer Rahmenvereinbarung bietet den Auftraggebern insbesondere (aber nicht ausschließlich) bei häufig wiederkehrenden, gleichartigen Bedarfen die Möglichkeit einer relativ schnellen, flexiblen, ressourcenschonenden und damit effizienten Beschaffung. An der Grundintention der Rahmenvereinbarung hat sich also nichts geändert. Abgesehen von dieser Aufweichung der ansonsten relativ starren Vorgaben des Vergaberechts, muss man sich aber bei der Rahmenvereinbarung ebenfalls z.B. auf einen oder mehrere Vertragspartner und die erfassten Auftragsgegenstände festlegen.

Angesichts dieser bereits in den vergaberechtlichen Vorgaben angelegten Differenzierung bietet es sich an, den Anwendungsbereich des § 132 GWB entsprechend zu verstehen:

Auch bzgl. Rahmenvereinbarungen sind Anpassungen während der Vertragslaufzeit im Grundsatz an den Vorgaben des § 132 GWB zu messen. Dies ist z.B. beim nachträglichen Austausch des Auftragnehmers, bei der nachträglichen Veränderung des wirtschaftlichen Gleichgewichts zu Gunsten des Auftragnehmers oder bei der nachträglichen Aufnahme zusätzlicher Leistungen in die Rahmenvereinbarung auch durchaus nachvollziehbar. Hier würde man jenseits des Vergabeverfahrens und intransparent handeln.

Ganz anders ist die Ausgangslage jedoch in dem Fall, dass man das geschätzte Auftragsvolumen („ca. Angabe“) überschreitet. Man legt sich ja gerade ausdrücklich nicht fest. Dies kann daran liegen, dass man es nicht will. Häufig kann man es aber auch schlicht nicht. Weiter kann und wird man dies ja auch transparent im Vergabefahren kommunizieren. Damit können sich die Unternehmen darauf einstellen. Es liegt also gar keine Änderung während der Vertragslaufzeit vor, wie es § 132 GWB jedoch voraussetzt. Man nutzt vielmehr den durch die vergaberechtlichen Vorschriften eingeräumten Spielraum aus. Die Regelung des § 132 GWB greift in diesem speziellen Bereich also schon dem Wortlaut nach gar nicht.

Grenzen der Freiheit

Der Umstand, dass die Regelung des § 132 GWB im vorgenannten Spezialfall nicht greift, kann und soll jedoch nicht bedeuten, dass man den geschätzten Wert unbegrenzt (rechtlich zulässig) überschreiten darf. Vielmehr sind auch in dieser Konstellation die vergaberechtlichen Grundsätze zu beachten. Auf Grund der expliziten Regelung in § 21 Abs. 1 S. 3 VgV bietet es sich hier an, dass man bei einer missbräuchlichen Überschreitung des geschätzten Auftragsvolumens die Grenze zieht. In Ermangelung näherer Ausführungen zu der Regelung in den Gesetzgebungsmaterialien auf nationaler Ebene sollte man hier auf den bereits vor der Reform von der h.M. vertretenen Ansatz zurückzugreifen. Wann nämlich eine rechtsmissbräuchliche Anwendung einer Rahmenvereinbarung vorliegt, lässt sich nur im Einzelfall und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls entscheiden.

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Zusammenfassung

Hinsichtlich Rahmenvereinbarungen ist der Anwendungsbereich des § 132 GWB nicht in allen Konstellationen eröffnet. In dem Fall, dass bezüglich des hinreichend sorgfältig geschätzten Auftragsvolumens eine „ca. Angabe“ erfolgt und man sich dementsprechend auch nicht selbst bindet, liegt schon sprachlich bei der Überschreitung der Schätzung die Annahme einer Änderung fern. Die Regelung greift nicht. Die Grenze sollte bei einer missbräuchlichen Überziehung gezogen werden. Wann diese vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls.

Anmerkung der Redaktion
Das Thema Rahmenvereinbarung wird auch im Deutschen Vergabenetzwerk (DVNW) diskutiert. Aktuelle Themen sind u.a.:
Rahmenvertrag: Überschreitung kalkulierter Auftragswert sowie
Mehrere Rahmenvereinbarungen vs. dieselbe Leistung.
Diskutieren Sie mit. Noch kein Mitglied im DVNW? Hier geht’s zur Mitgliedschaft.

Das Thema Rahmenvereinbarung ist zudem Gegenstand des 3. Deutschen Vergabetags am 6. und 7 Oktober 2016 im Bundespresseamt, Berlin. Das vollständige Programm des 3. Deutschen Vergabetags 2016 sowie eine Anmeldemöglichkeit finden Sie hier.

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Nicht EU-weit ausgeschrieben? Recht des Bieters auf Angebotsabgabe im Wettbewerb! (OLG München, Beschl. v. 02.06.2016 – Verg 15/15)

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Liefer- & DienstleistungenRechtUNBEDINGT LESEN!

EntscheidungDas OLG München sieht einen drohenden Schaden auch bei dem Bieter, der an einem unzutreffend national durchgeführten Verfahren beteiligt wurde – eine durchaus zu diskutierende Entscheidung!

Sofern Auftraggeber nationale Vergabeverfahren durchführen, obwohl eigentlich eine europaweite Ausschreibung geboten wäre, stellt sich immer wieder die Frage der Rügepräklusion, wenn sich ein Bieter zunächst auf dieses unzutreffende Verfahren eingelassen hat. Allein die Rüge eines am unzutreffenden Verfahren teilnehmenden Bieters, der Auftrag müsse europaweit ausgeschrieben werden, dürfte aber für sich noch keine Rechtsverletzung des Rügenden bedeuten – er nimmt ja gerade am Verfahren teil.

In einer aktuellen Entscheidung hat das OLG München (B. v. 02.06.2016, Verg 15/15) dies allerdings anders beurteilt. Der Vergabesenat nimmt einen drohenden Schaden bereits deshalb an, weil der rügende Bieter sein Angebot evtl. günstiger kalkuliert hätte und eine entsprechend höhere Chance auf den Zuschlag gehabt hätte, wenn er von einem unbeschränkten Wettbewerb hätte ausgehen müssen.

§§ 134, Abs. 1, 135 Abs. 1 Nr. 1, 160 Abs. 2, 3 GWB; §§ 3 Abs. 1, 37 VgV

Leitsatz

  1. Der Auftraggeber hat die betroffenen Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, den Namen des Unternehmens, dessen Angebot angenommen werden soll, mitzuteilen sowie über die Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebots und über den frühesten Zeitpunkt des Vertragsabschlusses unverzüglich in Textform zu informieren. Eine telefonische Mitteilung genügt dem Formerfordernis nicht.
  2. Einem Bieter, der sich an dem beanstandeten Vergabeverfahren durch die Abgabe eines Gebots beteiligt hat, droht regelmäßig auch dann im Sinne von § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB a. F. ein Schaden durch eine Verletzung von Vergabevorschriften, wenn statt einer europaweiten Ausschreibung ein nationales Vergabeverfahren eingeleitet wurde.
  3. Von einem Geschäftsführer bzw. Inhaber kleinen Busunternehmen mit kleinem Fuhrpark und regionalem Tätigkeitsschwerpunkt können keine genauen Kenntnisse über die maßgeblichen Schwellenwerte und die Berechnung des Auftragswerts erwartet werden.

Sachverhalt

Der Auftraggeber forderte insgesamt acht Busunternehmen zur Angebotsabgabe für Schülerbeförderungsleistungen für die kommenden zwei Schuljahre auf. Neben den Fahrten zur und von der Schule sollten auch unregelmäßig stattfindende Veranstaltungen (Schwimmunterricht, Sportfeste) zu dem angebotenen Preis vergütet werden. In der Aufforderung zur Angebotsabgabe wies der Auftraggeber ausdrücklich darauf hin, dass die Regelungen der VOL/A keine Anwendung finden sollten.

Neben dem Antragsteller, welcher die ausgeschriebenen Leistungen in der Vergangenheit bereits seit Jahren erbracht hatte, reichte lediglich die Beigeladene fristgerecht ein Angebot ein. Dieses Angebot der Beigeladenen wies den günstigsten Angebotspreis aus. Dem Antragsteller wurde daraufhin telefonisch mitgeteilt, dass er den Zuschlag nicht erhalten würde, da ein günstigeres Angebot vorläge. Auf schriftliche Nachfrage teilte der Auftraggeber dies auch nochmals schriftlich mit.

Daraufhin rügte der Antragsteller, dass trotz Überschreitens des Schwellenwerts kein europaweites Verfahren durchgeführt wurde und die vom Auftraggeber erteilte Information nicht den Anforderungen des § 134 Abs. 1 GWB (auch wenn das Verfahren an den Anforderungen des „alten“ Rechts zu messen war, wird nachfolgend die Paragraphenbezeichnung des „neuen“ Rechts verwendet) entspreche.

Der Auftraggeber entgegnete hierauf, dass der geschätzte Auftragswert den Schwellenwert nicht erreiche und ein europaweites Verfahren dementsprechend nicht notwendig gewesen sei. Im Übrigen sei ein diesbezüglicher Verstoß ohnehin gem. § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB aus den Vergabeunterlagen erkennbar. Somit sei der Antragsteller mit diesem Vorbringen spätestens seit dem Ablauf der Angebotsfrist präkludiert.

Der Auftraggeber erteilte anschließend den Zuschlag.

Der Antragsteller beantragte daher bei der Vergabekammer Südbayern die Unwirksamkeit der Zuschlagserteilung gem. § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB festzustellen. Die Vergabekammer wies den Antrag mit Beschluss vom 27.10.2015 (Az.: Z3-3-3194-1-46-08/15) als unzulässig zurück. Zwar sei davon auszugehen, dass eine europaweite Ausschreibung durchzuführen gewesen wäre. Eine qualifizierte Auftragswertschätzung des Auftraggebers läge schon nicht vor, da die Sonderfahrten nicht berücksichtigt worden wären. Dementsprechend müsse die Kammer den Auftragswert eigenständig unter Berücksichtigung des Sachverhalts schätzen und käme zu dem Ergebnis, dass der Schwellenwert überschritten sei.

Auf die unterbliebene EU-weite Ausschreibung könne sich der Antragsteller jedoch nicht berufen, da für ihn erkennbar gewesen sei, dass ein nationales Verfahren durchgeführt würde. Gerade ihm als „Bestandsanbieter“ hätte der Umfang der Leistungen aus den vergangenen Jahren bekannt sein müssen. Ebenfalls müsse er grundlegend wissen, dass ab einem geschätzten Auftragswert von damals 207.000 EUR  netto ein europaweites Verfahren durchzuführen sei. Dementsprechend sei der Nachprüfungsantrag schon unzulässig.

Darüber hinaus sei der Antrag wohl auch unbegründet, da sich der gerügte Verstoß nicht zulasten des Antragsstellers ausgewirkt habe – sein preislich zweitplatziertes Angebot habe ohnehin keine Berücksichtigung finden können.
Der Antragsteller will dies nicht anerkennen und legt sofortige Beschwerde ein.

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Die Entscheidung

Erstaunlicherweise mit Erfolg!

Zunächst bestätigt der Senat die Vergabekammer dahingehend, dass der Auftrag bei zutreffender Schätzung des Auftragswertes europaweit hätte ausgeschrieben werden müssen und begründet dies nachvollziehbar auch damit, dass der Antragsteller auch in den beiden vorangegangenen Schuljahren insgesamt mehr 207.000 EUR fakturiert habe.

Diesen Verstoß hätte der Auftraggeber auch aus den Vergabeunterlagen nicht erkennen können. Zwar hätte den Vergabeunterlagen entnommen werden können, dass eine nationale Ausschreibung durchgeführt würde. Allerdings sei der Auftragswert, von dem der Auftraggeber ausgegangen sei, nicht ersichtlich gewesen. Von einem durchschnittlichen Unternehmen in diesem Bereich (kleines Busunternehmen mit kleinem Fuhrpark und regionalem Tätigkeitsschwerpunkt) könnten keine genauen Kenntnisse über maßgebliche Schwellenwerte und die Berechnung des Auftragswertes erwartet werden. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Ausschreibung von Beförderungsleistungen der öffentlichen Hand eher die Ausnahme darstelle. Der Antragsteller sei daher mit seinem Vorbringen auch nicht präkludiert.

Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH (B. v. 10.11.2009, Az.: X ZB 8/09) habe der Antragsteller ferner dargelegt, dass ihm durch einen Vergaberechtsverstoß ein Schaden entstanden sei bzw. zu entstehen drohe. Hierzu genüge es, wenn sich aus dem Vortrag ergebe, dass der Antragsteller für den Fall eines neuerlichen Verfahrens bessere Chancen auf den Zuschlag haben könnte als in dem beanstandeten Verfahren. Es sei unerheblich, dass nicht abzusehen sei, ob der Antragsteller in dem neuen Verfahren tatsächliche Chancen auf den Zuschlag hätte.

In dem vom BGH zu entscheidenden Fall hatte der Auftraggeber zwar statt eines gebotenen Offenen Verfahrens ein Verhandlungsverfahren durchgeführt. Die vorstehenden wesentlichen Grundsätze dieser Entscheidung seien jedoch nach Ansicht des Senats auf den hiesigen Sachverhalt zu übertragen. Ein Schaden könne daher nicht allein mit der Begründung verneint werden, dass er Antragsteller in dem nationalen Verfahren unterlegen sei. Vielmehr könne er sich darauf berufen, in einem europaweiten Verfahren bessere Chancen auf den Zuschlag zu haben.

In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigten, dass durch ein europaweites Verfahren nicht nur der Bieterkreis erweitert werden würde. Vielmehr ergebe sich auch ein Unterschied in Bezug auf die durchzuführenden Verfahrensschritte und die erhöhten formellen Bindungen des Auftraggebers. Der Senat unterlegt seine Ansicht mit Verweis auf weitere obergerichtliche Rechtsprechung, insbesondere auf einen Beschluss des OLG Rostock vom 06.11.2015 (Az.: 17 Verg 27/15). Gleichfalls wird darauf hingewiesen, dass es sich bei der Entscheidung des Senats vom 31.01.2013 (Az.: Verg 31/12), durch welchen ein Nachprüfungsantrag zurückgewiesen wurde, da der Antragsteller zu Recht wegen Änderung der Vergabeunterlagen ausgeschlossen wurde, um eine Einzelfallentscheidung handele.

Vorliegend sei lediglich entscheidend, ob der Antragsteller nachvollziehbar dargelegt habe, im Falle einer europaweiten Ausschreibung bessere Chancen auf den Zuschlag zu haben. Dies sei deswegen gelungen, da der Antragsteller vorgetragen habe, er hätte in diesem Fall seinen Angebotspreis nicht gegenüber dem vorangegangenen Auftrag erhöht bzw. aufgrund der Konkurrenzsituation sogar günstiger kalkuliert.

Der Nachprüfungsantrag sei daher wegen eines Verstoßes gegen die Informationspflicht nach § 134 Abs. 1 GWB und des Unterlassens eines europaweiten Verfahrens begründet, die Unwirksamkeit des Vertrags entsprechend festzustellen.

Rechtliche Würdigung

Herzlich willkommen im vergaberechtlichen Kuriositätenkabinett!
Dass die Auftragswertschätzung des Auftraggebers vorliegend wohl nicht ganz zu Ende gedacht war – geschenkt. Dass die Vorabinformation nicht den Vorgaben des § 134 Abs. 1 GWB entsprach – ebenso! Insofern trägt die Entscheidung auch nicht zur Rechtsfortbildung bei.

Aber dem Antragssteller eine Verletzung in eigenen Rechten und einen drohenden Schaden zuzugestehen, weil er wohl dachte, er würde das Angebot nicht in Konkurrenz abgeben und er seine Marge dementsprechend wohl etwas großzügiger gestalten wollte (die preisrechtliche Prüfung außen vor gelassen), kann durchaus diskutiert werden. Und diese Diskussion sollte ausführlicher als vom Münchner Vergabesenat geführt werden.

Zunächst ist hier zu bedenken, dass der Antragsteller lediglich gerügt hatte, der Auftraggeber habe den Auftrag trotz Überschreitens des Schwellenwerts nicht europaweit ausgeschrieben. Diese zutreffende Rüge identifiziert einen Verstoß gegen die Verpflichtung zur europaweiten Bekanntmachung nach § 37 VgV. Sinn und Zweck der Verpflichtung zur europaweiten Bekanntmachung ist es, eine Publizität zu gewährleisten, die potentiellen Auftragnehmern eine Teilnahme am Verfahren ermöglicht (OLG Koblenz, B. v. 08.12.2008, Az.: Verg 4/08). Durch den Verstoß gegen die Bekanntmachungspflicht kann der Antragsteller allerdings nicht in seinen Rechten verletzt werden, da dieser vom Auftraggeber ausdrücklich zur Angebotsabgabe aufgefordert wurde und so ohnehin die Möglichkeit erhalten hat, sich am Verfahren zu beteiligen.

Sofern der Antragsteller vorträgt, ihm drohe hier ein Schaden, weil nicht auszuschließen sei, dass er in einem zukünftigen Verfahren bessere Chancen auf den Zuschlag hätte, ist dieser drohende Schaden nicht kausal auf die unterlassene europaweite Bekanntmachung zurückzuführen. Der Antragsteller hat keinen generellen Anspruch auf eine „zweite Chance“ (OLG Koblenz, a. a. O.).

Vielmehr müsste der Antragsteller seinen drohenden Schaden hier auf weitere materielle Rechtsverletzungen stützen. Diese mögen vorgelegen haben, werden aber in der Begründung und entsprechend auch im Vortrag des Antragstellers nicht erwähnt.

In der vom Senat zitierten Entscheidung des BGH (a. a. O.) lagen diese insoweit vor, als dass dort anstatt eines Offenen Verfahrens ein Verhandlungsverfahren durchgeführt wurde. Auch wenn der Senat ausführlich aus dieser Entscheidung zitiert, spart er den aus Sicht des Autor entscheidenden Teil aus.

Der X. Zivilsenat führt nämlich Folgendes aus:

„Das Verhandlungsverfahren unterscheidet sich grundsätzlich vom offenen Verfahren, weil der öffentliche Auftraggeber im offenen Verfahren den Auftrag nur gemäß dem Inhalt eines der innerhalb der Angebotsfrist abgegebenen Gebote erteilen darf, während im Verhandlungsverfahren der Inhalt der Gebote jeweils verhandelbar ist. Wird das Verhandlungsverfahren zu Unrecht gewählt, ist deshalb jeder Bieter der ansonsten nicht gegebenen Gefahr ausgesetzt, im Rahmen von Nachverhandlungen von einem Mitbewerber unterboten zu werden. Bereits dies kann seine Zuschlagschancen beeinträchtigen.“

Ein solcher grundsätzlicher Unterschied ist in dem vom OLG München entschiedenen Fall nicht zu erkennen. Der Antragsteller wurde zur Angebotsabgabe aufgefordert. Sein Angebot war preislich unterlegen.

Hier ist nicht einzusehen, warum der Antragsteller ein schützenswertes Interesse daran haben sollte, sein Angebot in möglichst großem Wettbewerb abgegeben zu dürfen. Gerade die Tatsache, dass vorliegend lediglich eine Verfahren mit beschränktem Teilnehmerkreis durchgeführt wurde, erhöht doch die Zuschlagschancen des Antragstellers. Die Begründung des Vergabesenats erscheint daher konstruiert. Diese Begründung weiter verfolgend könnte man auch einfacher darstellen, dass der unterlegene Bieter in einem zukünftigen Verfahren immer bessere Chancen auf den Zuschlag haben muss, weil er es zumindest noch einmal versuchen darf.

Bereits in einem früheren Beschluss (B. v. 31.01.2013, Verg 31/12) hatte der Münchener Vergabesenat darauf hingewiesen, dass sich ein Verstoß zu Lasten eines Bieters auswirken müsse und das Nachprüfungsverfahren keiner allgemeinen Rechtmäßigkeitskontrolle diene, sondern lediglich Individualrechtsschutz einzelner Bieter gewährleisten solle. Konsequenterweise wurde hier der Nachprüfungsantrag eines Bieters, welcher in einem unzutreffend national durchgeführten Verfahren die Angebotsunterlagen verändert hatte, zurückgewiesen. Der Senat begründet die Zurückweisung damit, dass der Antragsteller zu Recht ausgeschlossen worden sei. In der jetzigen Entscheidung bezeichnet der Senat diesen Beschluss als „einzelfallbezogen“. Warum einem Bieter allerdings die Möglichkeit geboten werden soll, seinen Angebotspreis neu zu kalkulieren, nicht aber, die angebotene Leistung abzuändern, erschließt sich nicht. Mit der Begründung des vorliegenden Beschlusses hätte dem damaligen Antragsteller eigentlich auch deshalb ein Schaden drohen müssen, weil er im Falle der Durchführung eines europaweiten Verfahrens wegen der zu erwartenden Konkurrenz die Vergabeunterlagen intensiver gelesen hätte und ihm sein Fehler hätte auffallen können. Zumindest hätte es für den Bieter nicht schlimmer enden können, als dass er den Zuschlag erneut nicht bekommen hätte.

Auch die Entscheidung des OLG Rostock (a. a. O.), auf die sich der Senat vorliegend überwiegend bezieht, kann nach Ansicht des Autors zwar nur bedingt überzeugen. Zumindest hatte der Rostocker Vergabesenat in seiner Begründung aber ausgeführt, dass die erhöhten Zuschlagschancen des Antragstellers in einem zukünftigen Verfahren darin begründet sein könnten, dass dieser nach Ausgleich eines Wissensvorsprungs gegenüber dem für den Zuschlag vorgesehenen Projektanten möglicherweise günstiger würde kalkulieren können. Des Weiteren hätte das Angebot des Projektanten – eine gemischtwirtschaftliche Gesellschaft an der der Auftraggeber beteiligt war – ggf. wegen eines unangemessen niedrigen Angebotspreises ausgeschlossen werden müssen. Dementsprechend standen hier weitere Vergaberechtsverstöße im Raum, welche den Antragsteller in seinen Rechten hätten verletzen können.

In dem vom OLG München zu entscheidenden Fall liegen diese jedoch nicht vor. Zumindest ergeben sie sich nicht aus dem mitgeteilten Sachverhalt.

Andererseits könnte man sich auch die Kontrollfrage stellen und den Sachverhalt dahingehend abändern, dass man es mit einem vergaberechtlich bewandten Bieter zu tun hat, der Wert auf die Angebotsabgabe im europäischen Wettbewerb legt. Dieser hätte zur Durchsetzung seines Anliegens bereits mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe gerügt, dass ein europaweites Verfahren durchzuführen sei und er sich unbedingt dem unbegrenzten Wettbewerb stellen wolle. Immerhin wolle er ja nicht „genötigt“ werden, dem Auftraggeber überhöhte Preise anzubieten, sondern sich lieber bis an die finanzielle Schmerzgrenze strecken. Erstaunlich, dass solche Sachverhalte bisher – zumindest nach Kenntnis des Autors – nie von der vergaberechtlichen Judikatur behandelt wurden.

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Praxistipp

Die Durchführung eines nationalen Verfahrens statt einer europaweiten Ausschreibung ist in der Praxis sicher weit verbreitet. Dies mag teilweise daran liegen, dass Auftraggebern unbewusst ist, wie eine Schätzung des Auftragswertes nach § 3 VgV aufzustellen ist. Teilweise wird der Auftragswert jedoch auch bewusst (und unzutreffend) klein geschätzt, um eine aus Sicht vieler Auftraggeber unerwünschte europaweite Ausschreibung zu vermeiden. Hier besteht vielfach die Angst, dass Vergabeverfahren könnte aufgrund der Möglichkeit der Einleitung eines Vergabenachprüfungsverfahrens zeitlich verzögert, die Ausführung verteuert oder schlicht blockiert werden können.

Auftraggeber sind sich oft nicht bewusst, dass die Durchführung eines nationalen Verfahrens in diesem Fall noch weit schlimmere Auswirkungen haben kann. Aufgrund der Feststellung der Unwirksamkeit des geschlossenen Vertrags nach § 135 Abs. 1 GWB droht bspw. dessen Rückabwicklung.

Ebenso wird der Vergabestelle durch die unterlassene EU-weite Bekanntmachung das schärfste Schwert des Verfahrens gegen taktierende und das Verfahren torpedierende Bieter (die nach den Erfahrungen des Autors die absolute Ausnahme darstellen) genommen – die Präklusion des Vorbringens gem. § 160 Abs. 3 GWB.

Allein die unterlassene europaweite Bekanntmachung eröffnet zumindest jedem Unternehmen, dass sich nicht am Verfahren beteiligt hat oder (bei freihändiger und beschränkter Vergabe) nicht am Verfahren beteiligt wurde, zu Recht die Feststellung der Unwirksamkeit zu beantragen. Ob diese Möglichkeit der Feststellung der Unwirksamkeit allerdings auch allen Bietern eröffnet werden sollte, die an einem fehlerhaften Verfahren beteiligt wurden, erscheint zumindest in der vom OLG München entschiedenen Umfänglichkeit zweifelhaft.

Trotzdem zeigt gerade auch diese Entscheidung, dass das von öffentlichen Auftraggebern oft präferierte Absehen von europaweiten Verfahren schlimme Folgen haben kann. Die Durchführung eines Verfahrens unter Beachtung der Vorschriften des GWB ist im Vergleich hierzu zumindest das kleinere Übel – und die allemal rechtmäßigere Alternative.

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Novellierung des Tariftreue- und Vergabegesetzes (TVgG – NRW) noch in diesem Jahr beabsichtigt

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Recht

Mit dem Gesetz über die Sicherung von Tariftreue und Sozialstandards sowie fairen Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen – TVgG – NRW) wurde im Jahr 2012 das erste föderale Tariftreuegesetz erlassen, seit dem im Jahr 2008 die Rüffert-Entscheidung des EuGH (vgl. Meldung im Vergabeblog.de vom 07/04/2008, Nr. 83) den damals geltenden länderspezifischen Beschaffungsvorgaben im Hinblick auf vergabespezifische Mindestlöhne ein jähes Ende bereitet hatte.

Nach nunmehr vier Jahren, zwei Gutachten, einer Reihe von Gerichtsentscheidungen und – nicht zuletzt den umfassenden Reformen des europäischen und nationalen Vergaberechts – steht nunmehr auch die Novelle des TVgG – NRW bevor.

Auch wenn bisher nur der Gesetzesentwurf dem Landtag von Nordrhein-Westfalen zugeleitet wurde und die konkretisierende Rechtsverordnung noch etwas auf sich warten lässt, so lassen sich doch bereits aus dem Entwurf die wichtigsten Leitlinien der Novelle erkennen. Diese verfolgt, ganz im Sinne der im Rahmen des Gutachtens zum Konnexitätsfolgenausgleich (vgl. Meldung im Vergabeblog vom 19/03/2015, Nr. 21950) gewonnenen Erkenntnisse, zum einen das Ziel einer Vereinfachung der Anwendung des Gesetzes und zum anderen eine Konkretisierung der Nachweispflichten, welche in der Vergangenheit oft wenig anwenderfreundlich gestaltet waren.

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Keine Änderung ist aber im Hinblick auf die grundsätzlichen Ziele des Gesetzesvorhabens zu erwarten, als da wären: Einhaltung eines vergabespezifischen Mindestlohns, Förderung der umweltfreundlichen Beschaffung (auch in der Unterschwelle), Verbot der Beschaffung von Waren, die unter Verstoß gegen die Kernarbeitsnormen der International Labour Organisation hergestellt wurden und die Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie (im alten Gesetz noch etwas ungelenk ausschließlich als „Frauenförderung“ bezeichnet, obwohl der Großteil der Maßnahmen Männern wie Frauen gleichermaßen zugutekommt). Neu hingegen ist die Heraufsetzung der Wertgrenze ab welcher das TVgG – NRW anzuwenden ist: Sah das alte Gesetz noch keine andere Untergrenze vor, als die durch § 3 Abs.6 VOL/A vorgesehene Grenze zum „Handkauf“ von 500,-€, hat man sich nun entschieden, diese auf den Wert von 5.000 € zu verzehnfachen. Ebenfalls neu – und von beträchtlicher Tragweite – ist das Bestbieterprinzip nach dem die zahlreichen Nachweise und Eigenerklärungen des TVgG – NRW nur noch von dem Bieter vorgelegt werden müssen, welcher das wirtschaftlichste Angebot vorgelegt hat. In der Vergangenheit waren diese Dokumente stets von allen Bietern vorzulegen.

Auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache „Bundesdruckerei“ (vgl. Beitrag des Autors, Vergabeblog.de vom 23/09/2014, Nr. 20171) und mittelbar auch „RegioPost“ (vgl. Beitrag Vergabeblog.de vom 06/12/2015, Nr. 24350) hat der Gesetzgeber jetzt dergestalt reagiert, dass der vergabespezifische Mindestlohn von derzeit 8,85 € pro Stunde (immerhin noch 0,01 € über dem ab 2017 geltenden Bundesmindestlohn von 8,84 €) nur noch innerhalb der Bundesrepublik Deutschland gelten wird. Neu ist auch, dass für die Kontrolle dieses Mindestlohns erstmals im Gesetz klare und eindeutige Grenzen geschaffen werden. Wurde eine Aufklärungspflicht in der Vergangenheit von der Rechtsprechung im Rahmen der Auskömmlichkeitsprüfung ab einem preislichen Abstand von ca. 20% zum nächstgünstigeren Angebot angenommen, trifft den öffentlichen Auftraggeber nach dem neuen TVgG – NRW bereits ab einem Abstand von 10% regelmäßig eine Aufklärungspflicht hinsichtlich der Einhaltung des vergabespezifischen Mindestlohns. Ein Novum stellt dabei der Umstand dar wie dieser Abstand zu berechnen ist. Denn es kann einen entscheidenden Unterschied machen, ob auf das günstigste Angebot 10% draufzurechnen sind oder vom nächstgünstigen Angebot 10% herunter gerechnet werden. Der Gesetzgeber hat sich für die Novelle des TVgG – NRW dabei für letztgenannte Variante entschieden.

Für die anderen Aspekte des TVgG – NRW werden sich viele Änderungen erst abschließend aus der Rechtsverordnung zum Gesetz ergeben. Schon jetzt ist aber abzusehen, dass die „Gutglaubenserklärung“ hinsichtlich der Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen wohl keinen Bestand haben wird, sondern durch andere Nachweismöglichkeiten ersetzt werden wird. Daraus werden voraussichtlich erhöhte Nachweis- und Prüfungspflichten für die Teilnehmer an Vergabeverfahren folgen.

Gleichwohl gilt für das neue wie auch das alte TVgG – NRW, dass sich erst im Praxistest zeigen wird, welche Vorgaben tatsächlich konkrete Auswirkungen im Vergabeverfahren zeigen und welche eher deklaratorischer Natur sind.

Hinweis der Redaktion

Wenn Sie mehr über die Novellierung des Tariftreue- und Vergabegesetzes in NRW wissen möchten, besuchen Sie das DVNW Akademie Seminar mit Herrn André Siedenberg als Referenten am 19.09.2016 in Köln.

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Für weitere Informationen & zur Anmeldung klicken Sie hier.

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Preisprüfstatistik 2015 – 29% aller Preisprüfungen enden mit einer Rechnungskürzung

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Recht

Es bleibt dabei – beinahe jede dritte Preisprüfung endet mit einer Rechnungskürzung. Zu einem ähnlichen Ergebnis wie in den Vorjahren kam auch die aktuell veröffentlichte Preisprüfstatistik 2015 des BMWi für geprüfte öffentliche Aufträge und Zuwendungen.

Nach einer schrittweisen Steigerung dieser Quote von 24% in 2005 bis 28% in 2010 und 2011, pendelt sich der Anteil der Kürzungen seitdem zwischen 29 und 30% ein.

Im Jahr 2015 wurden 2.584 (Vorjahr: 2.389) öffentliche Aufträge und Zuwendungen mit einer Gesamtsumme von ca. 3,0 Mrd. (Vorjahr: 2,5 Mrd.) Euro geprüft. In 29% der Fälle (gleicher Wert wie im Vorjahr) ergab sich eine Rechnungskürzung aufgrund des Ergebnisses der Preisprüfung. Die Rechnungskürzungen ergaben die Gesamtsumme von 41,8 Mio. (Vorjahr 24,6 Mio.) Euro – eine deutliche Steigerung gegenüber dem Vorjahr, aber ein Einpendeln auf die Kürzungen von 2009 und 2012.

65% aller Preisprüfungen (Vorjahr: 61%) fanden in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfallen statt. 760 Preisprüfungen wurden in Bayern durchgeführt, 502 in Baden-Württemberg und 428 in Nordrhein-Westfalen. Bayern ist damit seit 2009 (mit Ausnahme in 2013) Spitzenreiter bei der Anzahl von Preisprüfungen; Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen wechselten sich hier jeweils zwischen dem 2. und 3. Platz ab. Lediglich in 2013 waren in Baden-Württemberg die meisten Preisprüfungen zu verzeichnen. Unter diesen Top 3 – Ländern ist es aber Nordrhein-Westfalen, das seit 2005 mit einigem Abstand die höchsten durchschnittlichen Kürzungen vorweist.

Interessant ist zudem, dass Nordrhein-Westfalen zwar bundesweit die meisten öffentlichen Aufträge vergibt, bei der Anzahl der Preisprüfungen jedoch oft hinter Bayern und Baden-Württemberg liegt.

Ausreißer bei der Quote der Rechnungskürzungen auf Basis der Preisüberwachungsbehörden waren in 2015 Sachsen-Anhalt (62% nach 63% im Vorjahr), Berlin (54% nach 50% im Vorjahr), Thüringen (49%) sowie Hamburg und Düsseldorf (je 48%) und Münster und Leipzig (je 47%). Besonders erwähnenswert ist, dass die Rückzahlungsquote bei der Preisüberwachungsbehörde Bremen seit 2005 mit 40 bis 70% auf einem fortwährend hohen Niveau im Vergleich zum Bundesdurchschnitt liegt.

Was die absolute Höhe der durchschnittlichen Rückforderung je Auftrag betrifft, fallen vor allem ins Auge: Ansbach (305 T€), Arnsberg (249 T€) und Detmold (187 T€). Mit Abstand – aber immer noch überdurchschnittlich folgen Brandenburg (125 T€), Berlin (118 T€), Stuttgart (92 T€) und Köln (82 T€). Bei diesen Durchschnittswerten muss auch erwähnt werden, dass sich dahinter Rückforderungen in der Spanne von unter 1.000 bis zu 1 Mio. Euro verbergen.

Geldbußen wurden – wie in den Jahren 2005 bis 2014 – auch im letzten Jahr nicht verhängt.

Die Preisprüfstatistiken des BMWi von 2010 bis 2015 sind hier nachzulesen.

Anmerkung der Redaktion
Zum Preisrecht wurde im Deutschen Vergabenetzwerk (DVNW) ein eigener Fachausschuss „Preisrecht“ eingerichtet. Diskutieren Sie mit! Noch kein Mitglied im DVNW? Hier geht es zur Mitgliedschaft.

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Vergabe freiberuflicher Leistungen nach Abschaffung der VOF – Thema auf dem 3. Deutschen Vergabetag 2016

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Recht

Am 6. und 7. Oktober 2016 findet in Berlin der 3. Deutsche Vergabetag des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW) statt. Zur Vorbereitung und Auswahl der angebotenen Workshops stellen die Referenten ihren Workshop im Vorfeld des Kongresses vor; heute der Workshop B.4: “Vergabe freiberuflicher Leistungen nach Abschaffung der VOF”:

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Seit April 2016 ist es soweit: Das europäische Richtlinienpaket zum Vergaberecht aus dem Jahr 2014 wurde in deutsches Recht umgesetzt. Auf den ersten Blick besonders hiervon betroffen sind die Freiberufler, deren Spezial-Regelwerk, die VOF, wegfallen ist.Aber wie gravierend sind die Auswirkungen tatsächlich? Welche Regelungen haben lediglich eine neue Heimat in der VgV gefunden? Inwieweit ergeben sich trotz der Eingliederung der VOF in die VgV Besonderheiten für Architekten und Ingenieure? Was hat sich aus Sicht der Freiberufler oder der Auftraggeber verbessert oder verschlechtert?Diesen Fragen soll im Workshop auf dem Deutschen Vergabetag nachgegangen werden.In der Vergangenheit diente der – oftmals rechtlich nur schwer zu rechtfertigende – Rückgriff auf die VOF vielfach vor allem dazu, die Leistung im Verhandlungsverfahren vergeben zu können. Mit der Vergabenovelle wurde nun der Zugang zum Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb erleichtert. Es lohnt sich daher, einmal näher zu beleuchten, ob und inwieweit durch diese für alle geltenden Verfahrensregeln die Abschaffung der VOF für alle Freiberufler, die nicht Architekten und Ingenieure sind, „kompensiert“ werden kann.Für die Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen gibt es weiterhin Sonderregelungen, die nun in §§ 73 ff VgV zu finden sind. Hier soll im Rahmen des Workshops untersucht werden, ob es sich bei den Regelungen der §§ 73 ff VgV lediglich um „alten Wein in neuen Schläuchen“ handelt, oder ob im Detail doch Neuerungen zu verzeichnen sind.Eines besonderen Blickes bedarf zudem die Regelung zur Schwellenwertberechnung bei losweiser Vergabe von Planungsleistungen, die von den Architektenkammern als großer Erfolg gefeiert wird obwohl sie ausweislich der Gesetzesbegründung nur klarstellende Bedeutung hat.Während im Oberschwellenbereich die Einordnung einer Leistung als freiberufliche Tätigkeit künftig keine Rolle mehr spielen wird, da die VgV Sonderregelungen nur noch für Architekten- und Ingenieurleistungen vorsieht, lebt diese Anknüpfung im Bereich VOL/A noch fort. Hier wird für freiberufliche Leistungen ohne weitere Einschränkungen auf die Haushaltsordnungen (und damit auch auf die dazugehörigen Ausführungsbestimmungen) verwiesen. Ob und welche Anforderungen sich hieraus im Einzelfall ergeben, ist im Detail vielfach unklar und soll daher abschließend zur Diskussion gestellt werden.

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Einladung

Ihre Fragen rund um diesen Themenkomplex werden im Workshop B.4: ““Vergabe freiberuflicher Leistungen nach Abschaffung der VOF”” auf dem 3. Deutschen Vergabetag am 6. Oktober 2016 in Berlin von den Referenten Frau Rechtsanwältin Dr. Herten-Koch (Luther) und Frau Manuela Peters (Referentin Rechtsabteilung, DSK Deutsche Stadt- und Grundstücksentwicklungsgesellschaft mbH & Co. KG) gerne beantwortet.

Der Workshop behandelt insbesondere die Themen:

  • Erleichterter Zugang zum Verhandlungsverfahren für freiberufliche Leistungen
  • Vergabe freiberuflicher Leistungen im Unterschwellenbereich
  • Besonderheiten bei der Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen
  • Schwellenwertberechnung bei Planungsleistungen

Das vollständige Programm des 3. Deutschen Vergabetags 2016 sowie eine Anmeldemöglichkeit finden Sie unter:

www.deutscher-vergabetag.de

Anmerkung der Redaktion
Der Beitrag von Frau Dr. Herten-Koch wurde in Zusammenarbeit mit Frau Rechtsanwältin Constanze Hildebrandt (Luther) verfasst.

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Zuschlagskriterien im Unterschwellenbereich: Keine Bekanntgabe, keine Transparenz nötig? (BGH, Beschl. v. 10.05.2016 – X-ZR 66/15)

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BauleistungenRechtUNBEDINGT LESEN!

EntscheidungDie VOB/A 2016 verlangt in ihrem 1. Abschnitt – anders als § 16d Abs. 2 Nr. 2 VOB/A-EU 2016 im 2. Abschnitt – keine förmliche Angabe der einzelnen Wertungskriterien in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen. Im Gegensatz zum 1. Abschnitt der VOB/A 2016 verpflichtet hingegen § 16 Abs. 7 VOL/A (1. Abschnitt) den Auftraggeber die Zuschlagskriterien spätestens in den Vergabeunterlagen zu nennen.

Wenn nun keine Zuschlagskriterien bei der Vergabe von Bauleistungen im Unterschwellenbereich bekanntgegeben wurden, muss der Auftraggeber dann gleichwohl allein den Preis, so z.B. die VK Sachsen-Anhalt (Beschl. v. 17.10.2014, 3 VK LSA 82/14, zum Unterschwellenbereich nach dem LVG LSA), als für die Bieter vermeintlich einzig erkennbares Wertungskriterium anwenden, oder muss er das in § 16d Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 VOB/A ersichtliche Prüfprogramm, so in etwa das OLG Nürnberg (Beschl. v. 26.05.2015, 1 U 1430/14), zugrunde legen?

§ 16d Abs. 1 Nr. 3 VOB/A 2016 (vormals: § 16 Abs. 6 Nr. 3 VOB/A 2012)

Leitsatz

Ist der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen, bedarf es im Unterschwellenbereich auch bei der Zulassung von Nebenangeboten nicht in jedem Fall der Festlegung von Kriterien zur Angebotswertung. Dies ist vielmehr nur dann der Fall, wenn ohne ausdrücklich formulierte Wertungskriterien das wirtschaftlichste Angebot nicht nach transparenten und willkürfreien Gesichtspunkten bestimmt werden kann.

Sachverhalt

Eine Kommune hat den Abbruch einer Industriebrache nach dem 1. Abschnitt der VOB/A öffentlich ausgeschrieben. Nebenangebote waren in der Bekanntmachung zugelassen. Zuschlagskriterien und Mindestanforderungen für die Nebenangebote waren keine veröffentlicht. Die Gemeinde erteilte den Zuschlag nicht auf das preiswerteste Hauptangebot, sondern auf ein günstigeres Nebenangebot. Der preisliche Bestbieter verklagte daraufhin die Kommune auf Ersatz seines entgangenen Gewinns. Er war u.a. der Ansicht, dass das Nebenangebot mangels definierter Mindestanforderungen und wegen des zu 100% zu berücksichtigten Preises nicht hätte bezuschlagt werden dürfen. Die Klage blieb in erster und zweiter Instanz erfolglos. Das OLG Nürnberg begründete seine Entscheidung u.a. damit, dass die Zuschlagskriterien nicht bekanntgegeben werden müssten. Außerdem sei der Preis nicht das alleinige Wertungskriterium, weshalb auch die Wertung des Nebenangebotes unbedenklich sei. Der BGH wies zuletzt die klägerische Nichtzulassungsbeschwerde zurück.

Die Entscheidung

Der BGH hat zunächst klargestellt, dass die Festlegung von Mindestanforderungen für Nebenangebote bei Unterschwellenvergaben nicht erforderlich ist. Dies entspricht seiner ständigen Rechtsprechung.

Interessant sind seine Ausführungen, ob und inwieweit Zuschlagskriterien zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes im Unterschwellenbereich vom Auftraggeber bekanntgegeben werden müssen. Der BGH hält hierbei die vom OLG Nürnberg in der Berufung vertretene Rechtsansicht für fragwürdig, dass Wertungskriterien generell nicht bekanntgegeben werden müssten und regelmäßig nicht im Einzelfall von der Vergabestelle bestimmt, sondern durch das Prüfprogramm des § 16d Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 VOB/A 2016 (vormals: § 16 Abs. 6 Nr. 3 Satz 2 VOB/A 2012) vorgegeben würden. Denn die dort genannten Gesichtspunkte sind nach Ansicht der Bundesrichter für die Angebotswertung nicht abschließend und auch nicht sämtlich (z.B. Ästhetik) dafür gedacht, in jedem in Betracht kommenden Fall angewendet zu werden. Wäre es einem Auftraggeber andererseits gestattet, bei der Angebotswertung die relevanten Gesichtspunkte frei zu bestimmen, bestünde die Gefahr einer willkürlichen Auswahl. Daraus kann aber nicht im Umkehrschluss gefolgert werden, dass bei jeder Beschaffung im Unterschwellenbereich Zuschlagskriterien bekanntgegeben werden müssten, so der BGH. Nach seiner Ansicht lässt sich vielfach objektiv bestimmen und es folglich für die anbietenden und deshalb sachkundigen Unternehmen auf der Hand liegen, welche der in § 16d Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 VOB/A 2016 genannten Wertungskriterien nach den gesamten Umständen in Betracht kommen. Daher besteht auch keine Gefahr einer intransparenten und willkürlichen Vergabeentscheidung. Die Bundesrichter meinen, dass es letztlich von den Umständen des Einzelfalls abhängt, insbesondere vom Auftragsgegenstand und der Detailliertheit des LV, ob und inwieweit Zuschlagskriterien zu bestimmen und aus Transparenzgründen auch bekanntzumachen sind.

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung des BGH erscheint unter den Gesichtspunkten der Rechtssicherheit und Transparenz fragwürdig. Es ist zwar richtig, dass § 16d Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 VOB/A 2016 eine Vielzahl möglicher Zuschlagskriterien bereithält, die nicht in jedem einzelnen Beschaffungsfall bedeutsam sind. Deshalb wird auch kein Prüfprogramm vorgegeben. Ebenso ist es zutreffend, dass die Gefahr einer willkürlichen Kriterienauswahl besteht, wenn der Auftraggeber erst bei der Angebotswertung die relevanten Gesichtspunkte frei bestimmen würde.

Allerdings dürfte die objektive Bestimmbarkeit welche der in § 16d Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 VOB/A 2016 genannten Zuschlagskriterien im jeweiligen Beschaffungsfall in Betracht kommen würden, für einen regelmäßig heterogenen Bieterkreis gerade nicht auf der Hand liegen. Daran dürfte in der Regel auch der Auftragsgegenstand oder der Detaillierungsgrad eines LV nichts wesentlich ändern. Zuschlagskriterien, die ein Auftraggeber nicht bekanntgibt, können von den potentiellen Bietern generell nur subjektiv erahnt bzw. erraten werden. Eine erfolgversprechende Angebotskalkulation/-erstellung ohne verlässliche Kenntnis der Zuschlagskriterien ist praktisch jedenfalls nur schwer möglich. Zu bedenken gilt dabei ferner, dass die Bekanntgabe der Zuschlagskriterien auch wegen der europäischen Rechtsprechung (z.B. EuGH, Urt. v. 16.04.2015, C-278/14 SC Enterprise Focused Solutions) für binnenmarktrelevante Unterschwellenaufträge ein höheres Maß an Rechtssicherheit bietet.

Im Sinne der Verfahrenstransparenz und Rechtssicherheit wäre es überdies wünschenswert, wenn § 16d Abs. 1 Nr. 3 VOB/A 2016 insoweit an die klare Regelung im Oberschwellenbereich bzw. der VOL/A entsprechend angeglichen würde. Eine unterschiedliche Handhabung von Bau-, Liefer- und Dienstleistungen erscheint in dieser Hinsicht ohnehin kaum sachlich begründbar.

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Praxistipp

Auftraggeber sollten bei Bauvergaben im Unterschwellenbereich grundsätzlich die anzuwendenden Zuschlagskriterien spätestens in den Vergabeunterlagen angeben. Dadurch vermindern sie das andernfalls den Einzelfallumständen immanente Rechtsrisiko einer gegenteiligen richterlichen Beurteilung. Außerdem wird den Bietern die Angebotskalkulation erleichtert, wenn sie wissen, worauf es dem Auftraggeber bei der Auftragsentscheidung wirklich ankommt. Dies entspricht auch dem Willen des Auftraggebers, der bestmögliche Angebote erwartet.

Die Bieter hingegen sollten bei fehlender Bekanntgabe von Zuschlagskriterien eine entsprechende sachdienliche Auskunft an den jeweiligen Auftraggeber richten, um die Wertungskriterien möglichst vor der Angebotsabgabe in Erfahrung bringen zu können.

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Die verschiedenen Facetten der Angebotsprüfung und -wertung in einem Fall (VK Bund, Beschl. v. 07.06.2016 – VK 2-37/16)

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Liefer- & DienstleistungenRecht

EntscheidungZur Wiederholung der Angebotswertung im Nachprüfungsverfahren sowie zu der Frage, wann ein Unterkostenangebot vorliegt. Die Wiederholung einer als fehlerhaft erkannten Angebotswertung ist im Nachprüfungsverfahren noch möglich und ein Unterkostenangebot liegt bei weniger als 10% Preisabstand nicht vor.

§ 19 EG Abs. 6 Satz 2 VOL/A 2009

Sachverhalt

Der Auftraggeber schrieb europaweit einen Auftrag für die Belieferung von Mehrfamilienhäusern mit Nutzwärme durch Errichtung und Betrieb eines Wärmeverbundnetzes für die Dauer von 20 Jahren aus. D.h. der erfolgreiche Auftragnehmer sollte letztlich ein Blockheizkraftwerk errichten und betreiben und dafür monatlich einen bestimmten Wärmepreis erhalten. Zuschlagskriterien waren der Preis (80%) und die Qualität der Nutzwärme (20%). Der Preis setzte sich aus verschiedenen einzelnen Kostenpositionen zusammen. Die Qualität der Wärme bemaß sich nach der Rechenformel eines Energieeffizienzverbands. Zugleich war aber auch eine bestimmte Mindestqualität vorgeschrieben.

Ein übergangener Bieter klagte gegen die beabsichtigte Vergabe. Er hatte zwar das qualitativ beste Angebot abgegeben. In preislicher Hinsicht lag sein Angebot jedoch nur auf Platz 3, so dass er insgesamt nicht der Bestplatzierte war. Er trug u.a. vor, dass die Preisberechnung fehlerhaft sei. Der Auftraggeber wiederholte daraufhin – diesmal fehlerfrei – während des Nachprüfungsverfahrens die Wertung in Bezug auf das Preiskriterium. Die Rangfolge der Bieter änderte sich dadurch nicht. Der klagende Bieter trug sodann weiter vor, das Angebot des bestplatzierten Bieters sei ein Unterkostenangebot und könne die behauptete Qualitätsstufe praktisch gar nicht erreichen.

Die Entscheidung

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag abgelehnt. Es sei vergaberechtlich zulässig gewesen, dass die Vergabestelle die eigene Wertungsentscheidung auch im Stadium des Nachprüfungsverfahrens noch überprüft und korrigiert hat. Das müsse allein schon aus Gründen der Verfahrensökonomie möglich sein. Insoweit habe die Vergabestelle also in vergaberechtskonformer Weise der Rüge abgeholfen. Der Nachprüfungsantrag könne in dieser Hinsicht also keinen Erfolg mehr haben.

Zu dem Vorwurf des Unterkostenangebots hat die Vergabekammer erklärt, dass insoweit schon keine bieterschützende Vorschrift verletzt sei. Nur in Ausnahmefällen, in denen ein Unterkostenangebot etwa in Marktverdrängungsabsicht abgegeben würde, könnten dadurch Rechte der anderen Bieter verletzt sein. Für eine Marktverdrängungsabsicht bestünden aber keine Anhaltspunkte. Darüber hinaus liege auch tatbestandlich schon kein ungewöhnlich niedriges Angebot vor, da der Preisabstand zum nächstplatzierten Angebot unter 10% liege. Allgemein seien 10% insoweit als Interventionsschwelle anzusehen.

Hinsichtlich der Frage, ob die vom bestplatzierten Bieter angebotene Qualität technisch erreichbar ist, hatte der Auftraggeber einen Sachverständigen beauftragt, dessen Ausführungen die Vergabekammer in der mündlichen Verhandlung Glauben schenkte, insbesondere auch deshalb, weil der klagende Bieter dem Sachverständigen nicht substantiiert zu widersprechen vermochte.

Rechtliche Würdigung

Die Vergabekammer hat zutreffend eine Korrektur der fehlerhaften Wertung zugelassen. Dass diese am Ergebnis nichts geändert hat, war hier wohl Zufall – ist letztlich aber auch mathematisch nachvollziehbar.

Interessant sind die Aussagen der Vergabekammer zu dem seit einiger Zeit immer wieder heiß diskutierten Thema der Aufklärung ungewöhnlich niedriger Angebote. Die Rechtsprechung entscheidet noch uneinheitlich, wo die sogenannte Aufgreifschwelle liegt, ab der der Angebotspreis aufzuklären ist. Die Aufgreifschwelle wird teilweise schon bei 10%, teilweise erst bei 20% Preisabstand zum nächstliegenden Angebot verortet. Einige Vergabekammern möchten stattdessen den Einzelfall betrachten oder lassen es sogar zu, dass der Auftraggeber die Aufgreifschwelle selbst festlegt. Eine höchstrichterliche Klärung wäre hier sicher wünschenswert, zumal es auch gerichtliche Entscheidungen gibt, die eine Aufklärung des Angebotspreises gar für unzulässig halten, wenn die Aufgreifschwelle nicht erreicht ist. Da hier noch nicht einmal 10% Preisabstand gegeben waren, dürfte die Vergabekammer aber in jedem Fall richtig gelegen haben.

Die Einschaltung von externen Sachverständigen ist bei technisch komplexen Fragen häufig unumgänglich und hat sich auch hier ausgezahlt. Mehr kann man von einer Vergabestelle auch nicht ernsthaft verlangen, so dass die Entscheidung auch insoweit überzeugt.

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Praxistipp

Der Umgang mit ungewöhnlich niedrigen Angeboten ist weder für Auftraggeber noch für Bieter einfach. Öffentliche Auftraggeber sollten klären, welche Aufgreifschwelle die für sie zuständige Vergabekammer vertritt, um möglichst nachprüfungsfest zu agieren. Bieter, die in eine Prüfung wegen ungewöhnlich niedrigem Angebot geraten (häufig auch Auskömmlichkeitsprüfung genannt), sollten dies ernst nehmen. Sie trifft eine Mitwirkungsobliegenheit. Beantworten sie die Aufklärungsfragen des Auftraggebers nicht oder nur unzureichend, führt bereits das zum Ausschluss.

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Erhebliche und bereits in der Bekanntmachung enthaltene Mängel berechtigen die Nachprüfungsinstanzen zur Aufhebung einer Ausschreibung (VK Südbayern, Beschl. v. 03.05.2016 – Z3-3-3194-1-61-12/15)

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Liefer- & DienstleistungenRecht

EntscheidungLeidet ein Vergabeverfahren an erheblichen Mängeln, die auch schon in der Bekanntmachung selbst enthalten sind, ist zur Vermeidung von weiteren Verzögerungen eine Aufhebung der Ausschreibung und nicht nur eine Rückversetzung in den Stand vor Versendung der Vergabeunterlagen geboten.

Fehler in der Vergabebekanntmachung könnten bei der bloßen Rückversetzung des Verfahrens in den Stand vor Versendung der Vergabeunterlagen erneut gerügt werden, was zu zeitlichen Verzögerungen führen würde, die nach Ansicht der VK Südbayern zu vermeiden seien.

Sachverhalt

Mehrere Krankenhäuser hatten einen Rahmenvertrag zur Lieferung von Arzneimitteln ausgeschrieben und mit der Ausschreibung ein Beratungsbüro beauftragt.

In der Bekanntmachung wurden unter anderem die Zuschlagkriterien bekannt gegeben:

„das wirtschaftlich günstigste Angebot in Bezug auf die nachstehenden Kriterien
1. Angebotspreis Arzneimittel gemäß Pos. 1 der Leistungsbeschreibung, Gewichtung 75
2. Gesamtpreis Logistik + Controlling + Beratung gem. Pos. 2-4 der Leistungsbeschreibung, Gewichtung 10
3. Erfahrungen in vergleichbaren Projekten/Referenzen gemäß Pos. 5. 1 der Leistungsbeschreibung, Gewichtung 8
4. Bestehende Qualifikationen gem. Pos. 6.1 der Leistungsbeschreibung, Gewichtung 3
5. Qualität der Zertifizierungen gem. Pos. 6.2 der Leistungsbeschreibung, Gewichtung 2
6. Elektronische Lieferscheinübermittlung gem. Pos. 6.3 der Leistungsbeschreibung, Gewichtung 1
7. Qualität der statistischen Aufarbeitung gem. Pos. 6.4 der Leistungsbeschreibung, Gewichtung 1″

Im Leistungsverzeichnis war auf S.21 zur Preisgestaltung Folgendes ausgeführt:

POS 1: Der Gesamtpreis der angebotenen Arzneimittel – gemäß Arzneimittelliste – liegt im Vergleich der Angebote
mehr als 15% unter dem Mittelwert 5 Punkte
mehr als 10% unter dem Mittelwert 4 Punkte
bis 5% über oder unter dem Mittelwert 3 Punkte
mehr als 10% über dem Mittelwert 2 Punkte
mehr als 10% über dem Mittelwert 1 Punkte
Keine Angaben 0 Punkte.

Für bestimmte Rezepturarzneimittel hatte die Vergabestelle kein Volumen benannt. Die Rezepturarzneimittel sollten vielmehr einzeln abgerufen und abgerechnet werden. Im Rahmen einer Bieterinformation teilte die Vergabestelle noch mit, dass diese Positionen mit „Null“ zu bepreisen seien. Später nannte die Vergabestelle noch weitere Positionen, die ebenfalls mit „Null“ bepreist werden sollten. Außerdem teilte die Vergabestelle im Rahmen einer weiteren Bieterinformation mit, dass für Positionen, die keine Arzneimittel sind, keine Angaben gemacht werden müssen.

Die spätere Antragstellerin rügte im Verfahren unter anderem den vorgesehen Zuschlag an eine Bietergemeinschaft, einen Verstoß gegen das Gebot der hinreichenden Leistungsbeschreibung und gegen die Dokumentationspflicht.

Die Entscheidung

Der Nachprüfungsantrag hatte durchschlagenden Erfolg. Zwar war er nur teilweise zulässig, da die Antragstellerin ihrer Rügeobliegenheit nur teilweise nachgekommen war, indes nimmt die VK Südbayern dankenswerter Weise auch zu diesen Rügen Stellung im Hinblick auf eine Wiederholung der Ausschreibung.

Denn die Vergabekammer hat die Ausschreibung aufgehoben, da das Ausschreibungsverfahren nach ihrer Ansicht an erheblichen Mängel leidet. Im Einzelnen:

Zunächst sieht die Kammer einen Verstoß gegen das Gebot der hinreichenden Leistungsbeschreibung darin, dass für bestimmte Rezepturarzneimittel keine Mengen angegeben waren und keine Preise abgefragt wurde, obwohl die Lieferung dieser Arzneimittel Leistungsgegenstand werden sollte. Zwar gelte das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsausschreibung bei Rahmenvereinbarungen nur eingeschränkt. Jedoch sei ein Auftragsvolumen grundsätzlich anzugeben. Zumal dann, wenn es sich nach eigenen Angaben der Antragsgegnerinnen um übliche Mengen handeln sollte. Dann müssen diese auch angegeben werden.

Auch bemängelt die Kammer in diesem Zusammenhang, dass für die Einzelabrufe der Rezepturarzneimittel kein Preis abgefragt wurde. Dies hätte zwingend erfolgen müssen, da der Preis zu den essentialia negotii gehöre und im Übrigen eine Wertung der Angebote ohne Preisangaben gar nicht stattfinden könne.

Weiter wurden von der Kammer auch die Arzneimittellisten als teilweise falsch und irreführend eingestuft. In der mündlichen Verhandlung stellte sich heraus, dass einige der in den Listen enthaltenen Arzneimittel in Deutschland gar nicht mehr verfügbar waren. Dennoch hatten einige Bieter hier Preise eingetragen, andere Bieter hingegen diese Positionen mit „0,00“ EUR angegeben.

Dies leitet über zu dem in diesem Zusammenhang aufgetretenen „Spezial-Problem“. Es sei hier nämlich ausnahmsweise unklar, welche Bedeutung dem Preiseintrag „0,00“ EUR zukommen solle. Die Kammer nennt drei Möglichkeiten:

  1. Die Leistung wird kostenlos angeboten (Auslegung im Regelfall).
  2. Die Leistung wird nicht angeboten (Solche Positionen, die am Markt nicht mehr verfügbar sind).
  3. Die Leistung wird angeboten, der Preis aber erst später festgelegt (Sonderfall Rezepturarzneimittel).

Die Bieter haben „0,00“ EUR-Eintragungen in unterschiedlichen Positionen gemacht, auch bei solchen, die Leistungsgegenstand waren. Damit fehlten eigentlich Preisangaben. Dies rechtfertige aber nicht den Ausschluss dieser Angebote, da die Vergabestelle nicht eindeutig zum Ausdruck gebracht habe, welche Positionen wie zu bepreisen waren

Zudem habe die Vergabestelle in diesem Zusammenhang Positionen, die nicht beschafft werden sollten, von den Bieter aber dennoch (fälschlicherweise) bepreist wurden, mit in die Wertung aufgenommen.

Aufgrund der Vielzahl der der Schwere der Mängel sei eine Zuschlagserteilung im laufenden Vergabeverfahren schlechterdings ausgeschlossen.

Für eine Neuausschreibung gibt die Kammer noch folgende Hinweise mit auf den Weg:

  • Das Gebot der Trennung von Eignungs- und Zuschlagskriterien sei dadurch verletzt, dass die Wertungskriterien „Erfahrungen in vergleichbaren Projekten“; „Bestehende Qualifikationen“ und „Zertifizierungen etc.“ als Zuschlagskriterien definiert waren.
  • Das Wertungssystem für die Preise sei unzulässig. Unter Verweis auf OLG München Beschl. v. 21.05.2010, Verg2/10 ergebe sich die Unzulässigkeit schon allein aus daraus, dass die vorgesehenen Stufen unterschiedlich groß waren. Die relativen Abstände der Preise müssen bei einer Punktevergabe angemessen berücksichtigt werden. Auch sei ein Angebot, dass insoweit keine Angaben enthalte, nicht mit „0“ Punkten zu bewerten, sondern auszuschließen.
  • Der Bewertungsmaßstab für die Kriterien „Referenzen“ und „Sonstiges“ sei weder klar, eindeutig noch transparent. Er lasse nicht erkennen, wie genau gewertet werden soll. Dies sei aber zwingend erforderlich.

Rechtliche Würdigung

Der Entscheidung der Kammer ist in allen Punkten zuzustimmen. In rechtlicher Hinsicht sind zwei Aspekte hervorzuheben:

Obwohl eigentlich für die Angebot aller am Nachprüfungsverfahren Beteiligten offenbar Ausschlussgründe, nämlich in Form von fehlenden Preisangaben vorlagen, hatte der Nachprüfungsantrag dennoch Erfolg. Denn die Vergabestelle hat so schlampig gearbeitet, dass den Bieter entschuldbar nicht immer klar war, welche Preiseintragungen zu machen waren. Unklarheiten gehen nun einmal zu Lasten der Vergabestelle. Es wäre im Ergebnis auch angesichts der Schwere und Vielzahl der Mängel der Ausschreibung kaum vertretbar gewesen, den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.

Der zweite Aspekt betrifft den Bereich der preislichen Wertung. Die Vergabestelle musste hier Preise in Punkte umrechnen, da die auch außerpreisliche Wertungskriterien vorgesehen hat. Neben den handwerklichen Fehlern des Preisbewertungsmethodik ist auch die Methodik als solche ungeeignet. Hier hat die Kammer zu Recht festgestellt, dass diese Bewertungsmodell viel zu grobschlächtig ist.

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Praxistipp

Hier sind viele vermeidbare Fehler unterlaufen. Der erste Praxistipp muss natürlich lauten, solche Fehler erst gar nicht zu machen. Das ist aber manchmal leichter gesagt als getan. Hingegen wundert es schon, wenn ein Beratungsbüro eingeschaltet wird und dann dennoch solche Fehler passieren. Das Urteil zeigt insbesondere, dass auf die Leistungsbeschreibung und die Aufstellung von Wertungs- und Zuschlagskriterien größte Sorgfalt zu legen ist.

Ich möchte aber auf einen weiteren Fehler hinweisen, der gar nicht Gegenstand der Entscheidung ist: Hier wurde das Vergabeverfahren aufgehoben, weil Fehler in der Vergabebekanntmachung enthalten waren. Das ärgerliche daran: Die Fehler bezogen sich auch auf Informationen, die gar nicht zwingend in die Bestandteil der Bekanntmachung hätten sein müssen. So dürfen die Zuschlagskriterien auch erst in den Vergabeunterlagen konkret benannt werden. Das sollte man das auch so tun, weil dann eine Korrektur im laufenden Verfahren möglich ist und eine Aufhebung des gesamten Verfahrens vermieden werden kann.

Im Hinblick auf Preisbewertungsmodelle hat sich in unserer Beratungspraxis eine Skalierung der Angebotspreise bewährt: Der niedrigste Preis erhält 5,0 Punkte. 0 Punkte erhält ein fiktives Angebot mit dem 1,5-fachen des niedrigsten Preises. Alle Angebote darüber erhalten ebenfalls 0 Punkte. Für dazwischenliegende Preise erfolgt die Punktermittlung durch lineare absteigende Verteilung der Punktwerte innerhalb des Korridors zwischen dem niedrigsten Preis und dem 1,5-fachen des niedrigsten Preises.

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Auswirkungen der Vergaberechtsreform auf das Vergaberecht unterhalb der Schwellenwerte?

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Recht

Mit der Reform des Vergaberechts bekommt der Bereich des europäischen Vergaberechts wieder einmal viel Aufmerksamkeit. Nicht vergessen werden sollte dabei aber, dass nach wie vor ca. 90 bis 95 % aller öffentlichen Auftragsvergaben unterhalb der Schwellenwerte stattfinden. Für diesen Bereich bleibt alles beim Alten. Oder doch nicht?

Die neuen Vergaberichtlinien sind mit Wirkung zum 18. April 2016 in das deutsche Recht umgesetzt worden. Unter anderem wurden der 4. Teil des GWB und die VgV erweitert, die VOL/A und die VOF für den Oberschwellenbereich abgeschafft. Im Zuge der Vergaberechtsreform sind zahlreiche für Auftraggeber günstige Regelungen in Kraft getreten, wie z.B. die freie Wahl zwischen offenem und nichtoffenem Verfahren, die Regelungen zur ausschreibungsfreien öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit, die Zulässigkeit von sozialen und umweltbezogenen Kriterien sowie von Eignungsaspekten als Wertungskriterien oder die Möglichkeit zur Korrektur von fehlerhaften Eignungsnachweisen. Andere Regelungen bringen längst überfällige Klärung für Bereiche, die bislang nur rudimentär durch die Rechtsprechung ausgefüllt wurden, wie z.B. die Zulässigkeit von Auftragsänderungen, das Vorliegen von Ausschlussgründen, die an die Stelle des schillernden Begriffs der Zuverlässigkeit der Bieter getreten sind, oder die Möglichkeit der Selbstreinigung bzw. Verjährung nach schweren Verfehlungen oder strafrechtlichen Verurteilungen.

Im Unterschwellenbereich gilt zunächst weiter das Haushaltsrecht der Länder und über entsprechende Runderlasse sind in der Regel die ersten Abschnitte der VOL/A und VOB/A anzuwenden, die bislang weitgehend unverändert geblieben sind.

Dabei stellt sich durchaus die Frage, wie damit umzugehen ist, wenn das Unterschwellenvergaberecht nun plötzlich an vielen Stellen strenger ist, als das Oberschwellenvergaberecht. Im Unterschwellenbereich genießt weiter die öffentliche Ausschreibung Vorrang vor der beschränkten Ausschreibung. Regelungen zur öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit existieren nicht. Eine Diskrepanz die manche als „nicht einsehbar“ bezeichnen mögen. Insbesondere Kommunen fordern hier eine Flexibilisierung auch für den Unterschwellenbereich.

Soweit oberhalb der Schwelle nunmehr erstmals Bereiche geregelt wurden, die bislang nur Gegenstand der Rechtsprechung waren, kann auch der Unterschwellenbereich sich durchaus mit guten Argumenten an den Neuregelungen orientieren. Warum soll etwas, was oberhalb der Schwellenwerte vergaberechtskonform und unterhalb der Schwelle ungeregelt ist, nicht auch unterhalb der Schwelle vergaberechtskonform sein?

Da auch im Unterschwellenbereich ein Trend hin zu mehr gerichtlichen Verfahren zu beobachten ist und immer mehr Bieter im Wege von einstweiligen Verfügungen gegen vermeintlich vergaberechtswidriges Verhalten vorgehen, kann ein Blick auf die Vergabereform durchaus auch im Unterschwellenbereich zu mehr Rechtssicherheit führen.

Bei der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe der Vergabe- und Vertragsordnungen des Unterschwellenbereichs (VOL/A und VOB/A) wird von den Gerichten sicher in Zukunft auch häufiger eine Parallele zum europäischen Vergaberecht gezogen werden.

Hinweis der Redaktion
Am 13.10.2016 findet in Düsseldorf das DVNW Akademie Seminar Öffentliche Auftragsvergabe unterhalb der Schwellenwerte statt. Für weitere Informationen und zur Anmeldung klicken Sie bitte hier.

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Verhandlungen nicht zu Ende geführt: Loyalitätsklausel kann zu Schadensersatzansprüchen führen (LG Landau in der Pfalz, Urt. v. 31.05.2016 – 2 I 216/14)

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Liefer- & DienstleistungenRecht

EntscheidungFührt ein öffentlicher Auftraggeber Verhandlungen über die Bedingungen der Mitbenutzung durch duale Systeme nach der VerpackV nicht zu Ende, kann dies zu einem Schadensersatzanspruch des beauftragten PPK-Sammlers führen.  Ausschreibungskonzeption, die eine Bezahlung nur der Sammelkosten für kommunale Druckerzeugnisse vorsieht, aber eine Verwertung der gesamten PPK-Fraktion zu Gunsten eines Landkreises vorsieht, ist dennoch rechtlich zulässig.

Nachdem der BGH mit Urteil vom 16.10.2015 (V ZR 240/14) das Eigentum an den von Kommunen erfassten Verkaufsverpackungen aus Papier, Pappe und Kartonagen (PPK) beendete, ergänzt nun das LG Landau die Rechtsprechung zum fortwährenden Streit um die Abwicklung kommunal erfasster Verkaufsverpackungen aus PPK. Dabei hält das Gericht eine vertragliche Regelung, wonach der private Sammler zwar 100 % PPK für die Kommune sammeln soll, aber lediglich für den kommunalen Anteil vergütet wird, für rechtlich zulässig. Es leitet jedoch einen Schadensersatzanspruch des sammelnden Unternehmens gegen den beklagten Landkreis infolge der Verletzung einer vertraglich vereinbarten Loyalitätsklausel ab.

Sachverhalt

Der beklagte Landkreis schrieb im Jahr 2013 die Sammlung von PPK aus. Der Landkreis teilte in der Ausschreibung mit, dass er sich als Eigentümer der gesamten Sammelfraktion, also sowohl des kommunalen als auch des Anteils aus Verkaufsverpackungen. sehe. Er verlangte daher die Übergabe der kompletten PPK-Sammelmenge an ihn. Weiter teilte er in den Vergabeunterlagen mit, dass etwaige Auseinandersetzungen um das Eigentum an den PPK-Verkaufsverpackungen außerhalb der Ausschreibung mit den Betreibern der dualen Systeme geregelt werden. In einer weiteren allgemein üblichen Vertragsklausel verpflichteten sich die Vertragsparteien zur Einhaltung der kaufmännischen Loyalität.

Zudem wurde vereinbart, dass der Landkreis die Sammelkosten nur in Höhe des kommunalen (Volumen-) Anteils trägt, da nur insoweit eine kreislaufwirtschaftsrechtliche Zuständigkeit gegeben ist. Die Vergütung für die Sammlung des Anteils der PPK-Verkaufsverpackungen sollte sich der erfolgreiche Bieter daher bei den Systembetreibern im Sinne der Verpackungsverordnung holen. In den ersten Monaten der Vertragslaufzeit erhielt das klagende Sammelunternehmen sodann einigen Systembetreibern eine entsprechende Vergütung.

In den Gesprächen zwischen den Systembetreibern und dem klagenden Sammelunternehmen verlangten die Systembetreiber zumindest eine Rückvergütung auf den jeweils auf sie anfallenden PPK-Anteil. Das Sammelunternehmen wandte sich daher an den Landkreis mit dem Ziel, eine Lösung zwischen allen Beteiligten herbeizuführen. Da die Rechtslage völlig unklar war, ließ sich der Landkreis auf entsprechende Verhandlungen zunächst ein, beendete diese jedoch dann final unter dem Eindruck der ersten zivilgerichtlichen Urteile, die den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern das Eigentum auch an den PPK-Verkaufsverpackungen zusprach.

Die Systembetreiber stellten daraufhin die Zahlungen an das klagende Sammelunternehmen ein. Dieses verklagte daraufhin den Landkreis zunächst auf Zahlung eines Entgelts auch für die Sammlung des PPK-Verkaufsverpackungsanteils und hilfsweise auf Schadensersatz für den entgangenen Gewinn infolge des Zahlungsausfalls durch die Systembetreiber.

Das Landgericht lehnte einen Entgeltanspruch ab und verwies auf die klare vertragliche Regelung, wonach eben nur die Sammlung des kommunalen Anteils vergütet werde. Diese Regelung sei nicht zu beanstanden. Dann leitete das Gericht jedoch einen Schadensersatzanspruch aus der genannten Loyalitätsklausel in Verbindung mit einer weiteren vertraglichen Klausel, wonach sich der Landkreis verpflichte habe, an einer Einigung mit den Systembetreibern mitzuwirken, ab.

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung des Landgerichts unterstreicht ebenso wie das bereits erwähnte Urteil des BGH einmal mehr, dass die mit der VerpackV beabsichtigte Ordnung der Entsorgung von Verkaufsverpackungen eher zu einer hohen Verunsicherung in der kommunalen und privaten Entsorgungsfamilie führt als zu einer Klärung beiträgt. Einerseits wird den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern durch kartellrechtliche Entscheidungen vorgegeben, die Mitbenutzungsvereinbarung dem operative tätigen PPKJ-Sammler und den dualen Systemen zu überlassen, andererseits kann eine mangelnde Beteiligung wie in dem vom Landgericht Landau in der Pfalz verhandelten Sachverhalt zu Schadensersatzansprüchen des privaten Sammlers führen. Dies jedoch nur dann, wenn sich und das gilt es hervorzuheben der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger zu einer loyalen Zusammenarbeit vertraglich bindet.

Ob es tatsächlich ein Pflichtverstoß ist, wenn aufgrund neuer Rechtsprechung Vergleichsverhandlungen abgebrochen werden, steht auf einem anderen Blatt.

Ebenso erwähnenswert ist es aber, dass das Landgericht folgerichtig einen vertraglichen Anspruch auf eine 100%-ige Vergütung des privaten Sammlers deutlich verwehrt hat. Genau wie für den Auftraggeber gilt eben auch für den Auftragnehmer: pacta sunt servanta.

Wird die anteilige Vergütung der Sammelleistung deutlich im Vertrag genannt und darauf hingewiesen, dass die Werthaltigkeit von Mitbenutzungsverträgen in der Risikosphäre des Auftragnehmers liegt, so kann der Auftragnehmer anschließend nicht auf dem Wege eines Sekundäranspruchs (Ausn.: Loyalitätsklausel) gegen die Kommune ein Entgelt für die Sammlung des PPK-Verkaufsverpackungsanteils geltend machen. Wie das LG Landau in der Pfalz in seinem Urteil ausdrücklich betont, bewegt sich eine solche Regelung im Rahmen der Privatautonomie.

Der Auto hat in diesem Verfahren, gegen das keine Berufung eingelegt wurde, den beklagten Landkreis vertreten.

3DVT-450-160

Praxistipp

Das Urteil kann zur Beantwortung grundsätzlicher Fragen im Zusammenhang mit dem fortwährenden Streit um die Verkaufsverpackungen aus PPK nicht herangezogen werden, da das Gericht den letztlichen Schadensersatzanspruch aus einer individuellen einzelvertraglichen Regelung abgeleitet hat.

Andererseits erklärt das Gericht aber auch deutlich, dass eine vertragliche Regelung, wonach eine Kommune zwar 100% der Verkaufsverpackungen sammeln lässt, aber nur den kommunalen Anteil vergütet, grundsätzlich zulässig ist. Der Sammler muss sich in diesem Fall für den restlichen Anteil um eine Vergütung seitens der Systembetreiber bemühen.

Andere öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger, die eine ähnliche Ausschreibungskonzeption gewählt haben, brauchen sich daher um den Fortbestand ihrer Regelung keine Sorgen zu machen.

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Ausschreibungen richtig vorbereiten und Unterlagen professionell erstellen

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Recht

Fehler in den Vergabeunterlagen können die gesamte Beschaffung gefährden: das gilt in besonderem Maße bei europaweiten Ausschreibungen, denn hier genießen Bieter einen sehr wirksamen Rechtsschutz. Rechtliche Mängel der Vergabeunterlagen können dazu führen, dass das Verfahren noch einmal zurückzuversetzen und ganz von vorn durchzuführen ist.

Deswegen ist eine rechtzeitige und sorgfältige Vorbereitung des Verfahrens so wichtig für eine erfolgreiche Vergabe!

Erste vorbereitende Schritte

Am Beginn jeder Ausschreibung steht die Ermittlung des konkreten Beschaffungsbedarfs. Wer schreibt aus und nach welchen Vorschriften richtet sich das Verfahren überhaupt? Gibt es eventuell Ausnahmetatbestände, die in Anspruch genommen werden können? Diese Fragen müssen am Anfang jedes Vergabeverfahrens neu geklärt werden, denn sie legen die vergaberechtlichen Rahmenbedingungen fest und wirken sich damit unter anderem auch auf den Umfang der Gestaltungsfreiheiten des Auftraggebers aus. Wichtig ist auch, rechtzeitig etwaige öffentlich-rechtliche Genehmigungserfordernisse und die Verfügbarkeit benötigter Haushaltsmittel zu prüfen.

Maßgebend für die zeitliche Planung des Verfahrens ist die gewählte Verfahrensart. Neben den vergaberechtlichen Fristen und Terminen sollte man überdies auch weitere Zeiträume z.B. für die Auswertung und Prüfung von Unterlagen oder Rüstzeiten für die Bieter berücksichtigen. Zugleich bestimmt das Verfahren auch darüber, ob und ggf. in welchem Umfang Auftraggeber evtl. den Bieterkreis verengen und Verhandlungen durchführen dürfen. Allerdings besteht hier keine vollständige Wahlfreiheit – auch wenn sich die Vorgaben durch die Vergaberechtsreform zu Gunsten der Auftraggeber etwas verändert haben.

Erstellung der Leistungsbeschreibung

Die Leistungsbeschreibung ist für Bieter inhaltlicher Bezugspunkt des eigenen Angebots und damit ein zentraler Bestandteil der Vergabeunterlagen. Ein beliebter Streitpunkt sind hier zwingende Anforderungen und Produktvorgaben. Natürlich ist es Sache des Auftraggebers, über den Gegenstand der Beschaffung zu entscheiden. Die Grenze zur Diskriminierung darf er dabei allerdings nicht überschreiten – hier gilt es, Gestaltungsmöglichkeiten richtig zu nutzen. Umgekehrt darf eine Leistungsbeschreibung natürlich auch nicht zu unbestimmt sein. Das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung gilt auch dann, wenn Auftraggeber Innovationen zulassen möchten. Deswegen müssen auch bei funktionalen Leistungsbeschreibungen oder bei der Zulassung von Nebenangeboten einige wichtige Punkte beachtet werden, dies gilt insbesondere in Bezug auf transparente Mindestanforderungen.

Einzureichende Nachweise und Erklärungen und Eignungsanforderungen bestimmen

Unsicher sind viele Auftraggeber bei der Frage, welche Nachweise und Erklärungen sie fordern dürfen. Zu beobachten ist eine durchaus verbreitete Praxis, standardisierte Formblätter oder Formulare aus anderen (vermeintlich ähnlichen) Ausschreibungen ungeprüft und unverändert (weiter-) zu verwenden. Das ist nicht nur vergaberechtlich riskant, sondern zugleich auch eine verschenkte Chance, den Kreis der Teilnehmer sachgerecht einzugrenzen und somit die Verfahrenseffizienz zu erhöhen. Bei der Bestimmung von Eignungsnachweisen ist auch die Möglichkeit der Eignungsleihe oder die Bildung von Bietergemeinschaften zu berücksichtigen, hier gibt es einige Besonderheiten.

Zuschlagskriterien

Zu den wichtigsten Entscheidungen bei der Erstellung der Vergabeunterlagen überhaupt gehört sicherlich die Auswahl und Gewichtung der Zuschlagskriterien. Dass die Kriterien sachgerecht sein müssen und keinen Bieter diskriminieren dürfen, versteht sich von selbst – doch was bedeutet das im Einzelnen? Muss der Preis immer mit mindestens 30% gewichtet werden? Was gilt bei der Zulassung von Nebenangeboten? Darf man Referenzen oder Erfahrungen bewerten? Ist eine Bewertung im Schulnotensystem verboten? Sowohl die Vergaberechtsreform, als auch die – teils jüngere – Rechtsprechung hat in diesen Fragen einige wichtige Vorgaben bestimmt.

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Bekanntmachung und e-Vergabe

Eingeleitet wird das Vergabeverfahren schließlich durch die europaweite oder nationale Bekanntmachung. Bei europaweiten Vergabeverfahren gibt es für verschiedene Verfahrensarten unterschiedliche Standardformulare, die zwingend zu verwenden sind. Aus der nunmehr verpflichtenden e-Vergabe folgen einige Änderungen im Hinblick auf den Inhalt der Bekanntmachung. Neue Möglichkeiten bietet die Vorinformation als Aufruf zum Wettbewerb.

Fazit

Bei jeder Vorbereitung eines Vergabeverfahrens und Erstellung von Vergabeunterlagen gibt es viele Punkte zu beachten. Trotz aller Formstrenge bietet das Vergaberecht jedoch auch oft gute Gestaltungsmöglichkeiten.

Hinweis der Redaktion
Wenn Sie mehr zu diesem Thema wissen möchten, dann besuchen Sie unser Seminar Ausschreibungen richtig vorbereiten & Unterlagen professionell erstellen, welches die DVNW Akademie mit Frau Dr. Valeska Pfarr und Herrn Dipl.-Verwaltungswirt Joachim-E. Warbek als Referenten am 20.09.2016 in Köln durchführen wird.

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Konzessionsvergaben zwischen wirtschaftlicher Betätigung und öffentlicher Beschaffung – Thema auf dem 3. Deutschen Vergabetag 2016

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Recht

Am 6. und 7. Oktober 2016 findet in Berlin der 3. Deutsche Vergabetag des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW) statt. Zur Vorbereitung und Auswahl der angebotenen Workshops stellen die Referenten ihren Workshop im Vorfeld des Kongresses vor; heute den Workshop C.2: “Konzessionsvergaben zwischen wirtschaftlicher Betätigung und öffentlicher Beschaffung: Was bringt die neue KonzVgV?”:

Mit der Umsetzung der Konzessionsrichtlinie 23/2014/EG als Teil des europäischen Richtlinienpakets gibt es seit dem 18.04.2016 erstmals eine eigene Vergabeverordnung für die Vergabe von Konzessionen: die Verordnung für die Vergabe von Konzessionen, kurz KonzVgV.

Konzessionen sind entgeltliche Verträge, durch die ein Unternehmen mit der Erbringung von Bau- oder Dienstleistungen betraut wird. Im Gegenzug bekommt das Unternehmen allerdings keine Vergütung durch den Auftraggeber – dann würde es sich ja um einen öffentlichen Auftrag handeln –, sondern das Recht, das Bauwerk oder die Dienstleistungen selbst zu verwerten. Nicht der Staat, sondern die Nutzer zahlen die Leistungen – oder auch nicht; das Verwertungs- bzw. Betriebsrisiko trägt allein der Konzessionär.

Die Vergabe von Konzessionen durch öffentliche Auftraggeber kommt immer dann in Betracht, wenn die zu vergebenden Aufgaben im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge auch als Kehrseite einer in erster Linie unternehmerischen Betätigung erfüllt werden können. Idealtypisch hierfür ist der Brückenbauer, der auf beiden Seiten seines Bauwerks Schranken aufstellt, die er gegen Entrichtung einer Maut hebt. In der Praxis ist das Betätigungsfeld für Konzessionäre äußerst vielgestaltig und reicht von der Altkleidersammlung über den Betrieb von kommunalen Netzen und bestimmten Formen der Stadtmöblierung bis hin zu Bau- und Dienstleistungen für Straßen, Flughäfen und Häfen. Allen Erscheinungsformen gemeinsam ist: Mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben lässt sich bei Schonung der öffentlichen Haushalte Geld verdienen!

Die KonzVgV ergänzt im Detail die sparsamen Regelungen des GWB (dort §§ 148 ff GWB) und trifft nähere Bestimmungen über das bei der Vergabe von Konzessionen einzuhaltende Verfahren. Anders als bei der Umgestaltung der vergaberechtlichen Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge handelt es sich bei der KonzVgV um ein Novum. Die Vergabe von Konzessionen war allerdings schon zuvor Gegenstand vergaberechtlicher Diskussionen. Während die Baukonzession in § 22 VOB/A-EG rudimentär geregelt war, war der größere Bereich der Dienstleistungskonzessionen ungeregelt und unterlag nur den grundlegenden Vorgaben des EG-Vertrags. Wie z.B. die Vergabekammer Südbayern noch 2015 mit Blick auf die Errichtung und Betrieb eines Breitbandnetzes im Wege einer Dienstleistungskonzession entschied, war der Rechtsweg zu den Vergabekammern vor der Umsetzung der Konzessionsrichtlinie verschlossen.

Die Eingemeindung der Konzessionen in das Hoheitsgebiet des Vergaberechts hat angesichts der vielfältigen Erscheinungsformen von Konzessionen eine große praktische Bedeutung. Künftig entscheidet die Definition eines Auftrags als Konzession nicht mehr über Anwendbarkeit des formellen Vergaberechts sondern über die anwendbaren Vergaberegeln. Die Vergabe öffentlicher Aufträge richtet sich nach der Vergabeverordnung (VgV), für die Vergabe von Konzessionen gilt, auch im Bereich der Sektoren Energie und Verkehr, vorrangig die KonzVgV.

Was bringt die neue KonzVgV für die Praxis? Fest steht, dass die Vorfrage, ob eine Konzession vorliegt, weiterhin maßgeblich ist und sicherlich auch in der Zukunft beliebtes Streitthema sein wird. Denn das Verfahren zur Vergabe einer Konzession ist nicht deckungsgleich mit dem zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags, vielmehr unterliegt die Vergabe einer Konzession deutlich flexibleren vergaberechtlichen Vorschriften. Die Einbeziehung von Dienstleistungskonzessionen bringt einerseits größere Rechtssicherheit und regt vielleicht auch die Fantasie der Kämmerer an. Andererseits ist absehbar, dass sich die Diskussionen künftig vermehrt darum drehen werden, ob überhaupt noch Leistungen beschafft werden, wenn die öffentliche Hand anstelle eigener unternehmerischer Betätigung hierfür einem Privaten die Möglichkeit einräumt, der hierfür mitunter sogar noch etwas zahlt. Die Grenze zwischen der Verwertung öffentlichen Vermögens z.B. durch Vermietung oder Verpachtung von Flächen z.B. an Häfen und Flughäfen – kein Vergaberecht – und der Beschaffung von Leistungen durch denjenigen, der diese Flächen zur Nutzung erhält – Vergaberecht –, muss von Fall zu Fall bestimmt werden. Das Augenmerk wird sich darauf richten, die Spielräume, welche die KonzVgV bei der Ausgestaltung des Vergabeverfahrens belässt, zu nutzen und die Außengrenze neu zu bestimmen, jenseits derer sich die öffentliche Hand wirtschaftlich betätigt, ohne hierbei zugleich Bau- oder Dienstleistungen zu beschaffen.

Findet die KonzVgV Anwendung, muss die Großzügigkeit des Verordnungsgebers auch eingelöst werden, die darin besteht, dass der Konzessionsgeber das Verfahren zur Vergabe von Konzessionen nach Maßgabe der KonzVgV frei ausgestalten darf. Findet weder die KonzVgV, noch – mangels Beschaffungsrelevanz – die VgV oder die SektVO Anwendung, ist zu fragen, ob und nach welchen Maßgaben eine wettbewerbliche Vergabe unter beihilfe- oder kartellrechtlichen Gesichtspunkten erforderlich ist.

Der Workshop wird sich anhand praktischer Beispiele damit befassen, wann sich ein öffentlicher Auftrag als Konzession „verkaufen“ lässt, unter welchen Voraussetzungen die VgV, die SektVO oder eben die KonzVgV einschlägig ist, welche Verfahrensabläufe und Wertungsmodelle sich als best practice anbieten und wann freiwillige wettbewerbliche Verfahren aus Gründen außerhalb des Vergaberechts indiziert sind.

Einladung
Ihre Fragen rund um diesen Themenkomplex werden im Workshop C.2: “Konzessionsvergaben zwischen wirtschaftlicher Betätigung und öffentlicher Beschaffung: Was bringt die neue KonzVgV?” auf dem 3. Deutschen Vergabetag am 7. Oktober 2016 in Berlin von den Referenten Dr. Frank Roth (Rechtsanwalt und Partner, DLA Piper UK LLP) und Volker Steingroß (Leiter Recht + Versicherung, Flughafen Köln/Bonn GmbH) beantwortet.

Der Workshop behandelt insbesondere die Themen:

  • Was ist eine Konzession nach der KonzVgV?
  • Konzession vs. öffentlicher Auftrag
  • Verhältnis der KonzVgV zum GWB, zur VgV und zur SektVO
  • Vermietung, Verpachtung, Erbbaurecht: Konzessionsvergabe oder Vermögensverwertung?
  • Das Verfahren zur Konzessionsvergabe im Vergleich zur Vergabe nach der VgV oder der SektVO

Das vollständige Programm des 3. Deutschen Vergabetags 2016 finden Sie unter:

www.deutscher-vergabetag.de

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Keine Pflicht zur Veröffentlichung der Bewertungsmethode (EuGH, Urt. v. 14.07.2016 – C-6/15, “TNS Dimarso”)

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Liefer- & DienstleistungenRechtUNBEDINGT LESEN!

Entscheidung EUDie „Schulnotenrechtsprechung“ des OLG Düsseldorf wird vom EuGH nicht bestätigt.

Die sogenannte Schulnotenrechtsprechung des OLG Düsseldorf hat zuletzt für Unsicherheit gesorgt. Danach sei neben den Zuschlagskriterien und deren Gewichtung auch die Bewertungsmethode bekannt zu machen. Die Bewertungsmethode müsse es zulassen, im Vorhinein zu bestimmen, welchen Erfüllungsgrad die Angebote auf der Grundlage des Kriterienkatalogs und konkreter Kriterien aufweisen müssen, um mit den festgelegten Punktwerten bewertet zu werden. Weit verbreitete Schulnoten- oder Punktesysteme zur Bewertung von Zuschlagskriterien reichten nicht aus.

Der EuGH geht einen gänzlich anderen Weg: Die Bewertungsmethode müsse zwar grundsätzlich vor Öffnung der Angebote feststehen. Sie muss aber nicht veröffentlicht werden und darf (und soll) dem öffentlichen Auftraggeber den erforderlichen Spielraum bei der Bewertung der Angebote belassen. Eine Beschreibung des Erfüllungsgrad mit „hoch“, „ausreichend“ und „niedrig“ ist daher nicht zwingend zu beanstanden.

Das OLG Düsseldorf ist nach diesem Urteil zwar nicht gezwungen, seine „Schulnotenrechtsprechung“ aufzugeben, da eine strengere nationale Rechtsprechung nicht gegen Europarecht verstößt. Es ist aber wahrscheinlich, dass sich jedenfalls andere Gerichte dem EuGH und nicht dem OLG Düsseldorf anschließen werden.

Art. 53 Abs. Richtlinie 2004/18/EG; Art. 67 Abs. 5 Richtlinie 2014/24/EU; § 127 Abs. 5 GWB; § 58 VgV

Leitsatz

Art. 53 Abs. 2 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge ist im Licht des Grundsatzes der Gleichbehandlung und der daraus hervorgehenden Transparenzpflicht dahin auszulegen, dass der öffentliche Auftraggeber, wenn ein Dienstleistungsauftrag nach dem Kriterium des aus seiner Sicht wirtschaftlichsten Angebots vergeben werden soll, nicht verpflichtet ist, den potenziellen Bietern in der Auftragsbekanntmachung oder in den entsprechenden Verdingungsunterlagen die Bewertungsmethode, die er zur konkreten Bewertung und Einstufung der Angebote anwenden wird, zur Kenntnis zu bringen. Allerdings darf diese Methode keine Veränderung der Zuschlagskriterien oder ihrer Gewichtung bewirken.

Sachverhalt

Die flämische Regierung hat einen Auftrag zur Erhebung über das Wohnungswesen und den Wohnkonsumenten in Flandern ausgeschrieben.
In der Ausschreibung dieses Auftrags wurden die beiden folgenden Zuschlagskriterien genannt:

1      Qualität des Angebots (50/100)

Qualität der Vorbereitung, Organisation und Ausführung der Feldarbeit, der Kodierung und ersten Auswertung der Daten. […]

2      Preis (50/100)

[…]“

Im Wertungsbericht heißt es:

„Die vier Angebote wurden anhand der oben genannten Kriterien bewertet und miteinander verglichen. Die Angebote wurden zunächst auf Grundlage des Kriteriums ,Qualität‘ geprüft und bewertet. Jedes Angebot erhielt hierbei einstimmig eine bestimmte Bewertung (hoch, ausreichend, niedrig). Sodann wurde das Kriterium ,Preis‘ angewandt.“

Das günstigste Angebot mit niedriger Qualität kam auf Rang 4. Die übrigen, deutlich teureren Angebote mit jeweils hoher Qualität kamen auf die ersten drei Plätze, in der Reiheinfolge der Preise.

Das Ausgangsgericht legte dem EuGH die Frage vor,

ob der öffentliche Auftraggeber, wenn der Auftrag an den Bieter mit dem aus seiner Sicht wirtschaftlich günstigsten Angebot vergeben wird, stets dazu verpflichtet ist, die Bewertungsmethode oder die Gewichtungsregeln wie vorhersehbar, gängig oder weitreichend sie auch sein mag bzw. mögen, anhand deren die Angebote nach den Zuschlagskriterien oder Unterkriterien bewertet werden sollen, stets im Voraus festzulegen und in die Bekanntmachung oder Verdingungsunterlagen aufzunehmen,

oder,

wenn eine solche allgemeine Verpflichtung nicht besteht, ob es Umstände wie u. a. die Tragweite, die mangelnde Vorhersehbarkeit oder die mangelnde Gängigkeit dieser Gewichtungsregeln gibt, unter denen diese Verpflichtung dennoch gilt?

Die Entscheidung

Der EuGH verneinte die Frage. Weder aus der Richtlinie 2004/18/EG noch aus der Rechtsprechung des EuGH ergebe sich eine Pflicht, den potenziellen Bietern durch Veröffentlichung in der Bekanntmachung oder den Verdingungsunterlagen die Bewertungsmethode zur Kenntnis zu bringen, anhand derer der öffentliche Auftraggeber eine konkrete Bewertung der Angebote hinsichtlich der zuvor in den Auftragsdokumenten festgelegten Zuschlagskriterien und ihrer Gewichtung vornimmt und eine Rangfolge für sie erstellt.

Zur Begründung führt der EuGH aus, dass ein Bewertungsausschuss bei der Erfüllung seiner Aufgabe über einen gewissen Freiraum verfügen müsse und somit, ohne die in den Verdingungsunterlagen oder in der Bekanntmachung festgelegten Zuschlagskriterien zu verändern, seine Tätigkeit der Prüfung und Bewertung der eingereichten Angebote strukturieren dürfe. Dieser Freiraum sei auch aus praktischen Erwägungen gerechtfertigt. Der öffentliche Auftraggeber müsse in der Lage sein, die Bewertungsmethode, die er zur Bewertung und Einstufung der Angebote anwenden wird, an die Umstände des Einzelfalls anzupassen.

Entsprechend sei der Auftraggeber auch nur grundsätzlich dazu verpflichtet, die Bewertungsmethode vor Öffnung der Angebote festzulegen. Wenn die Festlegung dieser Methode aus nachweislichen Gründen nicht vor der Öffnung möglich gewesen sei, könne der öffentliche Auftraggeber sie auch erst festlegen, nachdem er oder sein Bewertungsausschuss vom Inhalt der Angebote Kenntnis genommen hat.

Der öffentliche Auftraggeber müsse aber sicherstellen, dass die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung durch die Bewertungsmethode nicht verändert würden. Hieran bestanden im vorliegenden Fall Zweifel, da eine Gewichtung der Qualität zu 50 % allein durch die Bewertungsmaßstäbe „hoch“, „ausreichend“ und „niedrig“ nicht gewährleistet war.

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung überzeugt. Ohne einen Beurteilungsspielraum können andere Kriterien außer dem Preis nur selten bewertet werden. In vielen Fällen ist es unmöglich, eine Bewertungsmethode vorab so genau festzulegen, dass die Bewertung vorab gleichsam automatisch feststeht. Dass dabei ein nur dreistufiger Bewertungsmaßstab für die Qualität, die zu fünfzig Prozent gewichtet werden soll, nicht ausreicht, liegt auf der Hand. Ein Punkte- oder ein Schulnotensystem hätten dem EuGH aber offenbar bereits genügt.

Die Entscheidung des EuGH steht im direkten Widerspruch zur Schulnotensrechtsprechung des OLG Düsseldorf (vgl. dazu Ortner, Vergabeblog.de vom 22/02/2016, Nr. 24682 und Vergabeblog.de vom 10/12/2015, Nr. 24401). Dieses hat zuletzt im Beschluss vom 15. Juni 2016 (VII-Verg 49/15, Rn. 35) ausgeführt:

„Der Antragsgegner hat der Angebotswertung ein unzulässiges Bewertungssystem zugrunde gelegt. Durch die Verwendung eines Schulnotensystem zur Bewertung der Konzepte unter Verweis auf die Internetseite: http://de.wikipedia.org/wiki/Schulnote#Unter- und Mittelstufe statt der Angabe konkreter Kriterien anhand derer Schulnoten vergeben werden sollen, hat er unzulässige Wertungsmaßstäbe aufgestellt. Die Wertungsmaßstäbe, die sich auch in den abschließenden Vergabeunterlagen befinden, sind intransparent. Sie lassen nicht zu, im Vorhinein zu bestimmen, welchen Erfüllungsgrad die Angebote auf der Grundlage des Kriterienkatalogs und konkreter Kriterien aufweisen müssen, um mit den festgelegten Schulnoten bewertet zu werden. Für Bieter war nicht zu erkennen, unter welchen Voraussetzungen welche Kriterien mit welcher Schulnote bewertet werden. Aufgrund der Vergabeunterlagen haben Bieter im Voraus nicht zuverlässig ermitteln können, auf welche konkreten Leistungen die Vergabestelle Wert gelegt hat und wie Angaben und angebotene Konzepte insofern zueinander gewichtet werden sollten. Das Wertungssystem der Vergabestelle lässt objektiv Raum für Manipulationen und Willkür bei der Bewertung der Angebote.“

Das OLG Düsseldorf setzt dabei wie selbstverständlich und zuvor mehrfach entschieden (vgl. nur Beschluss vom 16. Dezember 2015  VII-Verg 25/15, juris) voraus, dass die Bewertungsmethode in der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen den Bietern zur Kenntnis gebracht werden muss.
Die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf ist nicht nur unpraktikabel, weil im Voraus Bewertungsmethoden mit diesem Detailierungsgrad kaum zu erstellen sind. Sie führt letztlich dazu, dass öffentliche Auftraggeber dazu übergehen, nur noch den Preis zu bewerten.

Sie findet auch im Gesetz keine Stütze. Ausdrücklich wird in der Richtlinie und der innerstaatlichen Umsetzung lediglich gefordert, dass die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung bekannt zu geben sind. Daran hat sich im „neuen“ Vergaberecht nichts geändert (Art. 67 Abs. 5 Richtlinie 2014/24/EU, § 127 Abs. 5 GWB, § 58 Abs. 3 VgV). Als Begründung verweist das OLG Düsseldorf auch lediglich auf den Transparenzgrundsatz. Dessen Reichweite wurde für die Ermittlung des Zuschlags aber durch den europäischen und nationalen Gesetzgeber festgelegt: (Nur) die Zuschlagskriterien selbst und dern Gewichtung sind zu veröffentlichen. Eine Ausdehnung des Transparenzgrundsatzes über diese ausdrückliche Regelung hinaus steht daher weder mit dem europäischen Recht, wie vom EuGH bestätigt, noch mit nationalem Recht in Einklang.

Dass das OLG Düsseldorf dem EuGH folgt, erscheint zweifelhaft. Es steht dem nationalen Gesetzgeber frei, über die europäischen Regelungen hinausgehende Transparenzanforderungen zu stellen. Ein nationales Gericht kann daher – selbst gleichlautende Regelungen – strenger auslgegen als der EuGH. Die nationale Rechtsprechung darf aber nicht gegen andere europäische Regelungen verstoßen. Wenn die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf dazu führt, dass die in der Richtlinie ausdrücklich für zulässig erklärten qualitativen, sozialen und umweltbezogenen Kriterien nicht mehr angewandt werden können, dann müsste das OLG Düsseldorf die Rechtsprechung des EuGH beachten. Nach Auffassung des OLG Düsseldorf ist es aber wohl möglich, vorab in allen Fällen eine Bewertungsmethode festzulegen, die über Schulnoten oder ein Punktesystem hinausgehen.

DVNW_Mitglied

Praxistipp

Nach der Schulnotenrechtsprechung des OLG Düsseldorf ist eine Bewertung der Zuschlagskriterien nach nicht näher definierten „Schulnoten“ oder Punkten nicht zulässig, da der Bieter nicht weiß, wie sein Angebot bewertet wird.

Diese Rechtsprechung hat auf europäischer Ebene keine Fortsetzung gefunden: Der EuGH stellt eindeutig fest, dass die Bewertungsmethode nicht einmal den Bietern bekannt gemacht werden muss. Grundsätzlich sind nach der Entscheidung auch einfache Bewertungssysteme – wie etwa Schulnoten – möglich.

Damit steigen die Chancen, dass die anderen Gerichte die kaum erfüllbaren Anforderungen des OLG Düsseldorf nicht übernimmt. Da das Urteil des EuGH aber einer strengeren nationalen Rechtsprechung nicht entgegensteht, ist nicht auszuschließen, dass das OLG Düsseldorf an seiner Rechtsprechung festhält.

Stets muss der Auftraggeber sicherstellen, dass die Bewertung der Angebote nach objektiven und nachvollziehbaren Maßstäben erfolgt. Auch sind Unterkriterien grundsätzlich zu veröffentlichen. Je detaillierter die Zuschlagskriterien und die Bewertungsmethode sind und je früher der öffentliche Auftraggeber die Bewertungsmethode festlegt und bekannt macht, umso weniger macht er sich angreifbar. Die Schulnotenrechtsprechung des OLG Düsseldorf sollte aber nicht, jedenfalls nicht mehr, dazu führen, dass qualitative, soziale und umweltbezogene Kriterien bei der Bewertung von Angeboten außen vor bleiben.

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Eintragung im PQ-Verzeichnis ausreichend, wenn der Auftraggeber darüber hinaus keine speziellen, auftragsbezogenen Eignungsnachweise fordert! (VK Nordbayern, Beschl. v. 13.04.2016 – 21. VK-3194-05/16)

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BauleistungenRecht

EntscheidungZum Nachweis der Eignung ist vom Auftraggeber die Fachkunde und Leistungsfähigkeit der Bieter zu prüfen. Dieser Nachweis kann mit der vom Auftraggeber direkt abrufbaren Eintragung in das Präqualifikationsverzeichnis (PQ-Verzeichnis) erfolgen. Eine solche von der zuständigen Stelle ausgestellte Präqualifikation kann weder von den Nachprüfungsinstanzen in Frage gestellt werden noch bedarf es darüber hinaus weiterer Eignungsnachweise, sofern der Auftraggeber solche nicht explizit verlangt.

§ 6 EG Abs. 3 Nr. 1, 2 VOB/A 2012 (§§ 6 EU Abs. 1, 2, 6b EU Abs. 1 VOB/A 2016)

Leitsatz

  1. Zum Nachweis ihrer Eignung ist die Fachkunde, Leistungsfähigkeit sowie Gesetzestreue und Zuverlässigkeit der Bieter zu prüfen. Dieser Nachweis kann mit der vom Auftraggeber direkt abrufbaren Eintragung in die allgemein zugängliche Liste des Vereins für Präqualifikation von Bauunternehmen e.V. (Präqualifikationsverzeichnis) erfolgen.
  2. Eine von der zuständigen Stelle ausgestellte Präqualifikation kann nicht mit einem Nachprüfungsverfahren aberkannt werden.
  3. Die Feststellung, ob ein Bieter die erforderliche Fachkunde und Leistungsfähigkeit besitzt, um den Auftrag zufriedenstellend ausführen zu können, ist das Ergebnis einer fachlich tatsächlichen Prognose, welche der öffentliche Auftraggeber im Rahmen eines gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraumes trifft. Grundlage der Prognose müssen gesicherte Erkenntnisse sein.

Sachverhalt

Der Auftraggeber schrieb eine vorgehängte hinterlüftete Fassade mit Faserzementplatten für einen Neubau im offenen Verfahren nach der VOB/A 2012 europaweit aus. Zuschlagskriterium war der niedrigste Preis. Gemäß Ziffer III.2.1) der Bekanntmachung vom 25.11.2015 zur Nr. 2015/S 228-414415 war es präqualifizierten Unternehmen gestattet, den Nachweis der Eignung durch den Eintrag in das PQ-Verzeichnis zu führen. Nicht präqualifizierte Unternehmen hatten zum Nachweis der Eignung dagegen mit dem Angebot das ausgefüllte Formblatt 124 (Eigenerklärung zur Eignung) vorzulegen. Des Weiteren wurden allerdings in Ziffer III.2.2) der EU-Bekanntmachung Anforderungen an die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit gestellt. U.a. wurden beispielsweise vergleichbare Referenzen gefordert. Vergleichbar sind danach nur Aufträge mit einem Nettoauftragswert von mind. 350.000 EUR.

Das preisgünstigste Angebot gab das Unternehmen B ab. Gegen die beabsichtigte Beauftragung von B richtete sich der Nachprüfungsantrag des Unternehmens A, dem späteren Antragsteller (ASt). Der ASt rügte die beabsichtigte Auftragsvergabe. Zur Begründung sprach er B die Eignung für den in Rede stehenden Auftrag ab. B könne insbesondere keine hinreichenden Referenzen vorlegen. Er beantragte bei der Vergabekammer, das Angebot von B auszuschließen.

Die Entscheidung

Ohne Erfolg! Der Nachprüfungsantrag war zwar zulässig, aber unbegründet.

Die Vergabekammer entschied, dass der Auftraggeber zu Recht den Bieter B für die streitgegenständlichen Fassadenarbeiten als geeignet beurteilt hat. Denn der Eignungsnachweis kann mit der vom Auftraggeber direkt abrufbaren Eintragung in das PQ-Verzeichnis gemäß § 6 EG Abs. 3 Nr. 1 und 2 VOB/A 2012 (§ 6b EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A 2016) erfolgen. Bieter B hatte mit ihrem Angebot den verlangten Eignungsnachweis erbracht, indem er eine Kopie der PQ-Urkunde den Angebotsunterlagen beigefügt hatte. Darin wird dem Bieter bescheinigt, für den Bereich konstruktive Fassadenarbeiten präqualifiziert zu sein. Damit hat B die Forderung nach der Bekanntmachung erfüllt. Er war nicht verpflichtet, weitere Einzelreferenzen vorzulegen. Der Auftraggeber ist vielmehr an die von ihm in der Bekanntmachung geforderten Eignungsnachweise gebunden; er darf weder zusätzliche Nachweise fordern noch auf Verlangen auf Nachweise verzichten. Zudem kann eine von der zuständigen Stelle ausgestellte Präqualifikation nicht mit einem Nachprüfungsverfahren aberkannt werden.

Ungeachtet dessen hatte der Auftraggeber zwar den Bieter B nachträglich aufgefordert, für die letzten drei Geschäftsjahre den Umsatz des Unternehmens, drei Referenzen und die jahresdurchschnittlichen Beschäftigten anzugeben. Diese aus Sicht der Vergabekammer zusätzlichen, in der Bekanntmachung nicht verlangten Forderung ist B allerdings nachgekommen. Die Feststellung, ob ein Bieter die erforderliche Fachkunde und Leistungsfähigkeit besitzt, um den Auftrag zufriedenstellend ausführen zu können, ist das Ergebnis einer fachlich tatsächlichen Prognose, welche der öffentliche Auftraggeber im Rahmen eines gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraums trifft. Grundlage der Prognose müssen gesicherte Erkenntnisse sein. Die unabhängig von dem PQ-Nachweis seitens B vorgelegten Unterlagen lassen aus Sicht der Kammer nicht den Rückschluss zu, dass der Auftraggeber bei der Eignungsprognose seinen Spielraum überschritten hat.

Rechtliche Würdigung

Die Begründung der Vergabekammer ist fehlerhaft. Die Vergabekammer verkennt, anders als vorliegend der handelnde Auftraggeber, den Inhalt der Bekanntmachung.

Zwar stellt die Vergabekammer unter Hinweis auf die einschlägige Vorschrift aus der VOB/A fest, dass der Bieter seine Eignung durch den Eintrag ins PQ-Verzeichnis vollumfassend nachweisen kann; es mithin darüber hinaus keinerlei weiteren Eignungsnachweise bedarf, wenn der Auftraggeber dies nicht eindeutig in der Bekanntmachung neben dem PQ-Nachweis verlangt hat. Vorliegend verkennt die Vergabekammer allerdings, dass sich die Reichweite des PQ-Nachweises lediglich auf die unter Ziffer III.2.1) der Bekanntmachung genannten Eignungsnachweise erstreckte. Zusätzlich waren, wohl auch aus Sicht des Auftraggebers, die explizit auftragsbezogenen Eignungsnachweise nach Ziffer III.2.2) der Bekanntmachung zu erbringen. Wenn auch hier die Eintragung in das PQ-Verzeichnis hätte ausreichend sein sollte, hätte dies hier angegeben sein müssen. Dies war, anders als z.B. in einer Bekanntmachung des Staatlichen Bauamts Schweinfurt vom 19.04.2016 zur Nr. 2016/S 076-133146, aber nicht der Fall.

Ungeachtet der fehlerhaften Auslegung der Bekanntmachung geht die Vergabekammer auf die darüber hinaus vorgelegten Unterlagen (hilfsweise) ein und befasst sich mit dem Inhalt dieser Unterlagen. Die seitens des ASt im Nachprüfungsverfahren vorgetragenen Argumente werden von der Vergabekammer soweit aus der Entscheidung ersichtlich allerdings nur kursorisch betrachtet und gewürdigt. Hier wäre eine weitergehende Auseinandersetzung zwingend geboten gewesen. Der Entscheidung lassen sich für die Vergabepraxis trotzdem zwei wesentliche Aussagen entnehmen:

  • Der Auftraggeber ist gehalten, in der Bekanntmachung deutlich herauszustellen, wenn der (bloße) Nachweis der Eintragung im PQ-Verzeichnis als Eignungsnachweis insgesamt ausreichend sein soll. Ist dies der Bekanntmachung eindeutig zu entnehmen, wie vorliegend nicht geschehen, besteht kein Raum mehr für eine Pflicht zur Vorlage weiterer Nachweise. Dann ist die Eignung allerdings auch mit dem PQ-Nachweis umfassend belegt. Weitere Nachweise des Bieters sind entbehrlich.
  • Legen präqualifizierte Bieter von sich aus, wie in der Praxis geläufig, weitere Unterlagen vor, ist der Auftraggeber gehalten (ggf. sogar gezwungen), auch diese auf Belastbarkeit und Stichhaltigkeit zu prüfen. Denn im Ergebnis muss der Auftraggeber bei der Eignungsprüfung eine Prognose abgeben, ob der Bieter die hinreichende Gewähr dafür bietet, dass er den Auftrag erfolgreich wird durchführen können. Legt daher ein Bieter nicht nur den PQ-Nachweis vor, sondern darüber hinaus Unterlagen, die einer positiven Prognose entgegenstehen, kann der Auftraggeber über diese Unterlagen nicht ohne Weiteres hinwegsehen. Er muss diese vielmehr würdigen und daraus ggf. auch negative Rückschlüsse ableiten. Dafür spricht auch die Neuregelung in § 6b EU Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 VOB/A 2016, wonach die im PQ-Verzeichnis hinterlegten Angaben nicht ohne Begründung in Zweifel gezogen werden dürfen. Eine solche Begründung kann sich aus den Informationen der zusätzlichen Unterlagen ergeben.

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Praxistipp

Auftraggeber sollten im Vorfeld des Vergabeverfahrens für sich klären, ob die (bloße) Vorlage eines PQ-Nachweises zum Nachweis der Bietereignung ausreichend sein soll. Ist dieser vereinfachte Eignungsnachweise gewünscht, sollte dies in der Bekanntmachung unmissverständlich unter Hinweis auf die einschlägige Regelung in der VOB/A klargestellt werden. Ferner sollen Auftraggeber darauf hinweisen, dass weitere Nachweise über den PQ-Nachweis hinaus nicht erforderlich sind.

Präqualifizierten Bietern ist zu empfehlen, lediglich den PQ-Nachweis vorzulegen und nicht darüber hinaus weitere Nachweise, wenn ein solcher nach den Angaben des Auftraggebers ausreichend ist. Alles andere kann beim Auftraggeber zu zusätzlichen (überflüssigen) Eignungsprüfungen führen bzw. Nachfragen produzieren. Dies gilt aus Bietersicht erst recht bei der Beschaffung von Bauleistungen, da hier ohnehin eine Pflicht des Auftraggebers zur Nachforderung von fehlenden Erklärungen und Nachweisen besteht (vgl. § 16a EU VOB/A 2016). Ein Ausschluss des Angebots kann ohne eine explizite Nachforderung also nicht erfolgen. Dies ist im Liefer- und Dienstleistungsbereich bekanntermaßen anders. Hier kann der Auftraggeber, muss aber nicht, Unterlagen nachfordern (siehe dazu u.a. § 51 Abs. 2 VgV 2016).

The post Eintragung im PQ-Verzeichnis ausreichend, wenn der Auftraggeber darüber hinaus keine speziellen, auftragsbezogenen Eignungsnachweise fordert! (VK Nordbayern, Beschl. v. 13.04.2016 – 21. VK-3194-05/16) appeared first on Vergabeblog.

Vergabe von Planungsleistungen: Kein weitergehender Honoraranspruch, wenn Entschädigung in Vergabeunterlagen vorgesehen (BGH, Urt. v. 19.04.2016 – X ZR 77/14)

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Liefer- & DienstleistungenRecht

EntscheidungBislang war höchstrichterlich nicht entschieden, ob Planungsbüros Honoraransprüche außerhalb des Vergabeverfahrens geltend machen können oder ob eine unzureichende Aufwandsentschädigung für die Angebotserstellung bereits im Vergabeverfahren angegriffen werden muss. Dieser Rechtsunsicherheit hat der BGH nunmehr ein Ende bereitet.

Der zuständige Vergabesenat weist in einer jüngeren Entscheidung ausdrücklich darauf hin, dass Honoraransprüche nicht durchsetzbar sind, wenn ein Bieter eine vom Auftraggeber festgesetzte Entschädigung unbeanstandet lässt und stattdessen ein Angebot abgibt.

VgV 2016 § 77 Abs. 2, 3; VOF 2009 § 13 Abs. 2, 3, § 20 Abs. 3

Leitsatz

1. Beteiligt sich ein Planungsbüro an einem Vergabeverfahren zur Beauftragung von Planungsleistungen, in dem eine pauschale Vergütung als abschließende Zahlung für Leistungen vorgesehen ist, die über die Bearbeitung der Angebotsunterlagen hinausgehen, kann die Bindung an diese Vergütung nur durch Rüge gegenüber dem Auftraggeber und Einleitung eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens beseitigt werden.

2. Unterlässt ein Planungsbüro eine Rüge und gegebenenfalls die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens, stehen diesem keine weitergehenden Honoraransprüche für Leistungen zu, die über die Bearbeitung der Angebotsunterlagen hinausgehen.

(Leitsätze nicht amtlich)

Sachverhalt

Der Auftraggeber schrieb Planungsleistungen im Zusammenhang mit der Entwicklung eines früheren Industriegeländes europaweit aus. Den Bietern war aufgegeben, mit Einreichung der Angebote eine Projektstudie vorzulegen. Die Projektstudie musste einen Erläuterungsbericht, eine Kostenschätzung einschließlich der Wartungs- und Unterhaltskosten für 20 Jahre, eine statische Vorbemessung sowie eine Visualisierung des Gesamtbauwerks mittels Grundrissen und Längsschnitten enthalten. Der Auftraggeber gewährte hier dem Bieter eine Aufwandsentschädigung in Höhe von EUR 6.000,00. Ein Bieter rügte die Höhe der Entschädigung als unangemessen. Der Auftraggeber half der Rüge nicht ab. Der Bieter reichte daraufhin ein Angebot ein. Erst nachdem der Bieter den Zuschlag nicht erhalten hatte, verlangte er vom Auftraggeber für die Projektstudie EUR 250.000,00.

Die Entscheidung

Zu Unrecht, wie der BGH ebenso wie die Vorinstanzen zugunsten des Auftraggebers entschied. Der BGH ist der Rechtsauffassung, dass ein Bieter mit Angebotsabgabe zugleich sein Einverständnis mit einer in den Vergabeunterlagen ausdrücklich vorgesehenen Aufwandsentschädigung erklärt. Sofern eine Aufwandsentschädigung nach Ansicht eines Bieters unangemessen niedrig ist, kann er sich hierauf nicht mehr berufen, nachdem er den Zuschlag nicht erhalten hat. In dieser Hinsicht komme es nicht darauf an, ob ein Bieter der Auffassung ist, eine Vergütung sei zu gering im Sinne des § 13 Abs. 3 VOF 2009 oder es liege ein nach § 20 Abs. 3 VOF 2009 vergütungspflichtiger Lösungsvorschlag vor, der nach den Honorarbestimmungen der HOAI vergütet werden müsse. Ein Bieter ist vielmehr gehalten, sein Ansinnen im Wege eines Nachprüfungsverfahrens durchzusetzen.

Rechtliche Würdigung

Die Vergabe von Planungsleistungen ist häufig mit dem Grundproblem konfrontiert, dass Auftraggeber einerseits gewisse Ausarbeitungen oder gar Lösungsvorschläge für die Planungsaufgabe von den Bietern zur Beurteilung der Qualität der Angebote abfordern. Andererseits ist die Erstellung der Angebote für die Bieter mit immensem Aufwand verbunden.

Vor diesem Hintergrund besteht aus der Perspektive der Auftraggeber die Gefahr, dass Bieter umfangreiche Planungsleistungen erbringen könnten, ohne dass solche ausdrücklich gefordert waren. Dem begegnet nunmehr die Vorschrift des § 76 Abs. 2 Satz 3 VgV. Bieter stehen vor der Herausforderung, dass manches Mal nur schwer abzuschätzen ist, in welchem Umfang Lösungsvorschläge gefordert sind und erbringen daher häufig umfangreiche Ausarbeitungen, um keinen Wettbewerbsnachteil im Verfahren zu erleiden.

Diverse Oberlandesgerichte hatten bereits in den vergangenen Jahren entschieden, dass an die Geltendmachung weitergehender Honoraransprüche inhaltlich und formal hohe Anforderungen zu stellen sind (OLG Koblenz, Urteil vom 20.12.2013 8 U 1341/12 (siehe den Beitrag des Autors, Vergabeblog.de vom 27/01/2014, Nr. 18131); OLG München, Urteil vom 20.03.2013 Verg 5/13 (siehe den Beitrag des Autors, Vergabeblog.de vom 28/04/2013, Nr. 15146)). Diese Rechtsauffassung bestätigt nunmehr auch der BGH. Sofern ein Bieter bei der Vergabe von Planungsleistungen der Ansicht ist, eine vorgesehene Aufwandsentschädigung sei unangemessen, so muss er diesen Aspekt rügen und gegebenenfalls in einem Nachprüfungsverfahren weiterverfolgen. Der BGH weist ausdrücklich darauf hin, dass dies der einzig gangbare Weg ist, um zu erreichen, dass der Auftraggeber entweder die Entschädigung erhöht oder möglicherweise die an die Ausarbeitung von Planungsleistungen gestellten Anforderungen herabsetzt.

DVNW_Mitglied

Praxistipp

Für die Praxis ist von immenser Bedeutung, dass der Inhalt der Grundsatzentscheidung des BGH ausdrücklich auch für diejenigen Vergabeverfahren zur Beauftragung von Planungsleistungen gilt, die nach dem 18.04.2016 unter Anwendung der VgV durchzuführen sind. Die Vorschrift des § 77 Abs. 2 VgV fordert für den Fall, dass öffentliche Auftraggeber über die Erstellung der Angebotsunterlagen hinaus die Ausarbeitung von Lösungsvorschlägen für die gestellte Planungsaufgabe wünschen, die Festsetzung einer angemessenen Vergütung. Zwar bleiben auch nach der gesetzlichen Neuregelung (vgl. § 77 Abs. 3 VgV) gesetzliche Gebühren- oder Honorarordnungen unberührt. Weitergehende Vergütungsansprüche sind aber auch künftig nicht durchsetzbar, wenn eine im Vergabeverfahren vorgesehene Entschädigung unbeanstandet bleibt.

Anmerkung der Redaktion
Der Beitrag ist Teil der Serie VOF.
Weitere relevante Beiträge finden Sie auf der Serienseite.

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Die elektronische Bereitstellung von Vergabeunterlagen – vier Fragen (Teil 1)

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Recht

Seit dem 18. April 2016 müssen Auftraggeber grundsätzlich schon zum Zeitpunkt der Auftragsbekanntmachung die Vergabeunterlagen vollständig elektronisch zum Abruf bereitstellen. Ausnahmeregelungen, die insbesondere technische Hindernisse betreffen, dürften für die breite Masse der Vergabeverfahren nicht relevant sein. Doch was bedeutet diese Pflicht im Einzelnen und wie weit reicht sie tatsächlich? Müssen in jedem Fall eine vollständige Leistungsbeschreibung, der Vertrag oder die Bewertungsmatrix für die Angebotsauswertung online gestellt werden? Ein Beitrag in drei Teilen.

Die nachfolgenden vier Fragen und Antworten (bzw. Überlegungen) offenbaren eine im Detail differenzierte Rechtslage, die in diesem Beitrag über drei Teile erörtert werden soll.

1. Was genau erfordert das: die vollständige elektronische Verfügbarkeit?

Nach dem reinen Wortlaut der Vorschriften könnte man wohl zunächst auf den Gedanken kommen, dass eine elektronische Anforderung und Zusendung der Unterlagen per E-Mail ausreichen könnte. Die Rede ist hier von der Angabe einer „elektronischen Adresse“ unter der die Vergabeunterlagen unentgeltlich, uneingeschränkt, vollständig und direkt „abgerufen werden“ können (vgl. § 41 Abs.1 VgV, § 11 EU Abs. 3 VOB/A und § 41 Abs. 1 SektVO), nicht von einer „Internetadresse“. Denkbar wäre demnach auch, in einer Anforderung per E-Mail eine hinreichende elektronische Anforderung zu sehen. Die Vergaberichtlinien selbst nennen in ihren jeweiligen Anhängen bei den erforderlichen Mindestangaben für eine europaweite Bekanntmachung sogar ausdrücklich die E-Mail-Adresse als mögliche Alternative zur Angabe einer Internetadresse (vgl. Anhang V, Teil C Ziff. 2 der RL 2014/24/EU bzw. Anhang XI, Teil A, Ziffer 10 RL 2014/25/EU). Angesichts des Wortlauts der Richtlinie selbst spricht aber einiges für ein Redaktionsversehen. Art. 53 Abs. 1 RL 2014/24/EU fordert einen „direkten Zugang“ anhand elektronischer Mittel und Art. 73 Abs. 1 RL 2014/25/EU einen „vollständig elektronischen Zugang“. Sie sehen also gerade kein Dazwischentreten einer Vergabestelle vor, welche die Unterlagen versendet. Konsequenterweise lassen die Standardformulare auch nur die Angabe einer Internetadresse zu.

2. Gibt es Bereiche oder Gestaltungen, die von dieser Pflicht ausgenommen sind?

Abgesehen von den geregelten Ausnahmetatbeständen aus technischen Gründen gibt es einige Bereiche und Gestaltungen, die von dieser Pflicht zur vollständigen elektronischen Bereitstellung der Vergabeunterlagen nicht erfasst werden.

· Zweistufige Konzessionsvergaben

Bei Konzessionsvergaben verpflichtet § 17 Abs. 1 KonzVgV den Konzessionsgeber nur dazu, in der Konzessionsbekanntmachung eine elektronische Adresse zum Abruf der Vergabeunterlagen anzugeben, „sofern die Konzessionsbekanntmachung keine Aufforderung zur Angebotsabgabe enthält.“ Dies lässt sich so verstehen, dass die Angabe einer Internetadresse zum Abruf der Vergabeunterlagen in der Konzessionsbekanntmachung noch nicht erforderlich ist, wenn Konzessionsvergaben mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb durchgeführt werden. Mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe muss diese Internetadresse aber mitgeteilt werden.

· Präqualifizierungssystem im Sektorenbereich

Im Sektorenbereich besteht die Möglichkeit, ein Präqualifizierungssystem gemäß § 37 SektVO einzurichten und bekannt zu machen. In diesem Fall kann der unverzügliche Zugang zu den Vergabeunterlagen gemäß § 41 Abs. 2 SektVO auch erst bei Aufforderung zur Angebotsabgabe oder zu Verhandlungen ermöglicht werden. Auch in diesem Fall aber muss die Aufforderung eine Internetadresse zum Abruf der Vergabeunterlagen enthalten.

· Vorinformation/regelmäßige nicht verbindliche Bekanntmachung als Aufruf zum Wettbewerb

Eine Bekanntgabe der Internetadresse ist selbstredend dann nicht in einer Auftragsbekanntmachung möglich, wenn es eine solche Auftragsbekanntmachung gar nicht gibt. Seit der Vergaberechtsreform haben Auftraggeber die Möglichkeit, bei nicht offenen Verfahren und bei Verhandlungsverfahren auf eine Auftragsbekanntmachung zu verzichten, wenn sie eine Vorinformation (vgl. § 38 Abs. 4 VgV, § 12 EU Abs. 2 VOB/A) bzw. eine regelmäßige nicht verbindliche Bekanntmachung (vgl. § 36 Abs. 4 SektVO) als Aufruf zum Wettbewerb veröffentlichen, die bestimmte Mindestangaben enthalten muss. Frühestens 35 Tage nach Veröffentlichung dieses Aufrufs zum Wettbewerb (und maximal 12 Monate danach) werden diejenigen Unternehmen, die dem Aufruf gefolgt sind und eine Interessensbekundung übermittelt haben, zur Interessensbestätigung aufgefordert und erhalten im Rahmen dieser Aufforderung zur Interessensbestätigung die elektronische Adresse, unter der die Vergabeunterlagen zum Download bereitstehen (vgl. § 41 Abs. 1 Alt. 2 VgV, § 12 aEU Abs. 1 Satz 2 VOB/A, § 42 Abs. 3 S.2 Nr. 4 SektVO). In diesem Fall erhält also nur ein eingeschränkter Kreis von Unternehmen die Internetadresse, unter der die Unterlagen zum Download bereitstehen und dies auch noch nicht zum Zeitpunkt der Vorinformation bzw. nicht verbindlichen Bekanntmachung.

Allerdings „erkauft“ sich der Auftraggeber diese Erleichterung mit einem deutlichen zeitlichen Mehraufwand. Die Interessenbekundungsphase ist nämlich dem Teilnahmewettbewerb und der anschließenden Angebotsphase als weitere Phase vorgeschaltet, da die Aufforderung zur Interessensbestätigung erst den Teilnahmewettbewerb einleitet. Erst wenn dieser abgeschlossen ist, folgt eine mögliche Aufforderung zur Angebotsabgabe.

Zu beachten ist auch, dass dieser Weg nur bei der Wahl des nicht offenen Verfahrens oder des Verhandlungsverfahrens in Betracht kommt und zudem im Anwendungsbereich der VgV und der VOB/A obersten Bundesbehörden, also insbesondere Bundesministerien, nicht zur Verfügung steht. Auch beiKonzessionsvergaben gibt es diese Möglichkeit nicht.

· Verteidigung und Sicherheit

Vergaben im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich sind privilegiert, da sie weiterhin der Richtlinie 2009/81/EG unterfallen, die durch die Vergaberechtsreform unverändert geblieben ist. Auftraggeber können dort allerdings gemäß § 20 Abs. 4 VSVgV bzw. § 10bVS Abs. 5 VOB/A die Angebotsfrist weiter verkürzen, wenn sie ab Veröffentlichung der Auftragsbekanntmachung die „Vergabeunterlagen und unterstützenden Unterlagen“ (VSVgV) bzw. „Vertragsunterlagen und alle zusätzlichen Unterlagen“ (VS VOB/A) elektronisch frei, direkt und vollständig verfügbar machen und in der Bekanntmachung eine Internetadresse angeben, unter der diese Unterlagen abrufbar sind.

Anmerkung der Redaktion
Wenn Sie mehr zu diesem Thema wissen möchten, dann besuchen Sie unser Seminar Ausschreibungen richtig vorbereiten & Unterlagen professionell erstellen, welches die DVNW Akademie mit Frau Dr. Valeska Pfarr und Herrn Dipl.-Verwaltungswirt Joachim-E. Warbek als Referenten am 20.09.2016 in Köln durchführen wird.

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Die elektronische Bereitstellung von Vergabeunterlagen – vier Fragen (Teil 2)

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Recht

Seit dem 18. April 2016 müssen Auftraggeber grundsätzlich schon zum Zeitpunkt der Auftragsbekanntmachung die Vergabeunterlagen vollständig elektronisch zum Abruf bereitstellen. Ausnahmeregelungen, die insbesondere technische Hindernisse betreffen, dürften für die breite Masse der Vergabeverfahren nicht relevant sein. Doch was bedeutet diese Pflicht im Einzelnen und wie weit reicht sie tatsächlich? Müssen in jedem Fall eine vollständige Leistungsbeschreibung, der Vertrag oder die Bewertungsmatrix für die Angebotsauswertung online gestellt werden? Ein Beitrag in drei Teilen.

In dem ersten Teil wurden die Fragen untersucht, was genau die vollständige elektronische Verfügbarkeit erfordert und etwaige Ausnahmen untersucht.

3. Was gilt im Übrigen im Anwendungsbereich der VOB/A und der VgV, insbesondere in zweistufigen Verfahren? Wie weit reicht die Pflicht zur Bereitstellung: muss zum Zeitpunkt der Auftragsbekanntmachung immer schon der Vertrag und die vollständige Leistungsbeschreibung bereitgestellt werden?

Die Frage, wann Vergabeunterlagen zum Download bereit gestellt werden müssen und mit welchem Inhalt, ist bei genauerer Betrachtung im Übrigen weitaus weniger eindeutig geregelt, als man vermuten sollte. Festzustellen ist insbesondere, dass die Frage des Zeitpunkts und des Inhalts der Vergabeunterlagen in zweistufigen Verfahren allem Anschein nach voneinander zu trennen sind – wobei die Bestimmungen der VOB/A, der VgV und der SektVO in diesem Punkt leider unterschiedlich ausgestaltet sind.

a. Regelungen des zweiten Abschnitts der VOB/A

Liest man § 12a EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A, scheint die Welt noch klar: die Vergabeunterlagen müssen zum Zeitpunkt der Auftragsbekanntmachung zum Download bereit gestellt werden. Die Vorschrift verweist dabei auf Bekanntmachungen gemäß § 12 EU Abs. 3 VOB/A, der die grundsätzliche Pflicht zur Auftragsbekanntmachung für „alle Arten der Vergabe“ statuiert, ohne hier zwischen ein – oder zweistufigen Verfahren zu unterscheiden.

Doch § 12a EU Abs.1 Nr. 3 Satz 2 VOB/A regelt speziell für zweistufige Verfahren, dass die ausgewählten Bewerber in der Aufforderung zur Angebotsabgabe einen Verweis auf die elektronische Adresse erhalten, über die die Vergabeunterlagen zur Verfügung gestellt werden. Demnach sieht die Vorschrift nicht nur bei einer Vorinformation zum Wettbewerb die Mitteilung der Internetadresse an einen begrenzten Kreis von Wettbewerbern vor, sondern auch bei zweistufigen Verfahren. Diese Regelung entspricht Art. 54 Abs. 1, 2 Richtlinie 2014/24/EU. Es scheint wenig überzeugend, dass man den Auftraggeber hier dazu verpflichten wollte, den ausgewählten Bewerbern dieselben Vergabeunterlagen, die sie bereits aus dem Teilnahmewettbewerb kennen, noch einmal zum Abruf bereit zu stellen.

Sinnvoll erscheinen daher nur zwei Auslegungsmöglichkeiten des § 12a EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A:

„Vergabeunterlagen“ nur bei Aufforderung zur Abgabe eines Angebots?

Die erste Möglichkeit wäre, § 12a EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A so auszulegen, dass diese Norm für zweistufige Verfahren eine vorrangige Spezialvorschrift sein soll und die Vergabeunterlagen in diesen Verfahren daher noch nicht bereits zum Zeitpunkt der Auftragsbekanntmachung bereit gestellt werden müssen. Vergabeunterlagen wären demnach nur solche Unterlagen, welche die Anforderungen an die Angebotsabgabe betreffen, nicht aber die Vorgaben an den vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb. Zu dieser Auslegung würde die Definition des Begriffs der „Vergabeunterlagen“ in § 8 EU VOB/A passen. Es heisst dort ins Absatz 1:

Die Vergabeunterlagen bestehen aus

1. dem Anschreiben (Aufforderung zur Angebotsabgabe), gegebenenfalls Teilnahmebedingungen (Absatz 2) und

2. den Vertragsunterlagen (§ 8a EU und §§ 7 EU bis 7c EU).“

Anders als § 29 Abs.1 VgV benennt die Vorschrift als Inhalt des Anschreibens lediglich die Aufforderung zur Angebotsabgabe, nicht aber die Aufforderung zur Abgabe eines Teilnahmeantrags. Auch im weiteren Text bezieht sich § 8 EU VOB/A lediglich auf „Bieter“, nicht auf „Bewerber“.

Allerdings würde man bei einer so weit reichenden Ausnahme von dem eindeutig formulierten Grundsatz eine entsprechende Erläuterung oder zumindest Erwähnung in den Erwägungsgründen der zugrunde liegenden Vergaberichtlinie erwarten – daran fehlt es aber. Ein solches Verständnis scheitert überdies auch aus rein praktischen Gründen: die Standardformulare für Auftragsbekanntmachungen sehen unter Ziffer I.3 zwingend die Angabe einer Internetadresse, unter der die Vergabeunterlagen abgerufen werden können, vor, ohne zwischen verschiedenen Verfahrensarten zu unterscheiden. Die erste, denkbare Auslegungsmöglichkeit wäre daher schon praktisch nicht umsetzbar.

Vergabeunterlagen mit unterschiedlichen Inhalten?

Die zweite Möglichkeit wäre, von unterschiedlichen Inhalten der Vergabeunterlagen im Teilnahmewettbewerb einerseits und zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Angebotsabgabe andererseits auszugehen. In diesem Fall wäre § 8 EU Abs. 1 VOB/A allein als Konkretisierung derjenigen Vergabeunterlagen zu verstehen, die zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Angebotsabgabe bereitgestellt werden müssen. Offen bliebe dabei allerdings die Frage, in welchem Umfang sich die Vergabeunterlagen zum Zeitpunkt des Teilnahmewettbewerbs von diesen unterscheiden dürfen.

b. Zwischenfazit

Die Vorschriften im Rahmen der VOB/A legen eine Auslegung nahe, derzufolge sich bei zweistufigen Verfahren der Inhalt der Vergabeunterlagen zum Zeitpunkt der Auftragsbekanntmachung einerseits und zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Angebotsabgabe andererseits unterscheiden kann. Welchen genauen Inhalt diese Unterlagen jedoch – diese Auslegung unterstellt – zum Zeitpunkt der Auftragsbekanntmachung mindestens haben müssen, ergibt sich aus diesen Vorschriften nicht.

Vor dem Hintergrund, dass der zweite Abschnitt der VOB/A und die VgV dieselbe Vergaberichtlinie umsetzen, liegt es nahe, die dortigen Regelungen vergleichend heranzuziehen.

c. Regelungen der VgV

Die VgV differenziert in § 41 Abs. 1 nicht zwischen verschiedenen Verfahrensarten, sondern ordnet ohne jede Einschränkung die Bereitstellung der Vergabeunterlagen zum Download zum Zeitpunkt der Auftragsbekanntmachung an.

Keine differenzierte Bereitstellungspflicht

Zwar regelt auch § 52 VgV die Anforderungen einer Aufforderung zur Angebotsabgabe in zweistufigen Verfahren separat und benennt in Absatz 2 die Mindestinhalte dieser Aufforderung. Anders als § 12 aEU Abs. 1 Nr.3 VOB/A und Art. 54 Abs. 2 der Richtlinie 2014/24/EU fordert die Vorschrift dabei jedoch nicht ausdrücklich die Angabe einer Internetadresse, unter der die Vergabeunterlagen zum Download bereit gestellt werden. Dies ergibt sich lediglich mittelbar aus der Aufzählung in § 52 Abs. 2 VgV, der in Nr. 1 einen Hinweis auf die veröffentlichte Auftragsbekanntmachung fordert – welche ja die entsprechende Internetadresse bereits enthalten muss. Die Internetadresse, unter der die Vergabeunterlagen abrufbar sind, ist damit zwar im Teilnahmewettbewerb und bei Aufforderung zur Angebotsabgabe dieselbe. Daraus folgt aber noch nicht, dass auch die unter dieser Adresse abrufbaren Vergabeunterlagen in beiden Stadien des Vergabeverfahrens zwangsläufig denselben Inhalt haben müssen.

Gegen identische Unterlagen spricht schon die in § 29 Abs. 1 VgV vorgesehene Definition der „Vergabeunterlagen“. Sie beinhaltet sowohl die Aufforderung zur Abgabe eines Teilnahmeantrags als auch die Aufforderung zur Angebotsabgabe – die ja nicht gleichzeitig ausgesprochen werden. Der Vorschrift zufolge umfassen die Vergabeunterlagen

„alle Angaben, die erforderlich sind, um dem Bewerber oder Bieter eine Entscheidung zur Teilnahme am Vergabeverfahren zu ermöglichen. Sie bestehen in der Regel aus

1. dem Anschreiben, insbesondere der Aufforderung zur Abgabe von Teilnahmeanträgen oder Angeboten oder Begleitschreiben für die Abgabe der angeforderten Unterlagen,

2. der Beschreibung der Einzelheiten der Durchführung des Verfahrens (Bewerbungsbedingungen), einschließlich der Angabe der Eignungs- und Zuschlagskriterien, sofern nicht bereits in der Auftragsbekanntmachung genannt, und

3. den Vertragsunterlagen, die aus der Leistungsbeschreibung und den Ver-tragsbedingungen bestehen“.

Diese Definition liest sich zunächst einmal so, als ob sich in zweistufigen Verfahren der Inhalt der Vergabeunterlagen im Teilnahmewettbewerb und zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Angebotsabgabe unterscheiden kann, jedoch nur in Bezug auf Nr.1, nämlich das Anschreiben, welches zunächst die Aufforderung zur Abgabe eines Teilnahmeantrags und später dann zur Abgabe eines Angebots enthalten muss. Nur diese Unterlagen werden als Alternativen genannt, die übrigen Unterlagen in Nr. 2 und Nr. 3 werden kumulativ genannt.

Regelbeispiel nur für Regelverfahren?

Allerdings ist die Aufzählung in Satz 2 der Vorschrift ausdrücklich nur im Sinne eines Regelbeispiels zu verstehen und impliziert damit, dass sie sich gerade nicht auf sämtliche Verfahren bezieht. Nachdem die zweistufigen Verfahren – mit Ausnahme des nicht offenen Verfahrens – jedoch keine Regelverfahren sind, sondern nur in konkret geregelten Ausnahmefällen zulässig sind, dürfte diese Aufzählung wohl nicht ohne Weiteres als Vorgabe auch für diese, nur ausnahmsweise überhaupt zulässigen Verfahren gelten.

Das wäre auch sachgerecht: denn nur im offenen oder im nicht offenen Verfahren stehen die Einzelheiten der zu erbringenden Leistung sowie die Vertragsbedingungen bereits von Anfang an fest. Der Wirtschaftsteilnehmer wird diese – wenn auch ggf. erst in einem späteren Verfahrensstadium – zwingend akzeptieren müssen. Es ist insoweit nachvollziehbar, dass er bereits bei der Entscheidung über die Teilnahme an dem Verfahren prüfen können muss, ob diese Vorgaben (von denen er später nicht abweichen darf) akzeptabel sind. Es wird ihm so erspart, unnötig eigene Ressourcen oder Partner für eine aussichtslose Bewerbung zu binden. Letztlich muss aber auch hier gelten: die Bekanntmachungspflicht dient der Verfahrenstransparenz. Art und Umfang der bereit zu stellenden Unterlagen richten sich nach dem Umfang des Erforderlichen im Einzelfall.

Erfordernisse bei sonstigen zweistufigen Verfahren

Außerhalb dieser Regelverfahren bestehen jedoch im Hinblick auf die Modalitäten der Leistung und die Vertragsbedingungen Spielräume, mehr noch: der wettbewerbliche Dialog und die Innovationspartnerschaft zeichnen sich dadurch aus, dass es eine Leistungsbeschreibung i.e.S. noch gar nicht gibt. Soweit in diesen Verfahren also Spielräume bestehen, wäre es nur sachgerecht, den Umfang der bereit zu stellenden Vergabeunterlagen zum Zeitpunkt der Auftragsbekanntmachung daran zu orientieren. Bei Verhandlungsverfahren, dem wettbewerblichen Dialog und der Innovationspartnerschaft dürfte es eher der Regelfall sein, dass eine komplette Leistungsbeschreibung, insbesondere mit sämtlichen (in komplexen Verfahren oft umfangreichen) Anlagen und Vertragsentwürfen nicht erforderlich sind, um über eine Teilnahme am Verfahren zu entscheiden, da diese sich im Laufe des Verfahrens noch ändern können. Bekannt zu geben wären jedoch zumindest die Mindestanforderungen und die wesentlichen Modalitäten, die den Kern der Leistung ausmachen im Sinne einer groben Beschreibung, um dem Bewerber zu ermöglichen, eine eigene Teilnahme zu planen, dies beispielsweise in zeitlicher Hinsicht oder im Hinblick auf die benötigten Kapazitäten und/oder Ausstattung bzw. eine erforderliche Einbindung von weiteren Unternehmen als Nachunternehmer oder als Bietergemeinschaft. Darüber hinaus sind natürlich auch die Verfahrensbedingungen bekannt zu geben, soweit sie nicht schon in der Auftragsbekanntmachung genannt sind, wie insbesondere die Eignungs- und Zuschlagskriterien.

d. Fazit

Die VgV regelt deutlicher als die VOB/A, dass in zweistufigen Verfahren Vergabeunterlagen ebenso schon bereits im Teilnahmewettbewerb zum Abruf bereit gestellt werden müssen. Die Definition der Vergabeunterlagen in § 29 Abs. 1 VgV lässt sich so verstehen, dass nicht nur im offenen Verfahren, sondern auch im nicht offenen Verfahren als alternatives zulässiges Regelverfahren, regelmäßig sämtliche für die Angebotsabgabe erforderlichen Informationen, also insbesondere die Leistungsbeschreibung und der Vertrag bereits zum Zeitpunkt der Auftragsbekanntmachung zum Abruf bereit gestellt werden müssen. Der einzige Unterschied der im Teilnahmewettbewerb und in der Angebotsphase bereit gestellten Vergabeunterlagen besteht bei dieser Auslegung in dem jeweiligen Anschreiben, das einmal zur Abgabe eines Teilnahmeantrags und einmal zur Abgabe eines Angebots auffordert.

Für andere zweistufige Verfahren, die lediglich bei Vorliegen bestimmter Ausnahmetatbestände zulässig sind, dürfte dieser Umfang jedoch oft nicht ohne weiteres erforderlich sein, um über eine Teilnahme an dem Verfahren entscheiden zu können. Der Umfang der bereit zu stellenden Unterlagen dürfte mit dem Umfang der Spielräume im Hinblick auf die Leistungserbringung korrespondieren. Bereits im Teilnahmewettbewerb bekannt zu geben dürften damit nicht verhandelbare Mindestanforderungen sein sowie die Verfahrensbedingungen. Im Übrigen dürfte es ausreichend sein, die wesentlichen Rahmenbedingungen, die den Kern der Leistung ausmachen, zu beschreiben, insbesondere um eine Planung im Hinblick auf die benötigten Kapazitäten und/oder Ausstattung bzw. eine erforderliche Einbindung von weiteren Unternehmen als Nachunternehmer oder als Bietergemeinschaft zu ermöglichen. Vor dem Hintergrund der in den Standardformularen nunmehr vorgesehenen Zeichenbegrenzung kann diese Beschreibung weitere hilfreiche Informationen liefern, ohne jedoch schon eine vollständige Leistungsbeschreibung zu enthalten oder ggf. entwurfsweise vorgeschlagene Vertragsmodalitäten zu übermitteln.

Vor dem Hintergrund, dass VgV und VOB/A dieselbe EU-Richtlinie umsetzen, dürfte dies im Anwendungsbereich des zweiten Abschnitts der VOB/A entsprechend gelten.

Anmerkung der Redaktion
Wenn Sie mehr zu diesem Thema wissen möchten, dann besuchen Sie unser Seminar Ausschreibungen richtig vorbereiten & Unterlagen professionell erstellen, welches die DVNW Akademie mit Frau Dr. Valeska Pfarr und Herrn Dipl.-Verwaltungswirt Joachim-E. Warbek als Referenten am 20.09.2016 in Köln durchführen wird.

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