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Rüstungsbeschaffung neu gedacht – Neue Wege innovativer Beschaffung bei der Bundeswehr

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Recht

Nein, die Rüstungsbeschaffung ist auch in diesem Jahr kein Schwerpunkt unseres Deutschen Vergabetages im Oktober. Gleichwohl wollen wir das Thema dort angesichts eines geplanten „Gesetzes zur vorübergehenden Erleichterung der Rüstungsbeschaffung“ (Beitrag im Vergabeblog) kritisch unter die Lupe nehmen. Wie man in Berlin hört, wird dieses, dem Bundesministerium der Verteidigung (BMVG) von einschlägigeren Wirtschaftsberatern empfohlenes Gesetz, “wohl kommen” bzw. – je nach persönlichem Standpunkt – “nicht mehr aufzuhalten sein”

Statt Ausnahmen vom Vergaberecht wollen wir auf dem Deutschen Vergabetag, und so der Titel unserer Podiumsdiskussion dort, “Neue Wege innovativer Beschaffung bei der Bundeswehr” beleuchten. Dazu freuen wir uns über Anja Theurer (Leiterin Finanzen, Verwaltung, Recht, Bundeswehr Cyber Innovation Hub), Prof. Dr. Michael Eßig (Forschungszentrum für Recht und Management öffentlicher Beschaffung, Universität der Bundeswehr München) und Matthias Mantey (Referatsleiter J1 – Vergaberechtsgrundsatz – Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr). Zum vollständigen Programm & Anmeldung.

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Hohe Anforderungen für Aufhebung bzw. Teilaufhebung von Vergabeverfahren

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Liefer- & DienstleistungenRechtUNBEDINGT LESEN!

Die Aufhebung des Vergabeverfahrens ist für öffentliche Auftraggeber eines der am schwierigsten zu beherrschenden vergaberechtlichen Rechtsinstitute. Das Vergaberecht stellt hohe Anforderungen an die Begründung des Aufhebungsgrunds einerseits und eine vergaberechtlich ordnungsgemäße Dokumentation der Aufhebungsentscheidung andererseits.

Hintergrund

Insbesondere durch die gegenwärtige konjunkturelle Lage der Immobilien- und Bauwirtschaft häufen sich die Vergabeverfahren, in denen Gewerke mit Blick auf die angebotenen Preise die ursprünglichen Kostenschätzungen öffentlicher Auftraggeber zum Teil deutlich übersteigen. Aber auch bei bestimmten Liefer- und Dienstleistungen ergibt sich immer wieder die Situation, dass die Aufhebung eines Vergabeverfahrens wegen (vermeintlich) zu hoher Preise in den Blick rückt.

Vor diesem Hintergrund ist es gerade für die Praxis der Vergabe von Planungs- und Bauleistungen von zentraler Bedeutung, dass es für die Begründung eines Aufhebungsgrunds nicht ausreichend ist, allein auf einen Aufhebungsgrund im Rahmen der Vorschriften des § 17 VOB/A oder des § 63 VgV Bezug zu nehmen. Keinesfalls genügt in diesem Zusammenhang das bloße Ankreuzen eines Aufhebungstatbestands im Rahmen eines Formblatts. Vor allen Dingen dann, wenn als Grund für eine Aufhebung ausschlaggebend sein soll, dass kein wirtschaftliches Angebot vorgelegen hat, ist für die Vergabestellen größte Vorsicht geboten (instruktiv hierzu: Vergabekammer Baden-Württemberg, Beschl. v. 25.10.2016 – 1 VK 45/16).

Anforderungen für Aufhebung wegen Nichtwirtschaftlichkeit

Erforderlich ist zunächst eine sachgerechte Kostenschätzung des öffentlichen Auftraggebers bzw. eines hierfür beauftragten Planungsbüros. Die vergaberechtliche Rechtsprechung fordert in diesem Zusammenhang grundsätzlich die Berücksichtigung eines so genannten Sicherheitssaufschlags. Im Zusammenhang mit der Prüfung, ob ein Angebot im Einzelfall als nicht wirtschaftlich zu bewerten ist, haben öffentliche Auftraggeber insbesondere auch die konjunkturelle Lage in dem betreffenden Wirtschaftssektor zu berücksichtigen. Außerdem ist darauf zu achten, ob seit dem Zeitpunkt der Auftragswertschätzung sich Gestehungskosten der anbietenden Unternehmen erheblich verändert haben. Dies kann beispielsweise bei Schwankungen von Rohstoffpreisen der Fall sein.

Eine Ausschreibung ist außerdem rechtswidrig, soweit eine Vergabestelle weder eine Aufklärung des Angebots des erstbietenden Unternehmens noch eine Interessenabwägung durchgeführt hat. In diesem Fall liegt ein Ermessensausfall vor. Zentral ist in diesem Zusammenhang die Auseinandersetzung mit den Interessen des Unternehmens, welches das wirtschaftliche Angebot abgegeben hat.

Aufhebung bei Fachlosen bzw. Einzelgewerken

Besonderheiten gelten darüber hinaus bei Fachlosen bzw. bei Einzelgewerken. Selbst dann, wenn es eine konkretisierte Kostenschätzung für die einzelne Maßnahme gibt, fordert die vergaberechtliche Rechtsprechung mit Blick auf die Zulässigkeit einer Teilaufhebung, die Gesamtmaßnahme und das hierfür zur Verfügung stehende Budget bei der Ausübung der erforderlichen Ermessensausübung zu berücksichtigen.

Dokumentation der Aufhebungsentscheidung

Für eine rechtmäßige Aufhebungsentscheidung öffentlicher Auftraggeber muss des Weiteren eine vergaberechtskonforme Dokumentation vorliegen. Aus der Vergabeakte muss sich für einen neutralen Dritten zum einen zweifelsfrei ergeben, dass die Aufhebung wegen Nichtwirtschaftlichkeit die oben skizzierten Bezugspunkte als Grundlage hatte. Zum anderen muss die Ermessensausübung des öffentlichen Auftraggebers nachvollzogen werden können.

Praxistipp

Für öffentliche Auftraggeber ist es wichtig zu wissen, dass eine nachträgliche Ergänzung der Dokumentation häufig nicht möglich ist. Einer nachträglichen Dokumentation sind vergaberechtlich gerade dann enge Grenzen gesetzt, wenn Auswirkungen auf den Wettbewerb in Betracht kommen. In besonderem Maße gilt dies für situationsbedingt zu treffende Entscheidungen wie die teilweise oder vollständige Aufhebung eines Vergabeverfahrens.

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OLG Düsseldorf gibt bisherige Rechtsprechung zur Zweckmäßigkeitskontrolle bei Ausschreibungen nach § 127 Abs. 1 SGB V auf (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.6.2018 – VII Verg 59/17)

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Gesundheits- & SozialwesenRechtUNBEDINGT LESEN!

EntscheidungNach § 127 Abs. 1 Satz 1 SGB V können Krankenkassen, soweit dies zur Gewährleistung einer wirtschaftlichen und in der Qualität gesicherten Versorgung zweckmäßig ist, Verträge über Hilfsmittelversorgungen ausschreiben. § 127 Abs. 1 Satz 6 SGB V bestimmt, dass u.a. bei Versorgungen mit hohem Dienstleistungsanteil Ausschreibungen nicht zweckmäßig sind. In seiner Entscheidung vom 27. Juni 2018 trifft der Vergabesenat des OLG Düsseldorf unter ausdrücklicher Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung grundlegende Aussagen zum Verhältnis zwischen den vergaberechtlichen und sozialrechtlichen Regelungen bei Hilfsmittelausschreibungen der gesetzlichen Krankenkassen.

§ 127 SGB V, § 51 Abs. 3 SGG i.V.m. § 69 Abs. 3 SGB V, § 160 Abs. 2 Satz 1 GWB

Leitsätze (nicht amtlich)

  1. Ein Nachprüfungsantrag ist unzulässig, soweit mit diesem die Unzweckmäßigkeit einer Ausschreibung nach § 127 Abs. 1 Satz 1 und Satz 6 SGB V geltend gemacht wird.
  2. Die Regelung in § 127 Abs. 1 Satz 1 und Satz 6 SGB V ist keine vergaberechtliche Vorschrift, soweit es um die der Ausschreibung vorgelagerten Zweckmäßigkeitserwägungen geht. An seiner bisherigen Rechtsprechung, dass § 127 Abs. 1 Satz 1 und Satz 6 SGB V im Oberschwellenbereich durch das GWB-Vergaberechtsregime und die EU-Vergaberichtlinien überlagert wird, hält der Senat nicht mehr fest.
  3. Bei einer Hilfsmittelausschreibung, bei der dem Dienstleistungsanteil eine nicht nur untergeordnete Bedeutung zukommt, können qualitative Aspekte im Sinne des § 127 Abs. 1b Satz 3 SGB V jedenfalls dadurch angemessen berücksichtigt werden, dass in der Leistungsbeschreibung umfangreiche Qualitätsanforderungen in Bezug auf die Dienstleistungen aufgestellt werden.

Sachverhalt

Eine gesetzliche Krankenkasse schreibt Rahmenverträge zur Versorgung ihrer Versicherten mit Schlaftherapiegeräten und zugehörigen Dienstleistungen aus. Der Zuschlag soll auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt werden, das anhand der Kriterien Preis (90%) und Qualität (10%), letzteres konkretisiert durch Unterkriterien, ermittelt werden soll. In der Leistungsbeschreibung fordert die Krankenkasse, dass die gelieferten Schlaftherapiegeräte den Anforderungen des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 139 SGB V entsprechen müssen. Hinsichtlich der zu erbringenden Dienstleistungen stellt sie in der Leistungsbeschreibung verschiedene qualitative Anforderungen u.a. zur Beratung, Geräteinweisung und Geräteanpassung sowie zu den Liefer- und Servicezeiten auf.

Der Antragsteller beanstandet u.a., dass die Krankenkasse bei der Entscheidung über die Zweckmäßigkeit der Ausschreibung nach § 127 Abs. 1 Satz 1 und Satz 6 SGB V den hohen Dienstleistungsanteil der Ausschreibung außer Betracht gelassen hat. Zudem habe die Krankenkasse entgegen § 127 Abs. 1b SGB V andere Kriterien als den Preis nicht ausreichend berücksichtigt.

Die Entscheidung

Soweit der Antragsteller die Zweckmäßigkeit der Ausschreibung beanstandet, hält der Senat den Nachprüfungsantrag bereits für unzulässig. Es sei bereits zweifelhaft, ob der Antragsteller insoweit ein Interesse am Auftrag habe. Denn sein Rechtsschutzziel sei auf eine Verhinderung der Ausschreibung gerichtet. Der Antragsteller wolle seine Leistungen nur im Rahmen von Verträgen nach § 127 Abs. 2, 2a SGB V erbringen, die jedoch keine öffentlichen Aufträge im Sinne von § 160 Abs. 2 Satz 1 GWB darstellten.

Jedenfalls mache der Antragsteller aber insoweit keine Verletzung von Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB geltend. Der Senat stellt ausdrücklich fest, dass er an seiner bisherigen Rechtsprechung (Beschluss vom 21.12.2016 VII-Verg 26/16, ebenso zuletzt VK Bund, Beschluss 3.3.2018 VK 2-24/18, hierzu Vergabeblog vom 17/05/2018, Nr. 37033), nach der für Zweckmäßigkeitserwägungen gemäß § 127 Abs. 1 Satz 1 SGB V oberhalb der EU-Schwellenwerte aufgrund der Überlagerung durch das Vergaberechtsregime des 4. Teils des GWB und der EU-Vergaberichtlinien kein Raum bleibe, nicht mehr festhalte. Auch aus der neuen Regelung des § 127 Abs. 1 Satz 7 GWB sei eine solche Überlagerung nicht herzuleiten. Die Vorgabe, dass öffentliche Aufträge mit einem Auftragswert oberhalb der EU-Schwellenwerte unter Anwendung des GWB-Vergaberegimes zu vergeben seien, habe nur deklaratorischen Charakter. Die Regelungen in § 127 Abs.1 Satz 1 und Satz 6 SGB V seien keine vergaberechtlichen Vorschriften, sondern beträfen der Ausschreibung vorgelagerte Zweckmäßigkeitserwägungen. Zudem würden sie nicht den Schutz von Bietern bezwecken. Denn der Verzicht auf eine Ausschreibung im Falle ihrer Unzweckmäßigkeit diene allein dem Interesse der Allgemeinheit und der Versicherten an einer wirtschaftlichen und qualitätsvollen Versorgung.

In Bezug auf die Rüge der Zuschlagskriterien sei der Nachprüfungsantrag zwar zulässig, aber unbegründet. Zwar dürfe nach § 127 Abs. 1b Satz 2 SGB V der Preis nicht das alleinige Zuschlagskriterium sein. Nach § 127 Abs. 1b Satz 4 SGB V könne die angemessene Berücksichtigung qualitativer Gesichtspunkte jedoch nicht nur im Rahmen der Zuschlagskriterien, sondern auch im Rahmen der Leistungsbeschreibung erfolgen. Aus dem Umstand, dass den Verträgen nach § 127 Abs. 1 Satz 3 SGB V mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte zugrunde zu legen sind, ergebe sich, dass sich der von § 127 Abs. 1b SGB V gewollte Qualitätswettbewerb nur im über den Anforderungen des Hilfsmittelverzeichnisses liegenden Qualitätsbereich abspielen könne. Zwar gingen die von der Krankenkasse für die Schlaftherapiegeräte gestellten Anforderungen nicht über die Anforderungen des Hilfsmittelverzeichnisses hinaus. Die Leistungsbeschreibung enthalte jedoch umfangreiche Qualitätsanforderungen in Bezug auf die Dienstleistungen, die nach dem Vortrag der Antragstellerin den Leistungsschwerpunkt der Ausschreibung darstellen würden. Die Anforderungen aus § 128 Abs. 1b SGB V seien daher erfüllt.

Rechtliche Würdigung

Durch die ausdrückliche Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung zur Zweckmäßigkeitskontrolle im Rahmen des § 127 Abs. 1 SGB V setzt der Vergabesenat einen ersten Akzent unter der neuen Vorsitzenden Frau Dr. Maimann (Vergabeblog vom 24/08/2018, Nr. 37838). Zwar ändert die jetzt vom Vergabesenat vertretene Auffassung, dass sich die Zweckmäßigkeitserwägungen im Vorfeld eines (möglichen) Vergabeverfahrens abspielen, im Ergebnis nichts daran, dass sich ein Antragsteller im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren nicht mit Erfolg auf eine vermeintliche Unzweckmäßigkeit der Ausschreibung berufen kann. Wie auch der Senat in seiner Entscheidung feststellt, hält eine große Anzahl von Sozialgerichten in dieser Frage aber aufgrund § 51 Abs. 3 SGG i.V.m. § 69 Abs. 3 SGB V bislang den Rechtsweg zu den Sozialgerichten nicht für eröffnet. Die bisherige Rechtsprechung des Senats hatte daher im Ergebnis zur Folge, dass ein Antragsteller weder vor den vergaberechtlichen Nachprüfungsinstanzen noch vor den Sozialgerichten mit dem Einwand der fehlenden Zweckmäßigkeit der Ausschreibung gehört werden konnte.

Nach der neuen Rechtsprechung des Senats unterfällt die Frage der Zweckmäßigkeit der Ausschreibung als Frage im Vorfeld des Vergabeverfahrens nicht mehr der Verweisung aus § 51 Abs. 3 SGG i.V.m. § 69 Abs. 3 SGB V. Jedenfalls nach Auffassung des Senats ist damit der Weg für eine sozialgerichtliche Kontrolle der Zweckmäßigkeitsprüfung nach § 127 Abs. 1 Satz 1 und 6 SGB V frei.

In Bezug auf die Berücksichtigung der Qualitätsanforderungen stellt die Entscheidung klar, dass diese sowohl auf Ebene der Zuschlagskriterien als auch auf der Leistungsbeschreibung in die Ausschreibung einfließen können. Da die Dienstleistungen jedenfalls nicht von nur untergeordneter Bedeutung waren, genügte dem Senat die Festlegung umfangreicher Qualitätsanforderungen für den Dienstleistungsanteil und die Vorgabe der Einhaltung der Vorgaben des Hilfsmittelverzeichnisses in Bezug auf die Schlaftherapiegeräte.

Praxistipp

Die neue Rechtsprechung des Senats ändert nichts daran, dass gesetzliche Krankenkassen im Oberschwellenbereich ihren Bedarf auch zukünftig entweder durch Ausschreibungen oder im Wege eines vergaberechtskonformen Open-House-Modells decken müssen.

Bieter, die meinen, dass die Vergabe im Wege der Ausschreibung beispielsweise aufgrund eines hohen Dienstleistungsanteils des Vertrags gemäß § 127 Abs. 1 Satz 6 SGB V nicht zweckmäßig ist, können aber zukünftig versuchen, diesen Einwand unter Berufung auf die Rechtsprechungsänderung des Vergabesenats des OLG Düsseldorf bei den Sozialgerichten zu platzieren. Ob die Sozialgerichte die neue Rechtsprechung des OLG Düsseldorf aufgreifen und sich zukünftig zu einer Überprüfung der Zweckmäßigkeit berufen fühlen, bleibt abzuwarten.

Für Beanstandungen hinsichtlich der vergaberechtskonformen Ausgestaltung der Ausschreibung bleiben in jedem Fall die vergaberechtlichen Nachprüfungsinstanzen zuständig. Bieter müssen daher unter Umständen parallel vor den Nachprüfungsinstanzen und den Sozialgerichten vorgehen, wenn sie eine Hilfsmittelausschreibung sowohl unter vergaberechtlichen als auch sozialrechtlichen Aspekten angreifen wollen.

In Bezug auf die Frage der angemessenen Berücksichtigung von qualitativen Aspekten nach § 127 Abs. 1b Satz 3 SGB V lässt der Senat ausdrücklich offen, ob die Festlegung von Qualitätsanforderungen für den Dienstleistungsanteil auch dann ausreichen kann, wenn die Dienstleistungen im Rahmen des Vertrags nur von untergeordneter Bedeutung sind. Der Senat verweist beispielhaft auf Ausschreibungen für aufsaugende Inkontinenzmittel oder ähnlich einfach anzuwendende Hilfsmittel. Bei Ausschreibungen für derartige Hilfsmittel sollten Auftraggeber daher genau prüfen, ob sie im Rahmen der Leistungsbeschreibung oder der Zuschlagskriterien qualitative Vorgaben für die Hilfsmittel machen müssen, die über die Mindestanforderungen des Hilfsmittelverzeichnisses hinausgehen.

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Freie Sozialträger als öffentliche Auftraggeber (VK Südbayern, Beschl. v. 04.09.2017 – Z3-3-3194-1-31-06/17)

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Gesundheits- & SozialwesenRecht

EntscheidungPrivate Träger sozialer Einrichtungen, die im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art erfüllen, können selbst dann öffentliche Auftraggeber sein, wenn diese nicht überwiegend öffentlich finanziert werden. Ausschlaggebend hierfür kann auch eine staatliche Aufsicht sein. Auf die Unterscheidung zwischen Fach- und Rechtsaufsicht kommt es dabei nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob staatliche Stellen die Entscheidungen eines Sozialträgers auch in Bezug auf die Vergabe von Aufträgen beeinflussen können.

GWB § 99 Nr. 2

Leitsätze

  1. Ein privater Träger von Einrichtungen für soziale Leistungen, der im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art erfüllt (z.B. Betrieb von Förderschulen, Förderstätten, heilpädagogischen Tagestätten und Wohnheimen, etc.) und aufgrund dieser Aufgaben unterschiedlichen staatlichen Aufsichtsbefugnissen etwa nach dem PfleWoqG, dem BayEUG oder dem SGB VIII unterliegt, kann gemäß §§ 99 Nr. 2 lit. b) GWB auch dann öffentlicher Auftraggeber sein, wenn er nicht als überwiegend öffentlich finanziert i.S.d. § 99 Nr. 2 lit. a) GWB gilt.
  2. Die Erfüllung des Kriteriums der Aufsicht über die Leitung nach § 99 Nr. 2 lit. b) GWB hängt davon ab, ob die Aufsichtsbefugnisse es staatlichen Stellen potentiell ermöglichen, die Entscheidungen des Auftraggebers auch in Bezug auf öffentliche Aufträge zu beeinflussen.

Sachverhalt

Der freie Sozialträger schrieb die Leistungen für die Erbringung der Schülerspezialverkehre im offenen Verfahren europaweit aus. Der freie Sozialträger ist als gemeinnützige juristische Person des Privatrechts organisiert und Träger einer Tagesstätte, eines Förderzentrums mit Förderschule, einer Förderstätte, eines Wohnheims und einer Praxis- und Begegnungsstätte zur Förderung und Betreuung mehrfachbehinderter Kinder und Erwachsener.

Im Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer Südbayern war umstritten, ob ein freier Sozialträger Auftraggeber im Sinne des § 99 Nr. 2 GWB ist.

Die Entscheidung

Die Vergabekammer gelangt zu der Einschätzung, dass der freie Sozialträger als öffentlicher Auftraggeber gemäß § 99 Nr. 2 GWB einzuordnen ist.

Die erste Voraussetzung der Vorschrift des §§ 99 Nr. 2 GWB liege vor, weil die Aufgaben des Sozialträgers im Allgemeininteresse liegen. Insoweit handele es sich um grundsätzlich vom Staat zu erbringende Transferleistungen. Auch von einer nichtgewerblichen Leistungserbringung sei auszugehen. Unternehmerische Risiken seien kaum vorhanden, weil die Einnahmequellen des Sozialträgers zum einen aus Spenden und Zuwendungen, hauptsächlich aber aus Transferleistungen aufgrund von Vereinbarungen nach den Regelungen der §§ 75 ff. SGB XII mit dem Sozialhilfeträger und aus Erstattungen der Krankenkassen für durchgeführte Therapien bestehen.

Auch die erforderliche staatliche Beherrschung liege vor. Diese ergebe sich jedoch nicht aus einer überwiegenden Finanzierung nach § 99 Nr. 2 lit. a) GWB. Denn die Einkünfte des freien Sozialträgers stammen zwar überwiegend von einer Gebietskörperschaft, also einem öffentlichen Auftraggeber nach § 99 Nr. 1 GWB. Allerdings handele sich nicht um eine Finanzierung, weil der freie Sozialträger spezifische Gegenleistungen erbringe. Wesen einer Finanzierung sei demgegenüber, dass eine solche ohne Gegenleistung gewährt werde.

Der freie Sozialträger sei allerdings deshalb öffentliche Auftraggeber, weil die Voraussetzungen des §§ 99 Nr. 2 lit. b) GWB vorliegen. Die Leitung der Einrichtung unterliege der Aufsicht einer Stelle nach § 99 Nr. 1 GWB. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH, Urt. v. 12.09.2013 – C-526/11) stellt die Kammer zunächst klar, dass es auf die Unterscheidung nach Fach- und Rechtsaufsicht nicht ankomme. Die Aufsichtsbefugnisse müssten es ermöglichen, bei Vorliegen von Missständen steuernd in die laufende Geschäftstätigkeit einzugreifen. Unter Hinweis auf die einschlägigen Fachgesetze (PfleWoqG, BayEUG und SGB VIII) bejaht die Vergabekammer Südbayern anhand einer Gesamtschau aller bestehenden Aufsichtsbefugnisse einen potentiellen Einfluss des Staates.

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung der Vergabekammer bestätigt eine Entwicklung in der vergaberechtlichen Rechtsprechung (vgl. z.B. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.06.2013 – VII-Verg 55/12), welche – wie die Vergabekammer selbst ausführt – grundsätzliche Bedeutung für eine große Anzahl freier Sozialträger hat. Ergeben sich aus Aufsichtsbefugnissen öffentlicher Auftraggeber gemäß §§ 99 Nr. 1 oder Nr. 3 GWB Einflussmöglichkeiten auf die Auftragsvergabe, spricht vieles für die Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber. Klarheit besteht nach der Entscheidung auch insoweit, als solche Aufsichtsbefugnisse, die sich auf eine schlichte nachträgliche Kontrolle beschränken (z.B. mit Blick auf die Tätigkeit der Rechnungshöfe), nicht ausreichen.

Praxistipp

Für die Eigenschaft eines freien Sozialträgers als öffentlicher Auftraggeber nach § 99 Nr. 2 lit. b) GWB kommt es auf eine Gesamtschau aller Aufsichtsbefugnisse an, die dem Staat hinsichtlich einzelner Tätigkeitsbereiche der beschaffenden Stelle zustehen. Hierdurch lässt sich bestimmen, ob die begründete Staatsnähe bzw. Staatsgebundenheit eine Intensität erreicht, die eine Bindung an das Vergaberecht bewirkt. Geklärt ist außerdem, dass es auf die im deutschen öffentlichen Recht bedeutsame Unterscheidung zwischen Fach- und Rechtsaufsicht nicht ankommt.

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Genehmigung für Aufbau und Betrieb eines Mobilitätskonzepts nach dem PBefG unterliegt (grundsätzlich) nicht dem Vergaberecht! (VK Niedersachen, Beschl. v. 19.06.2018 – VgK-18/2018)

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RechtVerkehr

EntscheidungBei einer personenbeförderungsrechtlichen Genehmigung für die Erprobung eines innovativen Mobilitätsdienstes, bei deren Ausführung der Berechtigte rein eigenwirtschaftlich handelt und keine Leistungsverpflichtung eingeht und die mehrfach erteilt werden kann, ist keine Dienstleistungskonzession im vergaberechtlichen Sinne anzunehmen. Die einem Unternehmen erteilte Genehmigung, die nicht ausschließt, dass auch andere Marktteilnehmer entsprechende Genehmigung beantragen und bekommen, verletzt nicht andere Unternehmen in ihren Rechten. Es fehlt hier bereits an einer dem Vergaberecht immanenten Auswahlentscheidung.

§ 103 GWB; § 149 Nr. 12 GWB; Art. 5 VO (EG) Nr. 1370/2007

Sachverhalt

Eine Stadt – die Antragsgegnerin – möchte die Mobilität innerhalb ihres Stadtgebiets erheblich verbessern. Dafür hat diese einen Masterplan Mobilität XXX, der die Verkehrsentwicklung der kommenden 15 Jahre umfasst und den Einsatz innovativer Mittel zur Förderung der Mobilitätschancen beinhaltet und thematisiert, erstellt. Zur Umsetzung dessen plant die Antragsgegnerin der Beigeladenen auf dessen Antrag hin eine Genehmigung für den Aufbau und Betrieb eines Mobilitätskonzepts zur Personenbeförderung mit Kraftfahrzeugen auf der Grundlage virtueller Haltepunkte gemäß § 2 Abs. 7 PBefG zu erteilen.

Gemäß § 2 Abs. 7 PBefG kann die Genehmigungsbehörde auf Antrag zur praktischen Erprobung neuer Verkehrsarten oder Verkehrsmittel im Einzelfall Abweichungen von Vorschriften dieses Gesetzes oder von auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften für die Dauer von höchstens vier Jahren genehmigen, soweit öffentliche Verkehrsinteressen nicht entgegenstehen.

Bei der Antragstellerin handelt es sich um ein Personenbeförderungsunternehmen, das seinerseits daran interessiert ist, Mobilitätsdienstleistungen mit virtuellen Haltepunkten, die durch Einsatz einer App vermittelt werden, anzubieten. Zunächst bekundete die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin ebenfalls ihr Interesse an einer entsprechenden Genehmigung, rügte die Antragsgegnerin jedoch zugleich, welche aus ihrer Sicht die Vergabe einer Konzession an die Beigeladene ohne vorherige Durchführung eines Vergabeverfahrens beabsichtigte. Sie formulierte dabei wie folgt: Die beabsichtigte Erteilung einer Genehmigung nach § 2 Abs. 7 PBefG für das Mobilitätskonzept ist vergaberechtswidrig. Bei dieser Genehmigung handelt es sich aus vergaberechtlicher Sicht um eine Konzession im Sinne des § 105 Abs. 1 GWB.

Die Antragsgegnerin wies daraufhin die Rüge mit einem Schreiben vom 14.05.2018 mit der Begründung zurück, es handle sich nicht um eine Konstellation, in der vergaberechtliche Gesichtspunkte relevant würden. Es gehe nicht um die Vergabe einer Dienstleistungskonzession. Daraufhin stellte die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag.

Die Entscheidung

Die Vergabekammer hält den Nachprüfungsantrag bereits für unzulässig. Die von der Antragsgegnerin beabsichtigte Erteilung einer Genehmigung für den Aufbau und Betrieb eines Mobilitätskonzepts zur Personenbeförderung gemäß § 2 Abs. 7 PBefG erfüllt bereits den besonderen Ausnahmetatbestand des § 149 Nr. 12, 2. Alternative, GWB und unterliegt daher nicht den Regelungen des 4. Teils des GWB und damit auch nicht der KonzVgV. Die Vergabekammer hat dabei bereits erhebliche Zweifel daran, dass eine Dienstleistungskonzession vorliegt. Es fehlt zudem schon an der notwendigen Antragsbefugnis.

Zur Begründung führte die Vergabekammer u.a. Folgendes aus:

· Laut § 105 Abs. 1 GWB sind Dienstleistungskonzessionen entgeltliche Verträge, mit denen Konzessionsgeber Unternehmen mit der Erbringung oder Verwaltung von Dienstleistungen betrauen. Bei der Erteilung einer Genehmigung für die Erprobung einer neuen Verkehrsart nach § 2 Abs. 7 PBefG handelt es sich um eine typische hoheitliche Genehmigung, nämlich um einen Verwaltungsakt. Es sind keinerlei vertragliche Elemente erkennbar. Verwaltungsakte und sonstige einseitig-hoheitliche Handlungsformen unterfallen aber grundsätzlich nicht dem Anwendungsbereich des Vergaberechts.

· Des Weiteren fehlt es an der Voraussetzung des zwischen dem Konzessionsgeber und Konzessionsnehmer vereinbarten Entgelts. Entsprechend hat die Beigeladene, die rein eigenwirtschaftlich handelt, auch keine Leistungsverpflichtung.

· Auch das eine Konzession ausmachende Beschaffungselement ist nicht erkennbar. Die Genehmigung hilft der Antragsgegnerin zwar bei der Umsetzung ihres Masterplans. Aber die Antragsgegnerin hat den neuen Mobilitätsdienst überhaupt nicht explizit nachgefragt. Vielmehr hat die Beigeladene aus eigenem Antrieb und wirtschaftlichem Interesse die personenbeförderungsrechtliche Genehmigung beantragt. Sie selbst hat die Modalitäten bestimmt. Für eine Dienstleistungskonzession wäre auch insoweit ein Element erforderlich, dass über eine bloße, durch Verwaltungsakt erteilte Erlaubnis hinausgeht. So unterscheidet das OLG Hamburg im Beschluss vom 01.11.2017 (Az. 1 Verg 2/17) zur glückspielrechtlichen Konzession für die Spielbank Hamburg zu Recht zwischen der Erlaubnis für die Spielbank, die nach Hamburgischen Glückspielrecht nur einmal erteilt werden kann, und derjenigen für Spielhallen, die grundsätzlich jeder geeignete Antragsteller erhalten kann, ohne verpflichtet zu sein, diese auch zu nutzen. Für eine Dienstleistungskonzession wäre insoweit auch ein Element erforderlich, dass über eine bloße, durch Verwaltungsakt erteilte Erlaubnis hinausgeht.

· Das weitere Merkmal eines öffentlichen Auftrags, dass eine Auswahlentscheidung getroffen wird, ist ebenfalls nicht erfüllt. Das Vergaberecht ist dadurch gekennzeichnet, dass mit einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern ein Vertrag geschlossen wird und dadurch weitere interessierte Unternehmen gleichzeitig von dieser Auftragsvergabe ausgeschlossen werden. Strebt ein öffentlicher Auftraggeber an, gerade kein Unternehmen exklusiv auszuwählen, sondern steht jedem Interessenten ein Recht zum Vertragsschluss zu, so ist dieser Vorgang nicht vergaberechtspflichtig. So liegt es nach Auffassung der Vergabekammer hier. Eine Benachteiligung von anderen Unternehmen ist dadurch ausgeschlossen, dass auch andere Unternehmen, die die Zulassungsvoraussetzungen erfüllen, Anspruch auf Genehmigung gem. § 2 Abs. 7 PBefG haben. Auch bei den Open-House-Modellen der öffentlichen Krankenkassen sind Diskriminierungen ausgeschlossen. Der EuGH hat daher entschieden, dass das Vergaberecht keine Anwendung findet, wenn der öffentliche Auftraggeber bereit ist, mit allen Unternehmen, die bestimmte Zulassungsvoraussetzungen erfüllen, Verträge abzuschließen (EuGH, Urteil v. 02.06.2016, C-410/14). Bestätigt hat der EuGH diese Auffassung für die Beratungsdienstleistungen im Rahmen einer landwirtschaftlichen Betriebsberatung, da das Beratungssystem allen Bewerbern offensteht (EuGH, Urteil v. 01.03.2018, C-9/17). Es ist aktuell schließlich nicht abzusehen, dass die Genehmigung für den Erprobungsverkehr nach § 2 Abs. 7 PBefG der Beigeladenen faktisch eine Monopolstellung verleihen könnte.

· Eine Vergabepflichtigkeit der streitbefangenen Genehmigung und eine Statthaftigkeit des Nachprüfungsantrags folgt entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht aus § 8a Abs. 7 PBefG. Nach dieser Vorschrift unterliegt ausschließlich die Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages nach Art. 5 Abs. 2 bis 5 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 für den Verkehr mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen der Nachprüfung gemäß §§ 97 ff. GWB. Dienstleistungskonzessionen werden vom Regelungsbereich des § 8a Abs. 7 PBefG ausdrücklich nicht erfasst. Für Dienstleistungskonzessionen im Bereich der Personenbeförderung i. S. d. § 1 PBefG sind dagegen Art. 5 Abs. 3 der VO (IG) Nr. 1370/2007 i. V. m. § 8b PBefG einschlägig. Dabei ist für die notwendige Abgrenzung der Dienstleistungskonzession vom vergaberechtspflichtigen Dienstleistungsauftrag allein auf die vergaberechtliche, europäische Definition der Dienstleistungskonzession abzustellen.

Rechtliche Würdigung

Die Rechtsauffassung der Vergabekammer überzeugt. Sie zeigt sehr anschaulich und teilweise verallgemeinerungsfähig die Grenzen des Anwendungsbereichs des Vergaberechts auf.

Der vorliegende Sachverhalt bietet Gelegenheit, sich mit der (grundlegenden) Fragestellung auseinanderzusetzen, ob es sich bei dem vorliegenden Sachverhalt um eine Dienstleistungskonzession handelt oder lediglich eine personenbeförderungsrechtliche Genehmigung, bei der der Anwendungsbereich des Vergaberechts nicht betroffen ist.

1. Ausschluss nach § 149 Nr. 12 Alt. 2 GWB einschlägig

Fraglich ist, ob § 149 Nr. 12 Alt. 2 GWB als Ausschlussgrund greift, so wie es von der Vergabekammer angenommen wird. § 149 Nr. 12 GWB nimmt Konzessionen, die die Beförderung von Personen im Sinne des § 1 PBefG betreffen, ausdrücklich von den Regelungen des 4. Teils des GWB und damit auch der KonzVgV aus. In der streitgegenständlichen Konzession und Genehmigung nach § 2 Abs. 7 PBefG geht es um Personenbeförderung mit Kraftfahrzeugen, so dass die Ausnahme offensichtlich einschlägig ist (wenn man unterstellt, es liegt eine Dienstleistungskonzession vor).

Im Übrigen ist die Ausnahmeregelung des § 149 Nr. 12 GWB auch mit den personenbeförderungsrechtlichen Vorgaben der Verordnung (EG) 1370/2007 (im Folgenden: VO 1370/2007) vereinbar. Zwar geht die VO 1370/2007 von einem gegenüber dem Vergaberecht weiter gefassten Begriff des öffentlichen Dienstleistungsauftrages“ aus. Dies folgt aus dem Wortlaut der Regelung des Art. 5 Abs. 1 VO 1370/2007, der die Dienstleistungskonzession quasi als Unterfall des Dienstleistungsauftrags regelt. Für den Begriff der Dienstleistungskonzession wiederum stellt der Wortlaut jedoch ebenso eindeutig auf den vergaberechtlichen Begriff der Dienstleistungskonzession in § 105 GWB ab.

2. Kein Vorliegen einer Dienstleistungskonzession

Gemäß §§ 148 ff. GWB sind Dienstleistungskonzessionen gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 2 GWB bei Überschreiten des EU-Schwellenwertes grundsätzlich in einem europaweiten Konzessionsvergabeverfahren nach den Regelungen der Konzessionsvergabeverordnung (KonzVgV) zu vergeben.

Um eine solche Dienstleistungskonzession handelt es sich bei der vorliegenden Genehmigung für die Erprobung eines innovativen Mobilitätsdienstes allerdings gerade nicht.

Für das Vorliegen einer Dienstleistungskonzession bedarf es gemäß § 105 Abs. 1 GWB eines Beschaffungscharakters, das heißt eines wirtschaftlichen Eigeninteresses des Auftraggebers, der Erfüllung einer dem Auftraggeber obliegenden Daseinsvorsorge für die Bevölkerung und einer wirtschaftlichen Risikotragung (Dicks, in: Kulartz/Kus/Portz/Pries Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 4. Auflage, 2016, § 105 Rn. 9-20.). Bloße Gestattungen, Genehmigungen oder Lizenzen, die keinen Beschaffungscharakter haben, sind keine Dienstleistungskonzessionen (zum Erfordernis eines Betriebsrisikos wirtschaftlicher Art für den Konzessionsnehmer siehe auch jüngst OLG Koblenz, Beschluss vom 10.07.2018, Verg 1/18).

Die Antragsgegnerin beabsichtigt die Erteilung einer Genehmigung für die Erprobung einer neuen Verkehrsart nach § 2 Abs. 7 PBefG, wobei die Nutzung des Begriffs Genehmigung das tatsächliche Vorliegen einer Dienstleistungskonzession nicht ausschließt, das Fehlen der Voraussetzungen allerdings sehr wohl. Die Vergabekammer hat die einzelnen Voraussetzungen im Rahmen ihrer Entscheidung weitestgehend ausführlich und richtig geprüft. So ist ihr zuzustimmen, dass es sich bei einer Dienstleistungskonzession um einen entgeltlichen Vertrag zwischen dem Konzessionsgeber und dem Unternehmen handelt, welcher vorliegen muss und bei welchem die Beschaffung und Erbringung von Leistungen im Vordergrund steht (Wollenschläger, in: Burgi/Dreher Vergaberechtskommentar, 3. Auflage, 2017, § 105 Rn. 33.). Richtigerweise geht die Vergabekammer von dem Fehlen vertraglicher Elemente und einem Verwaltungsaktcharakter im Sinne des § 35 VwVfG der Genehmigung aus.

Vorliegend hat die Vergabekammer zutreffend im Übrigen bereits die Bejahung eines konzessionstypischen Entgelts abgelehnt, da der Genehmigungsinhaber für den beantragten Mobilitätsdienst keine staatlichen Zuwendungen, Subventionen oder sonstige Vergünstigungen erhalten wird, so dass es auch an der notwendigen Voraussetzung eines zwischen Konzessionsgeber und Konzessionsnehmer vereinbarten Vergütung fehlt. Entsprechend trifft die Beigeladene auch keine Verpflichtung zur Erbringung einer bestimmten Leistung bzw. zur Erfüllung bestimmter Leistungsparameter.

3. Keine Antragsbefugnis

In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen kommt die Vergabekammer auch zutreffend zu dem Ergebnis, dass der Antragstellerin die Antragsbefugnis fehlt.
Antragsbefugt ist jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Zum einen ist die Verletzung von Normen, die die Antragstellerin schützen, nicht erkennbar. Denn gemäß § 2 Abs. 7 PBefG sind lediglich die öffentlichen Verkehrsinteressen“ maßgeblich. Im Personenbeförderungsrecht ist allgemein anerkannt, dass die Genehmigung eines Unternehmers, seinen Taxen- oder Mietwagenbetrieb aufzunehmen, die anderen Unternehmer nicht in ihren Rechten verletzt. Dies gilt auch im Verhältnis der unterschiedlichen Betriebsarten zueinander. Zum anderen droht der Antragstellerin auch überhaupt kein Schaden. Für einen möglichen Schaden der Antragstellerin wäre so völlig zutreffend die Vergabekammer Voraussetzung, dass die von ihr beantragte Genehmigung zwangsläufig nicht erteilt werden würde, wenn der Beigeladenen eine Genehmigung erteilt wird. Dies ist aber wegen der fehlenden Exklusivität von Genehmigungen von Erprobungsverkehren gemäß § 2 Abs. 7 PBefG nicht der Fall.

Praxistipp

Wenn eine Genehmigung auf Antrag jedem Antragsteller im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens erteilt werden kann und dabei einseitig-hoheitliche Handlungsformen anstatt vertraglicher Elemente zur Anwendung kommen, ist Rechtsschutz vor den vergaberechtlichen Nachprüfungsinstanzen nicht zu erlangen. Es wird dann regelmäßig weder ein öffentlicher Auftrag, noch eine Dienstleistungskonzession vorliegen.

Etwas anderes kann aber anzunehmen sein, wenn die Genehmigung für einen Erprobungsverkehr nach § 2 Abs. 7 PBefG dem Genehmigungsinhaber faktisch eine Monopolstellung verleihen könnte. Dies hat die Vergabekammer vorliegend zwar unter dem Hinweis darauf, dass es hier keine Exklusivität gibt und sich das bessere Konzept am Markt durchsetzen wird, verneint. Trotzdem sind durchaus Konstellationen denkbar, die zu einer solchen Monopolstellung faktisch führen könnten. Denn es ist durchaus fraglich, wie viele verschiedene Mobilitätskonzepte die Kommunen auf Ihren Straßen zur Erprobung zulassen wollen. Anbietern von innovativen Mobilitätskonzepten ist daher zu empfehlen, ihre Energie in die ordnungsgemäße Antragstellung und die Erfüllung der gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen zu investieren. Nur für den Fall, dass deutliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein bereits laufendes Genehmigungsverfahren, die Position des Antragstellers im eigenen Verfahren verschlechtern könnte, sollte näher geprüft werden, ob Rechtsschutz vor den Nachprüfungsinstanzen oder auf andere Weise erlangt werden kann.

The post Genehmigung für Aufbau und Betrieb eines Mobilitätskonzepts nach dem PBefG unterliegt (grundsätzlich) nicht dem Vergaberecht! (VK Niedersachen, Beschl. v. 19.06.2018 – VgK-18/2018) appeared first on Vergabeblog.

Vorrang der Öffentlichen Ausschreibung bei Vergaben nach der VOL/A ist zwingend zu beachten (VK Sachen-Anhalt, Beschl. v. 15.06.2018 – 3 VK LSA 32/18

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Liefer- & DienstleistungenRecht

EntscheidungKeine freie Wahl der Verfahrensart in der VOL/A.

§ 3 VOL/A, § 20 VOL/A

 

Leitsatz (sofern vorhanden)

  1. Die Öffentliche Ausschreibung hat nach § 3 Abs. 2 VOL/A generell Vorrang gegenüber den weiteren Verfahrensarten der VOL/A. Andere Verfahrensarten sind nur in Ausnahmefällen zulässig. Für die Beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb sind diese Ausnahmefälle vorbehaltlich landesrechtlicher Besonderheiten – im § 3 Abs. 3 VOL/A normiert.*)
  2. Die Gründe für die Auswahl einer anderen Verfahrensart als der Öffentlichen Ausschreibung sind in der Vergabedokumentation so sorgfältig zu dokumentieren, dass eine spätere Nachprüfung der Richtigkeit der getroffenen Entscheidung möglich ist. *)

Sachverhalt

Der öffentliche Auftraggeber schreibt Leistungen des Bewachungs- und Sicherungs-, Schließ- und Streifendienstes sowie des Pforten-, Informations- und Telefondienstes mit einem Auftragswert unterhalb des maßgeblichen EU-Schwellenwertes national im Wege der Beschränkten Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb nach der VOL/A aus.

Nach Ablauf der Teilnahmefrist gehen Teilnahmeanträge von insgesamt acht Bewerbern ein. Nach erfolgter Wertung der Teilnahmeanträge wählt der Auftraggeber insgesamt fünf Bewerber aus, die er zur Abgabe eines Angebotes auffordert. Der Antragsteller befindet sich nicht unter diesen fünf zur Angebotsabgabe aufgeforderten Unternehmen. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seinem Nachprüfungsantrag.

Die Entscheidung

Das Vergabeverfahren wurde vergaberechtswidrig durchgeführt.

1. Der Auftraggeber habe es unterlassen, bei der zu vergebenden Dienstleistung die Verfahrensart der Öffentlichen Ausschreibung zu wählen. Dadurch habe er gegen § 3 Abs. 2 VOL/A verstoßen. Nach dieser Vorschrift habe die Öffentliche Ausschreibung generell Vorrang gegenüber den weiteren Verfahrensarten der VOL/A. Die weiteren Verfahrensarten  – Beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb und Freihändige Vergabe – können nur in Ausnahmefällen gewählt werden.

Die Ausnahmefälle für den Rückgriff auf die Beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb seien – vorbehaltlich landesrechtlicher Besonderheiten – in § 3 Abs. 3 VOL/A geregelt. Ob einer der dort geregelten Ausnahmefälle eingreife, sei vom Auftraggeber zu beweisen. Im vorliegenden seien keine Gründe für einen Ausnahmefall ersichtlich.

Die hiesigen Leistungen können nach ihrer Eigenart nicht nur von einem beschränkten Kreis von Unternehmen nach § 3 Abs. 3 lit. a) VOL/A ausgeführt werden. Dieser Ausnahmetatbestand betreffe nur ganz spezielle Leistungen, die objektiv aus der Sicht eines neutralen Dritten nur von einem oder zumindest sehr wenigen spezialisierten Unternehmen erbracht werden können. Erforderlich sei, dass aufgrund der Eigenart der Leistung nur einem auf diese Eigenart spezialisierten und daher besonders geeigneten Unternehmen die sachgerechte Ausführung der Leistung möglich sei. Der Ausnahmetatbestand sei dabei eng auszulegen. Im vorliegenden Fall hätten sich bereits im Teilnahmewettbewerb acht Unternehmen beworben, denen der Auftraggeber einen hochwertigen und qualitativen Teilnahmeantrag bescheinigt und somit die notwendige Eignung bei allen acht Bewerbern grundsätzlich festgestellt habe. Von einem beschränkten Kreis von Unternehmen könne daher nicht gesprochen werden.

Auch der Ausnahmefall der Unzweckmäßigkeit der Öffentlichen Ausschreibung aufgrund besonderer Dringlichkeit nach § 3 Abs. 3 lit. b) VOL/A liege nicht vor. Voraussetzung hierfür sei es, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung der Vergabestelle nach objektiven Gesichtspunkten eine Eilbedürftigkeit des Beschaffungsvorhabens bestehe. Dies liege nicht vor, insbesondere habe der Auftraggeber Kenntnis vom bevorstehenden Vertragsende des bereits bestehenden Vertrages gehabt, sodass er Planungssicherheit für künftig durchzuführende Vergabeverfahren hatte. Besondere Eilbedürftigkeit bestehe nicht. Ein weiterer Grund für eine Unzweckmäßigkeit nach § 3 Abs. 3 lit. b) VOL/A der Öffentlichen Ausschreibung liege ebenfalls nicht vor.

2. Der Auftraggeber habe nicht nur durch die Wahl der der falschen Verfahrensart gegen das Vergaberecht verstoßen, sondern auch durch das Unterlassen einer zwingend erforderlichen Dokumentation seiner Entscheidung für die konkrete Verfahrensart. Insbesondere seien die Gründe für ein Abweichen vom Grundsatz der Öffentlichen Ausschreibung so sorgfältig zu dokumentieren, dass eine spätere Nachprüfung der Richtigkeit der getroffenen Entscheidung möglich sei. Dies sei im vorliegenden Fall nicht erfolgt. In den Vergabeunterlagen mangele es vielmehr an jeglicher Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 VOL/A. Dadurch habe der Auftraggeber gegen § 20 VOL/A verstoßen. Die ordnungsgemäße Dokumentation des Vergabeverfahrens nach § 20 VOL/A sei im Sinne des Transparenzgebotes zwingende Voraussetzung für ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren.

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung ist in ihrer Betonung des Vorrangs der öffentlichen Ausschreibung und der Bedeutung der Dokumentation eindeutig.

Mit dem § 8 Abs. 2 UVgO wird mit der flächendeckenden Einführung der UVgO in allen Bundesländern künftig der Vorrang der Öffentlichen Ausschreibung wegfallen. Doch obwohl die UVgO dem Auftraggeber künftig ein Wahlrecht zwischen der Öffentlichen Ausschreibung und der Beschränkten Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb einräumt, können die anderen Verfahrensarten der UVgO (Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb und Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb) nur unter den im § 8 Abs. 3 und Abs. 4 UVgO geregelten Ausnahmetatbeständen gewählt werden. Der Mechanismus bleibt damit auch in der UVgO unverändert, sodass die Rechtsanwender auch künftig zweistufig prüfen müssen: (1.) welche Verfahrensart Vorrang hat und (2.) ob die Voraussetzungen eines Ausnahmetatbestands erfüllt sind.

Praxistipp

Öffentlichen Auftraggebern ist daher zwingend zu empfehlen, die vorrangig zu verwendende Verfahrensart zu beachten und Ausnahmen nach den jeweiligen Ausnahmetatbeständen kritisch zu prüfen. Grundsätzlich ist dabei zu beachten, dass die Ausnahmetatbestände, aufgrund eben dieses Ausnahmecharakters, restriktiv auszulegen sind.

Die kritische Prüfung der Ausnahmetatbestände und eine auf ihr beruhende Entscheidung für eine andere Verfahrensart als der jeweils vorrangigen, kann aber nur Bestand haben, wenn die Gründe für eine andere Verfahrensart in der Vergabedokumentation dokumentiert sind. Hier sind keine Besinnungsaufsätze über die Vor- und Nachteile der jeweiligen Verfahrensarten zu verfassen. Erforderlich sind vielmehr knappe und fundierte Ausführungen zu den Gründen, die die Anwendung des jeweils gewählten Ausnahmetatbestands erlauben. Der Rückgriff auf die maßgeblichen von der Literatur und Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zu den jeweiligen Ausnahmetatbeständen ist dabei zu empfehlen. Dies gilt auch für Unterschwellenvergaben nach der UVgO, denn § 6 UVgO entspricht weitgehend den § 20 VOL/A.

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Anforderungen an das Open-House und Prüfungsumfang der Vergabekammer (VK Bund, Beschl. v. 07.05.18 – VK 1-31/18)

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Gesundheits- & SozialwesenRecht

Entscheidung

Mit Beschluss vom 07.05.2018 hat sich die Vergabekammer Bund zum vergaberechtsfreien Open-House-Verfahren geäußert. Dieses Verfahren ist dadurch gekennzeichnet, dass jedes am Vertrag interessierte Unternehmen dem Vertrag des öffentlichen Auftraggebers beitreten kann. Ein Wettbewerb zwischen den Unternehmen findet im eigentlichen Sinne nicht statt.

Leitsatz

  1. Die Vergabekammer prüft im Rahmen der Zulässigkeit in einer ersten Stufe, ob die Anforderungen an ein Open-House-Verfahren verletzt sind. Die Verletzung der Anforderungen führt jedoch nicht automatisch dazu, dass ein öffentlicher Auftrag vorliegt.
  2. Nach der Rechtsprechung des EuGHs verlangt das Transparenzerfordernis, dass der Auftraggeber ein Open-House-Modell in einer Weise bekanntmacht, die es dem potentiell interessierten Wirtschaftsteilnehmer ermöglicht, vom Ablauf und den wesentlichen Merkmalen eines Zulassungsverfahrens gebührend Kenntnis zu nehmen.
  3. Bei einem Open-House-Zulassungsverfahren hat sich der öffentliche Bedarfsträger auf eine Preisvorgabe zu beschränken, die aus Gründen der Gleichbehandlung gerade nicht an der unternehmerischen Kalkulation einzelner Marktteilnehmer zu orientieren ist, sondern an einer Prognose dahingehend, dass mit diesem Preis der Beschaffungsbedarf tatsächlich am Markt realisierbar ist.
  4. Es besteht keine Pflicht, im Rahmen eines Open-House-Zulassungsverfahrens die Namen der bereits gebundenen Vertragspartner offenzulegen.

Sachverhalt

Die Antragsgegnerinnen kündigten im Amtsblatt der europäischen Union den Abschluss von nicht-exklusiven Vereinbarungen im Rahmen eines Open-House-Verfahrens an. Dabei handelte es sich um Vereinbarungen die, die Lieferung von Kontrastmitteln für den Sprechstundenbedarf radiologisch tätiger Vertragspraxen mit Sitz im Gebiet der Kassenärztlichen Vereinigung umfassten. Dabei wurden die Kontrastmittel wirkstoffübergreifend aufgrund von gleichen Indikationen und vergleichbarer therapeutischer Eigenschaften aus pharmakologischer Sicht in 8 Fachgruppen eingeteilt. Die Konditionen wurden für die jeweilige Fachgruppe einheitlich auf Grundlage der jeweiligen Pauschalenmodelle festgelegt.

Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Antrag auf Nachprüfungsverfahren gegen die Wahl des Open-House-Verfahrens als vergaberechtsfreies Verfahren und rügt einen Verstoß gegen die Informations- und Wartepflichten gem. § 135 I Nr. 1 i.V.m. § 134 GWB. Insbesondere beanstandete sie, dass derselbe Vertragspreis in unterschiedlichen Fachgruppen verwendet und ohne vorherige Markterkundung festgesetzt wurde.

Die Entscheidung

Die Vergabekammer stellt fest, dass die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags bei Open-House-Verfahren grundsätzlich in zwei Stufen zu prüfen sei: Auf der ersten Stufe wird geprüft, ob die an ein vergaberechtsfreies Open-House-Verfahren zu stellenden Anforderungen erfüllt sind. Nur wenn diese erste Stufe verneint wird, muss die Vergabekammer in einem zweiten Schritt prüfen, ob die konkrete Verletzung der Anforderungen an ein Open-House-Verfahren dazu führt, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen eines öffentlichen Auftrages erfüllt sind.

Im Ergebnis verneint die VK Bund hier die Statthaftigkeit des Nachprüfungsverfahrens schon auf der ersten Stufe.

Die VK Bund geht dabei umfassend auf die Verfahrensmodalitäten eines Open-House-Verfahrens ein. Sie betont insbesondere die Rechtsprechung des EuGHs bezüglich der Transparenzerfordernisse und sieht die durch deutsche Rechtsprechung hinzugekommenen Ergänzungen als abschließend an. Die Transparenzerfordernisse erstreckten sich gerade nicht auf ex-post Informationen, welche Unternehmen die zu einem früheren Zeitpunkt beigetreten sind gerade nicht zur Verfügung standen. Dementsprechend sei es zweifelhaft ob der Bedarfsträger dazu verpflichtet sei, die Namen der bereits gebundenen Vertragspartner offen zu legen.

Bei den Preisvorgaben dürfe sich der öffentliche Bedarfsträger im Open-House-Verfahren gerade nicht an der unternehmerischen Kalkulation einzelner Marktteilnehmer orientieren, so dass eine Markterkundung keine geeignete Prognosegrundlage darstellen würde. Er müsse sich vielmehr daran orientieren mit welchem Preis der Beschaffungsbedarf am Markt tatsächlich zu realisieren ist und dahingehend eine Prognose treffen, so dass Pauschalmodelle eine geeignete Berechnungsgrundlage darstellen würde.

Weiterhin sei durch die Verfahrensgestaltung auch kein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot erkennbar.

Gegen die Entscheidung wurde beim OLG Düsseldorf Sofortige Beschwerde eingelegt unter dem Aktenzeichen VII Verg 31/18.

Rechtliche Würdigung

Bei sog. Open-House-Verträgen handelt es sich um eine weitere Beschaffungsvariante, bei dem der öffentliche Auftraggeber zu vorher von ihm bestimmten Konditionen mit allen interessierten Unternehmen kontrahieren will.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte mit Urteil vom 2. Juni 2016 diese Variante dem Anwendungsbereich des klassischen Vergaberechts entzogen. Hauptargument des EuGHs war, dass der Auftraggeber kein Unternehmen auswählen möchte. Ein öffentlicher Auftrag sei immer nur dann gegeben, wenn der Auftraggeber eine Auswahlentscheidung treffen müsse. Eine Vergabe nach dem Open-House-Verfahren unterliege nur den Grundregeln des AEUV (soweit sie Aufträge betrifft, an denen ein grenzüberschreitendes Interesse besteht). Dazu gehörten insbesondere die Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der Gleichbehandlung sowie das Gebot der Transparenz.

Obwohl die Vergabekammer im vorliegenden Fall formell nicht zuständig ist, befasst sie sich umfassend mit den Anforderungen an ein Open-House-Verfahren und geht detailliert auf die Beanstandungen der Antragstellerin ein. Sie zieht dafür immer wieder auch hier nicht anwendbare vergaberechtlichen Regelungen zur Argumentation heran. Fraglich ist, ob dies ein sinnvoller Weg ist. Gemeinhin müsste die Vergabekammer im Rahmen der Zulässigkeit nur prüfen, ob ein öffentlicher Auftrag vorliegt. Liegen die Voraussetzungen dafür nicht vor, weil es keine Auswahlentscheidung gibt, dürfte es für die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags nicht mehr darauf ankommen, ob die vom EuGH aufgestellten Anforderungen an ein Open-House-Verfahren erfüllt sind oder nicht. Die Vergabekammer stellt selbst fest, dass es keinen Automatismus dergestalt gebe, dass jedwede Verletzung von Open-House-Anforderungen zwangsläufig das Vorliegen der Voraussetzungen eines öffentlichen Auftrags indiziert. Offen lässt sie jedoch, welche Verletzung gegen Open-House-Anforderungen zu einer Bejahung eines öffentlichen Auftrags führen könnte.

Praxistipp

Hinzuweisen ist, dass Open-House-Verfahren grundsätzlich auch außerhalb des Gesundheitsbereichs zulässig sein könnten. Voraussetzungen dafür sind, dass:

  • Der öffentliche Auftraggeber die vorgegebenen Bedingungen (wie auch den Preis) vorher nicht mit Unternehmen verhandelt, sondern frei bestimmt
  • Die Absicht des Vertragsabschlusses und auch den nachträglichen Beitritt zumindest bei Binnenmarktrelevanz europaweit bekanntmacht
  • Die Bedingungen für den Vertragsabschluss und Beitritt transparent und diskriminierungsfrei sind

Allerdings bleibt die Vereinbarkeit mit dem Wirtschaftlichkeitsprinzip fraglich. Aus haushaltsrechtlicher Sicht dürfte ein Open-House-Verfahren wohl nur ganz begrenzt zulässig sein.

Abzuwarten bleibt außerdem, wie das OLG Düsseldorf entscheiden wird.

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Ausschreibungspflicht für Wasserkonzessionen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.6.2018 – VI-2 U 7/16 [Kart])

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Liefer- & DienstleistungenRechtUNBEDINGT LESEN!

EntscheidungFür den Abschluss von Wasserkonzessionsverträgen gelten die Vergabevorschriften nach Teil 4 des GWB (§§ 97-184 GWB) nicht. Diese Bereichsausnahme ist ausdrücklich in § 149 Nr. 9 GWB normiert. Für Wasserkonzessionen sind damit weder das GWB-Vergaberecht noch die KonzVgV als Verfahrensregeln zwingend anzuwenden. Wasserkonzessionen sind aber in keinem rechtsfreien Raum zu vergeben. Zwar gilt für sie kein sektor- bzw. fachspezifisches Vergaberecht, wie dies z.B. für Strom- und Gaskonzessionen nach dem EnWG der Fall ist. Allerdings können verfahrensbezogene und materielle Anforderungen u.a. aus dem europäischen Primärrecht und dem Kartellrecht erwachsen.

§ 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB; Art. 3 Abs. 1 GG; Art. 49, 56 AEUV.

Leitsatz

Grundlage für die an die Auswahlentscheidung bei einer Wasserkonzession zu stellenden verfahrensbezogenen und materiellen Anforderungen, sind das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot, der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG in Form des Willkürverbotes und bei entsprechendem Binnenmarktbezug – die primärrechtlichen Grundsätze des AEUV, vor allem Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit), sowie die sich daraus ergebenden allgemeinen Grundsätze der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung, Transparenz sowie Verhältnismäßigkeit.

Sachverhalt

Eine in Grenznähe liegende Stadt veröffentlichte im Bundesanzeiger das bevorstehende Ende ihres Wasserkonzessionsvertrages und forderte zugleich Unternehmen auf, ihr Interesse am Abschluss eines 30 Jahre laufenden Konzessionsvertrages über die Versorgung mit Trinkwasser zu bekunden. Im Rahmen der Aufforderung zur Abgabe indikativer Angebote teilte die Stadt den interessierten Unternehmen u.a. die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung mit. Ein Unternehmen erhob daraufhin Rügen hinsichtlich verschiedener Zuschlagskriterien und den hierzu von der Stadt getroffenen Erläuterungen. Die Stadt wies die Rügen zurück und beschloss die Wasserkonzession an die Altkonzessionärin zu vergeben. Dagegen wandte sich das nichtberücksichtigte Unternehmen und beantragte erstinstanzlich den Erlass einer einstweiligen Verfügung und bemängelte darin das von der Stadt durchgeführte Verfahren als intransparent und diskriminierend.

Die Entscheidung

Das OLG Düsseldorf entschied in der Berufung, dass die Stadt das Verfahren zur Vergabe der Wasserkonzession insoweit wiederholen muss, als die Angebotswertung aufgrund fehlender Nachvollziehbarkeit einzelner Wertungskriterien rechtsfehlerhaft erfolgt ist.

Nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB liegt ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung insbesondere dann vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar unbillig behindert.

Bei einem Verstoß gegen dieses Verbot der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung, kann ein (kartellrechtlicher) Anspruch auf Unterlassung des beabsichtigten Vertragsabschlusses aus §§ 33 Abs. 1, 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB geltend gemacht werden (Rdnr. 85).

Städte und Gemeinden handeln beim Abschluss von Wasserkonzessionsverträgen als Unternehmen im Sinne des deutschen Kartellrechts. Sie sind auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt ohne Wettbewerber. Denn auf dem sachlich relevanten Markt zur Verlegung und zum Betrieb von Wasserrohrleitungen, stehen sich Städte und Gemeinden als ausschließliche Anbieter des Wegerechts und Wasserversorgungsunternehmen als Nachfrager gegenüber. In örtlicher Hinsicht ist der relevante Markt auf das Gebiet der jeweiligen Kommune beschränkt und umfasst sämtliche Wege, die sich für die Verlegung und Betrieb von Wasserrohrleitungen zur unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeinde- und Stadtgebiet eignen. Dem steht auch nicht entgegen, dass eine Wasserkonzession nicht nur die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, sondern weitergehend auch die Wasserversorgung umfasst, so der Düsseldorfer Kartellsenat (Rdnrn. 92 ff.).

Eine Ausnahme vom Anwendungsbereich des kartellrechtlichen Behinderungsverbotes des § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB ergebe sich auch weder aus § 31 GWB noch § 31b GWB, die besondere Regeln für wettbewerbsbeschränkende Verträge der Wasserwirtschaft enthalten. Dies folge nicht zuletzt aus § 31b Abs. 6 GWB, wonach selbst zulässige wettbewerbsbeschränkende Verträge noch der Missbrauchsaufsicht unterlägen (Rdnr. 96).

Bei der Vergabe von Wasserkonzessionen muss die vom Konzessionsgeber getroffene Auswahlentscheidung verfahrensbezogene und materielle Anforderungen erfüllen. Genügt die Wasserkonzessionsvergabe diesen Anforderungen nicht, liegt eine unbillige Behinderung i.S.d. § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB derjenigen Bewerber vor, deren Chance auf die Wasserkonzession dadurch beeinträchtigt worden sind (Rdnr. 100).

Die grundlegende Basis für die an die Auswahlentscheidung beim beabsichtigten Abschluss eines Wasserkonzessionsvertrages zu stellenden verfahrensbezogenen und materiellen Anforderungen, sind das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot, der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG in Form des Willkürverbotes und wie hier bei entsprechendem grenzüberschreitenden Interesse wegen der Grenznähe und des wirtschaftlichen Gewichts der Wasserkonzession auch die primärrechtlichen Grundsätze des AEUV, vor allem Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit), sowie die sich daraus ergebenden allgemeinen Grundsätze der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung, Transparenz und Verhältnismäßigkeit (Rdnr. 101).

In verfahrensbezogener Hinsicht muss das Auswahlverfahren so gestaltet werden, dass die an der Wasserkonzession interessierten Unternehmen erkennen können, worauf es der Gemeinde bei der Auswahlentscheidung ankommt. Nur dann ist gewährleistet, dass die Auswahlentscheidung im unverfälschten Wettbewerb nach sachlichen Kriterien und diskriminierungsfrei zugunsten desjenigen Bewerbers erfolgt, dessen Angebot den Auswahlkriterien am besten entspricht. Das aus dem Diskriminierungsverbot folgende Transparenzgebot und das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung verlangen dementsprechend, dass den am Erhalt der Wasserkonzession interessierten Unternehmen zumindest die Auswahl-/Entscheidungskriterien des Konzessionsgebers rechtzeitig vor Angebotsabgabe mitgeteilt werden (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.3.2018 VI 2 U (Kart) 6/16, Rdnrn. 69 f.). Der Urteilstenor macht außerdem klar, dass der Kartellsenat sowohl eine Vorabinformation der nichtberücksichtigten Bieter als auch eine zweiwöchige Wartefrist bis zum Vertragsabschluss fordert (vgl. auch schon OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.12.2017 27 U 25/17).

Was die materiellen Anforderungen an die Auswahlentscheidung anbelangt, müssen die Kriterien sachbezogen und dürfen nicht willkürlich sein. Da eine § 46 Abs. 4 Satz 1 EnWG i.V.m. § 1 EnWG entsprechende Regelung für die Vergabe von Wasserkonzessionen fehlt und die energiewirtschaftlichen Regelungen auf die Vergabe von Wasserkonzessionsverträge auch nicht analog anzuwenden sind, ist der Konzessionsgeber bei der Aufstellung und Gewichtung der Auswahlkriterien freier. Ihm steht aufgrund seines Leistungsbestimmungsrechtes ein weiter Spielraum zu (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.3.2018 VI 2 U (Kart) 6/16, Rdnr. 74).

Rechtliche Würdigung

Der Ausschluss der Wasserkonzession vom Anwendungsbereich der KonzVgV und dem GWB-Vergaberecht hat nicht per se zu einem höheren Maß an Rechtssicherheit für Städte und Gemeinden geführt, nur weil sie zu keinem danach förmlich geregelten Verfahren bei der Auswahl des Konzessionsnehmers gezwungen wären. Vielmehr unterliegen Wasserkonzessionsgeber neben dem europäischen Primärrecht des AEUV bei entsprechendem Binnenmarktbezug – nach Ansicht des OLG Düsseldorf insbesondere auch kartellrechtlichen Verfahrenszwängen. Ob der Gesetzgeber eine auf § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB gründende kartellrechtliche Missbrauchskontrolle zwecks Herstellung eines Wettbewerbs beim Abschluss von Wasserkonzessionsverträgen beabsichtigt hat, kann durchaus zweifelhaft sein. Denn mit dem in § 31b Abs. 6 GWB enthaltenen Vorschriftenverweis auf § 19 GWB könnten nur die Wasserversorgungsunternehmen gemeint sein, sodass die kommunalen Gebietskörperschaften selbst nicht Normadressat sein könnten. Dafür, dass mit dem missbräuchlichen Verhalten ausschließlich die Wasserversorgungsunternehmen und ihre durch die Freistellung erlangte Marktstellung gemeint sein könnten, mögen systematische Gründe sprechen. Immerhin richten sich die in § 31 Abs. 4 GWB genannten Missbrauchs-Beispielsfälle ausdrücklich an die Wasserversorgungsunternehmen, nicht an die kommunalen Gebietskörperschaften.

Praxistipp

Öffentliche Konzessionsgeber im Wasserbereich dürften grundsätzlich gut beraten sein, die vom OLG Düsseldorf aus § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB, Art. 3 Abs. 1 GG und ggf. Art. 49, 56 AEUV hergeleiteten verfahrensbezogenen und materiellen Anforderungen bei ihrer Auswahlentscheidung zu beachten, also letztlich ein strukturiertes, transparentes und diskriminierungsfreies Bieterverfahren für die zu vergebende Wasserkonzession durchzuführen. Hiervon wird derzeit wohl nur ausnahmsweise (z.B. wegen Vorliegen der Inhouse-Grundsätze) abgesehen werden dürfen. Denn die Möglichkeit, eine Wasserkonzessionsvergabe in der Form einer Inhouse-Vergabe durchzuführen, dürfte auch nach dem OLG Düsseldorf fortbestehen (vgl. Urt. v. 21.3.2018 VI 2 U (Kart) 6/16, Rdnr. 71).

The post Ausschreibungspflicht für Wasserkonzessionen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.6.2018 – VI-2 U 7/16 [Kart]) appeared first on Vergabeblog.


Finanzierung von Tätigkeiten mittels einer Zuwendung ist kein öffentlicher Auftrag (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.07.2018 – VII-Verg 1/18)

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Liefer- & DienstleistungenRecht

EntscheidungEin Wohlfahrtsverband erhält von einer Kommune finanzielle Zuwendungen für die soziale Betreuung von Flüchtlingen in städtischen Flüchtlingsunterkünften. Der Nachprüfungsantrag eines gewerblichen Anbieters von Betriebs- und Betreuungsleistungen gibt dem OLG Düsseldorf Gelegenheit, grundsätzliche Aussagen zur Abgrenzung einer Zuwendung von einem öffentlichen Auftrag zu treffen.

§ 103 Abs. 1 GWB, Erwägungsgrund 4 Richtlinie 2014/24/EU

Leitsätze (nicht amtlich)

  1. Der Begriff des öffentlichen Auftrags setzt voraus, dass dadurch eine einklagbare Erfüllungsverpflichtung des Auftragnehmers begründet wird.
  2. Eine Zuwendung im Sinne einer bloßen Finanzierung von Tätigkeiten, verbunden mit der Verpflichtung, erhaltene Beträge bei nicht bestimmungsgemäßer Verwendung zurückzuzahlen, ist keine Vergabe eines öffentlichen Auftrags.

Sachverhalt

Die Antragsgegnerin ist eine nordrhein-westfälische Kommune, die seit 2015 Flüchtlingsunterkünfte auf ihrem Stadtgebiet betreibt. Nach § 1 Abs. 1 des nordrhein-westfälischen Flüchtlingsaufnahmegesetzes (FlüAG NRW) ist sie zur Aufnahme und Unterbringung ausländischer Flüchtlinge verpflichtet. Es handelt sich um eine Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung. Zur Abgeltung des besonderen Betreuungsaufwands gewährt das Land der Antragsgegnerin nach § 4a Abs. 2 FlüAG für jeden Flüchtling eine monatliche Pauschale.

Bei der sozialen Betreuung der Flüchtlinge wird die Antragsgegnerin von den örtlichen Wohlfahrtsverbänden unterstützt. Die Antragsgegnerin hat diesbezüglich ein Konzept zur Flüchtlingsbetreuung in städtischen Unterkünften erstellt, nach dem die durch die Wohlfahrtsverbände wahrgenommene Flüchtlingsbetreuung durch Zuwendungen der Antragsgegnerin ergänzt werden sollen. Die Wohlfahrtsverbände verstehen die Flüchtlingsbetreuung als eigene karitative Aufgabe.

Nach Abstimmung mit der Antragsgegnerin übernimmt die Beigeladene die soziale Betreuung von Flüchtlingen in einer neuen Flüchtlingsunterkunft. Zugleich erhält die Beigeladene auf entsprechenden Antrag von der Antragsgegnerin einen Personal-, Sach- und Gemeinkostenzuschuss für die Betreuung der Flüchtlinge. Der Bescheid sieht eine Verpflichtung zur bestimmungsgemäßen Verwendung der Zuwendung vor. Zudem enthält der Bescheid den Hinweis, dass die Entwicklung der Haushaltslage der Antragsgegnerin Kürzungen der Zuwendungen erfordern könnten oder die Zuwendung auch ganz entfallen könnte.

Die Antragstellerin ist ein gewerblicher Anbieter von Betriebs- und Betreuungsleistungen in Flüchtlingsunterkünften. Nachdem sie von der Einweihung der neuen Flüchtlingsunterkunft erfahren hat, erkundigt sie sich bei der Antragsgegnerin, ob die Betreuungsleistungen ausgeschrieben werden würden. Die Antragsgegnerin teilt daraufhin mit, dass sie die Unterkünfte selbst betreibe und die soziale Betreuung von den ortsansässigen Wohlfahrtsverbänden eigenverantwortlich wahrgenommen werde. Die Förderung erfolge im Rahmen des Zuwendungsrechts.

Nach erfolgloser Rüge beanstandet die Antragstellerin mit ihrem Nachprüfungsantrag, dass die Antragsgegnerin die Leistung der sozialen Betreuung nicht ohne förmliches Vergabeverfahren habe vergeben dürfen. Die Vergabekammer Rheinland gibt dem Nachprüfungsantrag statt. Die Förderung und Betreuung der Flüchtlinge sei ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag. Die Beigeladene habe die Leistungen nach dem Konzept der Antragsgegnerin zu erbringen. Die Fördermittel seien funktional als Entgelt einzuordnen.

Gegen den Beschluss der Vergabekammer legen die Beigeladene und die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde beim OLG Düsseldorf ein.

Die Entscheidung

Das OLG Düsseldorf hebt den Beschluss der Vergabekammer Rheinland auf. Mit dem Zuwendungsbescheid sei keine de-facto Vergabe verbunden gewesen. Der Nachprüfungsantrag sei bereits unzulässig, da kein öffentlicher Auftrag vorliege.

Der Begriff des öffentlichen Auftrags setze nach der nationalen Rechtsprechung und der Rechtsprechung des EuGH eine einklagbare Erfüllungspflicht des Auftragnehmers voraus. Dies werde auch durch Erwägungsgrund 4 der Richtlinie 2014/24/EU bestätigt. Danach gelten die Vorschriften für die öffentliche Auftragsvergabe nicht für die bloße Finanzierung von Tätigkeiten, die mit der Verpflichtung verbunden sein kann, erhaltende Beträge bei nicht bestimmungsgemäßer Verwendung zurückzuzahlen.

Eine solche Verpflichtung zur Leistung sei dem Zuwendungsbescheid nicht zu entnehmen. Die Antragsgegnerin könne die gewünschte Leistung der sozialen Betreuung der Flüchtlinge danach nicht erzwingen. Vielmehr könne sie im Falle der Nichterfüllung der Aufgabe der Flüchtlingsbetreuung von der Beigeladenen nur die Zuwendung zurückfordern.

Die Antragsgegnerin sei auch nicht verpflichtet gewesen, soziale Betreuungsleistungen für Flüchtlinge nach dem GWB-Vergaberecht auszuschreiben. Ob ein Auftraggeber einen durch öffentlichen Auftrag zu deckenden Beschaffungsbedarf hat, entscheide er selbst. Erst wenn eine Entscheidung zugunsten der Erteilung eines öffentlichen Auftrags getroffen sei, sei der Anwendungsbereich des Vergaberechts eröffnet. Auch das FlüAG NRW überlasse die Ausgestaltung der Aufnahme der Flüchtlinge den Kommunen. Hierdurch bleibe Raum für die verfassungsrechtlich geschützte kommunale Selbstverwaltungsgarantie und das dadurch geschützte Recht der Gemeinden, Wohlfahrtsverbänden und wohltätigen Organisationen Zuwendungen zukommen zu lassen.

Rechtliche Würdigung

Maßgebliches Abgrenzungskriterium zwischen einem ausschreibungspflichtigen öffentlichen Auftrag und einer grundsätzlich ausschreibungsfreien Zuwendung ist nach Auffassung des Vergabesenats das Bestehen einer einklagbaren Erfüllungsverpflichtung. Der Senat beruft sich dabei auf das Urteil des EuGH vom 25. März 2010 (Rs. C-451/08 – „Helmut Müller“). Der EuGH hatte dort entschieden, dass ein öffentlicher (Bau-) Auftrag erfordert, dass der Auftragnehmer direkt oder indirekt die Verpflichtung zur Erbringung der (Bau-) Leistungen übernimmt und es sich nach dem nationalen Recht geregelten Modalitäten um eine einklagbare Verpflichtung handeln müsse (Rn. 62 des Urteils). Generalanwalt Mengozzi war in seinen damaligen Schlussanträgen hinsichtlich der Voraussetzungen für das Vorliegen eines öffentlichen Auftrags deutlich zurückhaltender. Er forderte zwar eine verbindliche Verpflichtung des Auftragnehmers zur Erbringung der vereinbarten Leistung, meinte jedoch zugleich, dass das nationale Recht nicht notwendigerweise Mechanismen vorsehen müsse, mit denen ein Auftragnehmer zur Realisierung gezwungen werden könne (Rn. 79 der Schlussanträge). Der EuGH griff diese Differenzierung zwischen einer verbindlichen Verpflichtung und deren Einklagbarkeit in seiner Entscheidung indes nicht auf. Das vom Vergabesenat herangezogene Erfordernis der einklagbaren Erfüllungsverpflichtung liegt daher auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung des EuGH.

Anders als der Vergabesenat sah die erstinstanzlich zuständige Vergabekammer Rheinland bei einem vorher ausgehandelten Pflichtenaustausch in Form eines Zuwendungsbescheids Potential für eine Umgehung des Vergaberechts. Tatsächlich dürfte die drohende Rückforderung der Zuwendung im Falle der Nichterfüllung auch ohne ausdrückliche Erfüllungsverpflichtung einigen Motivationsdruck auf den begünstigten Wohlfahrtsverband zur Erbringung der Leistungen ausüben. Auch der Vergabesenat stellt in seiner Entscheidung fest, dass die Erwartungen der Antragsgegnerin aufgrund des eigenen wirtschaftlichen und karitativen Interesses der Beigeladenen am Erreichen des Zuwendungserfolgs wahrscheinlich erfüllt werden.

Der EuGH geht grundsätzlich von einem funktionalen Auftragsbegriff aus. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Frage stellen, ob dem eigenen Interesse der Kommune an der Durchführung der Leistungen im Rahmen der Abgrenzung zwischen öffentlichem Auftrag und Zuwendung nicht stärkeres Gewicht einzuräumen ist. Eine Zuwendung fördert, worauf auch der Vergabesenat in seiner Entscheidung hinweist, typischerweise die Erfüllung fremder Aufgaben, nämlich derjenigen des Zuwendungsempfängers, während die Vergabe eines öffentlichen Auftrags der Erfüllung eigener Aufgaben des öffentlichen Auftraggebers dient. Da die Betreuungsleistungen eine Pflichtaufgabe der Kommune darstellen bzw. mit dieser im engen Zusammenhang stehen, lag hier jedenfalls kein ganz typischer Fall einer Zuwendung vor, selbst wenn der Wohlfahrtsverband die Flüchtlingsbetreuung ebenfalls als eigene karitative Aufgabe verstand.

Erwägungsgrund 4 der Richtlinie 2014/24/EU schließt eine einzelfallbezogene Betrachtung im Rahmen der Abgrenzung jedenfalls nicht per se aus. Denn dort heißt es, dass die Vorschriften für die öffentliche Auftragsvergabe nur in der Regel nicht für die bloße Finanzierung von Tätigkeiten gelten, die mit der Verpflichtung verbunden sein kann, erhaltende Beträge bei nicht bestimmungsgemäßer Verwendung zurückzuzahlen.

Praxistipp

Durch das Erfordernis einer einklagbaren Erfüllungsverpflichtung zieht das OLG Düsseldorf eine klare Trennlinie zwischen nicht dem Vergaberecht unterfallenden Finanzierung von Tätigkeiten durch Zuwendungen und ausschreibungspflichtigen öffentlichen Aufträgen. Es bleibt abzuwarten, inwieweit andere Vergabesenate der Abgrenzungsmethodik des OLG Düsseldorf im Einzelfall folgen.

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Mehrere Haupt-, Doppel- oder Nebenangebote: Was ist zulässig? (VK Sachen-Anhalt, Beschl. v. 08.06.2018 – 3 VK LSA 33/18)

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BauleistungenRecht

EntscheidungBieter dürfen mehrere Hauptangebote nur abgeben, wenn diese dem Leistungsverzeichnis (LV) entsprechen und das LV unterschiedliche Lösungen zulässt. Dagegen sind „Doppelangebote“ unzulässig. Ein „Hauptangebot“ mit einem vom vorgegebenen LV abweichenden Inhalt ist zwingend auszuschließen.

§ 13 Abs. 1 Nr. 5, § 16 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 6 VOB/A

Leitsatz

  1. Die Bieter sind berechtigt, zwei oder mehrere Hauptangebote abzugeben, wenn der Auftraggeber in den Vergabeunterlagen nicht ausdrücklich festlegt, dass die Bieter nur ein Hauptangebot abgeben dürfen.
  2. Technisch verschiedene Hauptangebote – etwa mit unterschiedlichen Fabrikaten – eines Bieters sind zulässig. Unzulässig hingegen sind Doppelangebote.
  3. Von zwei oder mehreren Hauptangeboten zu unterscheiden sind Nebenangebote. Ein Nebenangebot liegt vor, wenn der Bieter vom vorgegebenen Leistungsverzeichnis abweicht bzw. eine andere Ausführung der ausgeschriebenen Leistung vorschlägt.

Sachverhalt

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Dachabdichtungsarbeiten im Wege der öffentlichen Ausschreibung nach VOB/A ausgeschrieben. Nebenangebote waren nicht zugelassen; der Preis war alleiniges Wertungskriterium. Zum Eröffnungstermin lagen 6 Hauptangebote vor. Bieter A legte zwei so bezeichnete Hauptangebote in Höhe von xx EUR (P2) und in Höhe von yy EUR (P3) vor und wurde darauf vom AG von der weiteren Wertung ausgeschlossen, da Zweifel bestünden, an welches Preisangebot sich A gebunden sehe. A erklärte darauf, dass er im Zuge der Materialangebote das LV des AG überprüft und festgestellt hätte, dass die geforderten Leistungen nicht ausführbar seien; ein unklares LV ginge aber nicht zulasten des Bieters. Er hätte daher mit dem zweiten Hauptangebot ein gleichwertiges, ausführbares und regelkonformes LV erstellt. Da der AG am Ausschluss des A festhielt, beantragte dieser Nachprüfung bei der VK.

Die Entscheidung

Die VK weist den Antrag des A zurück und gibt dem AG Recht. Der Nachprüfungsantrag des A ist unbegründet, da er kein zuschlagsfähiges Angebot abgegeben hat und damit durch das beanstandete Wertungsergebnis keine Verletzung seiner Rechte (im Sinne von § 97 Abs. 6 GWB) geltend machen kann.

Rechtliche Würdigung

Grundsätzlich ist der Bieter berechtigt, zwei oder mehrere Hauptangebote abzugeben, wenn der Auftraggeber in den Vergabeunterlagen nicht ausdrücklich festlegt, dass ein Bieter nur ein Hauptangebot abgeben darf. Gemäß geltender Rechtsprechung sind technisch verschiedene Hauptangebote eines Bieters zulässig. Ein solcher Fall liegt beispielsweise vor, wenn der AG im LV die Angabe von Fabrikats- und Typangaben vom Bieter fordert. Der Bieter kann dann zwei Hauptangebote mit unterschiedlichen Fabrikaten abgeben. Bei preislich unterschiedlichen, aber inhaltlich identischen Angeboten handelt es sich dagegen um vergaberechtlich unzulässige und auszuschließende Doppelangebote (OLG München, Beschluss v. 29.10.2013 – Verg 11/13; VK Bund, Beschluss vom 29.01.2014 -VK 1-123/13).

Zu unterscheiden davon sind Nebenangebote. Ein Nebenangebot liegt vor, wenn der Bieter vom vorgegebenen LV abweicht bzw. eine andere Ausführung der ausgeschriebenen Leistung vorschlägt. A hat mit dem Hauptangebot P3 eine Leistung angeboten, die nicht den Vorgaben der Leistungsbeschreibung entspricht. Das Hauptangebot P3 des A ist allenfalls als Nebenangebot zu werten. Hier sind in mehreren Positionen des LV Änderungen durch A vorgenommen worden. Die Vorgaben der Leistungsbeschreibung sind nicht beachtet worden. Das Angebot ist daher gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 6 VOB/A als nicht zugelassenes Nebenangebot auszuschließen. Soweit A die technischen Abweichungen zum LV in seinem Angebot als abweichende technische Spezifikation ersetzt sehen will, um es einer Wertung zugänglich zu machen, kann man dieser Sichtweise nicht folgen, da eine derartige Haltung die essenziellen Pflichten der Beteiligten an einem Vergabeverfahren verkennt.

Unter technischen Spezifikationen sind technische Regelwerke, Normen, ggf. auch allgemeine Eigenschafts- und Funktionsbeschreibungen zu verstehen, nicht jedoch individuelle, auf das konkrete Bauvorhaben bezogene technische Vorgaben. Von individuellen technischen Vorgaben abweichende technische Lösungen dürfen aber nicht als Hauptangebot, sondern können allenfalls als Nebenangebot gewertet werden.

Das Angebot der A hat nicht den Anforderungen des LV entsprochen. Da A gegenüber dem AG eine Leistung angeboten hat, die nicht der in den Vergabeunterlagen geforderten Leistung entspricht, stellt dies eine Änderung der Vergabeunterlagen dar, die zwingend den Ausschluss des Angebotes zur Folge hat.

Sofern jedoch A darauf abstellt, dass die geforderten Leistungen nicht ausführbar bzw. fachregelkonform sind, kann dem nicht gefolgt werden. Weder A noch die anderen Bieter hatten Anfragen zum LV bezüglich Unklarheiten oder Nichtausführbarkeit gestellt. Wenn die Vergabeunterlagen gravierende technische Fehler enthalten hätten, hätte A unverzüglich die Vergabestelle vor Angebotsabgabe in Textform darauf hinweisen müssen. Eine eventuell notwendige Korrektur von Positionen im LV hätte so im Rahmen des lauteren Wettbewerbs allen Bietern zur Verfügung gestellt werden können.

A ist auch in der Lage gewesen, ein Angebot entsprechend den Anforderungen im LV abzugeben, nämlich das Hauptangebot P2. Dieses ist jedoch nicht das wirtschaftlich günstigste Angebot gewesen, da dem AG ein Hauptangebot mit einem niedrigeren Preis vorgelegen hat. Aufgrund der von A vorgenommenen Änderung an den Vergabeunterlagen war sein Angebot P3 im Rahmen der technischen Prüfung der Angebote zwingend nach § 13 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. § 16 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A von der weiteren Wertung auszuschließen. Unabhängig davon ist auch sein Angebot P2 einer Zuschlagserteilung letztlich nicht zugänglich, da es preislich nicht das wirtschaftlichste gewesen ist.

Praxistipp

Als Quintessenz der Entscheidung lässt sich folgendes festhalten:

1. Grundsätzlich sind zwei oder mehrere Hauptangebote zulässig, wenn es das LV zulässt, dass sich diese z.B. bei der Angabe von Fabrikaten, Typen etc. unterscheiden.

2. Die Abgabe von zwei inhaltlich identischen Angeboten (Doppelangebote) ist unzulässig.

3. Bieter dürfen mit einem Hauptangebot nicht von den Vorgaben der Ausschreibung abweichen.

4. Ändert ein Angebot das LV ab, kann das allenfalls als Nebenangebot gewertet werden, vorausgesetzt, Nebenangebote sind überhaupt zugelassen.

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NRW aktualisiert die Vergabegrundsätze für Gemeinden

Gutachten zur sozialverträglichen Vergabe von Entsorgungsdienstleistungen

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Liefer- & DienstleistungenRecht

Bundesfachgruppenvorstand stellt Gutachten zur Vergütung bei Entsorgungsausschreibungen vor.

Der ver.di Bundesfachgruppenvorstand Abfallwirtschaft hat gutachterlich die „Handlungsspielräume öffentlicher Auftraggeber bei der Verankerung von Vergütungskriterien in Vergabeunterlagen bei europaweiten (Entsorgungs-) Ausschreibungen“ untersuchen lassen und stellt die Ergebnisse nun öffentlich vor.

Laut ver.di sollen die Gutachter präzise nachgewiesen haben, dass Kommunen vielfältige Möglichkeiten haben, rechtssicher zu vermeiden, dass Unternehmen, die mit Sozialdumping arbeiten, den Zuschlag für die Entsorgung in ihrem Verantwortungsbereich bekommen.

Die genannten Expertisen stehen auf der Internetpräsenz von ver.di zum Download bereit.

Quelle: ver.di

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Ausschluss eines Bieters aufgrund schlechter Erfahrungen in der Vergangenheit: OLG Düsseldorf positioniert sich zu den Anforderungen (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.03.2018 – VII-Verg 49/17)

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BauleistungenRecht

EntscheidungEin öffentlicher Auftraggeber ist berechtigt, Bieter aufgrund schlechter Erfahrungen in der Vergangenheit vom Vergabeverfahren auszuschließen. Die im Einzelnen an die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale zu stellenden Anforderungen werden durch die Entscheidung des OLG Düsseldorf weiter konkretisiert.

Zusammenfassung

1. Hat ein Bieter bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags eine wesentliche Anforderung mangelhaft erfüllt und hat dies zu einer vorzeitigen Beendigung des Auftrags oder einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt, kann ihn der öffentliche Auftraggeber vom Vergabeverfahren ausschließen.

2. Zum Nachweis der Schlechtleistung ist es erforderlich, dass der öffentliche Auftraggeber über die von der Vorschrift verlangte Schlechterfüllung Gewissheit hat, also eine Überzeugung gewonnen hat, die vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet.

3. Eine mangelhafte Erfüllung im Sinne von § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB ist jede nicht vertragsgerechte Erfüllung.

4. Eine mangelhafte Leistung ist jedenfalls dann erheblich, wenn sie den öffentlichen Auftraggeber in tatsächlicher und finanzieller Hinsicht deutlich belastet. Möglicherweise genügt es auch, wenn eine deutliche Belastung nur in tatsächlicher oder nur in finanzieller Hinsicht zu bejahen ist.

§ 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB

Sachverhalt

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf behandelt eine in der Vergabepraxis häufig anzutreffende Problematik. Nach Durchführung der Angebotswertung stellt sich heraus, dass ein Bieter das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat, mit dem der Auftraggeber in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht hat. In einem solchen Fall stellen sich Auftraggeber nicht selten die Frage, ob es die Möglichkeit gibt, den Bieter aufgrund dieser schlechten Erfahrungen aus dem Vergabeverfahren ausschließen zu können. Grund für diesen Willen ist zumeist die Befürchtung, dass sich die Probleme aus der Vergangenheit im Rahmen der Abwicklung des neuen Auftrags wiederholen könnten. Auf dieses Risiko wollen sich öffentliche Auftraggeber nur ungern einlassen.

Vor der Vergaberechtsreform 2016 existierte für einen Angebotsausschluss aufgrund schlechter Erfahrungen kein geschriebener Ausschlussgrund. Auftraggeber und auch die vergaberechtliche Rechtsprechung sprachen in solchen Fällen den Bietern die für die Eignung erforderliche Zuverlässigkeit zur Ausführung des Auftrages ab. Die Voraussetzungen für einen solchen Ausschluss blieben jedoch weitgehend konturlos von Einzelfallentscheidungen geprägt (beispielsweise noch zum alten Recht KG, Beschluss vom 31.07.2017 – Verg 6/17; Vergabeblog.de vom 03/11/2010, Nr. 7824).

Für Vergabeverfahren, welche nach dem 18.04.2016 begonnen wurden, hat sich dies geändert. Mit § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB = § 6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A existiert nunmehr ein Ausschlusstatbestand, welcher diesen Sachverhalt erfasst. Nach dieser Vorschrift dürfen öffentliche Auftraggeber ein Unternehmen aus dem Vergabeverfahren ausschließen, wenn

das Unternehmen eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt hat und dies zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat.

Diese Vorschrift stellt zunächst klar, dass eine bloße Schlechterfüllung des Vertrages für einen Ausschluss des Unternehmens bei einem späteren Vergabeverfahren nicht ausreicht. Aus der Schlechtleistung muss der Auftraggeber entsprechende Konsequenzen gezogen, also aufgrund der Schlechtleistung den Vertrag gekündigt oder Schadensersatz gefordert haben. Der Auftraggeber muss, wenn er einen solchen Ausschluss beabsichtigt, sowohl die Schlechtleistung, die aufgrund der Schlechtleistung eingetretene Rechtsfolge als auch den Ursachenzusammenhang zwischen Schlechtleistung und Rechtsfolge beweisen.

Mit den Anforderungen an den Nachweis des Ausschlusstatbestandes hatten sich zunächst ausführlich die VK Lüneburg (Beschluss vom 14.11.2016 VgK 44/2016) sowie nachfolgend das OLG Celle (Beschluss vom 09.01.2017 13 Verg 9/16) im Rahmen der Vergabe eines TGA-Gewerks beim Neubau des niedersächsischen Landtags in Hannover zu befassen. In dem genannten Beschluss prägte das OLG Celle die Anforderungen an einen rechtmäßigen Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB:

Hiernach setzt der Ausschluss eines Bieters wegen Schlechtleistung voraus, dass der Auftraggeber nachweisen kann, dass er den Bieter wegen dieser Schlechtleistung rechtmäßig gekündigt hat. Der Nachweis einer berechtigten außerordentlichen Kündigung kann durch Indiztatsachen von einigem Gewicht und gesicherten Erkenntnissen aus serösen Quellen erfolgen, die den Ausschluss des Bieters als nachvollziehbar erscheinen lassen. Eine erhebliche mangelhafte Erfüllung im Sinne der Vorschrift liegt vor, wenn die mangelhafte Leistung den öffentlichen Auftraggeber in tatsächlicher und finanzieller Hinsicht deutlich belastet. Die Bauförderungspflicht des Bauunternehmers (§ 5 Abs. 3 VOB/B) ist eine solche wesentliche Vertragspflicht, deren Verletzung eine Kündigung aus wichtigem Grund rechtfertigen kann.

Die Entscheidung

Die in diesem ausführlichen Beschluss vom OLG Celle aufgestellten Grundsätze werden nunmehr durch die aktuelle Entscheidung des OLG Düsseldorf weiter konturiert:

Die Antragstellerin beteiligte sich an einem offenen Verfahren des Antragsgegners und gab das wirtschaftlichste, weil preisgünstigste Angebot ab. Der Auftraggeber schloss das Angebot der Antragstellerin indes aus und berief sich hierbei auf § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB. Seiner Ansicht nach hatte die Antragstellerin bei zwei vorausgegangenen Maßnahmen mangelhaft geleistet, woraufhin Auftraggeber den Auftrag gekündigt hatte. Gegen den erfolgten Ausschluss wendete sich die Antragstellerin mit einem Nachprüfungsverfahren.

Das Nachprüfungsverfahren hatte keinen Erfolg.

Das OLG Düsseldorf stellt zunächst klar, dass es nicht verpflichtet sei, sämtliche vom Auftraggeber vorgetragenen Schlechtleistungen zu prüfen, sondern es genüge, wenn lediglich einer der vorgetragenen Sachverhalte die Tatbestandsvoraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB erfüllt. Sodann äußert sich das OLG zu der sehr praxisrelevanten Frage, welcher Beweismaßstab für die Tatbestandsvoraussetzungen des Ausschlusstatbestandes anzunehmen ist, also für die Frage, wie belastbar und mit welchen Mitteln der Auftraggeber nachweisen muss, dass eine Schlechtleistung und eine darauf gestützte Kündigung bzw. eine Schadensersatzforderung tatsächlich vorliegt. So referiert das OLG Düsseldorf zunächst den bereits zitierten Beschluss des OLG Celle, welches einen Beweismaßstab ansetzt, welcher zwischen einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit gemäß § 287 ZPO und dem Vollbeweis gemäß § 286 ZPO liegt. Sodann referiert das OLG Düsseldorf abweichende Meinungen in der Literatur, welche die Führung eines Vollbeweises durch den Auftraggeber fordern, zu deren Vertretern unter anderem der am OLG Koblenz für Vergaberechtsfragen zuständige Richter Hermann Summa zählt.

Das OLG Düsseldorf will diese Frage nicht abschließend entscheiden, tendiert jedoch dazu, zu verlangen, dass der öffentliche Auftraggeber über die von der Vorschrift verlangte Schlechterfüllung Gewissheit hat, also eine Überzeugung gewonnen hat, die vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet. Diese Frage und die Folgefrage, ob auch die Vergabenachprüfungsinstanz diese Gewissheit gewinnen müssen, lässt das OLG Düsseldorf jedoch offen.

Sodann prüft das OLG Düsseldorf die Tatbestandsvoraussetzungen anhand des konkreten Sachverhalts und stellt sodann zunächst fest, dass eine mangelhafte Leistung im Sinne von § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB jede nicht vertragsgerechte Erfüllung ist. Diese mangelhafte Erfüllung erblickt das OLG Düsseldorf im konkreten Fall in einer Verletzung der Bauförderungspflicht des § 5 Abs. 1 und 3 VOB/B.

Diese mangelhafte Erfüllung ist nach Ansicht des OLG Düsseldorf auch erheblich im Sinne von § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB. Bei der Prüfung der Erheblichkeit stellt das OLG zunächst die Ansicht des OLG Celle dar, wonach Erheblichkeit dann anzunehmen ist, wenn die mangelhafte Erfüllung den Auftraggeber in tatsächlicher und finanzieller Hinsicht deutlich belastet. Die interessante und praxisrelevante Frage, ob es für die Erheblichkeit genügt, wenn lediglich eine finanzielle oder tatsächliche Belastung vorliegt, lässt das OLG Düsseldorf ebenfalls offen, da im zu prüfenden Fall beide Voraussetzungen erfüllt waren.

Schließlich kommt das OLG Düsseldorf zu dem Ergebnis, dass der Auftraggeber aus der mangelhaften Vertragserfüllung auch entsprechende Konsequenzen gezogen, nämlich den Auftrag aufgrund der mangelhaften Erfüllung auch gekündigt hat. In diesem Zusammenhang ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass § 31 Abs. 2 Satz 5 UVgO eine solche Rechtsfolge als Tatbestandsmerkmal für die Erfüllung des Ausschlusstatbestandes nicht verlangt. Im Anwendungsbereich der UVgO muss der Auftraggeber für einen Ausschluss nur die mangelhafte Vertragserfüllung nachweisen.

DVNW_Mitglied

Praxistipp

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf verdeutlicht zum einen, dass Auftraggeber dringend gehalten sind, vertragswidriges Verhalten ihrer Auftragnehmer zeitnah und umfassend zu dokumentieren, um in einem möglichen späteren Nachprüfungsverfahren das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des Ausschlusstatbestandes nachweisen zu können. Dies gilt umso mehr, als der zutreffende Maßstab für die Beweisführung im Nachprüfungsverfahren noch nicht abschließend geklärt ist. Außerdem müssen Auftraggeber das vertragswidrige Verhalten auch durch eine Kündigung oder durch das Verlangen von Schadensersatz sanktionieren, um auf das vertragswidrige Verhalten im Rahmen späterer Vergabeverfahren einen Ausschluss stützen zu können.

Die Bieterunternehmen sind darauf hinzuweisen, dass eine mangelhafte Vertragserfüllung in einem Bauvorhaben der öffentlichen Hand nachteilige Folgen im Rahmen der Beteiligungen an Vergabeverfahren der öffentlichen Hand nach sich ziehen kann. Gemäß § 126 Nr. 2 GWB kann ein öffentlicher Auftraggeber den Bieter höchstens drei Jahre ab dem betreffenden Ereignis von der Teilnahme an Vergabeverfahren ausschließen. Obwohl die Frage, auf welches Ereignis die Dreijahresfrist abstellt (mangelhafte Erfüllung oder Sanktion des Auftraggebers Kündigung oder Schadensersatz), noch nicht gerichtlich entschieden ist, wird hierdurch die Möglichkeit der wirtschaftlichen Betätigung bei Aufträgen der öffentlichen Hand potentiell eingeschränkt. Obwohl dies in der Praxis äußerst selten vorkommt, können sich Auftraggeber im Rahmen des Ausschlusses eines Bieters auf schlechte Erfahrungen anderer öffentlicher Auftraggeber berufen.

In diesem Fall bleibt dem Auftrag interessierten Unternehmen lediglich die Möglichkeit, die Durchführung von Selbstreinigungsmaßnahmen nach § 125 GWB nachzuweisen.

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Rückforderung von Fördermitteln aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) bei Vergaberechtsverstößen (fast) unumgänglich! (VG Regensburg, Urt. v. 14.06.2018 – RN 5 K 16.1879)

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Liefer- & DienstleistungenRecht

EntscheidungBei der Rückforderung von EU-Beihilfen, z.B. im Zusammenhang mit EFRE-Fördermitteln, wegen Auflagen- und Vergabeverstößen ist von einem gesteigerten öffentlichen Rücknahmeinteresse auszugehen. Vertrauensgesichtspunkte, Rückforderungsfristen und das der Behörde grundsätzlich eingeräumte Rücknahme- bzw. Widerrufsermessen treten praktisch vollständig zurück. Eines vorsätzlich oder grob fahrlässigen Handelns des Zuwendungsempfängers bedarf es für die Annahme eines schweren Vergabeverstoßes nicht. Die Darlegung konkreter Ausnahmegründe, die einen Verzicht auf einen Vergabewettbewerb im Einzelfall rechtfertigen können, ist der Pflicht zur ordnungsgemäßen Dokumentation geschuldet und obliegt dem Zuwendungsempfänger.

VO (EG) Nr. 1080/2006, Art. 48 ff., 54 ff. BayVwVfG; § 42 VwGO; Art. 19 Abs. 4 GG; Art. 20 Abs. 3 GG; § 134 BGB; Art. 107 AEUV; Art. 4 Abs. 3 EUV; Art. 263 Abs. 4 AEUV

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Rückforderung von Fördermitteln aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). In den Jahren 2007 bis 2013 wurde die Ausstrahlung von besonderen Fernsehangeboten aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert. Mit Bescheid vom Juni 2009 bewilligte die Regierung von Niederbayern als Bewilligungsbehörde der Klägerin einen Zuschuss in Höhe von EUR 907.500 aus EFRE-Mitteln. Die Klägerin reichte als Zuwendungserstempfängerin und Projektträgerin die Zuwendungen dann im Rahmen von Produktionsverträgen an fünf regionale Fernsehanbieter als Zuwendungszweitempfänger und Projektpartner weiter. Mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Produktionsvertrag verpflichtete sich die Klägerin, die ihr gewährten Mittel anteilig an die Beklagte als Zuwendungszweitempfängerin und Projektpartnerin weiterzuleiten. Bei der Abwicklung des Projektes und bei der Prüfung der Verwendung der Zuwendung werden die Nr. 1 bis 7 ANBest-P sowie die ANBest-EFRE vereinbart.

Mit Bescheid vom Mai 2015 kürzte die Bewilligungsbehörde den der Klägerin bewilligten Zuschuss. Zugleich widerrief die Bewilligungsbehörde den Zuwendungsbescheid in der Fassung seiner Änderungsbescheide in Höhe eines weiteren Teilbetrags. Der Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Überprüfung des Projekts Böhmen und Bayern im Alltag durch die EU-Prüfbehörde ergeben habe, dass Verstöße gegen Bescheidsauflagen (Nebenbestimmungen) und Vergabebestimmungen vorlagen und insbesondere die Auflage, dass die Zuwendungsempfängerin die Wirtschaftlichkeit durch mindestens drei Vergleichsangebote nachzuweisen habe, bei diversen Vergaben nicht beachtet worden sei. Die seitens der Zuwendungszweitempfänger durchgeführten Vergaben enthalten zudem schwere Verstöße gegen die Bestimmungen der VOL/A.

Mit Schriftsatz vom Dezember 2016 erhob die Klägerin Klage gegen die Beklagte als Letztbegünstigte. Die Klägerin als Zuwendungserstempfängerin hafte der Bewilligungsbehörde für die Nicht- oder Schlechtleistung der Beklagten als Letztbegünstigte ohne auf die Art und Weise der Leistung Einfluss nehmen zu können. Die Beklagte habe es allein in der Hand, die von ihr für die Förderung verlangte Leistung zu erbringen. Tue sie das nicht, so habe sie auch das Risiko der Rückforderung zu tragen. Genau dies stelle der zitierte Vertragspassus sicher. Über die entsprechende Einbeziehung des Zuwendungsbescheides in den Vertrag sollte ein Gleichlauf des Verpflichtungsrahmens zwischen der Projektträgerin, also der Klägerin, und der Projektpartnerin, der Beklagten, erzeugt werden. Tatsächlich sei auch nur so im Erst- und Zweitzuwendungsverhältnis ein entsprechend ausgewogenes Verhältnis herzustellen gewesen.

Die Entscheidung

Die von der Klägerin erhobene Leistungsklage ist zulässig und begründet. Der Klägerin steht ein vertraglicher Rückzahlungsanspruch zu.

Zunächst ist dabei vorliegend zu berücksichtigten, dass es sich bei aus EU-Fonds gewährten Finanzmitteln, worunter auch der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) fällt, um Beihilfen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) handelt. Zwar sind die Fördermittel aus dem EFRE grundsätzlich Mittel der EU und damit keine staatlichen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV. Sofern diese Fördermittel jedoch wie hier im Anschluss an eine Aufteilung unter den Mitgliedstaaten für Letztere verfügbar sind, fällt ihre Durchführung, Verwaltung sowie Kontrolle in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Auf dieser Basis sind die Mitgliedstaaten sodann befugt, die einzelnen zu finanzierenden Programme nach von ihnen festgelegten Kriterien auszuwählen. Auf der Grundlage dieses Regelwerks kann dann angenommen werden, dass die Strukturfondsmittel den Mitgliedstaaten sowohl zur Verfügung stehen als auch ihnen zurechenbar sind und somit staatliche Mittel im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellen.Wenn es sich jedoch wie hier um die Gewährung von EU-Beihilfen handelt, trifft die Mitgliedstaaten die Verpflichtung, an der effektiven Durchsetzung des EU-Rechts mitzuwirken und keine den Zielen der Verträge zuwiderlaufende Maßnahmen zu treffen. Aufgrund des Effizienzgebots ist im Fall von dem EU-Recht zuwiderlaufenden Auflagen- und Vergabeverstößen von einem gesteigerten öffentlichen Rücknahmeinteresse auszugehen, da ohne eine Rücknahme die Erreichung der Ziele der Art. 107 f. AEUV gefährdet wären. Bei Nicht-Rücknahme der gewährten Zuwendungen würde der jeweilige Mitgliedstaat eine Vertragsverletzung begehen. Der Klägerin ist daher auch insoweit Recht zu geben, dass in diesem Zusammenhang entsprechende Vertrauensgesichtspunkte, Rückforderungsfristen und das der Bewilligungsbehörde grundsätzlich nach den §§ 48 ff. VwVfG eingeräumte Rücknahme- bzw. Widerrufsermessen zur Wahrung des europäischen Effektivitätsgrundsatzes praktisch vollständig zurücktreten. Die Beklagte hätte sich auch im Falle der Weitergabe der Zuwendungen durch Verwaltungsakt nicht darauf berufen können.

Die Beklagte war bei der Ausführung des staatlich geförderten Projekts gemäß § 3 des Produktionsvertrags i.V.m. dem Bewilligungsbescheid verpflichtet, die geltenden Vergabevorschriften einzuhalten und damit bei der Vergabe der freiberuflichen Leistungen jeweils drei Vergleichsangebote einzuholen bzw. die Wirtschaftlichkeit der Vergabe darzulegen. Die der Beklagten von der EU-Prüfbehörde im Prüfbericht vorgeworfenen Vergabeverstöße, die darin bestanden, dass die Beklagte für die Rechnungen freies Personal gerade keine Vergleichsangebote eingeholt und keine zulässigen Begründungen für den Verzicht auf Wettbewerb gegeben hatte, waren auch im gerichtlichen Verfahren nicht zu entkräften. Entgegen den Ausführungen der Beklagten fanden sich Belege für die Einholung von Vergleichsangeboten nicht in den Akten. Der Geschäftsführer der Beklagten gab an, nicht schriftlich gefragt, sich aber wohl telefonisch erkundigt zu haben, ob diese Leistungen angeboten werden können. Dieses Vorgehen genügt den Anforderungen an die Vergabevorschriften jedoch nicht. Diesbezügliche Erkenntnisse oder Erwägungen müssen nämlich im Einzelnen nachprüfbar dokumentiert und können nicht lediglich anlässlich einer nachträglichen Überprüfung pauschal behauptet werden (vgl. BayVGH, Beschluss vom 22.05.2017 Az. 4 ZB 16.577, Rn. 15).

Die pauschale Behauptung der mangelnden Auswahl in der Umgebung, der langjährigen Zusammenarbeit und engen gesellschaftlichen Verbundenheit, allgemeine Floskeln wie die einzig praktikable und vor allem wirtschaftlich sinnvollste Lösung und Schreiben des von der Beklagten beauftragten freien Personals, die mitteilen, dass sie der Beklagten Sonderpreise gewährt hätten, reichen hierfür jedenfalls nicht aus. Zwar mag man der Beklagten hinsichtlich der Vergabeverstöße kein vorsätzliches Handeln vorwerfen können. Eines vorsätzlich oder grob fahrlässigen Handelns bedarf es für die Annahme eines schweren Vergabeverstoßes aber gerade nicht; insoweit reicht allein die Tatsache einer ungerechtfertigten Einschränkung des Wettbewerbs aus. Damit ist nicht zu beanstanden, dass sowohl die EU-Prüfbehörde als auch die Bewilligungsbehörde von einem schweren Verstoß gegen Vergaberecht durch die Beklagte ausgegangen ist und infolgedessen nach den Leitlinien der Europäischen Kommission ermessensgerecht einen Teilwiderruf der ausbezahlten Zuwendung in Höhe von 25% sowie eine entsprechende Verzinsung der Rückerstattung angeordnet hat.

Rechtliche Würdigung

Das Verwaltungsgericht weist zutreffend darauf hin, dass es sich bei Mitteln aus dem Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) dann um Beihilfen im Sinne des Gemeinschaftsrechts handelt, wenn diese wie oftmals der Fall für die Mitgliedstaaten verfügbar sind. Wenn dann im Zusammenhang mit der Verwendung der gewährten Mittel Auflagen- und Vergaberechtsverstöße einhergehen, führt an der (anteiligen) Rückforderung der gewährten Mittel praktisch kein Weg vorbei. Die zum Schutz des Zuwendungsempfängers und der Herstellung einer Einzelfallgerechtigkeit in §§ 48ff. des maßgeblichen Verwaltungsverfahrensgesetzes verankerten Aspekte vom Vertrauensschutz, der Einhaltung von Rückforderungsfristen und der ordnungsgemäßen Ausübung des dem Zuwendungsgeber eingeräumten Rücknahme- bzw. Widerrufsermessen tritt praktisch vollständig zurück. Vor diesem Hintergrund führt die Nichtbeachtung der in dem Bewilligungsbescheid verankerte Pflicht bei der Vergabe von freiberuflichen Leistungen jeweils drei Vergleichsangebote einzuholen bzw. die Wirtschaftlichkeit der Vergabe darzulegen, zwangsläufig zur anteiligen Rückforderung der ausgekehrten Mittel.

Die Rückforderung war vorliegend auch deshalb alternativlos, weil die von der Beklagten im Rahmen des Verwendungsnachweises eingereichten Unterlagen keine plausiblen Begründungen für das Vorgehen des Zuwendungsempfängers enthielten. Denn der Verwendungsnachweis soll den Zuwendungsgeber in die Lage versetzen, die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Fördermittelverwendung zu prüfen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.02.2018 Az. OVG 6 B 5.16, Rn. 31). Mit anderen Worten: eine halbwegs nachvollziehbare Begründung für das Vorgehen konnte das Verwaltungsgericht der Vergabeakte nicht entnehmen. Ohne Bedeutung ist dabei auch, wie von anderen Gerichten ebenfalls immer wieder ausgeführt, ob dem Beklagten ein subjektiver Schuldvorwurf gemacht werden kann. Denn eines vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Handelns bedarf es für die Annahme eines schweren Vergabeverstoßes gerade nicht; insoweit reicht allein die Tatsache einer ungerechtfertigten Einschränkung des Wettbewerbs aus.

Schließlich oben in der Entscheidungsbegründung bewusst nicht dargestellt hat das Verwaltungsgericht zu dem Komplex eines mehrstufigen Zuwendungsverhältnisses erstmalig erfreulich deutlich Stellung bezogen. Ein mehrstufiges Zuwendungsverhältnis liegt vor, wenn Fördermittel von dem Zuwendungserstempfänger an Dritte, welche dann die zugewandten Mittel einzusetzen und entsprechend den rechtlichen Bestimmungen zu verwenden haben, weitergereicht bzw. besser weiterverteilt werden. Hier stellt sich dann häufig die Frage, wer bei etwaigen Pflichtverletzungen gegen wen und wie vorgehen kann. Im Kern hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass in einem mehrstufigen Zuwendungsverhältnis, in dem Fördermittel von einem federführenden unmittelbar Zuwendungserstempfänger an einen Zuwendungszweitempfänger weitergereicht werden, die Einziehung der Fördermittel durch die Bewilligungsbehörde bei dem federführenden Begünstigten unmittelbar auch Einfluss auf das Verhältnis zwischen diesem und dem Zuwendungszweitempfänger hat. Letzt- und im Endeffekt auch Alleinbetroffene sind insofern nur die Zuwendungszweitempfänger, da die Zuwendungszweitempfänger die Verantwortung im Fall von Unregelmäßigkeiten der von ihnen gemeldeten Ausgaben tragen und sowohl die Bewilligungsbehörde, als auch der federführende Zuwendungserstempfänger lediglich eine Art Vermittlungs-, Überwachungs- und Organisationsfunktion einnehmen (Rn. 49 des Urteils). Dem Zuwendungszweitempfänger wird dadurch eine Klagebefugnis vermittelt. Denn eine Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO setzt nicht notwendigerweise eine Adressatenstellung voraus. Insbesondere nachbarrechtliche und konkurrenzrechtliche Drittklagen sind seit langem anerkannt. Zwar unterscheidet sich die diesen Drittklagen zugrundeliegende Konstellation von dem streitgegenständlichen Fall dadurch, dass der Dritte Interessen verfolgt, die denen des Erstbetroffenen parallel gelagert sind (und er sich deshalb gegen eine Belastung des Erstbetroffenen wendet), da sich diese Belastung unmittelbar auch auf ihn auswirkt (Rn. 45 des Urteils). Entscheidend in diesen Konstellationen ist, ob die Berücksichtigung der Interessen des Dritten durch das Normprogramm angeordnet ist. Dies bejaht das Gericht hinsichtlich der vorliegenden Förderkonstellation zu Recht.

Praxistipp

Empfänger von Fördermitteln aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) müssen bei der Einhaltung der Pflichten an die Vergabe entsprechend dem Bewilligungsbescheid größte Sorgfalt walten lassen. Dies gilt zukünftig mehr denn je, wenn im Zuwendungsverhältnis bei der Vergabe von Aufträgen die UVgO die VOL/A abgelöst hat. Zum einen muss den aufgestellten Anforderungen penibel Rechnung getragen werden, zum anderen sind die wesentlichen Verfahrensschritte und -überlegungen ordnungsgemäß (!) zu dokumentieren. Anderenfalls können die Vorgänge im Rahmen der Verwendungsnachweisprüfung nicht hinreichend nachvollzogen werden und führen zwangsläufig zur jedenfalls anteiligen Rückforderung der Mittel. Die Existenz eines mehrstufigen Zuwendungsverhältnisses vermag daran nichts zu ändern. Hier ist der Bewilligungsbehörde allerdings zu empfehlen, den Zweit- oder Letztzuwendungsempfänger förmlich nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 (analog) oder nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 VwVfG förmlich von vornherein am Verwaltungsverfahren zu beteiligen, auch wenn die Beteiligung an sich noch keine Klagebefugnis begründet (siehe Rn. 56 des Urteils).

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Kann die Öffnung des Marktes bei einem Vergabeverfahren zu Lasten eines ehemaligen Monopolisten eine Diskriminierung darstellen?

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RechtVerkehr

EntscheidungZuschlagskriterien die den Markt zum Vorteil von vielen Bietern öffnen, jedoch zum Nachteil eines ehemaligen Monopolisten, sind nicht diskriminierend, sondern dienen dem vergaberechtlichen Ziel des grötßmöglichen Wettbewerbs.

GWB § 127; VgV § 58

Leitsatz

  1. Die Festsetzung des verfahrensgegenständlichen Abzugsbetrages (für den Fall, dass der Bieter
    nach seinem Angebot den Einsatz von Neufahrzeugen für die Erbringung der Leistungen vorsieht)
    als qualitatives Zuschlagskriterium verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten.
    (redaktioneller Leitsatz)
  2. Insbesondere wurden mit der Gewährung des verfahrensgegenständlichen Abzugsbetrages
    keine sachwidrigen Erwägungen angestellt, um die Antragstellerin gezielt zu benachteiligen; auch
    bei der Festlegung von Zuschlagskriterien stellt die möglichst weite Öffnung des
    Beschaffungsmarkts der öffentlichen Hand für den Wettbewerb das vorrangige vergaberechtliche
    Ziel dar, wobei die Benachteiligung eines einzelnen Bieters in Kauf genommen wird, um den Markt
    für weitere Bieter zu eröffnen oder zu erweitern. (redaktioneller Leitsatz)
  3. Es liegt bei Beachtung der vergaberechtlichen Grundsätze grundsätzlich in der Autonomie eines
    Auftraggebers, mit dem Aufstellen von Vorgaben oder Wertungskriterien oder mit dem Unterlassen
    der Aufstellung von Vorgaben zu definieren, was dem Auftraggeber wichtig ist und wo er Prioritäten
    setzt. (Rn. 129 130) (redaktioneller Leitsatz)

Sachverhalt

Der Auftraggeber beabsichtigte die Vergabe von Schienenpersonennahverkehrsleistungen. Die Leistungen wurden in zwei Losen vergeben. Los 1 enthielt Verkehrsleistungen auf verschiedenen Linien (ca. 7,4 Mio. Zugkilometer pro Jahr), die mit elektrisch betriebenen Fahrzeugen zu erbringen waren und Los 2 enthielt Verkehrsleistungen auf verschiedenen Linien (ca. 3,3 Mio. Zugkilometer pro Jahr), die mit dieselbetriebenen Fahrzeugen zu erbringen waren. Für die Erbringung der Verkehrsleistungen waren bei beiden Losen sowohl Gebrauchtfahrzeuge, als auch Neufahrzeuge zugelassen.

Die Berechnung des wirtschaftlichsten Preises errechnete sich durch Abschläge. Wurden Kriterien erfüllt oder gingen Angebote über die Mindestanforderungen hinaus, wurden steigende Abzugsbeträge auf den Preis angerechnet. Dabei wurde unter anderem berücksichtigt, ob Neufahrzeuge oder Gebrauchtfahrzeuge zum Einsatz kommen. Auf den Einsatz von Neufahrzeugen gab es in Los 1 einen Abschlag.

Der Auftraggeber war der Ansicht die Abschläge auf die Mehrqualität auch durch den Einsatz von Neufahrzeugen führten bei den Angeboten, die diese erfüllen, zu einem besseren Preis-Leistungsverhältnis. Die Antragstellerin, eine ehemalige Monopolistin sah sich durch den Abzugsbetrag auf die Verwendung von Neufahrzeugen in ihrem Wettbewerbsvorteil durch die Verwendung von Gebrauchtfahrzeugen eingeschränkt und diskriminiert.

Als ehemalige Monopolistin ist die Antragstellerin als einzige am Markt in der Lage, Gebrauchtfahrzeuge anzubieten und muss nicht wie die anderen Anbieter weitaus teurere Neufahrzeuge kaufen und wehrt sich daher gegen den Abzugsbetrag, der auf den Preis bei der Verwendung von Neufahrzeugen angewendet wird.

Die Entscheidung

Ohne Erfolg!

1. Abzugsbeträge zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots sind konform

Der Auftraggeber hat das ausschließliche Bestimmungsrecht zur Festlegung des Auftragsgegenstandes und seiner Eigenschaften und der Zuschlagskriterien. Dazu gehören die Kriterien anhand derer die Angebote bewertet werden, als auch die Methode, wie ein Wertungsergebnis erzielt wird.

Ein offensichtlicher Beurteilungs- oder Ermessensfehler, worauf sich die Kontrolle durch die Nachprüfungsinstanzen beschränkt, sei dem Auftraggeber nicht unterlaufen. Der weite Ermessensspielraum bei der Festlegung der Kriterien findet seine Begrenzung in den Grundsätzen der Nichtdiskriminierung, Gleichbehandlung und Transparenz. Die Abzugsbeträge in den Losen 1 und 2 seien vertretbar gewichtet worden, denn sie haben an auftragsbezogenen Aspekten angeknüpft. Dass es weitere Aspekte gebe, die berücksichtigt werden könnten, mache die berücksichtigten Aspekte nicht unvertretbar. Der Auftraggeber müsse nicht sämtliche Aspekte in seine Entscheidung einbeziehen.

Die Verfahrensgrundsätze der § 127 GWB und § 58 VgV, wonach das wirtschaftlichste Angebot bezuschlagt werden soll, seien durch die Anwendung von Abzugsbeträgen bei Erfüllung von Qualitätskriterien eingehalten worden. Mit der Wertungsformel habe der Auftraggeber ein Preis-Leistungsverhältnis abgebildet, da neben dem fiktiven Preis auch qualitative Kriterien berücksichtigt wurden. Die Zuschlagskriterien seien dabei durch fiktive Abzugsbeträge in einen fiktiven Preis eingerechnet worden und nicht wie sonst üblich, der Preis in Leistungspunkte.

Die Erwägungen die zur Festlegung des streitigen Abzugsbetrages in Los 1 geführt haben, haben auf einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt basiert und seien im Vergabevermerk niedergelegt worden. Die Erwägungen liegen zur Überzeugung des Gerichts vor. Der Auftraggeber sei der Ansicht gewesen durch den Abzugsbetrag die Investitionskosten von den übrigen Bietern auszugleichen, die diese durch das Anbieten von teureren Neufahrzeugen haben würden.

Es seien keine Ermessens- oder Beurteilungserwägungen nachgeschoben worden. Sämtliche Erwägungen seien bereits im Vergabevermerk enthalten gewesen. Maßgeblich für die Entscheidung des Antragsgegners sei die Erwägung, dass Fahrzeuge, die die Anforderungen der Verordnung Nr. 1302/2014/EU erfüllen, eine deutliche Erhöhung der Sicherheit für Fahrgäste und des Triebfahrzeugführers bieten würden. Der Wert der Mehrqualität und die Zahlungsbereitschaft der Antragsgegner würde der Höhe des Abzugsbetrages entsprechen und hierdurch würde die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs geschaffen.

2. Die Opferung eines Anbieters zu Gunsten des Wettbewerbs

Der Auftraggeber führt zudem einen weiteren Aspekt für die Festsetzung des Abzugsbetrages auf: Nur mit der Festsetzung seien die Rahmenbedingungen für einen wirksamen Wettbewerb geschaffen worden und die Vorgaben des § 127 Abs. 4 GWB haben umgesetzt werden können. Denn ohne die Möglichkeit, ein Fahrzeug, das die geforderten Anforderungen erfüllt, anbieten zu können, hätten Bieter, die keinen Zugang zu Gebrauchtfahrzeugen haben, voraussichtlich kein wettbewerbsfähiges Angebot abgeben können. Die Antragstellerin bemängelte zwar Grund und Höhe des Abzugsbetrages, habe aber nach Ansicht des Gerichts, trotz dass sie den Markt kenne, auch keine anderweitigen Vorschläge eines angemessenen Betrages vorgebracht oder eine realistischere Preisdifferenz genannt.

Wenn der Auftraggeber auf den Abzugsbetrag verzichtet hätte, wäre die Antragstellerin tatsächlich die einzige Bieterin gewesen, da in Deutschland kein Gebrauchtwagenmarkt existiere.

Die Antragstellerin sieht sich dadurch in ihrem Vorteil angegriffen und unterstellt dem Auftraggeber gezielte Diskriminierung.

Nachdem aber aufgrund des Bahnunfalles in Aichach am 07.05.2018 ein Abschlagsbetrag auch im zweiten Los festgelegt wurde, könne die unterstellte Absicht, den Wettbewerbsvorteil der Antragstellerin auszuschalten, also eine diskriminierende Gesinnung des Auftraggebers bei der Festlegung des Zuschlagskriteriums zu Lasten der Antragstellerin, nicht mehr angenommen werden.

Der Auftraggeber sei auch nicht verpflichtet, bei einer Losaufteilung identische Zuschlagskriterien für die jeweiligen Lose vorzusehen. Die Lose unterscheiden sich hinsichtlich der zu fahrenden Höchstgeschwindigkeiten und der zu erwartenden Fahrgastnachfrage. Aus diesem Grund würden sich die Abschlagsbeträge auch in der Höhe unterscheiden.

Der Auftraggeber habe beabsichtigt, qualitative Unterschiede zwischen den Fahrzeugen, die die Anforderungen der VO 1302/2014/EU erfüllen und solche, bei denen dies nicht der Fall war, zu berücksichtigen. Auftraggeber seien nicht verpflichtet Zuschlagskriterien so zu bestimmen, dass die Wettbewerbsvorteile von Anbietern uneingeschränkt zur Geltung kommen.

Es sei nicht vergaberechtswidrig, wenn ein großer Einfluss von Qualitätskriterien auf die Zuschlagsentscheidung manchen – hier weitaus mehr – Bietern mehr als anderen entgegenkommt.

Rechtliche Würdigung

Die Kammer stellt die äußerst interessante Frage, ob es überhaupt einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot darstellen könne, wenn durch die Vorgabe eines Auftraggebers der Wettbewerbsvorteil eines (Monopol-)Bieters zu Gunsten der Öffnung des Wettbewerbes für andere Bieter wegfällt. Oder aber ob es nicht vielmehr zu begrüßen sei, wenn der Auftraggeber Vorgaben dahingehend orientiert, dass der Wettbewerb gerade geöffnet wird und es damit weitaus mehr Bietern ermöglicht wird, auch tatsächlich den Zuschlag zu bekommen.

Es ist richtigerweise tatsächlich nicht Aufgabe des Auftraggebers bestehende Wettbewerbsunterschiede auszugleichen. Es ist aber für den Wettbewerb doch gerade förderlich, wenn der Auftraggeber seinen Leistungsgegenstand oder seine Kriterien so wählt, dass mehr Bieter als nur der Monopolist anbieten können. Im umgekehrten Fall ist eine technik-/verfahrens- und produktspezifische Ausschreibung aufgrund sachlicher Erwägungen nicht als Diskriminierung anzusehen, auch wenn dadurch viele Bieter ausgegrenzt werden. Dann kann es aber erst recht nicht Diskriminierung sein, wenn ein einzelner Bieter seinen Wettbewerbsvorteil zwar verliert, dadurch aber weitere Bieter eine Chance auf einen Zuschlag haben und ein größerer Wettbewerb entsteht.

Die Richtlinie 24/2014 möchte gerade den größtmöglichen Wettbewerb schaffen, was durch die Vorgaben des Auftraggebers hier auch erzeugt wird. Insofern verstößt die Entscheidung des Auftraggebers nicht gegen die Erwägungen der Richtlinie. Eine Einschränkung des Wettbewerbs durch sachliche Gründe erfolgt hier gerade nicht. Es erfolgt demgegenüber eine Öffnung des Wettbewerbs aufgrund sachlicher Erwägungen.

Insofern erfolgte durch die Vorgabe des Abschlagsbetrages kein Verstoß gegen die vergaberechtlichen Grundsätze der Nichtdiskriminierung, Gleichbehandlung und Transparenz. Da der Auftraggeber bei der Auswahl seiner Zuschlagskriterien sachliche Erwägungen die mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen, aufgestellt hat, verstößt der Abzug auch nicht gegen § 127 Abs. 4 GWB.

Praxistipp

Zum einen bestätigt auch diese Entscheidung, dass der Auftraggeber in der Wahl seiner Wertungskriterien frei ist, soweit er sich an sachliche Erwägungen hält und den zu Grunde liegenden Sachverhalt auf dem seine Entscheidungen beruhen, zutreffend und vollständig ermittelt.

Zum anderen kann ein Auftraggeber durch die Wahl seiner Zuschlagskriterien den Wettbewerb zum Nachteil eines Bieters und zum Vorteil anderer Anbieter am Markt auch öffnen. Dies fördert gerade den Gedanken einer Vergabe im Wettbewerb und führt zu keiner Diskriminierung – immer unter der Bedingung sachlicher Erwägungen bei der Festsetzung seiner Kriterien. Dies entspricht in seiner Konsequenz dem Grundsatz, dass unter der Voraussetzung von sachlichen Erwägungen die Verengung des Wettbewerbs ebenso möglich ist.

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Die Aufhebung der Aufhebung einer Ausschreibung kann nur in Ausnahmefällen verlangt werden (VK Bund, Beschl. v. 15.06.2018 – VK1-47/18)

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BauleistungenRecht

EntscheidungDie Aufhebung einer Ausschreibung setzt keinen in den Vergabe- und Vertragsordnungen anerkannten Aufhebungsgrund voraus. Voraussetzung für die Aufhebung einer Ausschreibung ist nur, dass der öffentliche Auftraggeber für seine Aufhebungsentscheidung einen sachlichen Grund hat, so dass eine Diskriminierung einzelner Bieter ausgeschlossen und seine Entscheidung nicht willkürlich ist oder lediglich zum Schein erfolgt.

§ 17 VS Abs. 1 VOB/A

Sachverhalt

Die Vergabestelle schrieb die Errichtung von Unterkunftszimmern im so genannten Hotelstandard aus. Die Ausschreibung erfolgte in einem europaweiten nicht offenen Verfahren und war als Generalunternehmerleistung ausgestaltet.

Die spätere Antragstellerin im Vergabenachprüfungsverfahren hat als einziges Unternehmen ein Angebot abgegeben. Das Angebot lag deutlich oberhalb des Budgetansatzes der Vergabestelle.

Die Vergabestelle schloss das Angebot wegen nicht aufklärbarer Zweifel an der Angemessenheit Preise aus, hob die Ausschreibung auf und kündigte ein Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb an.

Die Kostenschätzung der Vergabestelle wurde mehrfach überarbeitet und zuletzt im Rahmen der Wertung ein Wirtschaftlichkeitsvergleich mit geschätzten Kosten und Preisen von zwei Vergleichsprojekten durchgeführt. Der Wirtschaftlichkeitsvergleich sah das Angebot der Antragstellerin um 34% über den Sollkosten.

Die Entscheidung

Mit ihrem Nachprüfungsantrag verfolgte die Antragstellerin primär das Ziel, ihr Angebot in der Wertung zu halten und die Aufhebung der Ausschreibung rückgängig zu machen. Hilfsweise begehrte sie die Feststellung, dass die Aufhebung der Ausschreibung sie in ihren Rechten verletzt.

Erfolg hatte die Antragstellerin nur mit ihrem Hilfsantrag.

Die Vergabekammer ist der Auffassung, dass ein öffentlicher Auftraggeber grundsätzlich immer zur Aufhebung einer Ausschreibung berechtigt ist. Schließlich gelte auch im Vergaberecht der Grundsatz der Privatautonomie, es könne niemand zum Abschluss von Verträgen gezwungen werden. Die Aufhebungsentscheidung dürfe nur nicht willkürlich sein oder nur zum Schein erfolgen und eine Diskriminierung einzelner Bieter müsse ausgeschlossen sein. Die vorliegende Budgetüberschreitung ist nach Ansicht der Vergabekammer ein sachlicher Grund. Dabei sei es unerheblich, dass die Vergabestelle durch ihre möglicherweise nicht ordnungsgemäße Kostenschätzung den Aufhebungsgrund ggf. selbst gesetzt hat.

Die Aufhebung der Ausschreibung sah die Vergabekammer daher als wirksam, aber rechtswidrig an, weil die Vergabestelle ihren Finanzierungsbedarf nicht ordnungsgemäß ermittelt hat und deshalb zu wenig Haushaltsmittel eingeworben hat. Dabei hat die Vergabekammer keine Bedenken, dass Kostenschätzungen noch vorgenommen wurden, als die Angebotspreise bereits bekannt waren: „So wie eine Dokumentation insgesamt grundsätzlich im Nachprüfungsverfahren nachgeholt werden kann (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011, X ZB 4/10), können diesbezüglicher Vortrag und Unterlagen erst recht im laufenden Nachprüfungsverfahren der Vergabeakte zugeführt werden (ggf. auch erst aufgrund der Amtsermittlungen der Vergabekammer, § 163 Abs. 1 GWB).“

Die diesbezüglichen Ausführungen der Vergabestelle im Nachprüfungsverfahren genügten der Vergabekammer hingegen nicht:

Es sei nicht klar, „an welchen Stellen der Kostenschätzung die Ag von Einsparmöglichkeiten ausgeht und an welchen Stellen sie zusätzliche Leistungen des Generalunternehmers berücksichtigt (zum Beispiel zusätzliche organisatorische Kosten durch den erforderlichen Einsatz zahlreicher Nachunternehmer), eventuelle Steigerung von Materialkosten oder auch Aufwand wegen besonderer Sicherheitsmaßnahmen auf der Baustelle nach SÜG. Jedenfalls auf den entsprechenden Vortrag der ASt hin hätte die Ag sich substantiiert nicht nur mit den aus ihrer Sicht bestehenden Einsparmöglichkeiten beim Generalunternehmereinsatz, sondern auch mit gegebenenfalls hieraus ebenfalls resultierenden Kosten- und Preissteigerungen auf Seiten des zukünftigen Auftragnehmers auseinandersetzen müssen.“

Kritik übte die Vergabekammer auch an der Vergleichbarkeit der Objekte, die im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung herangezogen wurden. Hierzu fehlten der Vergabekammer entsprechende Hinweis im Vergabevermerk oder entsprechender Vortrag im Nachprüfungsverfahren.

Einen weiteren Vergaberechtsverstoß sah die Vergabekammer in dem Umstand, dass sich die Vergabestelle nicht mehr mit ihrer im Vorfeld der Ausschreibung nach oben korrigierten Kostenschätzung auseinandergesetzt hat, sondern allein auf den Wirtschaftlichkeitsvergleich abgestellt hat.

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung hat viele interessante Aspekte, ich möchte mich aber um den Umfang des Beitrags nicht zu sprengen auf einige wenige beschränken.

Dass eine Aufhebung zu ihrer Wirksamkeit nur eines sachlichen Grundes bedarf darf, glaube ich, inzwischen als gesicherte Erkenntnis gelten. Dies gilt ebenso für die Erkenntnis, dass eine rechtmäßige Aufhebung wegen Unwirtschaftlichkeit der Angebotspreise eine ordnungsgemäße Kostenschätzung voraussetzt.

Unsicherer wird das Terrain, wenn es um die Anforderungen an die Kostenschätzung geht. Besonders interessant ist, dass die Vergabekammer offenbar eine Kostenschätzung auch noch dann zulassen will, wenn die Angebotspreise bereits bekannt sind. Daran kann man deswegen Zweifeln, weil es sich bei der Frage der Aufhebung einer Ausschreibung um eine Ermessensentscheidung handelt (vgl. hier die interessanten Ausführungen des OLG Karlsruhe, Beschl. v. 13.09.2013 – 15 Verg 3/13). Diese Frage wurde vom OLG Karlsruhe mangels Entscheidungserheblichkeit nicht beantwortet.

Die Aufhebungsentscheidung wäre also vor der Vergabekammer noch zu retten gewesen, wenn im Nachprüfungsverfahren entsprechend vorgetragen worden wäre. Besser wäre es natürlich gewesen, wenn der Vergabevermerk die Aufhebungsentscheidung hinreichend behandelt hätte.

Praxistipp

Der Praxistipp wird jetzt kaum überraschen: Als Ermessensentscheidung muss die Entscheidung zur Aufhebung einer Ausschreibung hinreichend begründet werden. Wenn man auf der sicheren Seite sein will, ist die Begründung Bestandteil der Vergabedokumentation (Vergabevermerk). Dabei ist der reine Kostenunterschied zwischen Kostenschätzung und Angebotspreis nicht der einzige Aspekt, der in der Ermessensentscheidung berücksichtigt werden muss. Vielmehr ist eine alle Umstände des Einzelfalls einbeziehende Interessenabwägung vorzunehmen.

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Vorsicht bei der Verlinkung zu Eignungsanforderungen! (VK Südbayern, Beschl. v. 05.06.2018 – Z3-3-3194-1-12-04/18)

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Liefer- & DienstleistungenRecht

EntscheidungEs reicht nicht, wenn sich der Bieter Eignungsanforderungen selbst aus verlinkten Unterlagen heraussuchen kann. Seit April 2016 sind die Vergabeunterlagen direkt abrufbar über einen Link bereitzustellen. Hieraus folgt jedoch nicht, dass der eigentliche Bekanntmachungstext nun darauf reduziert werden könnte, dass jeweils auf die verlinkten Vergabeunterlagen verwiesen wird. Dies gilt insbesondere für die Bekanntmachung der Eignungskriterien und der zum Nachweis der Eignung vorzulegenden Unterlagen.

§ 97 Abs. 1 GWB, § 97 Abs. 2 GWB, § 122 Abs. 4 S 2 GWB, § 41 Abs. 1 VgV, § 48 Abs. 1 VgV

Leitsatz

  1. Für die wirksame Bekanntmachung der Eignungskriterien gem. § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB und der Unterlagen zum Nachweis der Eignung gem. § 48 Abs. 1 VgV reicht es nicht aus, wenn lediglich auf eine Internetseite verwiesen wird, wo der Bieter sich die entsprechenden Unterlagen aus zahlreichen dort gespeicherten Vergabeverfahren möglicherweise heraussuchen kann.
  2. Eine solche Verlinkung führt zudem zu einem Verstoß gegen die Verpflichtung zur direkten Bereitstellung der Unterlagen nach § 41 Abs. 1 VgV.
  3. Sind aufgrund eines Bekanntmachungsdefizits keine Mindestanforderungen an die Eignung wirksam ins Verfahren eingeführt, besteht nur dann die Verpflichtung der Vergabestelle, das Verfahren aufzuheben, wenn ansonsten der Zuschlag auf das Angebot eines ungeeigneten Bieters droht.

Sachverhalt

Die Stadt München schrieb den Sanitätsdienst auf dem Oktoberfest im Wege eines offenen Verfahrens nach VgV aus. Im Hinblick auf die an die Eignung der Bieter gestellten Anforderungen sowie die insoweit beizubringenden Nachweise waren in der Bekanntmachung unter III.1.1 III.1.3 lediglich der Hinweis „Eignungskriterien gemäß Auftragsunterlagen“ und ein Link angegeben. Dieser Link führte aber nicht auf die konkreten Ausschreibungsunterlagen und schon erst recht nicht auf ein konkretes Dokument mit Eignungsanforderungen, sondern auf eine allgemeine Internetseite der Stadt, die mehrere Ausschreibungen derselben enthielt.

In dem Verfahren wurden zwei Angebote abgegeben. Beide Bieter reichten trotz der etwas unübersichtlichen Bekanntmachung der Eignungsanforderungen entsprechende Nachweise ein, die seitens der Stadt auch geprüft wurden.

Nachdem einer der beiden Bieter darüber informiert wurde, dass sein Angebot nicht das wirtschaftlichste sei und er daher den Zuschlag nicht erhalten sollte, rügte er u.a. die fehlende Eignung des Bestbieters. Da die Stadt nicht bereit war, der Rüge abzuhelfen, beantragte der unterlegene Bieter bei der Vergabekammer die Zurückversetzung des Verfahrens und die Wiederholung der Angebotsprüfung.

Die Entscheidung

Die VK stellte zwar Vergaberechtsverstöße, u.a. im Zusammenhang mit der Bekanntmachung der Eignungsanforderungen, fest, wies den Antrag des unterlegenen Bieters aber dennoch mangels Rechtsverletzung zurück.

Die vorliegende Form der Bekanntmachung der Eignungskriterien durch eine Verlinkung auf eine allgemeine Seite der Stadt mit Unterlagen zu mehreren Vergabeverfahren genügt nach Auffassung der VK Südbayern den Anforderungen an eine wirksame Bekanntmachung gem. § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB und § 48 Abs. 1 VgV nicht. Selbst dann, wenn man annehme, dass die Eignungsanforderungen nicht zwingend im Bekanntmachungsformular selbst enthalten sein müssten, sondern grundsätzlich auch durch Verlinkung bekannt gemacht werden könnten, sei eine solche Verlinkung jedenfalls nur dann ausreichend, wenn sie in einem direkten Link auf das konkrete Vergabeverfahren besteht. Bereits dies war im vorliegenden Fall nicht gewährleistet, da der Link auf eine Seite mit mehreren Vergabeverfahren ging und sich die Bieter die Eignungsanforderungen erst selbst zusammensuchen mussten.

Wenn, wie hier , aufgrund eines Bekanntmachungsdefizits keine oder praktisch keine Mindestanforderungen an die Eignung wirksam erhoben sind, leide das Vergabeverfahren an einem schwerwiegenden Mangel, da sich aus § 122 Abs. 1 GWB eine Pflicht zur Eignungsprüfung ergebe.

Trotz dieser Feststellung hielt die VK es für nicht erforderlich, das Verfahren zurückzuversetzen oder aufzuheben, weil im konkreten Fall trotz fehlender Bekanntgabe von Eignungskriterien ausgeschlossen sei, dass ein ungeeignetes Unternehmen den Auftrag erhalte. Denn schließlich hätten beide Bieter Eignungsnachweise vorgelegt, die auch geprüft wurden.

Rechtliche Würdigung

Nach § 122 Abs. 4 S. 1 GWB sind Eignungskriterien in der Auftragsbekanntmachung aufzuführen. Nach § 48 Abs. 1 VgV ist in der Auftragsbekanntmachung ferner anzugeben, mit welchen Unterlagen Bieter ihre Eignung zu belegen haben.

Der Wortlaut dieser Vorschriften ebenso wie der zugrundeliegenden europäischen Richtlinie (Art. 58 Abs. 5 der Richtlinie 2014/24/EU) ist eindeutig. Die geforderten Eignungskriterien und/oder Nachweise sind bereits in der Auftragsbekanntmachung selbst anzugeben.

Sinn und Zweck der Regelungen ist, dass potentielle Bewerber / Bieter bereits aus der Auftragsbekanntmachung die an ihre Eignung gestellten Anforderungen ersehen können, um anhand dieser Angaben zu entscheiden, ob sie sich an der Ausschreibung beteiligen können und wollen. Zu Recht verweist auch die VK Südbayern darauf, dass es nur den Unternehmen, deren Interesse bereits durch die Bekanntmachung geweckt wurde, zugemutet werden soll, sich mit den Vergabeunterlagen im Detail zu befassen (ebenso VK BW, B. v. 27.08.2018 1 VK 35/18 und OLG Düsseldorf B. v. 11.07.2018 Verg 24/18). Hinzukommt auch, dass nur die EU-Bekanntmachung eine zuverlässige Übersetzung in allen Amtssprachen bietet (ebenso VK BW, a.a.O.).

Vor diesem Hintergrund haben sich in der Rechtsprechung folgende Eckpunkte zum Thema Bekanntmachung von Eignungskriterien durch Verlinkung herauskristallisiert:

– Eine Verlinkung auf eine allgemeine Seite des AG mit Unterlagen zu mehreren Vergabeverfahren ist nach einhelliger Auffassung unzulässig (so VK Südbayern in der hier besprochenen Entscheidung, VK BW a.a.O.).

– Auch eine Verlinkung auf die Vergabeunterlagen des konkreten Verfahrens als Ganzes ist als problematisch anzusehen (noch für zulässig erachtet: VK Südbayern, B. v. 15.09.2017, Z3-3-3194-1-30-06/17, in der vorliegenden Entscheidung aber selbst als möglicherweise zu weitgehend eingestuft; unzulässig: OLG Düsseldorf a.a.O.).

– Für zulässig erachtet wurde allerdings teilweise eine direkte Verlinkung mit einem Klick auf das konkrete Dokument Eignungsanforderungen und Eignungsnachweise in den Vergabeunterlagen (VK Nordbayern, B. v. 15.02.2018, RMF-SG21-3194-3-1 und vom 09.04.2018, RMF-SG21-3194-3-1; OLG Düsseldorf, a.a.O.), auch das aber nur, wenn der Link sich nicht an einer versteckten Stelle in der Bekanntmachung befindet (siehe hierzu OLG Frankfurt a.M., B. v. 16.02.2015, 11 Verg 11/4). Der Link muss somit unmittelbar in die Auflistung der Eignungsanforderungen eingebunden sein. Führt man sich das oben erwähnte Übersetzungsthema vor Augen, stellt sich aber die Frage, ob diese Rechtsprechung angesichts des überaus klaren Richtlinien-Wortlauts wirklich dauerhaft Bestand haben kann.

Dass die Stadt im vorliegenden Fall „mit einem blauen Auge davon kam“, lag einzig und allein daran, dass alle Bieter alle Eignungsnachweise beigebracht hatten und Streitgegenstand nicht der Ausschluss des Antragstellers mangels Eignung war. In den Fällen eines Ausschlusses mangels Eignung kann sich der Auftraggeber nicht auf seine eigenen – unwirksam bekannt gemachten – Eignungskriterien berufen. Es ist in der Regel eine Zurückversetzung des Verfahrens und jedenfalls dann, wenn auf Eignungsanforderungen nicht verzichtet werden kann, auch eine erneute Bekanntmachung erforderlich.

Praxistipp

Öffentlichen Auftraggebern kann man vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung nur raten, Eignungsanforderungen an den dafür vorgesehenen Stellen der EU-Bekanntmachung wieder zu geben und die Verlinkung auf die Vergabeunterlagen nur ergänzend dazu zu nutzen, um dort etwaige Formulare zum Eignungsnachweis bereit zu stellen. Der mit dieser Anforderung verbundene Schreib- und Denkaufwand ist im Vergleich zur Schwere des Vergabeverstoßes und des hieraus folgenden Verfahrensrisikos gering.

Eric Schneider

Über Eric Schneider

Eric Schneider ist seit dem Jahr 2017 Rechtsanwalt bei der Luther Rechtsanwaltsgeselschaft mbH. Herr Schneider berät sowohl die öffentliche Hand bei der Gestaltung von Vergabeverfahren als auch Bieter bei der Angebotserstellung und Abgabe. Er vertritt Auftraggeber wie Bieter vor den Nachprüfungsinstanzen. .

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EuGH für Bieterausschluss bei unterschrittener Mindestpunktzahl (EuGH, Urt. v. 20.9.2018 – C-546/16 –„Montte SL“)

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Liefer- & DienstleistungenRechtUNBEDINGT LESEN!

Entscheidung-EUNach mehr als zwei Jahren seit dem Inkrafttreten der Richtlinie 2014/24/EU hat der EuGH erstmals zum neuen Vergaberecht entschieden. Die Luxemburger Richter haben zu einem offenen Verfahren geurteilt, wonach im Rahmen der Auswahl des wirtschaftlichsten Angebotes das zwingende Erreichen einer Mindestpunktzahl bei einem technischen Zuschlagskriterium Voraussetzung für die abschließende Preisbewertung der Angebote war.

§§ 127 Abs. 1, 119 Abs. 3 GWB; Art. 67, 27 Richtlinie 2014/24/EU.

Leitsatz

Die Richtlinie 2014/24/EU ist dahin auszulegen, dass in den Vergabebedingungen eines offenen Verfahrens Mindestanforderungen hinsichtlich der Bewertung eines technischen Zuschlagskriteriums derart festgelegt werden können, als die abgegebenen Angebote, die nach abgeschlossener technischer Bewertung eine vorab festgelegte Mindestpunktzahl nicht erreichen, von der weiteren preislichen Angebotswertung ausgeschlossen werden.

Sachverhalt

Eine öffentliche Stiftung in Spanien hat verschiedene musikalische Ausrüstungsgegenstände im offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Die Vergabebedingungen sahen zwei jeweils mit 50 Punkten gewichtete Zuschlagskriterien vor. Dies war zum einen der Preis, der für die sogenannte Phase der Wirtschaftlichkeit von Bedeutung war. Zum anderen war das in gesonderte Unterkriterien unterteilte Zuschlagskriterium Darstellung und Beschreibung des Projekts festgelegt, das für die sogenannte technische Phase relevant war. Für letztere wurde in den Vergabebedingungen eine erforderliche Mindestpunktzahl von 35 bestimmt, die zwingend erreicht werden musste, damit das Angebot in der Phase der Wirtschaftlichkeit abschließend bewertet wurde.

Gegen diese Vergabebedingungen beantragte das Unternehmen Montte die Nachprüfung. Es war vor allem der Ansicht, dass die für die technische Phase nötige Mindestpunktzahl den Bieterzugang zur Phase der Wirtschaftlichkeit rechtswidrig beschränken und damit die in den Vergabebedingungen festgelegte Gewichtung der technischen und preislichen Zuschlagskriterien de facto außer Kraft setzen würde.

Die angerufene Nachprüfungsstelle ersuchte den EuGH um Vorabscheidung nach Art. 267 AEUV, weil sie u.a. aufeinanderfolgende eliminatorische Phasen der Auswahl des wirtschaftlichsten Angebotes nur in Verfahren für möglich hielt, in denen diese Möglichkeit ausdrücklich vorgesehen ist (bspw. bei Verhandlungsverfahren), nicht aber in offenen und nicht offenen Verfahren.

Die Entscheidung

Der EuGH hat klargestellt, dass bei einem offenen Verfahren zwar jeder am Auftrag Interessierte auf die Auftragsbekanntmachung hin ein Angebot abgeben kann. Jedoch gestattet die Richtlinie 2014/24/EU öffentlichen Auftraggebern auch, Mindestanforderungen für die Bewertung technischer Zuschlagskriterien in offenen Verfahren festzulegen. Denn mit Ausnahme der zu beachtenden Mindestfristen enthält Art. 27 Richtlinie 2014/24/EU (Offenes Verfahren) keine weiteren Vorschriften über den Ablauf des offenen Verfahrens (Rdnr. 27 f.).

Öffentliche Auftraggeber müssen deshalb bei der Festlegung der Zuschlagskriterien zwar den generellen Anforderungen des Art. 67 Richtlinie 2014/24/EU (Zuschlagskriterien) und die Einhaltung der Grundsätze der Transparenz, Nichtdiskriminierung und Gleichbehandlung gewährleisten, um einen objektiven Vergleich des relativen Wertes der Angebote und somit einen wirksamen Wettbewerb sicherzustellen (Rdnr. 31). Hierzu zählt insbesondere auch der in Art. 18 Abs. 1 Richtlinie 2014/24/EU (Grundsätze der Auftragsvergabe) geregelte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Rdnr. 38).

Es steht aber öffentlichen Auftraggebern frei, einerseits vor allem die technische Qualität gemäß ihren Bedürfnissen zu bestimmen, welche die abgegebenen Angebote nach den Eigenschaften und Gegenstand des Auftrages gewährleisten müssen, und andererseits zu diesem Zweck eine Untergrenze festzulegen, die diese Angebote in technischer Hinsicht einhalten müssen. Insoweit hindert Art. 67 Richtlinie 2014/24/EU (Zuschlagskriterien) öffentliche Auftraggeber nicht daran, in der Phase der Zuschlagserteilung in einem ersten Schritt Angebote auszuschließen, die bei der technischen Bewertung eine vorab festgelegte Mindestpunktzahl nicht erreichen. Ein Angebot, das eine solche Mindestpunktzahl nicht erzielt, entspricht grundsätzlich nicht den Bedürfnissen des öffentlichen Auftraggebers und braucht bei der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes nicht weiter berücksichtigt zu werden (Rdnr. 32).

Diese Feststellung wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, weil bestimmte andere als offene Vergabeverfahren in aufeinanderfolgenden Phasen durchgeführt werden können, wie beim Verhandlungsverfahren (Art. 29 Abs. 6 Richtlinie 2014/24/EU), wettbewerblichen Dialog (Art. 30 Abs. 4 Richtlinie 2014/24/EU) und bei der Innovationspartnerschaft (Art. 31 Abs. 5 Richtlinie 2014/24/EU). Hieraus kann nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass bei einem offenen Verfahren wie hier – eine Bewertung in zwei Angebotsrunden nicht zulässig ist. Denn der öffentliche Auftraggeber darf vorliegend nur diejenigen Angebote von der abschließenden Bewertung anhand der Preise ausschließen, welche die Mindestanforderungen hinsichtlich des technischen Zuschlagskriteriums und somit seine Bedürfnisse nicht erfüllen. Bei den anderen oben genannten Verfahren hingegen besteht die Möglichkeit, Angebote abzulehnen, die zwar die Mindestanforderungen erfüllen, aber nicht zu den besten Angeboten zählen. Beide Verfahrenssituationen unterscheiden sich (Rdnr. 35 ff.).

Dementsprechend ist auch das zum Verhandlungsverfahren und wettbewerblichen Dialog in Art. 66 Richtlinie 2014/24/EU (Verringerung der Zahl der Angebote und Lösungen) verortete Erfordernis auf offene Verfahren nicht anwendbar, wonach bis zur Schlussphase des Verfahrens ein echter Wettbewerb zu gewährleisten ist (Rdnr. 43). Ein öffentlicher Auftraggeber ist bei einem offenen Verfahren allerdings auch nicht gezwungen, den Zuschlag zu erteilen, selbst wenn nach der technischen Bewertung nur ein einziges von ihm zu berücksichtigendes Angebot übrigbleibt. Hält der öffentliche Auftraggeber den Wettbewerb angesichts des Auftragsgegenstandes und der merkmale für unzureichend, steht es ihm unter diesen Umständen frei, das offene Verfahren zu beenden und erforderlichenfalls ein neues Verfahren mit anderen Zuschlagskriterien einzuleiten (Rdnr. 41).

Rechtliche Würdigung

Das Urteil des Luxemburger Richter ist zu begrüßen. Es überzeugt inhaltlich und spiegelt die von der deutschen Rechtsprechung (z.B. VK Bund, Beschl. v. 16.4.2018 VK 1-21/18) bestätigte Beschaffungspraxis wider.

Die Entscheidung ist sachlich zutreffend, weil bei der Auswahl des wirtschaftlichsten Angebotes im Rahmen offener Vergabeverfahren nach § 119 Abs. 3 GWB kein normativer Grund ersichtlich ist, welcher der Bestimmung einer mit dem Ausschluss sanktionierten Mindestpunktzahl bei Qualitätskriterien, wie etwa beim technischen Wert, entgegensteht. Vielmehr entspricht ein solches Wertungsvorgehen dem auftraggebereigenen Leistungsbestimmungrecht und dem geübten Vergabealltag zahlreicher Beschaffungsstellen, die dadurch den ihren Bedürfnissen entsprechenden Bezug qualitativ hochwertiger Leistungen auch im Rahmen von § 127 GWB sicherstellen wollen. Damit ist grundsätzlich weder eine unzulässige Marginalisierung der übrigen Zuschlagskriterien noch eine nivellierende Wirkung des Preiskriteriums verbunden (vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.11.2017 VII-Verg 16/17).

Ebenso trifft die richterliche Einschätzung auf Verständnis, dass die speziellen Regelungen für Verhandlungsverfahren, den wettbewerblichen Dialog und die Innovationspartnerschaft, keine einschränkenden Rückschlüsse auf die allgemeinen Regelverfahren (offenes und nicht offenes Verfahren) zulassen. Soweit der EuGH klarstellt, dass öffentliche Auftraggeber grundsätzlich nicht verpflichtet sind, einen Zuschlag zu erteilen (vgl. etwa § 63 Abs. 1 Satz 2 VgV), ist zu ergänzen, dass die rechtmäßige Beendigung eines offenen Verfahrens allerdings einen entsprechenden Aufhebungsgrund erfordert.

Praxistipp

Öffentliche Auftraggeber können, müssen aber nicht von den Bietern zwingend zu erreichende Mindestpunktzahlen bei qualitativen Zuschlagskriterien bestimmen. Wenn sie von dieser Möglichkeit jedoch Gebrauch machen, sind die allgemeinen Vergabegrundsätze der Transparenz, Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und vor allem der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Das bedeutet unter anderem, dass Mindestpunktzahlen nicht so hoch festgelegt werden dürfen, dass von vornherein ein wirksamer Vergabewettbewerb faktisch ausgeschlossen ist, weil nur ein einziges Unternehmen in der Lage ist, die vorgegebenen Mindestpunktzahlen zu erzielen.

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Link in der Auftragsbekanntmachung kann zur Bekanntmachung der Eignungsanforderungen und Nachweise ausreichend sein (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.7.2018 – VII Verg 24/18)

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BauleistungenRecht

EntscheidungDie Eignungsanforderungen und -nachweise müssen in der EU-Bekanntmachung aufgeführt sein. Oder doch nicht? Das OLG Düsseldorf sorgt für Klarheit in dieser kontrovers diskutierten Frage.

Art. 58 Abs. 5 Richtlinie 2014/24/EU, § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB, § 12 EU Abs. 3 Nr. 2 VOB/A

Leitsätze (nicht amtlich)

  1. Die geforderten Eignungsanforderungen und Nachweise sind bereits in der Auftragsbekanntmachung anzugeben.
  2. Für die Bekanntmachung kann es ausreichen, wenn an der richtigen Stelle der Auftragsbekanntmachung ein Link gesetzt wird, unter dem die entsprechenden Eignungsanforderungen und Nachweise unmittelbar abrufbar sind.
  3. Eine Verweisung in der Auftragsbekanntmachung auf die Vergabeunterlagen oder ein Link auf die Vergabeunterlagen als Ganzes genügt nicht zur Bekanntmachung der Eignungsanforderungen und Nachweise.

Sachverhalt

Der Antragsgegner schreibt die Erbringung von Dachdecker- und Klempnerarbeiten europaweit aus. In Abschnitt I.3) der Auftragsbekanntmachung (Kommunikation) gibt er eine Internetadresse an, unter der die Vergabeunterlagen abgerufen werden können.

Die Vergabeunterlagen beinhalten in einem Anhang zur Aufforderung zur Abgabe eines Angebots u.a. ein Beiblatt mit Eignungsanforderungen und eine Auflistung mit Eignungsvorgaben. Danach ist zum Nachweis der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit u.a. ein Nachweis über einen bestimmten Netto-Jahresumsatz in den letzten drei Jahren beizubringen. Abschnitt III.1.2) der Auftragsbekanntmachung (Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit) enthält demgegenüber keine Vorgaben zum Mindestumsatz und zu den diesbezüglich beizubringenden Nachweisen.

In einem weiteren Beiblatt zur Aufforderung zur Abgabe eines Angebots stellt der Auftraggeber in Bezug auf die technische und berufliche Leistungsfähigkeit der Bieter Mindestanforderungen an das Stammpersonal auf, das auf der Baustelle bereit zu stellen ist. Abschnitt III.1.3) (Technische und berufliche Leistungsfähigkeit) der Auftragsbekanntmachung enthält hierzu keine Angaben.

Der Antragsgegner schließt das preislich auf dem ersten Rang liegende Angebot des Antragstellers aus, weil es die Mindestanforderungen an den Umsatz und an das Stammpersonal nicht erfülle. Daraufhin rügt die Antragstellerin den festgelegten Mindestumsatz als willkürlich und die Anforderung an das Stammpersonal als vergaberechtlich unzulässig. Nach dem Antragsgegner den Rügen nicht abhilft, leitet der Antragsteller ein Nachprüfungsverfahren ein.

Die Entscheidung

Das OLG Düsseldorf hebt den Beschluss der Vergabekammer Rheinland auf und untersagt dem Antragsgegner, in dem Vergabeverfahren einen Zuschlag zu erteilen.

Zwar sei der Antragsteller mit seiner Rüge der Anforderungen an den Mindestumsatz präkludiert, da die diesbezüglichen Anforderungen im Sinne des § 160 Abs.3 Satz 1 Nr. 3 GWB aus den Vergabeunterlagen erkennbar gewesen seien. Hierauf komme es aber nicht an. Denn die Rüge der Anforderungen an das Stammpersonal sei nicht präkludiert. In einem solchen Fall sei die Frage der Unwirksamkeit der Eignungsanforderungen als schwerwiegender Mangel der Ausschreibung von Amts wegen gemäß § 163 GWB aufzugreifen.

Der Ausschluss des Angebots gemäß § 122 GWB i.V.m. § 16b EU VOB/A wegen Nichterfüllung der Mindestanforderungen an die Eignung sei vergaberechtswidrig. Gemäß § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB seien die Eignungsanforderungen in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung aufzuführen. Zudem seien gemäß § 12 EU Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 VOB/A die geforderten Nachweise anzugeben. Die Auftragsbekanntmachung enthalte jedoch keine Vorgaben zum Mindestumsatz und zu den beizubringenden Nachweisen, so dass die Eignungskriterien nicht wirksam aufgestellt und die diesbezüglichen Nachweise nicht wirksam gefordert worden seien.

Der in Abschnitt 1.3) der Auftragsbekanntmachung enthaltene Link könne die Mitteilung der Eignungsanforderungen und der geforderten Nachweise nicht ersetzen. Der Auftraggeber dürfe in der Auftragsbekanntmachung hinsichtlich der vorzulegenden Eignungsunterlagen nicht lediglich auf die Vergabeunterlagen verweisen oder einen Link auf die Vergabeunterlagen als Ganzes setzen. Unzureichend sei auch ein Link, der zwar zu den aufgestellten Eignungsanforderungen und Nachweisen führt, sich jedoch an einer Stelle der Auftragsbekanntmachung befindet, an der er von den potentiellen Bietern oder Bewerbern übersehen werden kann.

Auch unter Geltung des neuen Vergaberechts halte der Senat allerdings an seiner Entscheidung vom 16. November 2011 (VII-Verg 60/11) fest. Dort hatte der Senat einen Link auf ein Formblatt Eigenerklärung zur Eignung, aus dem sich die Eignungsanforderungen, ergaben, als ausreichend erachtet und für maßgebend gehalten, dass am Auftrag interessierte Unternehmen durch bloßes Anklicken zum Formblatt gelangen konnten.

Rechtliche Würdigung

Die Frage, ob ein in die Auftragsbekanntmachung eingefügter Link für die Bekanntmachung der Eignungsanforderungen genügen kann, war in letzter Zeit öfters Gegenstand von Vergabekammerentscheidungen. Die VK Nordbayern (Beschluss vom 9.4.2018 RMF-SG21-3194-3-5, Vergabeblog.de vom 19/06/2018, Nr. 37416; Beschluss v. 3.8.2017, 21.VK-3194-14/17) und die VK Südbayern (Beschluss v. 15.9.2018, Z3-3-3194-1-30.06/17) hatten einen Direktlink auf die Vergabeunterlagen für ausreichend erachtet. In einer weiteren Entscheidung vom 20. April 2018 hatte die VK Südbayern (Z3-3-3194-1-59-12/17) festgestellt, dass jedenfalls ein Verweis auf die Startseite einer Vergabeplattform, wo sich der Bieter die Unterlagen aus einer Vielzahl dort gespeicherter Unterlagen heraussuchen muss, nicht genügt.

Das OLG Düsseldorf verweist auf den klaren Wortlaut des Art. 58 Abs. 5 der Richtlinie 2014/EU, wonach die Eignungsanforderungen und Nachweise in der Auftragsbekanntmachung oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung anzugeben sind. Die Bewerber und Bieter müssten bereits aus der Auftragsbekanntmachung die in persönlicher und wirtschaftlicher Hinsicht gestellten Anforderungen ersehen können, um anhand dieser Angaben entscheiden zu können, ob sie sich an der Ausschreibung beteiligen können und wollen. Unter Berücksichtigung dieses Zwecks der Norm kommt der Vergabesenat zu dem Ergebnis, dass nur eine in der Auftragsbekanntmachung direkt verlinkte Auflistung der Eignungsanforderungen und Nachweise für deren Bekanntmachung ausreichen kann.

Praxistipp

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf stellt klar, dass ein Link in der Auftragsbekanntmachung nur unter bestimmten Voraussetzungen zur ordnungsgemäßen Bekanntmachung der Eignungsanforderungen und Nachweise genügen kann. Auftraggeber sollten sich daher nicht von der im Auftragsbekanntmachungsformular zu den Angaben zur wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit (Abschnitt III.1.2) und technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit (Abschnitt III.1.3) vorgesehenen Ankreuzmöglichkeit Eignungskriterien gemäß Auftragsunterlagen irritieren lassen. Die Eignungskriterien gehören in die Auftragsbekanntmachung.

Soll die vom OLG Düsseldorf akzeptierte Möglichkeit der Verlinkung einer Auflistung der Eignungsanforderungen und Nachweise genutzt werden, muss zunächst der Link im richtigen Abschnitt der Auftragsbekanntmachung eingefügt werden. Für Eignungsanforderungen und Nachweise zur wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit der Bieter müsste der Link daher wohl unter Abschnitt III.1.2) der Auftragsbekanntmachung und beispielsweise nicht unter Abschnitt I.3) (Kommunikation) oder Abschnitt VI.3) (Zusätzliche Angaben) eingefügt werden. Des Weiteren muss der Link unmittelbar zu dem Dokument führen, in dem die Eignungsanforderungen und Nachweise aufgeführt sind. Das heißt, es darf nicht auf die gesamten Vergabeunterlagen und erst Recht nicht bloß auf die Startseite einer E-Vergabe-Plattform verlinkt werden.

Auch wenn das OLG Düsseldorf eine Verlinkung unter den vorgenannten Voraussetzungen toleriert, bleibt die unmittelbare Aufführung der Eignungsanforderungen und der geforderten Nachweise in der Auftragsbekanntmachung der sicherste Weg. Die Direkt-Verlinkung eines gesonderten Dokuments mit einer Auflistung der jeweiligen Anforderungen stellt aber einen möglichen Ausweg für Fälle dar, in denen die Eignungs- und Nachweisanforderungen nicht in den Rahmen der derzeitigen 4000-Zeichen-Begrenzung des Bekanntmachungsformulars gebracht werden können (vgl. die diesbezügliche Diskussion im DVNW-Forum).

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Vorinformationspflicht gilt auch bei Vergabeverfahren über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße! (EuGH, Urt. v. 20.09.2018 – C-518/17 – Stefan Rudigier)

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RechtVerkehr

Entscheidung-EUDie in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße vorgesehene Vorinformationspflicht gilt auch bei Aufträgen über öffentliche Busverkehrsdienste, die dem Vergaberecht unterliegen (siehe auch § 8a Abs. 2 Satz 2 PBefG). Die Verletzung dieser Vorinformationspflicht führt allerdings nicht per se zur Aufhebung der betroffenen Ausschreibung, sofern der Auftraggeber im weiteren Verfahren die Grundsätze der Äquivalenz, der Effektivität und der Gleichbehandlung beachtet hat.

Verordnung (EG) Nr. 1370/2007, insbesondere Art. 7 Abs. 2 der Verordnung; Richtlinie 2014/24/EU; Richtlinie 2014/25/EU; §§ 8a, 8b PBefG

Sachverhalt

Gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 ergreift jede zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass spätestens ein Jahr vor Einleitung des wettbewerblichen Vergabeverfahrens oder ein Jahr vor der Direktvergabe mindestens die folgenden Informationen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht werden:

  • der Name und die Anschrift der zuständigen Behörde;
  • die Art des geplanten Vergabeverfahrens;
  • die von der Vergabe möglicherweise betroffenen Dienste und Gebiete.

Sollten sich diese Informationen nach ihrer Veröffentlichung ändern, so hat die zuständige Behörde des Weiteren so rasch wie möglich eine Berichtigung zu veröffentlichen. Diese Berichtigung muss unbeschadet des Zeitpunkts der Einleitung der Direktvergabe oder des wettbewerblichen Vergabeverfahrens erfolgen.

Im April 2016 leitete der Salzburger Verkehrsverbund mit der Veröffentlichung einer Ausschreibung im EU-Amtsblatt ein offenes Verfahren betreffend die Erbringung von Personenverkehrsdiensten mit Bussen im Gasteinertal (Österreich) ein. Davon erfasst waren mehrere Buslinien mit einer Jahreskilometerleistung von insgesamt ca. 670.000 km. Der Auftrag war als Dienstleistungsauftrag und nicht als Dienstleistungskonzession ausgeschrieben.

Eine Vorinformation gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 wurde vom Salzburger Verkehrsverbund nicht veröffentlicht.

Vor Ablauf der Angebotsfrist beantragte Herr Rudigier beim Landesverwaltungsgericht Salzburg (Österreich) die Nichtigerklärung der Ausschreibung u.a. wegen Verstoßes gegen Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007. Das Landesverwaltungsgericht Salzburg wies seine Anträge ab. Gegen diese Entscheidung erhob Herr Rudigier Revision an den Verwaltungsgerichtshof (Österreich). Er stützt die Revision darauf, dass sich das Landesverwaltungsgericht nicht inhaltlich mit den rechtlichen Auswirkungen des Fehlens der Veröffentlichung befasst habe, die ein Jahr vor der Einleitung des wettbewerblichen Vergabeverfahrens hätte stattfinden müssen.

Der Verwaltungsgerichtshof stellt fest, dass für die unter die einschlägigen Vergaberichtlinien fallenden Verkehrsdienstleistungen keine Ausnahme von der Anwendung des Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 vorgesehen sei und dass im 29. Erwägungsgrund dieser Verordnung nicht nach der für die betreffenden öffentlichen Beförderungsaufträge geltenden Regelung unterschieden werde. Er schließt daraus, dass die Pflicht zur Veröffentlichung der geforderten Informationen auch dann gelten müsste, wenn die Dienstleistungen zu einem Auftrag gehörten, der einer der beiden Vergaberichtlinien unterliege, wenngleich die Vergaberichtlinien keine Vorinformationspflicht wie sie in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 geregelt sei, kennen.

Im Ergebnis richtet der Verwaltungsgerichtshof drei Vorlagefragen an den EuGH.

Die Entscheidung

Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates ist dahin auszulegen, dass

  • die darin vorgesehene Vorinformationspflicht auch bei Aufträgen über öffentliche Busverkehrsdienste gilt, die grundsätzlich gemäß den Verfahren nach den Vergaberichtlinien vergeben werden und
  • die Verletzung dieser Vorinformationspflicht nicht zur Aufhebung der betroffenen Ausschreibung führt, sofern die Grundsätze der Äquivalenz, der Effektivität und der Gleichbehandlung beachtet sind.

Antwort auf die Vorlagefrage 1

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht vom EuGH wissen, ob Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 dahin auszulegen ist, dass die darin vorgesehene Vorinformationspflicht auch bei Aufträgen über öffentliche Busverkehrsdienste gilt, die gemäß den Vergaberichtlinien vergeben werden.

Der EuGH führt dazu aus, dass Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 auf öffentliche Aufträge über Verkehrsdienste anwendbar ist, die gemäß den in den Vergaberichtlinien vorgesehenen Verfahren vergeben werden. Diese Schlussfolgerung wird durch den Zweck der Verordnung Nr. 1370/2007 bestätigt. Die Verordnung Nr. 1370/2007, die nur die öffentlichen Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße erfasst, sieht nämlich Modalitäten für das Tätigwerden im Bereich allgemeiner Regelungen zur Vergabe öffentlicher Aufträge wie derjenigen, die unter die Vergaberichtlinien fallen, vor. Sie enthält somit Sonderregeln, die die allgemeinen Regeln der Vergaberichtlinien entweder ersetzen oder ergänzen sollen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Oktober 2016, Hörmann Reisen, C-292/15, EU:C:2016:817, Rn. 44 bis 47). Bestätigung findet diese Auslegung von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 in einer näheren Betrachtung von Art. 48 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24 und von Art. 67 Abs. 1 der Richtlinie 2014/25, die in ihrer Funktion teils mit Art. 7 Abs. 2 vergleichbar sind. Im Ergebnis stellt Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 spezifischere Pflichten als die Vergaberichtlinien auf und geht diesen als lex specialis vor.

Antwort auf die Vorlagefragen 2 und 3

Mit der zweiten und der dritten Frage möchte das vorlegende Gericht vom EuGH im Wesentlichen wissen, ob die Rechtswidrigkeit, die aus der Verletzung oder dem Versäumnis der in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 vorgesehenen Vorinformationspflicht folgt, geeignet ist, zur Aufhebung einer ordnungsgemäß veröffentlichten Ausschreibung zu führen.

Diese Frage beantwortet der EuGH dahingehend, dass das Unionsrecht auf dem Gebiet der Vergabe öffentlicher Aufträge keine allgemeine Regel vorsieht, nach der die Rechtswidrigkeit einer Handlung oder Unterlassung in einem bestimmten Stadium des Verfahrens zur Rechtswidrigkeit aller späteren Handlungen in diesem Verfahren führen und ihre Aufhebung rechtfertigen würde. Eine solche Folge sieht das Unionsrecht nur in besonderen, genau bestimmten Situationen vor. Da der Unionsgesetzgeber keine spezifische Bestimmung in Bezug auf einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 vorgesehen hat, ist eine entsprechende Regelung Angelegenheit des nationalen Rechts. Es ist nämlich nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung jedes einzelnen Mitgliedstaats, die Verfahrensmodalitäten zu regeln, die den Schutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen. Diese Modalitäten dürfen jedoch nicht weniger günstig ausgestaltet sein als die entsprechenden innerstaatlichen Rechtsbehelfe (Äquivalenzgrundsatz), und sie dürfen die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (vgl. Rn. 61 des Urteils und in diesem Sinne Urteil vom 5. April 2017, Marina del Mediterráneo u. a., C-391/15, EU:C:2017:268, Rn. 32).

Zum Effektivitätsgrundsatz ist festzustellen, dass das Recht, das den Wirtschaftsteilnehmern aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 erwächst, zweierlei bezweckt:

Zum einen soll ihnen ermöglicht werden, auf die Absichten des (öffentlichen) Auftraggebers, insbesondere auf die Art der von ihm geplanten Vergabe (Ausschreibung oder Direktvergabe), zu reagieren, und zum anderen soll ihnen die Zeit für eine bessere Vorbereitung auf die Ausschreibung gegeben werden. Insofern sollte die Prüfung, ob der Effektivitätsgrundsatz beachtet wurde, je nachdem, ob eine Direktvergabe oder eine Ausschreibung vom Auftraggeber beabsichtigt ist, unterschiedlich ausfallen:

  • Bei einer Direktvergabe kann das Fehlen einer Vorinformation dazu führen, dass der Wirtschaftsteilnehmer keine Einwände erheben kann, bevor nicht die Direktvergabe durchgeführt ist, wodurch er Gefahr läuft, dass er endgültig von der Teilnahme an der wettbewerblichen Vergabe ausgeschlossen wird. Eine solche Situation kann den Effektivitätsgrundsatz untergraben (Rn. 66 des Urteils).
  • Erfolgt die Verletzung von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 dagegen in einem Kontext, in dem der (öffentliche) Auftraggeber eine Ausschreibung durch einen späteren regulären Aufruf zum Wettbewerb beabsichtigt, so steht eine solche Verletzung für sich genommen nicht der Möglichkeit einer tatsächlichen Teilnahme des Wirtschaftsteilnehmers an dieser Ausschreibung entgegen (Rn. 67 des Urteils).

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung ist zutreffend. Der EuGH hat klargestellt, dass die Vorinformationspflicht aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 zwar grundsätzlich zu beachten, aber kein bloßer Selbstzweck ist.

Richtig ist zunächst, dass die Vorinformationspflicht auch dann gilt, wenn die in Rede stehenden Aufträge (über öffentliche Busverkehrsdienste) gemäß den vergaberechtlichen Bestimmungen vergeben werden. Denn die Vorinformationspflicht stellt spezifischere Pflichten als die Vergaberichtlinien auf und geht diesen als lex specialis vor. Der deutsche Gesetzgeber hat dies explizit in § 8a Abs. 2 Satz 2 PBefG geregelt. Danach ist der Auftraggeber auch in diesem Fall zur Veröffentlichung gemäß der Vorinformationspflicht (Vorabbekannt-machung) verpflichtet; die Veröffentlichung soll danach im Übrigen nicht früher als 27 Monate vor Betriebsbeginn erfolgen.

Des Weiteren folgt aus der Missachtung der Vorinformationspflicht allerdings keinesfalls unmittelbar die Nichtigkeit und/ oder Rechtswidrigkeit des sich anschließenden Vergabeverfahrens. Es fehlt auf dem Gebiet der Vergabe öffentlicher Aufträge schlicht an der Regelung einer solchen Rechtsfolge. Da der Unionsgesetzgeber keine spezifische Bestimmung in Bezug auf einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 vorgesehen hat, ist eine entsprechende Regelung Angelegenheit des nationalen Rechts. Hier sieht das deutsche Recht in § 135 GWB eine entsprechende Unwirksamkeitsregelung vor. Danach ist ein öffentlicher Auftrag von Anfang an unwirksam, wenn der öffentliche Auftraggeber gegen die Informations- und Wartepflicht des § 134 GWB verstoßen hat oder den Auftrag ohne vorherige Veröffentlichung einer EU-Bekanntmachung vergeben hat, ohne dass dies aufgrund Gesetzes gestattet ist. Eine entsprechende Regelung für einen Verstoß gegen die Spezialregelung in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 bzw. die nationale Umsetzungsnorm in § 8a Abs. 2 PBefG kennt das deutsche Recht ebenso wenig wie das der Entscheidung zugrundeliegende österreichische Recht.

Es kommt daher darauf an, ob der Verstoß gegen die Vorinformationspflicht gemäß dem Effektivitätsgrundsatz im jeweiligen Einzelfall dazu führt, dass die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden. Im vorliegenden Fall äußert sich der EuGH dazu in den Rn. 63 ff. seiner Entscheidung und stellt dazu Folgendes fest:

Den Bietern wurde eine Angebotsfrist von 49 Tagen ab der Veröffentlichung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Ausschreibung gewährt; mithin eine Frist welcher die Mindestfristen, die in den Richtlinien 2014/24 und 2014/25 (und im deutschen Recht in § 15 Abs. 2 VgV) vorgesehen sind, deutlich überschreitet.

Der Bieter, um den es im Ausgangsverfahren geht, war auch schon lange vor der Veröffentlichung der Ausschreibung darüber informiert, dass eine solche im Raum steht.

Schließlich hat ein Bieter das Recht, einen Rechtsbehelf gegen den (öffentlichen) Auftraggeber aus dem Grund einzulegen, dass die Frist für die Abgabe der Angebote in den Auftragsunterlagen unter Verstoß gegen Art. 47 der Richtlinie 2014/24 oder Art. 66 der Richtlinie 2014/25, nach denen die Komplexität des Auftrags und die für die Ausarbeitung der Angebote erforderliche Zeit berücksichtigt werden müssen, zu knapp bemessen war (siehe in Deutschland die entsprechenden Regelungen in § 20 Abs. 1 VgV und in § 16 Abs. 1 SektVO).

Der EuGH geht mithin davon aus, dass vorliegend viel dafürspricht, dass die Verletzung der Vorinformationspflicht nicht zur Aufhebung der betroffenen Ausschreibung führt.

Praxistipp

Unabhängig davon, ob Aufträge über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße den vergaberechtlichen Bestimmungen unterliegen oder nicht, ist jeder Auftraggeber gehalten, die Vorinformationspflicht aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 einzuhalten. Dies gilt erst recht dann, wenn aus welchen Gründen auch immer eine Direktvergabe beabsichtigt ist. Denn in diesem Fall kann das Fehlen einer Vorinformation dazu führen, dass der Bieter keine Einwände erheben kann, bevor nicht die Direktvergabe durchgeführt ist. Dadurch besteht die Gefahr, dass der Bieter Gefahr läuft, endgültig von der Teilnahme an der Vergabe ausgeschlossen zu sein.

Erfolgt die Verletzung von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 dagegen im Vorfeld eines öffentlichen Vergabewettbewerbs, mithin eines offenen Verfahrens oder eines Verfahrens mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb, steht solche Verletzung für sich genommen nicht der Möglichkeit einer tatsächlichen Teilnahme des Bieters an dieser Ausschreibung entgegen. Die Rechtsverletzung kann mithin durch ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren praktisch „geheilt“ werden. Trotzdem sollte sich ein Auftraggeber darauf nicht verlassen.

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