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Angabe eines Gerichtsstands auf dem Übersendungsschreibens eines Bieters kann zu einem zwingenden Ausschluss des Angebots führen (VK Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 28.03.2018 – VK 1 – 38/17)

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Liefer- & DienstleistungenRecht

Wenn die Angabe eines Gerichtsstands auf dem Geschäftspapier eines Bieters den Vorgaben der Vergabeunterlagen widerspricht, ist das Angebot zwingend auszuschließen. Die Angabe eines anderweitigen Gerichtsstands auf dem Übersendungsschreiben ändert die Vergabeunterlagen oder ist ein (hier nicht zugelassenes) Nebenangebot und daher zwingend auszuschließen.

§ 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV

Sachverhalt

Der Antragsgegner schrieb die Übernahme und Verwertung der Abfallfraktion Papier, Pappe und Kartonagen (PPK) europaweit aus. Die Antragstellerin lag mit ihrem Angebot nach der Auswertung durch ein beauftragtes Büro auf dem ersten Platz und war daher zunächst für den Zuschlag vorgesehen. Nach Übermittlung der Vorabinformation erhob der zweitplatzierte Bieter eine Rüge, mit der er die Zuverlässigkeit der Antragstellerin in Zweifel zog.

Der Antragsgegner holte daraufhin anwaltlichen Rat ein und schloss das Angebot der Antragstellerin wegen von ihr vorgenommenen Änderungen an den Vergabeunterlagen aus. Die Antragstellerin hatte ihrem Angebot nämlich ein Begleitschreiben auf ihrem Standardbriefpapier beigefügt. Dieses Übersendungsschreiben enthielt in der Fußzeile unter anderem folgende Formulierung: „Gerichtsstand ist H.“ Die Vergabeunterlagen sahen als Gerichtsstand die Stadt P. vor.

Gegen den Ausschluss wandte sich die Antragstellerin mit einem Nachprüfungsverfahren.

Die Entscheidung

Ohne Erfolg! Die VK Rheinland-Pfalz stellt in ihrer Entscheidung maßgeblich auf einen Vergleich des Angebotsinhalts mit den Vergabeunterlagen ab. Da insoweit der Gerichtsstand nicht übereinstimmte, war ein Ausschluss zwingend, da somit die Vorgaben der Vergabeunterlagen geändert worden seien.

Der Zusatz auf dem Briefpapier sei auch Angebotsinhalt geworden. Eine Vergabestelle treffe die uneingeschränkte Pflicht, sämtliche Erklärungen eines Bieters in seinem Angebot – gleichermaßen zu seinen Gunsten oder zu seinen Ungunsten – zu würdigen.

Die VK sichert ihre Entscheidung durch eine Alternativüberlegung ab: Selbst wenn man mit einer Mindermeinung von einer Änderung der Vergabeunterlagen nur sprechen mag, wenn an den Unterlagen selbst durch Streichungen oder Hinzufügungen etwas geändert worden ist, so führt das zur Annahme eines Nebenangebotes. Da solche hier nicht zugelassen waren, wäre das Angebot daher auch dann auszuschließen gewesen, wenn man dieser Mindermeinung folgt.

Schließlich fand auch das Argument der Antragstellerin kein Gehör, wonach die ursprüngliche Einschätzung des Beratungsbüros ihr den Zuschlag sichere, kein Gehör. Die VK weist darauf hin, dass alle Entscheidungen im Vergabeverfahren von der Vergabestelle getroffen werden und nicht durch ihre Berater. Der Antragsgegner sei daher in jedem Stadium des Vergabeverfahrens befugt gewesen, die Fehleinschätzung des ursprünglich beauftragten Beratungsbüros entsprechend zu korrigieren.

2-Bauvergabetag-2018-Anmeldung

Rechtliche Würdigung

Der Entscheidung der Vergabekammer ist in vollem Umfang zuzustimmen. Ein Bieter, der ein gegenüber den Vorgaben in den Vergabeunterlagen abweichendes Angebot abgibt, ändert dadurch die Vergabeunterlagen oder gibt ein (hier nicht zugelassenes) Nebenangebot ab. Beides muss zum zwingenden Ausschluss des Angebots führen.

Insbesondere ist eine  Vergabestelle auch nicht an eine (falsche) Vorabinformation gebunden, da sie Fehler im Vergabeverfahren jederzeit korrigieren können, auch wenn der Fehler erst nach Einholung anwaltlichen Rats für sie erkennbar wird.

Praxistipp

Der Praxistipp ist heute kurz und wendet sich mit einer Bitte an alle Bieter: Liebe Bieter, bitte reichen nur und wirklich nur Unterlagen ein, die die Vergabestelle zwingend fordert. Das erleichtert nicht nur den Vergabestellen die Arbeit, sondern minimiert auch Ihr Risiko wegen abweichender Angaben gegenüber den Vergabeunterlagen mit ihrem Angebot ausgeschlossen zu werden. Also bitte keine Übersendungsschreiben oder Unterlagen, die nicht gefordert sind! Und bei Zweifeln bitte nachfragen!

Anmerkung:
Der Autor hat in dem Nachprüfungsverfahren den Antragsgegner vertreten.

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TVgG NRW – Weniger ist mehr!?

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Politik und MarktRecht

Das Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen ist, nachdem es 2012 eingeführt und Anfang 2017 novelliert wurde, erneut mit Wirkung vom 30. März reformiert worden (siehe: Vergabeblog.de vom 05/04/2018, Nr. 36726).

Stoßrichtung der Reform ist das Gesetz zu vereinfachen und zu entbürokratisieren. Dieses Ziel wurde verfolgt, indem die 18 Paragraphen des ursprünglichen Gesetzes sowie 14 Paragraphen der dazugehörigen Rechtsverordnung auf nunmehr lediglich vier (!) Gesetzesparagraphen reduziert wurden (Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen – TVgG NRW).

Inhaltlich regelt das Gesetz weiterhin wie seine Vorgänger die Gewährung von tarifvertraglichen Mindestarbeitsbedingungen und die Zahlung eines Mindestentgelts bei öffentlichen Aufträgen (§ 2 und § 3 TVgG NRW).

Eine Folge des Wegfalls zahlreicher Regelungen des Vorgängergesetzes ist indes, dass die im vorhergehenden Gesetz enthaltenen sogenannten strategischen Ziele nicht mehr zwingend vorgegeben sind. Die sozial- und umweltpolitischen Vorgaben, die namentlich die Einhaltung der ILO Kernarbeitsnormen, die Förderung von Frauen sowie spezifische Maßnahmen zur umweltfreundlichen und energieeffizienten Beschaffung vorgesehen haben, entfallen nunmehr, sofern sie nicht ohnehin im GWB oder der VgV vorgeschrieben sind oder durch den Auftraggeber im Einzelfall gefordert werden.

Damit wird die Erreichung der vorgenannten strategischen Ziele nicht mehr durch das Landesvergaberecht vorgegeben und im Unterschwellenrecht der Ausgestaltung durch die nordrhein-westfälischen öffentlichen Auftraggeber überlassen, die für jedes Verfahren entscheiden können, entsprechende Voraussetzungen an die Leistung oder an die Unternehmen festzulegen. Auch im Oberschwellenrecht führt die Novelle zu einer Deregulierung, wobei einzelne strategische Ziele hier durch bundesgesetzliche Regelungen vorgegeben werden (siehe etwa § 67 VgV; § 68 VgV; § 121 Abs. 2 GWB). Zentrale Punkte des Vorgängergesetzes zur Erleichterung der Nachweisführung, wie die Einführung eines Siegelsystems und des Bestbieterprinzips (wonach nur der obsiegende Bieter geforderte Nachweise vorlegen muss und nicht alle Bieter bereits bei Angebotsabgabe), entfallen.

Ebenso entfällt die im Vorgängergesetz vorgesehene Einrichtung einer Prüfbehörde für die Einhaltung der Tariftreue. Stattdessen wird die Kontrollmöglichkeit nunmehr auf die öffentlichen Auftraggeber verlagert (§ 2 Absatz 5 TVgG NRW).

Eine weitere praxisrelevante Neuerung der Novelle betrifft den Anwendungsbereich: das Gesetz gilt nunmehr einheitlich ab einem geschätzten Auftragswert von 25.000 € netto (§ 1 Absatz 5 TVgG NRW).

Im Ergebnis enthält das neue Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen folglich deutlich weniger Vorgaben als sein Vorgänger und soll damit – unter Inkaufnahme des Wegfalls von Vorgaben zu strategischen Zielen – zu einem niedrigeren Erfüllungsaufwand im Vergabeverfahren sowohl für die Bieter als auch für die Vergabestellen führen. Die Vergabestellen können praktisch nun auf die Einreichung von vorher zwingend vorgegebenen Formularen zu einzelnen strategischen Zielen verzichten und die Bieter müssen bei ihren Angeboten dementsprechend weniger ausfüllen. Ob der Wegfall dieser Vorgaben die Beschaffung insgesamt tatsächlich erleichtert, oder ob dieser Vorteil – wie Kritiker einwenden (Vergabeblog.de vom 27/03/2018, Nr. 36511) – aufgewogen wird, indem die öffentlichen Auftraggeber nunmehr für ihre Vergabestellen bei der Berücksichtigung von strategischen Zielen mangels gesetzlicher Vorgaben mit aufwändigeren individuellen Verfahrenslösungen werden rechnen müssen, wird die Praxis zeigen.

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UfAB 2018 auf dem 3. IT-Vergabetag in Berlin vorgestellt

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ITKPolitik und MarktRecht

Ufab2018Auf dem 3. IT-Vergabetag wurde am 26.04.2018 die neue UfAB 2018 von Herrn Felix Zimmermann, Abteilungsleiter Zentralstelle IT-Beschaffung (ZIB) beim Beschaffungsamt des BMI, in Berlin vorgestellt. Das Beschaffungsamt freue sich auf Rückmeldungen aus der Praxis und verstehe die neue UfAB als Handreichung, so Zimmermann. Pünktlich um 10 Uhr stand die neue UfAB 2018 zum Schluss seines Vortrages zum Download bereit.

Neuer Praxisleitfaden für den öffentlichen IT-Einkauf verfügbar

Die „Unterlage für Ausschreibung und Bewertung von IT-Leistungen“ (UfAB) ist vollständig überarbeitet worden. Die unter Federführung der Zentralstelle für IT-Beschaffung (ZIB) des Beschaffungsamts des Bundesministeriums des Innern neu entwickelte UfAB 2018 berücksichtigt die aktuelle Rechtslage nach der letzten großen Reform im Ober- und Unterschwellenbereich des Vergaberechts. Schwerpunkt der Darstellungen sind die Verfahrensarten im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB ), in der Vergabeverordnung (VgV ) und in der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO ). Darüber hinaus sind neue Erkenntnisse und Entwicklungen aus Praxis und Rechtsprechung der IT-Vergabe eingeflossen. Die bisherigen UfAB-Versionen sollten insofern nicht mehr angewandt werden.

Die UfAB ist ein Praxisleitfaden für die Durchführung von IT-Beschaffungen. Sie richtet sich direkt an die mit der Ausschreibung befassten IT-Beschaffer. Durch die Standardisierung der Ausschreibungspraxis unter Mitwirkung der Beschaffungsexperten des Beschaffungsamts des Bundesministeriums des Innern bietet sie die Grundlage für rechtskonforme, bedarfsgerechte und effiziente IT-Vergaben.

Die UfAB 2018 orientiert sich mit ihrer neuen Struktur an den wesentlichen Phasen des Beschaffungsablaufs:

  • Planung einer Beschaffung
  • Design einer Beschaffung
  • Durchführung eines Vergabeverfahrens

Neu ist darüber hinaus u.a. das Verfahren der Innovationspartnerschaft sowie eine grundsätzlich stärkere Vermittlung der Inhalte durch praxisgerechte Grafiken und Checklisten. Auch für die bietende IT-Wirtschaft ergeben sich durch die Vereinheitlichung wesentliche Erleichterungen bei der Angebotserstellung. Nicht zuletzt sollen durch die angestrebte Vereinheitlichung Verwaltungsaufwände reduziert und damit ein Beitrag zur Entbürokratisierung geleistet werden.

Die Veröffentlichung der neuen UfAB 2018 erfolgt auf der Webseite des Beauftragten der Bundesregierung für Informationstechnik, www.cio.bund.de.

Quelle: Beschaffungsamt des BMI

Hinweis der Redaktion
Dikussionen rund um das Thema zur Beschaffung von IT finden Sie im Deutschen Vergabenetzwerk (DVNW) in dem Fachausschuss ITK-Beschaffung.
Noch kein Mitglied? Die Mitgliedschaft im DVNW ist kostenlos. Zur Anmeldung gelangen Sie hier.

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Anwendungsbefehl für die EVB-IT zukünftig nun doch in den VV zu § 55 BHO

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ITKPolitik und MarktRecht

evb-itZum 01.09.2017 wurden die Verwaltungsvorschriften zu § 55 der Bundeshaushaltsordnung (VV BHO) geändert, um die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) in Kraft zu setzen. Entfallen ist die Regelung, dass für die Beschaffung von IT-Leistungen die EVB-IT anzuwenden sind. Dies wird nun korrigiert.

Mit Rundschreiben vom 25. April 2018 teilte das zuständige Bundesfinanzministerium mit, dass nach der Verwaltungsvorschrift Nr. 3 zu § 55 BHO eine weitere VV Nr. 4 zu § 55 BHO eingefügt werde. VV Nr. 4 zu § 55 BHO sieht in dessen Nr. 4.3 vor, dass für die Beschaffung von IT-Leistungen die “Ergänzenden Vertragsbedingungen für die Beschaffung von Informationstechnik” (EVB-IT) und die “Besonderen Vertragsbedingungen für die Beschaffung und den Betrieb von DV-Anlagen und –Geräten sowie von DV-Programmen” (BVB) anzuwenden sind. Zudem sind die Hinweise zu den EVB-IT zu berücksichtigen.

Die Änderung der VV zu § 55 BHO tritt am Tag nach der Veröffentlichung im Gemeinsamen Ministerialblatt in Kraft.

Eine Veröffentlichung im Gemeinsamen Ministerialblatt vom gestrigen Tage (Ausgabe 15/2018) ist noch nicht erfolgt. Der Umfang der kommenden Ausgabe (Nr. 16-21/2018) könnte darauf schließen lassen, dass eine Veröffentlichung am 4. Mai 2018 erfolgt.

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UVgO für Zuwendungsempfänger – VOL/A auf Bundesebene zukünftig auch im Zuwendungsrecht außer Kraft gesetzt

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Politik und MarktRechtUNBEDINGT LESEN!

UVgOBereits seit September 2017 wenden Bundesauftraggeber bei der Beschaffung im Unterschwellenbereich die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) an. Nicht betroffen waren bisher Zuwendungsempfänger, die gemäß Nr. 3.1 der ANBest-P weiterhin die VOL/A – 1. Abschnitt bei der Vergabe von Aufträgen an Dritte zu beachten hatten.

Mit Rundschreiben vom 25. April 2018 wurde nicht nur der Anwendungsbefehl für die EVB-IT in die Verwaltungsvorschriften zur Bundeshaushaltsordnung (VV BHO) eingefügt. Das das zuständige Bundesfinanzministerium teilte zudem mit, dass Nr. 3.1 der ANBest-P wie folgt neu gefasst wird:

„Wenn die Zuwendung oder bei Finanzierung durch mehrere Stellen der Gesamtbetrag der Zuwendung mehr als 100.000 Euro beträgt, sind anzuwenden

– für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen die Verfahrensordnung für die Vergabe öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsaufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte (Unterschwellenvergabeordnung – UVgO)

– für die Vergabe von Bauleistungen Teil A Abschnitt 1 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A).”

Die ANBest-P sind vom Zuwendungsgeber bei der Projektförderung unverändert zum Bestandteil des Zuwendungsbescheides zu machen (VV Nr. 5.1 zu § 44 BHO).

Die Änderung der VV zu § 44 BHO tritt am Tag nach der Veröffentlichung im Gemeinsamen Ministerialblatt in Kraft.

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VK Südbayern: Es fehlt das erforderliche Mindestmaß an Konkretisierung (Beschl. v. 03.01.2018 – Z-3-3-3194-1-46-08/17)

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Liefer- & DienstleistungenRecht

Auftraggeber dürfen auch in Verhandlungsverfahren nicht zu viel offen lassen.

Nicht immer sind sich Auftraggeber sicher, ob sie ihre Wunschbedingungen zu einem vernünftigen Preis am Markt durchsetzen können. Auch ist ihnen öfter nicht ganz klar, in welchem Umfang sie selbst eine Leistung zukünftig in Anspruch nehmen werden. Wer die Auftragsbedingungen allerdings zu offen hält, geht vergaberechtliche Risiken ein! Das gilt selbst im Verhandlungsverfahren, wie eine Entscheidung der Vergabekammer Südbayern zeigt. Die gute Nachricht: für viele Probleme gibt es im Einzelfall vergaberechtlich zulässige Lösungen.
§ 17 Abs. 10 Satz 2, § 52 Abs. 2 Nr. 5 VgV

Leitsatz

  1. Auch im Verhandlungsverfahren muss mit der Bekanntmachung und damit erst recht in der Verhandlungsphase das Grundgerüst des zu vergebenden Auftrags stehen und entsprechende Mindestanforderungen aufgestellt sein. Dazu zählen jedenfalls die vorgesehenen Vertragspartner und der etwaige Umfang des Auftrags.
  2. Eine Bestimmung, wesentliche Vertragsbestandteile erst nach Zuschlag zu verhandeln, stellt einen schwerwiegenden Vergabeverstoß dar.

 

Sachverhalt

Im entschiedenen Fall schrieb ein Auftraggeber Versicherungsleistungen im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb aus.

Die Vergabebestimmungen stellten dabei unter anderem klar, dass die als solches gekennzeichneten, zwingend einzuhaltenden Mindestbedingungen im Laufe des Verfahrens auch noch zu bloßen Soll-Anforderungen geändert werden könnten, soweit sie für die Bieter nicht akzeptabel seien. Der Auftraggeber behielt sich bei entsprechendem Bieterhinweis eine Prüfung und eventuelle Änderung vor.

Die Einhaltung von Soll-Anforderungen durch das angebotene Versicherungskonzept war zwar nicht zwingend, sollte aber in der Angebotswertung berücksichtigt werden. Für die schon bislang vorgesehenen Soll-Anforderungen war ein Gewicht von 30% vorgesehen. Die Vergabebestimmungen erläuterten, dass im Fall einer nachträglichen Änderung der Soll-Anforderungen auch eine dementsprechende Änderung der Zuschlagskriterien möglich sei.

Erst nach Abschluss der Verhandlungen sollten die Bieter die entsprechend den Verhandlungsergebnissen finalisierten und endgültig geltenden Bestimmungen zu Mindestanforderungen und Zuschlagskriterien erhalten.

Der Auftraggeber behielt sich überdies vor, bis zur finalen Angebotsrunde weitere Versicherungsnehmer, Mitversicherte, sowie versicherte Risiken und Objekte zu benennen. Nach Vertragsschluss war insoweit zudem auch eine dem Auftraggeber mögliche, jährliche Anpassung vorgesehen.

Ein Bieter sah sich durch die Unbestimmtheit der Vergabebedingungen an der Angebotserstellung gehindert und reichte Nachprüfungsantrag ein.

Die Entscheidung

Letztlich mit Erfolg!

Die Vergabekammer Südbayern entschied, dass weder das erforderliche Mindestmaß an Konkretisierung des Auftrags, noch die Wahrung der Identität der zu beschaffenden Leistung gewährleistet seien. Der Auftraggeber habe de facto die gesamten Vergabeunterlagen zur Disposition gestellt. Auch aus dem Gebot der vollständigen Bereitstellung der Vergabeunterlagen gemäß § 41 Abs.1 VgV leitete die Vergabekammer das Gebot ab, den Bietern bereits bei der Bekanntmachung in inhaltlicher Hinsicht das Grundgerüst der zu beschaffenden Leistung und insbesondere entsprechende Mindestanforderungen mitzuteilen, die dann auch nicht verhandelbar sein dürften. Dass die geltenden Mindestanforderungen zum Zeitpunkt der Angebotsaufforderung noch nicht feststanden und auch die Versicherungsnehmer, Mitversicherte, Risiken und Objekte auftraggeberseitig noch geändert werden konnten, sei daher vergaberechtswidrig.

Gegen das Verbot, über Mindestanforderungen und Zuschlagskriterien zu verhandeln, habe der Auftraggeber indes nicht verstoßen. Er habe nämlich noch gar keine Mindestanforderungen aufgestellt und die Zuschlagskriterien auch noch nicht geändert.

Ebenso wenig verstoße der Verzicht auf die Bekanntgabe von Mindestanforderungen gegen das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung. Bei Verhandlungsverfahren müsse die Leistungsbeschreibung nämlich erst bei der Aufforderung zur Abgabe des finalen Angebots eindeutig und erschöpfend sein.

Nur die nach Vertragsschluss vorgesehene, jährliche Aktualisierung der Liste der Versicherungsnehmer und objekte verstoße zusätzlich auch gegen das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung.

Rechtliche Würdigung

Die rechtliche Begründung der Vergabekammer Südbayern mag zwar fragwürdig sein. Denn es wird bis zuletzt nicht so recht deutlich, auf welche Norm sich die Vergabekammer eigentlich stützt. Der Verweis auf ein fehlendes Mindestmaß an Konkretisierung hört sich zwar nach einem Hinweis auf das Gebot einer eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung an. Dieses Gebot sieht die Vergabekammer indes ausdrücklich nicht als tangiert an. Eine Anknüpfung an § 41 Abs. 1 VgV scheint jedenfalls eher fern liegend, denn diese Norm regelt die Form der bereit zu stellenden Vergabeunterlagen, nicht deren Inhalt.

Im Ergebnis trifft es aber natürlich zu, dass ein Auftraggeber keine Verhandlungen über Mindestanforderungen aufnehmen darf, indem er diese den Bietern für deren Erstangebote zur Disposition stellt. Das regelt § 17 Abs. 10 VgV für Verhandlungsverfahren sehr klar. Insoweit überrascht die konstruierte Argumentation der Vergabekammer doch etwas. Nicht zu verwechseln ist übrigens der Aufruf zum unzulässigen Verhandeln über Mindestanforderungen mit einer ggf. erforderlichen, nachträglichen Korrektur der Vergabeunterlagen unter Rückversetzung des Verfahrens. Solche Korrekturen können auch Mindestanforderungen betreffen und unter bestimmten Voraussetzungen durchaus zulässig sein.

Praxistipp

Auftraggeber sollten sich in erster Linie im Vorfeld einer Ausschreibung Klarheit darüber verschaffen, in welchem Umfang sie wirklich zwingende Mindestanforderungen festlegen wollen und können. Dabei kann insbesondere eine gut aufgesetzte Markterkundung sehr hilfreich sein, die ggf. zugleich auch den Markt für eine anstehende Ausschreibung sensibilisieren kann. Eine spätere nachträgliche Korrektur der Vergabeunterlagen sollte indes nur im Notfall erfolgen sie kostet meist viel Zeit und Aufwand.

Bei Unsicherheiten über die beste Lösung für die konkreten Bedürfnisse des Auftraggebers kann zuweilen auch ein wettbewerblicher Dialog ein gutes Verfahren sein dies gilt zumindest dann, wenn die Bieter kein echtes Knowhow einbringen müssen.

Vorsicht ist indes bei allzu vagen Vertragsinhalten geboten! Selbst bei einer Ausgestaltung als Rahmenvertrag muss klar genug geregelt sein, welche Auftragnehmer und Leistungen unter welchen Voraussetzungen umfasst sind. Insbesondere gilt das für Erweiterungsoptionen. Denn wenn diese zu unbestimmt sind, können weitere Leistungen möglicherweise nicht ohne neues Vergabeverfahren abgerufen werden. Hier droht anderenfalls eine Einordnung als unzulässige de facto-Vergabe, welche die Unwirksamkeit des Vertrags zur Folge haben kann.

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Schüler darf bei den Kriterien zur Vergabe der Bewirtschaftung einer Schulkantine nicht mitbestimmen (VG Frankfurt a.M., Beschl. v. 02.05.2018 – 1 L 1672/18.F)

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Liefer- & DienstleistungenRecht

Der Antragsteller, ein Schüler der IGS Nordend hatte sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren dagegen gewandt, dass die Antragsgegnerin, die Stadt Frankfurt am Main, eine Konzession zur Bewirtschaftung der Schulkantine an der IGS Nordend neu vergeben will, ohne neue weitere Kriterien aufzustellen, bei denen die Interessen der Schülerinnen und Schüler berücksichtigt und/oder von den Stadtverordneten der Stadt Frankfurt/Main beschlossen werden.

Mit Beschluss der 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 02. Mai 2018 hat diese den Antrag abgelehnt.

Der Antragsteller habe kein subjektivöffentliches Recht als Schüler der IGS Nordend geltend machen können, das durch die mögliche Vergabe der Konzession zum Betrieb der Mensa durch die Firma Sodexo verletzt sein könnte. Derartige Rechte ergäben sich nicht aus dem Hessischen Schulgesetz. Eine rechtliche Grundlage dafür, dass ein Schüler an der Erstellung der Vergabekriterien für die Kantinenkonzession seiner Schule zu beteiligen sei, sei nicht ersichtlich.
Sämtliche schulrechtliche Vorschriften, die der Antragsteller zur Begründung seines Eilrechtschutzbegehrens angeführt habe, könnten dies nicht begründen. Der gesetzlich festgeschrieben Bildungs- und Erziehungsauftrag vermag keine drittschützende Rechtsposition des Antragsstellers als Einzelschüler zu begründen. Die Vorschrift des § 15 b Abs. 1 Hessisches Schulgesetz, auf die der Antragsteller sich beruft, ermächtige nur das Land, und je nach Vertretungsbefugnis die Schulaufsichtsbehörde oder die Schule selbst, zur Unterrichtsversorgung Verträge mit Personaldienstleistern über den Einsatz von externen Kräften für die Unterrichtsversorgung zu schließen.

Auch aus dem Schulkonzept der IGS Nordend in Verbindung mit dem Hessischen Schulgesetz könne kein individuelles Recht des Schülers herzuleiten sein, bestimmte Vergabekriterien für die Vergabe des Mensa-Essens zu erstellen.

Das Gericht hat weiterhin dargelegt, dass weder das Grundgesetz noch die Hessische Verfassung und auch nicht die UN-Kinderrechtskonventionen dem Antragsteller eine entsprechende Individualrechtsposition einräumten, deren Verletzung er geltend machen könnte. Auch sei nicht ersichtlich, in wieweit die Vergabe der Konzessionen für die Schulkantine, die der Antragsteller zudem nicht zu besuchen verpflichtet ist, das Wahlrecht der Eltern zwischen verschiedenen Schul- und Bildungsformen beeinträchtigen könnte.

Der Antragsteller könne sich auch nicht auf die Vorschriften der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) berufen – er rügt insoweit die Nichtbefassung der Stadtverordnetenversammlung mit der Ausarbeitung der Vergabekriterien -, weil diese für den Schüler keine drittschützende Wirkung entfalteten.

Das Gericht weist am Rand darauf hin, dass dem Erlass einer einstweiligen Anordnung das Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsache entgegenstünde. Durch die von dem Antragsteller angestrebte Untersagung der Konzessionsvergabe vor Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens, würden bereits Rechtspositionen eingeräumt, die dem Rechtsschutzziel einer Klage im Hauptsacheverfahren, die im übrigen bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht erhoben worden ist, entsprächen. Eine derartige Regelung sei aber nicht schlechterdings notwendig; die zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller seien auch nicht unzumutbar.

Gegen die Entscheidung ist die Einlegung der Beschwerde an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel möglich.

Quelle: Pressestelle des VG Frankfurt a. M.

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Die Festlegung und Prüfung der Eignung im Vergabeverfahren (Teil 2)

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Liefer- & DienstleistungenRecht

In Teil 1 dieser Serie können Sie ausführlich nachlesen, was der Auftraggeber alles bei der Festlegung der Eignungskriterien zu beachten hat. Dieser Teil 2 befasst sich nun mit der Prüfung der Unterlagen, die auf Grundlage der zuvor festgelegten Eignungskriterien von den Unternehmen eingereicht wurden und der Auswahl der Unternehmen. Teil 3 wird sich dann den Ausschlussgründen der §§ 123 und 124 GWB und der Selbstreinigung nach § 125 GWB widmen. In Teil 4 wird sodann die Eignung von am Vergabeverfahren beteiligten Dritten, wie etwa Unterauftragnehmern und Eignungsverleihern beleuchten.

Prüfung der Eignung

Im Gesetz heißt es, dass der öffentliche Auftraggeber die Eignung der Unternehmen anhand der festgelegten Eignungskriterien überprüft und gegebenenfalls Unternehmen vom Vergabeverfahren ausschließt (siehe etwa § 42 VgV und § 31 Abs. 1 UVgO). Soweit die Unternehmen den Nachweis der Eignung durch die Teilnahme an einem Präqualifizierungssystem erbringen können, genügen für die Feststellung der Eignung, die Angaben zur Präqualifizierung. Sonst prüft der Auftraggeber die von den Unternehmen eingereichten Erklärungen und Unterlagen, ob dadurch nachgewiesen werden kann, dass die festgelegten Eignungskriterien erfüllt werden. Die Nachweisführung kann auch durch eine EEE erfolgen (siehe dazu Teil 1). Die von den Unternehmen vorgelegten Unterlagen werden den vom Auftraggeber festgelegten Eignungskriterien gegenübergestellt.

Praxistipp: Der öffentliche Auftraggeber erleichtert sich die Prüfung und den Unternehmen die Nachweisführung der Eignung, wenn er die Vergabeunterlagen so vorbereitet, dass diese die Unternehmen beim Ausfüllen „führen“ und der sofortige Abgleich mit den festgelegten Eignungskriterien ermöglicht wird. Häufig wird dazu ein durch die Unternehmen auszufüllender „Unternehmerbogen“ o.ä. vom Auftraggeber erstellt, anstatt einer Vielzahl an einzelnen Unterlagen gefordert.

Den Rahmen der Eignungsprüfung hat der Auftraggeber durch die Festlegung der Eignungskriterien im Vorhinein abgesteckt, siehe § 48 Abs. 1 VgV. Er darf nach Öffnung der Teilnahmeanträge bzw. Angebote diesen Rahmen auch nicht mehr nachträglich ändern oder verschärfen.

Zertifizierungen

Häufig verlangen Auftraggeber Unterlagen zum Beleg von Maßnahmen zur Qualitätssicherung. Eine entsprechende Festlegung ist auch zulässig, siehe etwa § 46 Abs. 3 Nr. 3 VgV. In Zusammenschau mit § 49 Abs. 1 VgV ergibt sich, dass der Auftraggeber sich auch Bescheinigungen unabhängiger Stellen, d.h. eine Zertifizierung, vorlegen lassen kann, wenn ein sachlicher Grund für das Absehen von einer Eigenerklärung (nicht bei VOB/A erforderlich!) vorliegt und die Festlegung angemessen ist. Beispiel: Beleg durch Vorlage eines Zertifikats nach ISO 27001. Im Oberschwellenbereich darf dadurch jedoch kein Unternehmen außerhalb von Deutschland diskriminiert werden. Die Bescheinigung muss sich daher auf ein Qualitätssicherungssystem beziehen, das – vereinfacht gesagt – EU-weit harmonisiert ist. Fehlt es an einer solchen Harmonisierung, so „muss der öffentliche Auftraggeber auch andere Unterlagen über gleichwertige Qualitätssicherungssysteme anerkennen, sofern der Bewerber oder Bieter nachweist, dass die vorgeschlagenen Qualitätssicherungsmaßnahmen den geforderten Qualitätssicherungsnormen entsprechen.“ (§ 49 Abs. 1 Satz 2 VgV). Eine „Zertifizierung nach ISO 27001 auf der Basis von IT-Grundschutz“ wird nur vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie oder von einem von diesem zertifizierten Dienstleistern erteilt. „Cyber-Security“ ist (noch) nicht EU-weit harmonisiert. Daher muss der Auftraggeber auch einen gleichwertigen Beleg zulassen. Ähnliche Erwägungen sind bei der Forderung von DIN-Normen anzustellen, die nicht gleichzeitig auch in der EU harmonisiert sind. Folgendes Beispiel dazu aus „Verwendung von DIN-Normen bei der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge, Ein DIN Praxisleitfaden, Christoph Busch, Oliver Dörr, Hans Schulte-Nölke“: „Die bloße Anforderung „Zertifizierung DIN 77200“ in einer Ausschreibung von Wach- und Sicherungsdienstleistungen ist vergaberechtswidrig. Zulässig ist dagegen die Anforderung „Zertifizierung DIN 77200 oder gleichwertig“.

Im Oberschwellenbereich finden sich ebenfalls ähnliche Sondervorschriften für den Beleg der Einhaltung von Umweltmanagementmaßnahmen, vgl. § 49 Abs. 2 VgV.

Aufklärung und Nachforderung von Erklärungen und Nachweisen

Sollte der Auftraggeber Rückfragen an die Unternehmen zu den eingereichten Unterlagen haben, kann er diese auffordern, diese zu erläutern, § 48 Abs. 7 VgV. Unterlage ist dabei der Oberbegriff für Nachweise und Erklärungen. Bei einer solchen Aufklärung sind die Grundsätze der Dokumentation zu beachten. Eine mündliche Erläuterung wird hier in der Regel auszuschließen sein, da diese die Teilnahmeanträge oder die Angebote betrifft, vgl. § 7 Abs. 2 UVgO.

Fehlen hingegen Unterlagen oder sind diese nicht vollständig ausgefüllt, so kann der Auftraggeber diese nachfordern. Wortlautidentisch heißt es in § 41 Abs. 2 UVgO und § 56 Abs. 2 VgV:

„Der öffentliche Auftraggeber kann den Bewerber oder Bieter unter Einhaltung der Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung auffordern, fehlende, unvollständige oder fehlerhafte unternehmensbezogene Unterlagen, insbesondere Eigenerklärungen, Angaben, Bescheinigungen oder sonstige Nachweise, nachzureichen, zu vervollständigen oder zu korrigieren, oder fehlende oder unvollständige leistungsbezogene Unterlagen nachzureichen oder zu vervollständigen. Der öffentliche Auftraggeber ist berechtigt, in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen festzulegen, dass er keine Unterlagen nachfordern wird.“

Eine Nachforderung von „leistungsbezogenen Unterlagen“ ist nach § 41 Abs. 3 UVgO und § 56 Abs. 3 VgV allerdings unzulässig, wenn – wie eigentlich nahezu immer – diese die Wirtschaftlichkeitsbewertung betreffen. Für Unterlagen, die die Eignung betreffen, folgt daraus im Umkehrschluss, dass solche stets nachgefordert werden können.

Voraussetzungen für ein Nachfordern ist zunächst, dass es sich um eine „unternehmensbezogene Unterlage“ handelt. Aus dem Zusatz „insbesondere Eigenerklärungen, Angaben, Bescheinigungen oder sonstige Nachweise“ folgt ein sehr weiter Anwendungsbereich. Dem Begriff der Unterlage unterfallen damit sämtliche Nachweise und Erklärungen, die zum Beleg der Eignung eingereicht werden. Eine Ausnahme dazu ist nicht erkennbar. Diese Unterlage muss „fehlen“ oder „unvollständig“ sein. Eine Unterlage fehlt, wenn sie vollständig nicht eingereicht wurde. Dem Fehlen gleich zu stellen ist eine zwar eingereichte Unterlage, bei der aber die geforderte Unterschrift fehlt. Reicht beispielsweise ein Bewerber eine geforderte Verpflichtungserklärung eines Nachunternehmers ein, diese ist aber nicht vom Nachunternehmer unterschrieben, so „fehlt“ die Verpflichtungserklärung und kann nachgefordert werden.

Nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut ist auch eine „Vervollständigung“ und „Korrektur“ der Unterlagen zulässig. Umstritten ist, ob damit nur formelle Inhalte gemeint sind (so die wohl herrschende Meinung, siehe hierzu Wagner in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl. 2016, § 56 VgV, m.w.N.) oder auch eine inhaltliche Nachbesserung möglich ist. Bei der Eignung geht es um den Beleg vorhandener Tatsachen. Besteht eine eignungsrelevante Tatsache, wird jedoch vom Bewerber / Bieter vergessen, diese vollständig mitzuteilen oder aber wird diese (versehentlich) unrichtig mitgeteilt, dann muss eine Korrektur möglich sein. Teilt etwa ein Bewerber wie verlangt seine Gesamtumsatzzahlen der letzten drei Jahre mit, vergisst aber die Zahlen in Bezug auf den Ausschreibungsgegenstand mitzuteilen, dann muss eine Nachreichung möglich sein, auch wenn dies letztlich eine „inhaltliche Nachbesserung“ darstellt. Denn hätte der Bewerber gar keine Umsatzzahlen eingereicht, dann wäre eine Nachforderung auch nach der strengen Auffassung möglich, andernfalls würde die Korrekturvariante der Nachforderungsmöglichkeit auch völlig ins Leere laufen.

Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen, ist aus meiner Sicht ein weiter Anwendungsmaßstab zu ziehen. Andernfalls führte dies auch wieder zur Rechtslage nach VOL/A, von der der Gesetzgeber gerade abrücken wollte. Mögliche Unverträglichkeiten mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz sind im Rahmen des Ermessens zu prüfen, d.h. auf der Rechtsfolgenseite.

Auf der Rechtsfolgenseite ist eine Nachforderung in das Ermessen des Auftraggebers gestellt („kann“). Hier ist § 40 des Verwaltungsverfahrensgesetzes entsprechend heranzuziehen, der lautet: „Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.“

Es hat folglich eine Entscheidung nach „pflichtgemäßen Ermessen“ zu erfolgen. Um zu prüfen, ob dabei ein Ermessensfehler unterlaufen ist, ist zunächst zu fragen, was überhaupt der Zweck der Nachforderungsmöglichkeit ist. Die Gesetzesmaterialen schweigen zu dieser Frage. Meines Erachtens dürften zwei Zwecke enthalten sein, die in einem Spannungsverhältnis miteinander stehen: Zum einen der Wettbewerbsgrundsatz: Die Nachforderungsmöglichkeit hilft dabei, dass mehrere Angebote im Wettbewerb verbleiben und erhöht somit die Chance auf ein möglichst wirtschaftliches Angebot. Der Umstand, dass der Gesetzgeber die Nachforderung nicht als verpflichtend ansieht und sogar deren Verzicht zulässt, offenbart als weiteren Zweck, dass der öffentliche Auftraggeber von der Prüfung entlastet und das Vergabeverfahren somit erleichtert werden soll. Dies setzt jedoch eine pflichtgemäße, d.h. ermessenfehlerfeie Entscheidung des Auftraggebers voraus. Nach der Ermessensfehlerlehre liegt ein Ermessensfehler bei Ermessensausfall, Ermessensüberschreitung oder Ermessensfehlgebrauch vor.

Ein Ermessensausfall wäre beispielsweise zu bejahen, wenn der Auftraggeber nicht erkannt hat, dass er ein Ermessen besitzt und dieses somit nicht ausübt. Meines Erachtens sollte sich daher in der Vergabedokumentation die Überlegung des Auftraggebers zur Nachforderung wiederfinden, sobald eine Unterlage fehlt, die nachgefordert werden könnte.

Häufiger dürfte sich die Frage des Ermessensfehlgebrauchs stellen. Dies ist etwa der Fall, wenn der Auftraggeber zweck- oder sachfremde Erwägung anstellt. Bsp.: Der öffentliche Auftraggeber fordert nicht nach, da er mit einer Person im Unternehmen in einem anderen Projekt schlechte Erfahrung gemacht hatte.

Ein Ermessensfehler liegt aber auch vor, wenn der Auftraggeber im Rahmen der Ermessensausübung die geschützten Belange (wie etwa den Wettbewerbs- und Gleichbehandlungsgrundsatz) erkannt, diese aber in einem fehlerhaften Rangverhältnis zueinander gesetzt hat. Beispiel: Kein Ermessensfehler ist es, wenn der Auftraggeber bei nur zwei Angeboten, bei einem Angebot eine Erklärung deshalb nicht nachfordert, da er bereits jetzt sieht, dass das Angebot wegen des hohen Preises keine Chance auf den Zuschlag hätte. Eine Nachforderung würde daher unnötige Arbeit (auf beiden Seiten!) im Vergabeverfahren bedeuten. Wenn das Angebot allerdings eine echte Zuschlagschance hätte, dann schlüge das Pendel in Richtung Wettbewerb und es wäre ermessensfehlerhaft, nicht nachzufordern.

Ein Ermessensfehler läge auch vor, wenn durch die Handlung des Auftraggebers der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt würde. Es ist in der Regel zulässig, wenn der Auftraggeber die Nachforderung auf diejenigen Bewerber oder Bieter beschränkt, deren Teilnahmeanträge oder Angebote in die engere Wahl kommen. Er ist indes nicht verpflichtet, von allen Bietern oder Bewerbern gleichermaßen Unterlagen nachzufordern (so ausdrücklich die Gesetzesbegründung). Wird ein Bewerber bzw. Bieter wegen einer fehlenden Unterlage ausgeschlossen, so kann er versuchen gegenüber dem Auftraggeber einen vergaberechtswidrigen Angebotsausschluss zu rügen. Die Rüge ist darauf zu stützen, dass der Auftraggeber einen Ermessensfehler begangen hat. Im Fall der Nichtabhilfe durch den Auftraggeber könnte im Oberschwellenbereich auf einen Nachprüfungsantrag die Vergabekammer um Prüfung der Entscheidung des Auftraggebers angerufen werden. Die Vergabekammer wird daraufhin prüfen, ob die Entscheidung des Auftraggebers ermessensfehlerhaft erfolgte. Ob die Entscheidung zweckmäßig war, prüft die Vergabekammer indes nicht.

Praxishinweis: Öffentliche Auftraggeber sollten aufgrund der nicht leichten rechtlichen Handhabung der § 41 Abs. 2 UVgO und § 56 Abs. 2 VgV stets von ihrem Nachforderungsrecht Gebrauch machen, es sei denn, dass ein Angebot offensichtlich keine Zuschlagschance hätte. Die Ermessensausübung ist zu dokumentieren.

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Anders als noch nach alter Gesetzeslage ist es nun möglich, dass der Auftraggeber von vornherein festlegt, dass er keine Unterlagen nachfordern werde. Haushaltsrechtlich und wettbewerblich erscheint diese Möglichkeit bedenklich; aber da sie vom Gesetz ausdrücklich erlaubt ist und zur freien Wahl des Auftraggebers steht („ist berechtigt“), darf deren Ausübung rechtlich nicht beanstandet werden, selbst wenn dies dazu führt, dass nur noch ein Angebot im Wettbewerb verbleibt. Da derzeit Unternehmen aber ohnehin eher verhalten sind, was ihre Beteiligung an öffentlichen Ausschreibungen anbelangt, machen öffentliche Auftraggeber von der Möglichkeit kaum Gebrauch. Es bietet sich an, intern in Verwaltungsvorschriften festzulegen, dass von der Möglichkeit nur in bestimmten Fällen Gebrauch gemacht werden darf, etwa bei Standardbeschaffungen im Massengeschäft.

Praxishinweis: Öffentlichen Auftraggebern ist davon abzuraten, in den Vergabeunterlagen von vorneherein festzulegen, dass Bewerber/Bieter vergessene Unterlegen und Erklärungen nicht nachreichen dürfen.

Frist zur Nachforderung

Nach § 56 Abs. 4 VgV bzw. § 41 Abs. 4 UVgO sind die Unterlagen vom Bewerber oder Bieter nach Aufforderung durch den öffentlichen Auftraggeber innerhalb einer von diesem festzulegenden angemessenen, nach dem Kalender bestimmten Frist vorzulegen. Die Angemessenheit richtet sich nach der Art der nachzufordernden Unterlage. Handelt es sich um eine Unterlage, die normalerweise „in der Schublade“ liegen sollte, so kann eine Frist von nur zwei Arbeitstagen ausreichend sein. Mit Blick auf die §§ 16a, 16a EU VOB/A ist eine Frist von 6 Kalendertagen stets angemessen. Innerhalb „einer“ Frist ist als bestimmter Artikel zu lesen, d.h., dass eine Nachforderung nur einmal möglich ist. Gelingt es dem Bewerber nicht innerhalb der festgelegten Frist die Unterlage nachzureichen, so ist er auszuschließen, siehe auch § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV. Freilich kann der Auftraggeber die Frist vor ihrem Ablauf auch noch angemessen verlängern. Eine Verlängerung, die insgesamt einen Zeitraum von einer Woche überschreitet, dürfte selbst jedoch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Eine zu kurze Frist kann durch den Bieter gerügt werden. Ein Ausschluss wäre zudem vergaberechtswidrig, wenn dieser nach einer unangemessen kurzen Frist erfolgte.

Form der Nachreichung

Das Gesetz enthält keine Hinweise zur Form der Nachreichung. Es gilt daher die allgemeine Vorschrift des § 7 UVgO bzw. § 9 VgV. Nach deren Absatz 2 kann die Kommunikation in einem Vergabeverfahren mündlich erfolgen, wenn sie nicht die Vergabeunterlagen, die Teilnahmeanträge, die Interessensbestätigungen oder die Angebote betrifft und wenn sie ausreichend und in geeigneter Weise dokumentiert wird. Eine Nachforderung wird in aller Regel die Teilnahmeanträge oder Angebote betreffen, so dass eine mündliche Nachbesserung nicht möglich ist. Es gilt dann Absatz 1, d.h. die Kommunikation muss über elektronische Mittel erfolgen, deren Anforderungen sich wiederum aus §§ 11 und 12 VgV ergeben. Im Unterschwellenbereich können hier freilich (noch) Ausnahmen vorgesehen werden, siehe etwa § 38 UVgO, so dass ggfs. eine Nachreichung auch per Telefax erfolgen kann. Hat der Auftraggeber einen Kommunikationsweg gewählt, dann darf er für die Nachreichung jedenfalls keinen anderen und erst recht keinen schwierigeren Kommunikationsweg vorgeben.

Hinweis
Dieser Beitrag ist der erste Teil der Serie: Eignungsprüfung. Weitere Informationen finden Sie auf der Serienseite hier.

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Keine Zweckmäßigkeitskontrolle bei Hilfsmittelausschreibungen gesetzlicher Krankenkassen (VK Bund, Beschl. v. 03.03.2018 – VK 2-24/18)

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Gesundheits- & SozialwesenRecht

Nach § 127 Abs. 1 Satz 1 GWB können Krankenkassen, soweit dies zur Gewährleistung einer wirtschaftlichen und in der Qualität gesicherten Versorgung zweckmäßig ist, Verträge über Hilfsmittelversorgungen ausschreiben. § 127 Abs. 1 Satz 6 SGB V bestimmt, dass bei Versorgungen mit hohem Dienstleistungsanteil Ausschreibungen nicht zweckmäßig sind. Eine aktuelle Entscheidung der Vergabekammer Bund (Beschluss v. 3. April 2018 VK 2 24/18) befasst sich mit dem Verhältnis zwischen den vergaberechtlichen und den sozialrechtlichen Regelungen bei Hilfsmittelausschreibungen gesetzlicher Krankenkassen.

§ 127 Abs. 1 SGB V

Leitsatz (nicht amtlich)

Die Entscheidung einer gesetzlichen Krankenkasse für eine Hilfsmittelausschreibung unterliegt oberhalb der EU-Schwellenwerte keiner Zweckmäßigkeitskontrolle gemäß § 127 Abs. 1 Satz 1 SGB V.

Sachverhalt

Eine gesetzliche Krankenkasse schreibt den Abschluss von Rahmenvereinbarungen nach § 127 Abs. 1 SGB V mit bis zu drei Bietern über eine Versorgung ihrer Versicherten mit Hilfsmitteln (Geräte, Zubehör, Verbrauchsmaterialien und begleitenden Dienstleistungen) EU-weit im Offenen Verfahren aus. Die streitgegenständliche Versorgung erfolgt im Allgemeinen im Anschluss an einen stationären Aufenthalt des Versicherten, bei dem dieser durch den behandelnden Krankenhausarzt bereits im Krankenhaus auf ein konkretes Produkt eingestellt wurde und dasselbe Produkt zwingend zur Weiterversorgung im ambulanten Bereich eingesetzt werden muss. Die Ausschreibung ist daher als Portfolio-Ausschreibung gestaltet, bei der der Auftragnehmer das im Krankenhaus vom behandelnden Arzt ausgewählte und an die Bedürfnisse des Versicherten angepasste Gerät zu liefern hat.

Der Antragsteller beanstandet u.a., dass die Krankenkasse bei der Entscheidung über die Zweckmäßigkeit der Ausschreibung nach § 127 Abs. 1 Satz 1 und Satz 6 SGB V den hohen Dienstleistungsanteil der Versorgung nicht berücksichtigt habe. Zudem würde die von der Krankenkasse aufgestellte Wertungsmatrix gegen § 127 Abs. 1b Satz 3 SGB V verstoßen, weil nicht sichergestellt sei, dass qualitative Aspekte zu mindestens 50 Prozent in die Zuschlagsentscheidung einfließen.

Die Entscheidung

Die Vergabekammer weist den Nachprüfungsantrag zurück. Oberhalb der EU-Schwellenwerte, d.h. im Anwendungsbereich des GWB-Vergaberechts, bleibe kein Raum für Zweckmäßigkeitserwägungen in Bezug auf die Durchführung einer Ausschreibung. Auch ein Verstoß gegen § 127 Abs. 1b Satz 3 SGB V liege nicht vor, da in den Vergabeunterlagen sowohl eine Preis- als auch eine Qualitätsbewertung hinsichtlich der begleitenden Nachsorgedienstleistungen festgelegt worden sei. In der Leistungsbeschreibung seien zudem bereits hohe qualitative Mindestanforderungen festgelegt worden. Ferner sei zu berücksichtigen, dass bei der streitgegenständlichen Portfolio-Ausschreibung aufgrund der Produktauswahl durch den Krankenhausarzt auf der Produktebene kein Qualitätswettbewerb eröffnet sei.

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung liegt auf der Linie der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf. Mit Beschluss vom 21. Dezember 2016 (Verg 26/16) hatte das Oberlandesgericht festgestellt, dass § 127 Abs. 1 SGB V durch das EU-Vergaberecht überlagert wird. Oberhalb der EU-Schwellenwerte müssen Hilfsmittelbeschaffungen von gesetzlichen Krankenkassen daher so die Worte des Vergabesenats ohne Wenn und Aber gemäß dem Vergaberechtsregime des Vierten Teils des GWB und den EU-Vergaberichtlinien ausgeschrieben werden. Die Durchführung einer Hilfsmittelausschreibung darf insoweit nicht von Zweckmäßigkeitserwägungen abhängig gemacht werden. Der Gesetzgeber hat diese Ausschreibungspflicht durch die mit dem Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz vom 4. April 2017 in § 127 Abs. 1 Satz 7 SGB eingefügte Regelung klargestellt.

Wie eine weitere aktuelle Entscheidung des SG Reutlingen (Beschluss vom 28.12.2017 S 1 KR 2858/17 ER) zeigt, scheitern Unternehmen auch vor den Sozialgerichten mit dem Einwand der fehlenden Zweckmäßigkeit einer Hilfsmittelausschreibung. Das SG Reutlingen sah sich bereits als unzuständig an, da nach §§ 69 Abs. 3 SGB, 155 GWB die Vergabe von öffentlichen Aufträgen der Nachprüfung durch die Vergabekammern unterliege.

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Praxistipp

Im Oberschwellenbereich müssen Krankenkassen ihren Bedarf an Hilfsmitteln und begleitenden Dienstleistungen grundsätzlich durch Ausschreibungen decken. Alternativ können sie sich für ein ebenfalls vergaberechtskonformes Open-House-Modell entscheiden (EuGH, Urteil v. 2. Juni 2016 C-410/14 Dr. Falk Pharma). Im Falle einer Ausschreibung kann die angemessene Berücksichtigung qualitativer Aspekte i.S.d. § 127 Abs. 1b Satz 3 SGB V sowohl in der Leistungsbeschreibung als auch im Rahmen der Zuschlagskriterien und deren Gewichtung erfolgen. Trotz der speziellen sozialrechtlichen Vorgaben bleibt den Krankenkassen auch bei Ausschreibungen für Hilfsmittelversorgungen damit Spielraum, die Beschaffung entsprechend ihren Anforderungen an die Versorgung der Versicherten zu gestalten. Angreifbar sind die Festlegungen einer Krankenkasse aber z.B. dann, wenn diese den allgemeinen vergaberechtlichen Grundsätzen nicht genügen, insbesondere die Leistungsanforderungen und Bewertungsvorgaben nicht hinreichend bestimmt und transparent ausgestaltet sind.

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NRW: UVgO soll diese Woche in Kraft gesetzt werden

Zuschlagsentscheidung: Gilt das „Brutto“ oder das „Netto“?

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Liefer- & DienstleistungenRecht

In EU-weiten Vergabeverfahren kommt immer wieder die Fragestellung auf, ob in preislicher Hinsicht der Bruttoangebotspreis, oder doch zur Vermeidung einer möglichen Diskriminierung von ausländischen Bietern, der Nettoangebotspreis zu berücksichtigen ist. Dabei erscheint eigentlich als lange geklärt, dass die Auftraggeber Bruttopreise bewerten, da die Umsatzsteuer in der Regel mangels Vorsteuerabzugsberechtigung eine „echte“ Ausgabe darstellt.

Zusammenfassung

  1. Grundsätzlich dürfen Auftraggeber die Bruttoangebotspreise der preislichen Bewertung zugrunde legen.
  2. Kommt in einem Vergabeverfahren die Beteiligung von Unternehmen mit Sitz im europäischen Ausland in Betracht, sollten Auftraggeber grundsätzlich prüfen, ob sie die Angabe von Nettoangebotspreise von den Bietern fordern und diese der Preiswertung zugrunde legen.
  3. Unter Beachtung des Transparenzgebots können Bieter jedoch aufgefordert werden, in ihren Angeboten Bewertungspreise anzugeben, die sich aus dem vom Auftraggeber an den Auftragnehmer zu zahlenden Nettoangebotspreis und der zu entrichtenden Mehrwert- oder Einfuhrumsatzsteuer, unabhängig der jeweils eintretenden Steuerschuldnerschaft, zusammensetzen:

Bewertungspreis = Angebotsnettopreis + (Einfuhr-/)Umsatzsteuer ohne Rücksicht auf die Steuerschuldnerschaft.

I. Einleitung

Aufgrund der fehlenden Anspruchsberechtigung zum Vorsteuerabzug stellen sich viele öffentliche Auftraggeber die Frage (siehe auch DVNW – Fachausschuss UVgO, Thema: „Zuschlag auf den Brutto- oder Nettopreis“), ob in Vergabeverfahren die Bruttoangebotspreise der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zugeführt werden dürfen, oder ob hierdurch Unternehmen, die ihren Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat haben und ggf. mit einem höheren als dem derzeit in Deutschland geltenden 19-prozentigen Regelumsatzsteuersatz anbieten müssen, diskriminiert werden.1

Zur Beantwortung dieser Problemstellung ist jedoch zunächst zu ermitteln, ob und falls ja, mit welchem Steuersatz Unternehmen aus dem europäischen Ausland zur Erhebung der Umsatzsteuer im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr verpflichtet sind. Ergibt sich hieraus keine Abweichung zu national anbietenden Unternehmen, scheidet eine Diskriminierung aufgrund der Herkunft des Unternehmens bereits von vornherein aus.

II. Umsatzsteuerrechtliches Grundkonzept des UStG2

In Deutschland ist durch ein im Inland ansässiges Unternehmen grundsätzlich eine Umsatzsteuer in Höhe von 19 Prozent zu erheben, § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG. Steuerschuldner ist das Unternehmen. Dieses muss die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen.

Werden Lieferungen oder sonstige Leistungen von einem Unternehmen aus dem europäischen Ausland nach oder in Deutschland erbracht, gilt (vereinfacht)3 das folgende Modell:

1. Verkauf von Waren aus dem EU-Ausland

a. an Unternehmen

Beim Verkauf von Waren an ein in Deutschland ansässiges Unternehmen wird keine Umsatzsteuer erhoben, sofern der Kunde eine gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer hat.

b. an Verbraucher

Beim Verkauf von Waren an Verbraucher in Deutschland muss das ausländische Unternehmen sich in Deutschland registrieren lassen und die Umsatzsteuer zu dem in Deutschland geltenden Satz erheben, sofern der jährliche Gesamtumsatz des verkaufenden Unternehmens in Deutschland 100.000 Euro übersteigt.

2. „Verkauf“ von sonstigen Leistungen (insb. Dienstleistungen) aus dem EU-Ausland

a. an Unternehmen

Grundsätzlich berechnet das dienstleistende Unternehmen keine Umsatzsteuer. Die Umsatzsteuer wird von dem Auftraggeber unter Umkehrung der Steuerschuld in Höhe des deutschen Umsatzsteuersatzes abgeführt.

b. an Verbraucher

Grundsätzlich ist die Umsatzsteuer von dem Diensterbringer in Höhe des für ihn geltenden Umsatzsteuersatzes dem Auftraggeber in Rechnung zu stellen.

3. Fallbeispiele

Dies soll anhand der folgenden Fallbeispiele verdeutlicht werden:

a. Computer aus Frankreich

Der öffentliche Auftraggeber, dem eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt worden ist, kauft bei einem in Frankreich sitzenden Unternehmen Computer zu einem Preis von 250.000 EUR und lässt sich diese von dem Unternehmen liefern.

Es handelt sich hierbei um einen innergemeinschaftlichen Erwerb nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 UstG. Der Erwerb von Computern ist nicht von der Umsatzsteuer nach § 4b UStG befreit. Steuerschuldner ist gemäß § 13a Abs. 1 Nr. 2 UstG der Erwerber. Das französische Unternehmen wird für die Lieferung keine Umsatzsteuer ausweisen. Die 250.000 EUR stellen den Rechnungsendbetrag dar. Aufgrund der Steuerschuldumkehr trägt der öffentliche Auftraggeber die Umsatzsteuerlast in Höhe von 19 Prozent. Die Qualifikation als innergemeinschaftlicher Erwerb entfällt auch nicht nach § 1a Abs. 1 Nr. 1 lit. d) UStG, da der Erwerber im Wege der erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer auf die Anwendung der Ausnahme verzichtet hat, § 1a Abs. 4 Satz 2 UstG.

b. Grafikgestaltungen aus den Niederlanden

Der öffentliche Auftraggeber bestellt bei einem niederländischen Grafikbüro die Erstellung eines Designs zu einem Preis von 100.000 Euro.

Ort der Leistung ist gemäß § 3a Abs. 2 Satz 3 UStG der Ort, an dem der Empfänger „sein Unternehmen betreibt“. Hier der Sitz des Auftraggebers in Deutschland. Die Gegenausnahme nach § 3a Abs. 3 Nr.  3 lit. a) UStG, wonach Ort der Leistung bei künstlerischen Leistungen der Ort ist, an dem die Leistungen vom Unternehmer tatsächlich erbracht werden, trifft nicht zu, da der Empfänger eine nicht unternehmerisch tätige juristische Person ist, der eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt worden ist.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG wäre nun grundsätzlich das Grafikbüro Steuerschuldner gemäß § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG. Gemäß § 13b Abs. 5 Satz 1 UStG wird die Steuerschuldnerschaft jedoch umgekehrt. Für im Inland steuerpflichte Leistungen schuldet der Leistungsempfänger die Steuer; hier der öffentliche Auftraggeber. Das niederländische Grafikbüro wird auf seiner Rechnung keine Umsatzsteuer ausweisen.

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4. Vergaberechtliche Folge

Der Auftraggeber möchte der Angebotsbewertung freilich den Angebotspreis zugrunde legen, den er am Ende des Tages auch bezahlen muss.

In der vergaberechtlichen Nachprüfung wurde daher auch zu Recht angenommen, dass die Bewertung des Angebotspreises aufgrund des Bruttoangebotspreises erfolgen kann, wenn der Auftraggeber nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. In diesem Fall sind für die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes für den Auftraggeber die Bruttoangebotspreise relevant, da eine etwa zu entrichtende Umsatzsteuer nicht lediglich einen durchlaufenden Posten darstellt, sondern tatsächlich die Kosten des Auftrags erhöht.4

a. Wertungsschwierigkeiten

Die Bewertung der Bruttoendpreise führt jedoch zu dem folgenden Problem:

Fragen öffentliche Auftraggeber im EU-weiten Wettbewerb Bruttoangebotspreise ab, werden ausländische Unternehmen „Brutto wie Netto“ anbieten. Bei Geschäften, die einen innergemeinschaftlichen Erwerb darstellen, kehrt sich – s.o. – die Steuerschuld, sodass der Bieter keine Umsatzsteuer ausweisen wird.

Das scheinbar günstigste Bruttoangebot kann sich daher im Nachhinein als das teuerste herausstellen, wenn es von einem ausländischen Unternehmen abgegeben wurde, und die Steuerschuldnerschaft aufgrund von § 13b UStG auf den Auftraggeber übergegangen ist. Dies soll anhand der folgenden Fallbeispiele verdeutlicht werden.

b. Fallbeispiel mit Bieterbeteiligung aus dem EU-Ausland

Der öffentliche Auftraggeber schreibt in einem EU-weiten offenen Verfahren die Lieferung von Computern zu einem geschätzten Auftragswert ohne Umsatzsteuer (s. § 3 Abs. 1 VgV!) von 250.000 EUR aus. Bezuschlagt werden soll das Angebot mit dem geringsten Bruttoangebotspreis, wobei die Vergabeunterlagen keine weiteren Ausführungen zu dem anzubietenden „Bruttoangebotspreis“ enthalten.

Zum Ablauf der Angebotsfrist gehen drei Angebote ein:

Angebot 1

Niederländisches Unternehmen:

Netto: 230.000 €

Brutto: 230.000 €

Hinweis: „VAT due to the recipient”

Angebot 2

Deutsches Unternehmen:

Netto: 210.000 €

Brutto: 249.900 €

Hinweis: Brutto enthält 19 % MwSt.

Angebot 3

Französisches Unternehmen:

Netto: 249.000 €

Brutto: 296.310 €

Hinweis: Brutto enthält 19 % MwSt.

Bei der Angebotsbewertung erkennt der Auftraggeber, dass das niederländische Unternehmen keine Umsatzsteuer angegeben hat. Im Wege der Angebotsaufklärung verweist das niederländische Unternehmen auf das sog. Reverse-Charge Verfahren des § 13b UStG, worauf es in seinem Angebot auch hingewiesen hat, und verbleibt bei der Ansicht, dass sein Bruttoangebotspreis seinem Nettoangebotspreis entspricht, da die Steuerschuld auf den Auftraggeber übergeht.

Die Auffassung des niederländischen Unternehmens trifft zu. Aufgrund der Umkehr der Steuerschuldnerschaft ist die vom Auftraggeber geschuldete Umsatzsteuer kein Angebotsteil des niederländischen Unternehmens.5 Die VK Bund stellte hierzu jüngst sogar klar, dass in diesem Fall die Angabe von 19% Umsatzsteuer durch den Bieter sogar „falsch gewesen“ wäre.6

Daraufhin untersucht der Auftraggeber das mit Umsatzsteuer ausgewiesene Angebot des französischen Unternehmens. Dabei stellt er aufgrund von § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG fest, dass derjenige, der in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), den ausgewiesenen Betrag schuldet. Eine Änderung des Angebots kommt zudem nicht mehr in Betracht, § 56 Abs. 3 Satz 1 VgV.

Da die Vergabeunterlagen keine Hinweise zur Berechnung des Brutto-Angebotspreises enthalten, ist der Zuschlag auf das Angebot des niederländischen Unternehmens zu erteilen.7 Die Umsatzsteuer in Höhe von 19 Prozent sind vom Auftraggeber zu tragen. Die Beschaffung kostet den Auftraggeber schließlich 273.700 Euro.

b. Fallbeispiel mit steuerbegünstigter Bieterbeteiligung

Der Auftraggeber schreibt Grafikleistungen deutschlandweit zu einem geschätzten Auftragswert ohne Umsatzsteuer von 100.000 EUR aus. Bezuschlagt werden soll das Angebot mit dem geringsten Bruttoangebotspreis, wobei die Vergabeunterlagen keine weiteren Ausführungen zu dem anzubietenden „Bruttoangebotspreis“ enthalten.

Zum Ablauf der Angebotsfrist gehen drei Angebote ein:

Angebot 1

Deutsches Unternehmen

Netto: 84.000 €

Brutto: 99.960 €

Hinweis: Brutto enthält 19% MwSt.

Angebot 2

Deutsches Unternehmen:

Netto: 90.000 €

Brutto: 107.100 €

Hinweis: Brutto enthält 19% MwSt.

Angebot 3

Deutsches Unternehmen:

Netto: 97.000 €

Brutto: 97.000 €

Hinweis: „Unsere Leistungen sind Umsatzsteuerbefreit.

Bei der Angebotsbewertung erkennt der Auftraggeber, dass im Angebot 3 keine Umsatzsteuer ausgewiesen wird. Im Wege der Angebotsaufklärung legt das Unternehmen nachvollziehbar dar, dass es beihilferechtskonform von der Erhebung der Umsatzsteuer befreit wurde. Der Zuschlag auf das Angebot 3 kann erfolgen. Der Auftraggeber ist zum Vorsteuerabzug nicht berechtigt und trifft seine Auswahlentscheidung daher aufgrund der angebotenen Brutto-Angebotspreise. Auch ist der Auftraggeber nicht verpflichtet, „wirtschaftliche Vorteile“ eines Bieters zu neutralisieren, die außerhalb des Vergaberechts begründet wurden“8.

5. Fazit

Die Fallbeispiele verdeutlichen, dass es für den Auftraggeber in Vergabeverfahren ein Risiko darstellen kann, den Zuschlag aufgrund des günstigsten Bruttoangebotspreises zu erteilen, soweit weitere Hinweise zum Begriff des Bruttoangebotspreises nicht den Vergabeunterlagen entnommen werden können.

Die Vergabekammer Bund konnte in ihrem jüngst entschiedenen Fall die Berücksichtigung der Umsatzsteuer damit rechtfertigen, dass die Auftraggeberin „die Möglichkeit einer Berücksichtigung der Umsatzsteuer bei im Ausland ansässigen Bietern im Rahmen der Wertung (…) – wenn auch nicht ganz explizit – in ihren Vergabeunterlagen angelegt hat, indem sie in den Vergabeunterlagen den Hinweis auf die besonderen umsatzsteuerrechtlichen Regelungen für den innergemeinschaftlichen Erwerb gegeben hat.“

Ob diese „versteckte“ Verfahrensvorgabe den Transparenzanforderungen des §§ 127 Abs. 5, 97 Abs. 1 GWB genügt, wird von der Kammer nicht weiter beleuchtet, da der Bieter in der mündlichen Verhandlung erklärte, dass er nicht davon ausging, dass sein Angebot ohne Umsatzsteuer zur Wertung gelangen würde.

Wie der Fall entschieden worden wäre, wenn der Bieter erklärt hätte, dass er davon ausgegangen ist, dass sein Angebotspreis, wie angeboten, und mithin ohne Umsatzsteuer bewertet würde, ist offen. Es erscheint jedoch vertretbar, dass bei eintretender Steuerschuldumkehr eine Nachprüfung des Verfahrens zu dem Ergebnis kommen kann, dass ausländischen Bietern nicht entgegenhalten werden darf, sie haben den Bruttoangebotspreis fehlerhaft berechnet.

Bieter werden nur die Kostenteile in ihren Bruttoangebotspreis einkalkulieren, die auch tatsächlich von ihnen zu tragen und daher vom Auftraggeber im Auftragsfall zu vergüten sind. Hierfür spricht, dass die Vergabeunterlagen so auszulegen sind, wie sie ein verständiger Bieter versteht. Ist der Bieter aufgrund der Steuerschuldumkehr oder sonstiger Steuerbefreiungen nicht zur Erhebung der Umsatzsteuer verpflichtet, wird er seinen Bruttoangebotspreis auch nicht um die von ihm nicht geschuldete Umsatzsteuer ergänzen (vgl. Fallbeispiel 2).

Eine Abänderung durch den Auftraggeber, ohne dass er ein solches Vorgehen in den Vergabeunterlagen transparent gemacht hat, dürfte im Falle der Forderung von Bruttoangebotspreisen abzulehnen sein. Stille Angebotspreisänderungen durch den Auftraggeber sind mit dem Gebot einer transparenten Verfahrensgestaltung nicht vereinbar.

Hierauf weist auch die Nr. 5.2.2 der aktualisierten Fassung der UfAB 2018 (Unterlage für Ausschreibung und Bewertung von IT-Leistungen) grundsätzlich zurecht hin:

„Der Auftraggeber muss in den Vorgaben zur Bestimmung des Angebotspreises eine Festlegung zur Frage treffen, ob der Preis als Nettopreis (also exklusive der zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe geltenden gesetzlichen Umsatzsteuer) oder als Bruttopreis (also inklusive der zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe geltenden gesetzlichen Umsatzsteuer) anzugeben ist.“

Eine Abfrage nur des Nettopreises ohne Angaben zum geltenden Umsatzsteuersatz wird von der UfAB 2018 nicht empfehlen, da „dann eine Feststellung des Bruttopreises nicht zweifelsfrei möglich ist“.

Zur Vermeidung dieses Risikos sollte in den Vergabeunterlagen bei einer gewünschten Bewertung der Bruttoangebotspreis ergänzend klargestellt werden, dass von den Bietern ein Bewertungspreis anzugeben ist, der neben dem vom Auftraggeber an den Bieter zu zahlenden Nettoangebotspreis auch die vom Auftraggeber zu tragende Umsatzsteuer und zwar unabhängig der jeweils bestehenden persönlichen Steuerschuld erfasst.

Im Hinblick auf die revidierte Entscheidungspraxis der Nachprüfungsinstanzen zum Transparenzerfordernis im Hinblick auf die Bewertungsmethode (ausgehend von EuGH, Urt. v. 14.07.2016 – C-6/15 – „Dimarso“) ist die Abfrage von Nettoangebotspreisen und eine Zusetzung der Umsatzsteuer durch den öffentlichen Auftraggeber jedoch nicht denkbar.

Dies setzte nämlich voraus, dass der Auftraggeber mit sämtlichen Angeboten so verfährt. Dies würde jedoch politisch, durch Befreiung oder Reduzierung des Umsatzsteuersatzes, gewünschte Wettbewerbsvorteile zunichtemachen.


[1] Dieser Beitrag unternimmt keine Prüfung des nationalen noch des europäischen Umsatzsteuerrechts.

[2] Umsatzsteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Februar 2005 (BGBl. I S. 386), das zuletzt durch Artikel 15 des Gesetzes vom 10. März 2017 (BGBl. I S. 420) geändert worden ist, abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/ustg_1980/ . Zur Vereinheitlichung wird im vorliegenden Vermerk ausschließlich der Begriff „Umsatzsteuer“ verwendet.

[3] Bitte beachten Sie, dass es sich hierbei nur um eine generalisierte Übersicht handelt. Das deutsche und das europäische Umsatzsteuerrecht ist vielschichtig und einer Vielzahl von Ausnahmen zugänglich.

[4] vgl. jüngst VK Bund, Beschl. v. 18. September 2017, VK 2-94/17, sowie Beschl. v. 9. Juli 2010, VK 2 – 59/10, Rn. 51 juris, Beschl. v. 7. März 2008, VK 2 – 13/08, Rn. 55 juris, so auch Wiedemann in Kulartz/Kus et al., § 58 VgV, Rn. 89.

[5] Für eine Abänderungspflicht durch Ergänzung der Umsatzsteuer nach entsprechender Aufklärung: Begenisic/Fritz VergR 2016, 32, 34.

[6] VK 2-94/17, a.a.O.

[7] A.A.: ibid.

[8] VK Bund, Beschl. v. 7. März 2008, Az. VK 2 – 13/08, Rn. 61, juris mit Verweis auf OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26. Juli 2002, Az. Verg 22/02.

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DVNW-Akademie: Die öffentliche Auftragsvergabe im Unterschwellenbereich – Vom Praktiker für Praktiker – Seminar am 19. September in Hamburg

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Recht

DVNW_Akademie_SeminarÖffentliche Auftragsvergaben sind gesamtwirtschaftlich bedeutsam. Bei mehr als 90 % dieser Auftragsvergaben handelt es sich um Verfahren, deren Auftragswert unterhalb des EU-weit geltenden Auftragsschwellenwerts liegt. Jedoch scheitern immer wieder zu viele Vergabeverfahren an vermeidbaren Defiziten. Aus dem Ruder laufende Kosten, Leistungsdefizite, unzureichende Leistungsbeschreibungen, formale Vergaberechtsfehler und so weiter – es gibt viele Gründe für ein unbefriedigendes Ergebnis von Vergabeverfahren. Besonders schmerzlich für alle diejenigen die in ihren Genuss kommen, ist die Rückforderung von Fördermitteln aufgrund von „groben Vergabefehlern“.

Vergabeverfahren sind Produkte menschlicher Arbeit und so hängt der Erfolg entscheidend von der Professionalität der involvierten Mitarbeiter/-innen ab. Zur Zielgruppe des Seminars zählen daher Mitarbeiter/-innen von Vergabestellen und Einkaufsabteilungen sowohl der öffentlichen Hand als auch privatwirtschaftlicher Unternehmen sowie Personen aus den Zuwendungs- und Prüfungsbereichen. Das Seminar ist besonders empfehlenswert für Einsteiger/-innen, da Vorkenntnisse nicht erforderlich sind. Aber auch für die Auffrischung von bestehendem Wissen, insbesondere wegen der neuen rechtlichen Anforderungen der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO), ist das Seminar empfehlenswert.

Dieses Seminar soll die Teilnehmer/-innen soweit mit der Materie vertraut machen, dass sie Fehlerquellen erkennen lernen und einen sicheren Umgang, mit den zur Verfügung stehenden rechtlichen und fachlichen Mitteln bekommen.

Unser Referent ist der erfahrene Vergabepraktiker Herr Joachim-E. Warbek. Als ehemaliger Leiter der Zentralen Submissionsstelle der Region Hannover hat Herr Warbek umfassende Erfahrungen auf allen Ebenen des öffentlichen Vergabewesens. Weitere Informationen und Anmeldung.

Hinweis
Bei einer Buchung bis zum 16.06.2018 sparen Sie 60,00 Euro exkl. MwSt. auf den Normalpreis.

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Die preisrechtliche Gestaltungsfreiheit bei Privatisierungsmaßnahmen des öffentlichen Auftraggebers (VG Düsseldorf, Urt. v. 22.10.2014 – 16 K 645/14)

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Recht

EntscheidungDas Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte einen Fall zu entscheiden, bei dem es preisrechtlich u.a. darum ging, ob ein öffentlicher Auftraggeber i. S. d. § 2 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53 durch „geschickte“ Privatisierungskonstruktionen das Preisrecht umgehen kann.

Geklagt hatte ein Gebührenschuldner gegen seinen Abfallgebührenbescheid. Er machte geltend, die Berechnung der Gebühren sei rechtswidrig, weil u.a. die beklagte Kommune die Gründung zweier neuer Gesellschaften veranlasst habe, um dem Preisrecht zu entgehen, wodurch eine korrekte Berechnung des Fremdleistungsanteils im Gebührenbescheid nicht habe erfolgen können.

Sachverhalt

In die Berechnung der Abfallgebühren flossen Kosten für Verbrennung als Fremdleistungen ein. Die Verbrennung erfolgte durch die H. GmbH, an der die Beklagte über die T. GmbH beteiligt war. Bis 2013 beauftragte die Beklagte die H. GmbH unmittelbar mit der Verbrennung. Dieser (Fremdleistungs-) Auftrag unterlag den Bestimmungen der VO PR Nr. 30/53.

Im Zuge einer Neustrukturierung erfolgte die Gründung der H. GmbH & Co. KG. Diese wurde von der Beklagten ab 2014 mit der Verbrennung beauftragt. Die H. GmbH & Co. KG ihrerseits wiederum beauftragte die H. GmbH mit der Verbrennung.

Vertraglich wurde zwischen der Beklagten sowie der H. GmbH und der H. GmbH & Co.KG vereinbart, dass die H. GmbH & Co. KG in die Verpflichtungen (insbesondere zur Müllverbrennung) der H. GmbH eintritt. Die H. GmbH sollte jedoch weiterhin ggü. der Beklagten „solidarisch“ für alle Verpflichtungen der H. GmbH & Co. KG haften. Hintergrund dieser Vereinbarung war insbesondere ein vergaberechtlicher. Es sollte nämlich durch die Umstrukturierung keine Ausschreibungspflicht der Verbrennungsleistung ausgelöst werden. Gleichzeitig sollte jedoch durch die Zwischenschaltung der H. GmbH & Co. KG als „neuer privater Auftraggeber“ der Verbrennungsleistungen die Geltung der VO PR Nr. 30/53 vermieden werden.

Entscheidung des Gerichts

Hierzu hat das VG Düsseldorf wie folgt entschieden:

  • Dem öffentlichen Auftraggeber ist bei der Gestaltung seiner Privatisierungsmaßnahmen ein Spielraum einzuräumen.
  • Liegt kein unmittelbarer öffentlicher Auftrag nach der VO PR Nr. 30/53 vor, sondern eine Unterbeauftragung, so gilt die VO PR Nr. 30/53 nur, wenn der öffentliche Auftraggeber (in diesem Fall die Beklagte) die Geltung der VO PR Nr. 30/53 verlangt und der Auftragnehmer (hier ab 2014: H. GmbH & Co. KG) dieses Verlangen an den Unterauftragnehmer (ab 2014 die H. GmbH) weitergibt.
  • Die Ausdehnung des Preisrechts auf Unteraufträge in den Fällen, in denen ein Verlangen des öffentlichen Auftraggebers nicht erfolgt, aus haushaltsrechtlichen oder allgemeinen Grundsätzen geht über den Regelungsgehalt des § 2 Abs. 4 VO PR Nr. 30/53 hinaus und ist abzulehnen.

Diesen grundsätzlichen Aussagen des Verwaltungsgerichtes ist aus preisrechtlicher Sicht uneingeschränkt zuzustimmen. Das VG Düsseldorf ist hier jedoch nicht stehengeblieben, sondern hat das Problem weiter aufgeschlüsselt und erkannt, dass die Neustrukturierung bewusst in einer Art gestaltet wurde, die einerseits eine Ausschreibungspflicht der Verbrennungsleistung vermeiden und andererseits die Anwendung des Preisrechts unmöglich machen sollte.

Zunächst stellte das Verwaltungsgericht fest, dass Fremdleistungen dem Grunde nach gebührenrechtlich ansatzfähige Kosten sind. Dies seien aber nur solche Kosten, die nach Vorschriften des öffentlichen Preisrechts gefordert und angenommen werden dürfen und deren Bemessung dem Äquivalenzprinzip entspricht. Zwar komme bei fehlendem Verlangen des öffentlichen Auftraggebers eine Ausdehnung des Preisrechts aus den genannten Gründen auf den Unterauftrag nicht in Betracht, allerdings bedürfe es im vorliegenden Falle gar keiner Ausdehnung:

Die H. GmbH werde nach den vertraglichen Vereinbarungen in fortwirkender Erfüllung eigener Rechtspflichten ggü. der Beklagten tätig. Insbesondere sei sie in einer „solidarischen“ Haftung sämtlicher vertraglicher Pflichten aus der Vereinbarung zwischen der Beklagten und der H. GmbH & Co. KG. Hieraus ergebe sich keine wesentliche Veränderung des ursprünglichen Vertragsverhältnisses mit der H. GmbH, sondern es liege – in Anlehnung der EuGH-Rechtsprechung zur vergaberechtlichen „Inhouse-Problematik“ – lediglich eine interne Neuorganisation des Vertragspartners vor. Die Identität des Auftrages sei – was auch die Absicht der Vertragspartner war – nicht infrage gestellt. Dies wirke sich auch bei der Beurteilung der Frage aus, ob die Beteiligten eine Bindung an das Preisrecht auflösen könnten.

  •  „Wird der vollständige Auftrag en bloc an eine 100-prozentige Tochter – oder wie hier die Mutter – des unmittelbaren Auftragnehmers weitergereicht und haftet diese als bisherige Auftragnehmerin vollständig für die gesamte Leistung, ist sie weder aus der Leistungsbeziehung vollständig ausgeschieden noch bedarf es der Ausdehnung preisrechtlicher Vorgaben auf sie als Dritte.
  • Bleibt die Identität des Auftragsverhältnisses erhalten, gilt auch die preisrechtliche Bindung fort.“
  • In diesem Fall sei nicht die Anwendung des Preisrechtsrechts rechtfertigungsbedürftig sondern dessen Dispens.

Das Verwaltungsgericht ging sogar noch einen Schritt weiter, indem es feststellte, dass selbst im Falle eines eigenständigen mittelbaren Auftrages die Beklagte hier zu einer Berücksichtigung der von der mittelbaren Auftragnehmerin (H. GmbH) in Rechnung gestellten (Fremdleistungs-) Kosten nur im Rahmen des Preisrechts befugt gewesen wäre.

Die Bindung des Preisrechts liefe leer, wenn bereits die vertragliche „Zwischenschaltung“ eines eigens zu diesem Zweck gegründeten Rechtssubjekts ausreichen würde, den öffentlichen Auftraggeber in den Stand zu versetzen, sich von der bestehenden Bindung zu lösen und nicht preisrechtskonforme Kosten zu akzeptieren. Dies führe zur Funktionslosigkeit des Preisrechts und ließe sich mit dem Sinn und Zweck der Regelung nicht mehr vereinbaren.

Schließlich setzte sich das Verwaltungsgericht noch mit der Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit auseinander und folgerte, wenn die zivilrechtliche Umgestaltung des Auftragsverhältnisses allein der vorsorglichen Lösung von Bindungen des Preisrechts dient, stellt dies einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten dar, der dazu führt, dass die vereinbarten Kosten jedenfalls nicht in frei vereinbarter Höhe als Entgelte für die in Anspruch genommene Fremdleistung in die Gebührenrechnung einbezogen werden können.

2-Bauvergabetag-2018-Anmeldung

Fazit

Zwar sind die Gestaltungsspielräume öffentlicher Auftraggeber in Bezug auf Privatisierungsmaßnahmen unbestritten, sie dürfen aber nicht mit dem Ziel vorgenommen werden, sich von rechtlichen Bindungen lösen zu wollen. Dies wog vorliegend besonders schwer, weil die Absicht auf dem Rücken der Gebührenzahler verwirklicht werden sollte.

Die Entscheidung macht deutlich, dass dem Preisrecht bei öffentlichen Aufträgen nicht nur beim allgemeinen öffentlichen Einkauf sondern auch im Bereich des öffentlichen Gebührenwesens eine besondere Funktion (Referenzfunktion) zukommt. Öffentlichen Auftraggebern ist die Beachtung des Preisrechts deshalb uneingeschränkt zu empfehlen.

Die Aussagen des Verwaltungsgerichts zu der Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit schließlich erscheinen wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung auf öffentliche Vertragsverhältnisse außerhalb von öffentlichen Unternehmensstrukturen, übertragbar.

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Leitlinie für innovative Beschaffung der EU Kommission

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Politik und MarktRecht

Zur Förderung von Innovationen hat die EU Kommission mit ihrer Mitteilung C(2018) 3051 final eine Leitlinie für innovative Beschaffung herausgegeben. Ziel ist es, öffentliche Beschaffer zur Beschaffung innovativer Lösungen zu ermutigen.

Die Leitlinie liegt bisher nur in englischer Sprache vor und kann aus dem Dokumentenraum der EU Kommission heruntergeladen werden. Die Leitlinie enthält best-practice-Beispiele und will Anreize für neue Beschaffungswege geben.

Pressemitteilung der Kommission:

In the context of the Renewed Agenda for Research and Innovation presented today as input to the upcoming leaders‘ agenda meeting in Sofia, the Commission has published guidance to encourage public buyers of goods and services to use public procurement as a tool to stimulate innovation.

„Public authorities in the EU spend nearly 14% of GDP purchasing services and products. If spent strategically on innovative solutions, public procurement can contribute to higher quality and sustainable public service and lead to economic and social benefits. It creates demand for new ideas and innovative start-ups to emerge and grow. We are here to assist the Member States that choose to do so”, said Commissioner for the Internal Market, Industry, Entrepreneurship and SMEs, Elżbieta Bieńkowska.

A greater shift to strategic public procurement is a choice for Member States, but it is also a very strong tool supporting our shared objectives such as research and innovation. EU public procurement legislation was modernised in 2014 and the Commission put forward in October 2017 an initiative to carry out procurement more efficiently and in a modern and sustainable manner.

The guidance complements these efforts. It contains good-practice examples on reducing administrative burden, adjusting selection criteria, mobilising innovation brokers and designing an SME-friendly payment scheme to better attract innovators to public procurement. Alternative public procurement procedures can specifically cater for innovation (for example competitive dialogues, design contests or innovation partnerships) and have been bundled in a flexible toolbox to inspire new approaches.

Quelle: EU Kommission

Hinweis der Redaktion
Im Deutschen Vergabenetzwerk wurde ein eigener Fachausschuss zum Thema „Innovative Beschaffung“ eingerichtet. Möchten Sie Fragen zu diesem Thema diskutieren?
Zudem finden Sie interessante und lehrreiche Diskussion im Mitgliederbereich des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW). Noch kein Mitglied? Zur kostenlosen Mitgliedschaft geht es hier.

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NRW: UVgO – Alles Neu macht der Mai

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Liefer- & DienstleistungenPolitik und MarktRecht

Neufassung der VV zu § 55 LHO wird voraussichtlich am 29.05.2018 im Ministerialblatt NRW veröffentlicht. Die VV zu § 55 LHO werden am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft treten. Gleichzeitig wird für die Landesbehörden am 30.05.2018 die Unterschwellenvergabeordnung in Kraft treten.

Beachten Sie zur Einführung der Unterschwellenvergabeordnung auch unsere aktuellen Seminarangebote der DVNW Akademie.

DVNW_Akademie_Seminar

Die UVgO – Reform des Vergaberechts unterhalb der Schwellenwerte am 21.08.2018 und 13.11.2018 in Berlin

Fundiertes Wissen mit praktischen Tipps für die rechtssichere und erfolgreiche Durchführung von Vergabeverfahren gemäß der UVgO werden vermittelt. Unsere erfahrenen Referenten sind Herr Dr. Oskar Maria Geitel, Fachanwalt für Vergaberecht bei Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB und Herr Leif-Holden Dimitriadis, Jurist im Einkauf bei der BIM Berliner Immobilienmanagement GmbH. Das Dozentenduo, bestehend aus einem erfahrenden Juristen der anwaltlichen Praxis und einem Juristen als Vertreter der öffentlichen Hand, steht für Kompetenz in Theorie und Praxis.

Weitere Informationen und Anmeldung.

DVNW_Akademie_Seminar

Die öffentliche Auftragsvergabe im Unterschwellenbereich – Vom Praktiker für Praktiker am 19.09.2018 in Hamburg

Zur Zielgruppe des Seminars zählen Mitarbeiter/-innen von Vergabestellen und Einkaufsabteilungen sowohl der öffentlichen Hand als auch privatwirtschaftlicher Unternehmen sowie Personen aus den Zuwendungs- und Prüfungsbereichen. Das Seminar ist besonders empfehlenswert für Einsteiger/-innen, da Vorkenntnisse nicht erforderlich sind. Aber auch für die Auffrischung von bestehendem Wissen, insbesondere wegen der neuen rechtlichen Anforderungen der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO), ist das Seminar empfehlenswert.

Unser Referent als erfahrener Vergabepraktiker ist der ehem. Teamleiter bei der Region Hannover – Zentrale Submissionsstelle Dipl.-Verwaltungswirt Joachim-E. Warbek.

Weitere Informationen und Anmeldung.

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Selbstreinigung nur bei aktiver Zusammenarbeit mit öffentlichem Auftraggeber? (Schlussanträge des Generalanwalts beim EuGH Manuel Campos Sánchez-Bordona, Rs. C-124/17 – „Vossloh-Laeis“)

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Liefer- & DienstleistungenRechtUNBEDINGT LESEN!

Entscheidung-EUIm Vorabentscheidungsverfahren „Vossloh Laeis“ (Rs. C-124/17) hat Generalanwalt Manuel Campos Sánchez-Bordona am 16. Mai 2018 seine Schlussanträge vorgelegt. Die Vorlagefragen der Vergabekammer Südbayern betreffen die Voraussetzungen für eine vergaberechtliche Selbstreinigung eines wegen Kartellbeteiligung ausgeschlossenen Unternehmens. Kernfrage ist, ob von einem Unternehmen zur Zulassung zu einem Vergabeverfahren verlangt werden kann, dass es dem öffentlichen Auftraggeber Informationen zu seinem Fehlverhalten und dem hierdurch entstandenen Schaden liefert. Für ein Unternehmen kann eine solche Verpflichtung heikel sein, da der Auftraggeber die Informationen u.U. für einen zivilrechtlichen Schadensersatzprozess gegen das Unternehmen verwenden kann. Vor dem Hintergrund der in den letzten Jahren aufgedeckten Submissionsabsprachen (u.a. bei Feuerwehrfahrzeugen, LKWs, Schienen/Weichen und Auftausalz), die vielfach auch zu Lasten öffentlicher Auftraggeber gingen, ist das Vorlageverfahren von besonderer Brisanz. Die Schlussanträge des Generalanwalts wurden daher sowohl von Unternehmensseite als auch seitens kartellgeschädigter Auftraggeber mit Spannung erwartet.

Schlussanträge des Generalanwalts Manuel Campos Sánchez-Bordona (gekürzt)

1.  Art. 80 der Richtlinie 2014/25/EU in Verbindung mit Art. 57 Abs. 6 Unterabs. 2 der Richtlinie 2014/24/EU

steht dem entgegen, dass ein Wirtschaftsteilnehmer, der trotz des Vorliegens eines einschlägigen Ausschlussgrundes seine Zuverlässigkeit nachweisen will, aktiv mit dem öffentlichen Auftraggeber zusammenarbeiten muss, um die Tatsachen und die Umstände, unter denen er als Mittäter an Vereinbarungen zur Verfälschung des Wettbewerbs beteiligt war, umfassend aufzuklären, wenn dieser Wirtschaftsteilnehmer bereits aktiv mit der Wettbewerbsbehörde, die diese Tatsachen untersucht und geahndet hat, zusammengearbeitet und deren Umstände umfassend geklärt hat;

steht dem nicht entgegen, dass ein Mitgliedstaat diese aktive Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Auftraggeber als Voraussetzung dafür, dass der Wirtschaftsteilnehmer seine Zuverlässigkeit nachweist und nicht vom Vergabeverfahren ausgeschlossen wird, verlangt, wenn es sich um rechtswidrige Verhaltensweisen handelt, bei denen der öffentliche Auftraggeber selbst die betreffenden Tatsachen und Umstände feststellen muss.

2.    Liegt im Hinblick auf einen Wirtschaftsteilnehmer ein in Art. 57 Abs. 4 Buchst. d der Richtlinie 2014/24 vorgesehener Ausschlussgrund vor, weil er Vereinbarungen getroffen hat, die auf eine Verzerrung des Wettbewerbs abzielen und die bereits Gegenstand einer Sanktionsentscheidung waren, ist der höchstzulässige Ausschlusszeitraum ab dem Datum dieser Entscheidung zu berechnen.

Vorlagebeschluss der Vergabekammer Südbayern

Das Vorabentscheidungsverfahren geht auf einen Vorlagebeschluss der Vergabekammer Südbayern vom 7. März 2017 (Z3-3-3194-1-45-11/16) zurück. Im dortigen Nachprüfungsverfahren wehrt sich das antragstellende Unternehmen (Vossloh Laeis GmbH) gegen seinen Ausschluss von einem für den Bereich der Beschaffung von Oberbaumaterialien eingerichteten Prüfungssystem i.S.v. § 24 SektVO a.F. Das Unternehmen bestreitet seine Kartellbeteiligung nicht, sieht aber die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Selbstreinigung als erfüllt an. Die Vergabestelle (Stadtwerke München) meint, dass das Unternehmen mit ihr nicht zielgerichtet zur Aufklärung der Kartellbeteiligung und des entstandenen Schadens zusammengearbeitet habe.

Mit ihrem Vorlagebeschluss möchte die Vergabekammer Südbayern zum einen wissen, ob § 125 Abs. 1 Nr. 2 GWB, der das Unternehmen bei der Aufklärung der Tatsachen und Umstände im Zusammenhang mit dem Fehlverhalten und dem verursachten Schaden zur aktiven Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden und dem öffentlichen Auftraggeber verpflichtet, mit den EU-Richtlinien vereinbar ist. Hintergrund ist, dass die Richtlinienvorgabe in Art. 57 Abs. 6 der Richtlinie 2014/24/EU nur von einer aktiven Zusammenarbeit mit den „Ermittlungsbehörden“ spricht, ohne den öffentlichen Auftraggeber zu erwähnen.

Zum anderen hat die Vergabekammer dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die dreijährige Ausschlussfrist nach § 126 Nr. 2 GWB bereits ab Verwirklichung des Ausschlusstatbestands durch das Unternehmen oder erst ab Vorliegen einer gesicherten und belastbaren Kenntnis des Auftraggebers über den Ausschlussgrund läuft.

Schlussanträge des Generalanwalts

Auf die Frage nach einer Verpflichtung zur aktiven Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Auftraggeber gibt der Generalanwalt eine differenzierte Antwort. Nach Auffassung des Generalanwalts entspricht es nicht den Richtlinienvorgaben, wenn ein Unternehmen trotz Vorliegen eines einschlägigen Ausschlussgrunds seine Zuverlässigkeit nachweisen will und hierfür zur Klärung der Umstände, unter denen es als Mittäter an Vereinbarungen zur Verfälschung des Wettbewerbs beteiligt war, aktiv mit dem öffentlichen Auftraggeber zusammenarbeiten muss, obwohl es bereits aktiv mit der Wettbewerbsbehörde, die diese Tatsachen untersucht und geahndet hat, zusammengearbeitet und die in Rede stehenden Umstände umfassend geklärt hat. Demgegenüber stünden die Richtlinienvorgaben dem Erfordernis einer aktiven Zusammenarbeit dann nicht entgegen, wenn es um rechtswidrige Verhaltensweisen gehe, bei denen der öffentliche Auftraggeber selbst die betreffenden Tatsachen und Umstände feststellen muss.

Der Generalanwalt begründet diese Differenzierung mit dem Befund, dass der Auftraggeber im Rahmen der ihm obliegenden Prüfung der Ausschlussgründe zwar „einige Funktionen mit Ermittlungscharakter“ ausführe, er hierdurch jedoch nicht zu einer „Ermittlungsbehörde“ im Sinne von Art. 57 Abs. 6 Richtlinie 2014/24/EU werde. Denn im Rahmen der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der Selbstreinigung müsse der Auftraggeber nicht unbedingt selbst Ermittlungstätigkeiten anstellen. Dies werde auch dadurch belegt, dass die Tatsachen, die das Unternehmen zum Beleg der Selbstreinigung nachweisen muss, in der Vergangenheit liegen. Dem Auftraggeber komme insoweit nur die passive Aufgabe einer Beweiswürdigung zu. Es ergäbe keinen Sinn, die Verpflichtung des Unternehmens zur Klärung der in Rede stehenden Tatsachen und Umstände durch eine Ausweitung auf die Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Auftraggeber zu verdoppeln. Eine solche Verdoppelung der Verpflichtung sei auch deshalb problematisch, weil ein geschädigter Auftraggeber möglicherweise nicht mit der nötigen Neutralität und Unparteilichkeit über das Vorliegen der Voraussetzungen der Selbstreinigung entscheiden könne.

Andererseits verbiete das europäische Recht den Mitgliedstaaten nicht, strengere Anforderungen für den Nachweis der während des Ausschlusszeitraums wieder eingetretenen Zuverlässigkeit eines Unternehmens vorzusehen, so dass insoweit, wie in §  125 Abs. 1 Nr. 2 GWB vorgesehen, neben der Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden auch eine Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Auftraggeber verlangt werden könne. Um die v.g. Verdoppelung der Verpflichtungen zu vermeiden, dürfe diese Zusammenarbeit aber nicht denselben Gegenstand haben, wie diejenige die das Unternehmen gegenüber den Ermittlungsbehörden zu leisten habe. Vielmehr müsse diese Zusammenarbeit Verhaltensweisen betreffen, deren Einstufung als Ausschlussgrund vom öffentlichen Auftraggeber selbst beurteilt und bewertet werden müssen.

Die Frage nach der Ausschlussfrist beantwortet der Generalanwalt für den im Vorlageverfahren relevanten Ausschlussgrund wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen (Art. 57 Abs. 4 lit. d Richtlinie 2014/24/EU, § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB) dahingehend, dass für den Fristbeginn nicht auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Verhaltens des Unternehmens, sondern auf den Zeitpunkt der juristischen Einstufung und Ahndung als wettbewerbsbeschränkendes Verhalten abzustellen sei. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass die Existenz wettbewerbsbeschränkender Verhaltensweisen in Anbetracht der Unschuldsvermutung nur aufgrund einer Gerichts- oder Verwaltungsentscheidung als nachgewiesen erachtet werden könnten.

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Rechtliche Würdigung

Hinsichtlich der Frage der Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Auftraggeber legt der Generalanwalt den Finger in die Wunde. Kann erwartet werden, dass ein Auftraggeber neutral und unvoreingenommen über das Vorliegen der Voraussetzungen der Selbstreinigung entscheiden kann, wenn er selbst Kartellgeschädigter ist und die Aussichten auf Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs durch weitere Informationen von dem kartellbeteiligten Unternehmen verbessern kann? Tatsächlich spricht viel dafür, dass der Begriff „Ermittlungsbehörde“ aus Art. 57 Abs. 6 Richtlinie 2014/24/EU nur die Wettbewerbsbehörden meint, deren Aufgabe die Einstufung und Ahnung wettbewerbsbeschränkender Verhaltensweisen ist.

Ganz vom Haken lassen will der Generalanwalt ehemalige Kartellanten jedoch auch nicht. Denn nach Auffassung des Generalanwalts ist die Regelung in § 125 Abs. 1 Nr. 2 GWB jedenfalls dann mit den europäischen Vorgaben vereinbar, wenn man sie (im Wege der Auslegung) auf die Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Auftraggeber hinsichtlich solcher Umstände beschränkt, die nicht schon seitens der Wettbewerbsbehörde geklärt wurden. Auch dies überzeugt im Ergebnis, denn die Beurteilung der Voraussetzungen der Selbstreinigung durch den Auftraggeber dient einem anderen Zweck (Prognose, ob sich das Unternehmen zukünftig rechtskonform verhält) als die Ermittlungen der Wettbewerbsbehörde (Aufklärung und Ahndung des Fehlverhaltens). Es erscheint daher konsequent, den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, dass sie von den Unternehmen zumindest eine gewisse Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber in Bezug auf den Umstände des Ausschlussgrunds und den Nachweis der Selbstreinigung verlangen dürfen. Offen bleibt die Frage, wie weit diese Zusammenarbeit konkret gehen muss.

Hinsichtlich der Vorlagefrage zum Beginn der dreijährigen Ausschlussfrist zeigt der Verweis des Generalanwalts auf die Unschuldsvermutung, dass nicht ohne weiteres von „hinreichend plausiblen Anhaltspunkten“ für das Vorliegen des fakultativen Ausschlussgrunds einer wettbewerbsbeschränkende Abrede im Sinne von Art. 57 Abs. 4 lit. d) Richtlinie 2014/24/EU ausgegangen werden kann. Dies entspricht der deutschen Praxis, nach der ebenfalls eher hohe Anforderungen an das Vorliegen hinreichender Anhaltspunkte für eine wettbewerbsbeschränkende Abrede zu stellen sind. Auch nach Auffassung des deutschen Gesetzgebers soll die bloße Durchführung von kartellbehördlichen Untersuchungsmaßnahmen wie beispielsweise Durchsuchungen nicht ausreichen (BT-Drs. 18/6281, S. 106).

Praxistipp

Soweit der EuGH den Schlussanträgen des Generalanwalts folgt (was er statistisch in mehr als 80% der Fälle tut), dürfte dies für kartellgeschädigte Auftraggeber die Aussichten erschweren, über den Hebel der vergaberechtlichen Selbstreinigung an Informationen zu kommen, die für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen verwendet werden können. Es bleibt mit Spannung abzuwarten, wie der EuGH entscheiden wird.

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Das Preisrecht bei öffentlichen Aufträgen – eine Analyse (Teil 1)

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Politik und MarktRecht

Mit dieser zweiteiligen Analyse widmet sich Hans-Peter Müller dem Thema: Preisrecht bei öffentlichen Aufträgen. Dieser Teil 1 behandelt den Vorrang der martwirtschaftlichen Preisbildung und beleuchtet den Marktpreisbegriff im Sinne der VO PR Nr. 30/53. Den Abschluss dieses ersten Teils bildet dann die Untersuchung des Verhältnisses der Verordnung PR Nr. 30/53 zu den Regelungen des Vergaberechts. Im kommenden Teil 2 soll sodann die marktwirtschaftliche Preisbildung im Rahmen von Vergabeverfahren untersucht werden.

Der Vorrang marktwirtschaftlicher Preisbildung

Das System der sozialen Marktwirtschaft fußt auf dem Prinzip freier Märkte. Der Markt (lat.: Mercatus = Handel) ist der Ort, an dem Güter gehandelt werden. Die Wirtschaftswissenschaft bezeichnet allgemein den Markt als den Ort, an dem sich Angebot und Nachfrage nach einem Gut treffen. Dabei schreibt sie dem Markt verschiedene Funktionen zu. Unter anderem eine Versorgungs-, eine Verteilungs- sowie eine Preisbildungsfunktion.

Die Menge des Angebots und die Intensität der Nachfrage beeinflussen dabei wechselseitig das Zustandekommen eines bestimmten Preises für das nachgefragte bzw. angebotene Gut. Bei Übereinstimmung von Angebot und Nachfrage spricht man von einem Marktgleichgewicht. Der unter Gleichgewichtsbedingungen zustande kommende Preis ist der Gleichgewichtspreis.

Ein solcher Gleichgewichtspreis kann sich nur bei homogenen – vollkommenen – Märkten, auf denen die Bedingungen für alle Teilnehmer identisch sind, ergeben. Anbieter erzielen auf einem gleichgewichtigen oder vollkommenen Markt keine höheren Preise als den Gleichgewichtspreis, Nachfrager können ein Gut nicht zu einem niedrigeren Preis erstehen. Es gibt nur einen Preis.[i] Die daraus zu ziehende Schlussfolgerung kann nur lauten, dass sich auf einem vollkommenen Markt jeglicher Wettbewerb erübrigt.

Die Wirklichkeit stellt sich allerdings anders dar. Ein vollkommener Markt mit einem Gleichgewichtspreis ist praktisch nicht auffindbar. Vielmehr setzt sich der Preis eines Gutes aus dem wechselseitigen Reagieren von Angebot und Nachfrage zusammen und ist marktgerecht, wenn der geforderte Preis und die angebotene Leistung zueinander in einem marktüblichen und akzeptablen Verhältnis stehen.[ii]

Von dieser Wirklichkeit ist der Verordnungsgeber ausgegangen, als er die Verordnung über die Preise bei öffentlichen Aufträgen – VO PR Nr. 30/53 erließ. Sie hat zum Ziel, für den Bereich des öffentlichen Auftragswesens den Grundsatz des Wettbewerbs ebenso durchzusetzen, wie dies im privaten Auftragsbereich erfolgt ist.[iii]

Um marktwirtschaftliche Grundsätze auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens verstärkt durchzusetzen, verlangt die Verordnung deshalb, dass die Vergabe öffentlicher Aufträge vorrangig zu Marktpreisen zu erfolgen hat.[iv] Die Tatsache, dass es mit § 4 der Verordnung eine eigenständige Definition des Marktpreises gibt zeigt, dass der Verordnungsgeber keinesfalls den genannten Gleichgewichtspreis im Sinn hatte, sondern einen an der Marktwirklichkeit orientierten Preistyp schaffen wollte. Die Ausrichtung eines solchen Preistyps an dem Gleichgewichtspreis des vollkommenen Marktes wäre gemessen an dem Ziel der Verordnung, den Preis eines öffentlichen Auftrags im Wettbewerb entstehen zu lassen, sogar ein Widerspruch in sich.

Der Marktpreisbegriff im Sinne der VO PR Nr. 30/53

Der Vorrang marktwirtschaftlicher Preisbildung bedeutet allgemein, dass soweit wie immer möglich auf Preise zurückgegriffen werden muss, die sich im funktionierenden Wettbewerb herausgebildet haben. Dies gilt auch für marktmäßig zustande gekommene Bestandteile innerhalb von Selbstkostenpreisen.[v]

Der Marktpreis der Verordnung definiert sich durch zwei Grundelemente. Zum einen ist dies eine notwendigerweise vorliegende marktgängige Leistung für die es zum anderen einen im Verkehr üblichen Preis geben muss. Schon daraus lässt sich erkennen, dass der Verordnungsgeber nicht einen statischen gleichgewichtigen Markt im Sinn hatte, sondern einen an der Wirklichkeit orientierten, sich an die ständig verändernden Bedingungen anpassenden dynamischen Markt. Dies bestätigen die Richtlinien für öffentliche Auftraggeber vom 1. Juli 1955 i.d.F. vom 6. März 1961 (Beilage zum BAnz Nr. 74), geändert am 18. Juli 1962 (BAnz Nr. 142) zur Anwendung der Verordnung PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen in Nummer 18 Buchst. b). Dort wird festgestellt, dass der Markt in aller Regel nicht so vollkommen ist, dass sich für die gleiche Leistung ein einheitlicher Preis herausbildet; vielmehr umfasst der Begriff des verkehrsüblichen Preises eine Mehrzahl verschiedener, am Markt wiederholt gezahlter Preise.

Marktgängig ist eine Leistung, die allgemein im wirtschaftlichen Verkehr hergestellt und gehandelt wird. Voraussetzung ist ein funktionierender Markt. Ein Markt funktioniert, wenn mehrere Unternehmen unabhängig im Wettbewerb stehen und die Leistung anbieten, die auch nachgefragt wird. Nur dann ist die gewollte marktwirtschaftliche Preisbildung insgesamt überhaupt möglich.

Zwingende zweite Voraussetzung ist, dass die angebotene Leistung einen verkehrsüblichen Preis hat.[vi] Dies ist der Fall, wenn das Unternehmen über eine Mehrzahl von Umsatzakten den verlangten Preis stetig und kontinuierlich nachweisen kann. Da es in der Regel keinen vollkommenen Markt und damit keinen „Gleichgewichtspreis“ gibt, hat die Literatur das Konzept des „betriebssubjektiven Marktpreises“ entwickelt.[vii] Betriebssubjektiver Marktpreis ist der Preis, den derselbe Anbieter für gleiche marktgängige Leistungen wiederholt bei tatsächlich funktionierendem Wettbewerb auf dem Markt durchsetzen konnte.[viii] Es kommt darauf an, dass das Unternehmen seinen Preis in einer vorhandenen Konkurrenzsituation durchsetzen kann. Dabei ist es unerheblich, wie viele Nachfrager für die Leistung vorhanden sind.

Mit der Bestätigung des Konzepts des betriebssubjektiven Preises durch das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 13.04.2016 wurde allen entgegenstehenden Auffassungen eine Abfuhr erteilt. Ebenfalls bestätigt hat das Bundesverwaltungsgericht, dass die Voraussetzungen zum Entstehen eines Marktpreises nach § 4 VO PR Nr. 30/53 kumulativ vorliegen müssen. Damit hat das Gericht auch hier entgegenstehende Mindermeinungen, die aus dem Vorliegen einer marktgängigen Leistung automatisch einen verkehrsüblichen schließen wollten, in die Schranken verwiesen und die herrschende Meinung in Schrifttum[ix] und Rechtsprechung[x] zu diesen Fragen bestätigt.

Das Verhältnis der Verordnung PR Nr. 30/53 zu den Regelungen des Vergaberechts

Der Notwendigkeit, neben dem Vergaberecht ein Preisrecht für das öffentliche Auftragswesen überhaupt einzuführen liegen verschiedene Faktoren zugrunde. Zunächst ist zu nennen, dass die Vorschriften der Verordnung dazu dienen sollen, den Preisstand zu wahren. Dies ergibt sich aus ihrer Rechtsgrundlage, § 2 Preisgesetz.[xi] Geht man davon aus, dass bundesweit jährlich öffentliche Aufträge im Wert von geschätzt etwa 250 – 400 Mrd. Euro vergeben werden, liegt unstreitig ein Volumen zugrunde, welches geeignet ist, den Preisstand nicht nur unmaßgeblich zu beeinflussen. Hierdurch möglichen inflationären Tendenzen wirkt die Verpflichtung zur marktwirtschaftlichen Preisbildung bei öffentlichen Aufträgen entgegen.

Die Regelungen zur Vergabe öffentlicher Aufträge sind darauf ausgerichtet, ein transparentes, diskriminierungsfreies und wettbewerbliches Verfahren zu gewährleisten. Durch die hierdurch bezweckte Gleichbehandlung aller sowohl deutscher als auch grenzüberschreitender Unternehmen sollen die Märkte für öffentliche Aufträge geöffnet und allen Unternehmen gleiche Chancen auf einen öffentlichen Auftrag eingeräumt werden.

Ziel der Vergaberegeln ist es schließlich, das wirtschaftlichste Angebot, also dasjenige mit dem besten Preis-Leistungsverhältnis, zu ermitteln. Dieses erhält den Zuschlag.

Es zeigt sich, dass die Vergaberegeln diejenigen Grundsätze regeln, nach denen die Auswahl des Unternehmens vorgenommen wird, welches den öffentlichen Auftrag erhalten soll.[xii] Die Vergaberegeln enthalten keinerlei Vorgaben in Bezug auf die Preisbildung an sich. Grundsätzlich ist es Auftraggebern und Unternehmen sogar untersagt, während des Vergabeverfahrens in einer Weise zu agieren oder zu reagieren, wie es im privaten Auftragswesen selbstverständlich ist. Insbesondere Verhandlungen und Anpassungen jeglicher Art sind unzulässig. Sie können sogar einen schweren Vergabeverstoß darstellen. Lediglich im Verhandlungsverfahren/Verhandlungsvergabe, welches allerdings als Ausnahmeverfahren konzipiert ist und nur bei Vorliegen gesetzlich vorgegebener Voraussetzungen gewählt werden darf, ist ein solches Verhalten von Auftraggeber und Unternehmen statthaft.

Der öffentliche Einkauf ist also Regeln unterworfen, die ein Verhalten, wie es im privaten Auftragswesen selbstverständlich ist, nahezu unmöglich machen. Vor allem diese besonderen Gründe haben den Gesetz-/Verordnungsgeber dazu veranlasst, den Wettbewerbsgedanken auf die Preisbildung bei öffentlichen Aufträgen selbst auszuweiten.


[i] William Stanley Jevons, Das Gesetz der Unterschiedslosigkeit der Preise, 1871 in: The Theory of political economy.

[ii] Gick, in: Rechtsaspekte bei Preisen, 2010 LIBER, London, Berlin, m.w.N.

[iii] S. Ludwig Erhard, Geleitwort zur VO PR Nr. 30/53.

[iv] S. § 1 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53

[v] Müller/Waldmann, in: Ebisch/Gottschalk/Hoffjan/Müller/Waldmann, Preise und Preisprüfungen bei öffentlichen Aufträgen, § 4 Rn 4.

[vi] So auch: BVerwG, Urteil vom 13.04.2016 – 8 C 2.15 Rn 22.

[vii] Müller/Waldmann, in: Ebisch/Gottschalk/Hoffjan/Müller/Waldmann, Preise und Preisprüfungen bei öffentlichen Aufträgen, § 4 Rn 17 ff.

[viii] BVerwG, Urteil vom 13.04.2016 – 8 C 2.15 Rn 20.

[ix] So vor allem: Müller/Waldmann, in: Ebisch/Gottschalk/Hoffjan/Müller/Waldmann, Preise und Preisprüfungen bei öffentlichen Aufträgen, § 4 Rn 17 ff u. 27 ff.

[x] Für viele: VG München, Urteil vom 19.06.2012 – VG 16 K 11.3887; VGH München, Urteil vom 06.11.2014-VGH 22 B 14.174.

[xi] Preisgesetz vom 10.04.1948 in der vom im BGBl Teil III, Gliederungsnummer 720-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, geändert durch Gesetz vom 18. Februar 1986 (BGBl. I S. 265).

[xii] Vgl. Richtlinien für öffentliche Auftraggeber vom 01. Juli 1955 zur Anwendung der VO PR Nr. 30/53, Nr. 6.

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Kein Interesse mehr am Auftrag – sofortige Beschwerde wird unzulässig (OLG Koblenz, Beschl. v. 16.05.2018 – Verg 2/18)

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Liefer- & DienstleistungenRecht

Entscheidung Verliert ein Bieter sein Interesse am Auftrag, wird seine sofortige Beschwerde unzulässig und bleibt daher ohne Erfolg. Teilt ein Beschwerdeführer während des Beschwerdeverfahrens mit, dass er kein Interesse mehr am Auftrag habe und verlängert er deswegen die Bindefrist nicht (mehr), so fällt seine Antragsbefugnis weg.

§ 160 Abs. 2 Satz 1 GWB, §§ 168 Abs. 2 Satz 2, 178 Satz 3,4 GWB

Sachverhalt

Die Parteien streiten im Beschwerdeverfahren darüber, ob der Antragsgegner das Angebot des Antragstellers zur Recht ausgeschlossen hatte. Vorausgegangen war eine Entscheidung der Vergabekammer Rheinland-Pfalz, die dem Antragsgegner recht gegeben hatte. Die Entscheidung der Vergabekammer hat der Unterzeichner hier besprochen. Vergabeblog.de vom 22/04/2018, Nr. 36844

Was war passiert?

Der Antragsgegner schrieb die Übernahme und Verwertung der Abfallfraktion Papier, Pappe und Kartonagen (PPK) europaweit aus. Die Antragstellerin lag mit ihrem Angebot nach der Auswertung durch ein beauftragtes Büro auf dem ersten Platz und war daher zunächst für den Zuschlag vorgesehen. Nach Übermittlung der Vorabinformation erhob der zweitplatzierte Bieter eine Rüge, mit der er die Zuverlässigkeit der Antragstellerin in Zweifel zog.

Der Antragsgegner holte daraufhin anwaltlichen Rat ein und schloss das Angebot der Antragstellerin wegen von ihr vorgenommenen Änderungen an den Vergabeunterlagen aus. Die Antragstellerin hatte ihrem Angebot nämlich ein Begleitschreiben auf ihrem Standardbriefpapier beigefügt. Dieses Übersendungsschreiben enthielt in der Fußzeile unter anderem folgende Formulierung: Gerichtsstand ist H. Die Vergabeunterlagen sahen als Gerichtsstand die Stadt P. vor.

Die Vergabekammer gab dem Antragsgegner recht. Sie stellte in ihrer Entscheidung maßgeblich auf einen Vergleich des Angebotsinhalts mit den Vergabeunterlagen ab. Da insoweit der Gerichtsstand nicht übereinstimmte, war ein Ausschluss nach Ansicht der Vergabekammer zwingend, da somit die Vorgaben der Vergabeunterlagen geändert worden seien.

Der Zusatz auf dem Briefpapier sei auch Angebotsinhalt geworden. Eine Vergabestelle treffe die uneingeschränkte Pflicht, sämtliche Erklärungen eines Bieters in seinem Angebot gleichermaßen zu seinen Gunsten oder zu seinen Ungunsten zu würdigen.

Die VK sichert ihre Entscheidung durch eine Alternativüberlegung ab: Selbst wenn man mit einer Mindermeinung von einer Änderung der Vergabeunterlagen nur sprechen mag, wenn an den Unterlagen selbst durch Streichungen oder Hinzufügungen etwas geändert worden ist, so führt das zur Annahme eines Nebenangebotes. Da solche hier nicht zugelassen waren, wäre das Angebot daher auch dann auszuschließen gewesen, wenn man dieser Mindermeinung folgt.

Schließlich fand auch das Argument der Antragstellerin kein Gehör, wonach die ursprüngliche Einschätzung des Beratungsbüros ihr den Zuschlag sichere, kein Gehör. Die VK weist darauf hin, dass alle Entscheidungen im Vergabeverfahren von der Vergabestelle getroffen werden und nicht durch ihre Berater. Der Antragsgegner sei daher in jedem Stadium des Vergabeverfahrens befugt gewesen, die Fehleinschätzung des ursprünglich beauftragten Beratungsbüros entsprechend zu korrigieren.

Gegen diese Entscheidung legte die Antragstellerin sofortige Beschwerde ein. Zu diesem Zeitpunkt war die Bindefrist bereits abgelaufen. Einer später ausdrücklich verlangten Verlängerung stimmte die Beschwerdeführerin nicht zu.

Die Entscheidung

Nachdem das OLG in einem Hinweisbeschluss Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Ausschlusses geäußert hatte, stellte die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung den Antrag, das Verfahren für erledigt zu erklären, da sie kein Interesse mehr an dem Auftrag habe. Hilfsweise hielt sie an ihrem ursprünglichen Antrag, der die Berücksichtigung ihres Angebots zum Ziel hatte, fest.

Die Zweifel des OLG begründeten sich dadurch, dass in den Vergabeunterlagen an anderer Stelle durch eine entsprechenden Eigenerklärung eine Akzeptanz der Vertragsbedingungen durch die Bieter erklärt wurde. Das OLG warf aufgrund dessen die Frage auf, ob daher das Angebot nicht vorrangig hätte ausgelegt oder aufgeklärt werden müssen. Zu dieser spannenden Frage ist dann in der Sache leider keine Entscheidung mehr ergangen.

Der Antragsgegner schloss sich der Erledigungserklärung nicht an.

Das OLG Koblenz sieht in der Erklärung, kein Interesse mehr am Auftrag zu haben, einen Wegfall der Antragsbefugnis. Folglich verneint es die Sachentscheidungsvoraussetzung, die in jeder Lage bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung von Amts wegen zu berücksichtigen sei.

Es sein auch kein Raum für einen hilfsweisen Antrag. Es geben kein „hilfsweises Interesse“. Entweder habe die Antragstellerin Interesse am Auftrag oder eben nicht.

Das OLG hat die sofortige Beschwerde daher als unbegründet verworfen mit der Maßgabe, dass der Nachprüfungsantrag unzulässig (geworden) ist.

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung des OLG ist zutreffend und erfreulich kurz und klar begründet. Will ein Bieter seinem Angebot mit einem Nachprüfungsverfahren zum Erfolg verhelfen und verliert er später das Interesse an dem Auftrag, dann gibt es keinen Grund für eine Sachentscheidung. Das Nachprüfungsverfahren dient dem Schutz individueller Bieterrechte. Dieses Schutzbedürfnis fällt weg, wenn der Bieter kein Angebot mehr im Rennen hat.

Hier hat er es selbst aus dem Rennen genommen, indem er die Bindefrist nicht mehr verlängerte. Für alle Beteiligten einfacher gewesen wäre es, wenn der Beschwerdeführer seinen Nachprüfungsantrag zurückgenommen hätte. Dies tat er offenbar nicht, weil er auf einen möglichen Schadensersatz schielte.

Praxistipp

Die hier allein prozessualen Fragen sind für die Vergabepraxis weniger interessant. Interessanter ist die nicht entschiedene Frage, wann ein Angebot ohne Aufklärung ausgeschlossen werden kann. Hier lässt sich die grundsätzlich erfreulicher Tendenz erkennen, Angebote eher auszulegen bzw. aufzuklären, bevor man sie ausschließt. Das OLG stellte hier konkret die Frage in den Raum, ob denn tatsächlich eine Änderung der Vergabeunterlagen oder ein unzulässiges Nebenangebot vorlag, oder ob nicht vielleicht vielmehr „nur“ von einer Widersprüchlichkeit des Angebots auszugehen war.

Indes scheint die Grenze zwischen möglicher Auslegung oder Aufklärung und Ausschluss dogmatisch noch nicht durchdrungen. Es bleibt daher spannend, wie sich die Rechtsprechung zu dieser Frage weiter entwickelt. Um sich eine mögliche Auslegung oder Aufklärung offen zu halten, scheint es ratsam, eine allgemeine Klausel in die Vergabeunterlagen aufzunehmen, mit der sich der Bieter allen Ausschreibungsbedingungen unterwirft.

Der Verfasser hat in diesem Nachprüfungsverfahren den Antragsgegner vertreten.

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„Schlechte Erfahrungen“ führen nicht automatisch zu einem Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB (VK Bund, Beschl. v. 29.12.2017 – VK 1-145/17)

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Liefer- & DienstleistungenRecht

EntscheidungWird ein Vertrag zwischen einem Unternehmen und einem öffentlichen Auftraggeber vorzeitig beendet, da sich die Parteien über die Frage eines Mangels erheblich zerstritten haben, so führt dies nicht automatisch dazu, dass das Unternehmen in einer Folgeausschreibung ausgeschlossen werden kann. Eine Voraussetzung für den rechtmäßigen Ausschluss ist, dass der Auftraggeber sein Ermessen fehlerfrei ausübt, d.h. wenn der Auftraggeber vertretbar die Prognoseentscheidung getroffen hat, dass von dem Unternehmen aufgrund der festgestellten früheren Schlechtleistung zukünftig nicht zu erwarten ist, dass dieses den nunmehr zu vergebenden Auftrag gesetzestreu, ordnungsgemäß und sorgfältig ausführen wird.

§ 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB

Schwerpunkte

1. Ein Automatismus, dass die mangelhafte Schlechterfüllung und vorzeitige Beendigung eines früheren öffentlichen Auftrags zu einem Ausschluss in einem späteren Vergabeverfahren führt, existiert nicht.

2. Die Vergabeklammer überprüft, ob die vom Auftraggeber vorzunehmende Ermessensentscheidung im Rahmen des § 124 GWB ermessensfehlerfrei erfolgt ist.

3. (Schlechte) Erfahrungen aus einem Bauauftrag können auf einen Liefer-/Dienstauftrag übertragen werden, wenn die verschiedenen Leistungsgegenstände inhaltlich, örtlich und zeitlich in einem engen Zusammenhang stehen.

Sachverhalt

Die Antragstellerin (ASt) ist Vorauftragnehmerin der Antragsgegnerin.

Sie wurde von der AG mit der Ausführung mehrerer, zeitlich aufeinander abgestimmten Gewerken im Rahmen einer größeren Baumaßnahme beauftragt. Die säumige ASt reagierte jedoch nicht auf Nachfristsetzungen, erschien nicht zu Baubesprechungen und war telefonisch für die AG zeitweise gar nicht zu erreichen, sodass die AG den Bauvertrag mit der ASt schließlich aufgrund der Überschreitung von vereinbarten Ausführungsfristen fristlos gekündigt hatte.

Ebenfalls fristlos wurden im Anschluss sämtliche bestehende Instandhaltungsverträge mit der ASt (bauwerkübergreifend) gekündigt, sodass die AG nunmehr die standortübergreifende Instandhaltung erneut EU-weit ausschreibt.

An der Ausschreibung beteiligte sich die ASt sowie die Beigeladene. Das Angebot der ASt liegt auf Platz 1.

Die AG informierte die ASt, dass ihr Angebot nicht berücksichtigt werden könne, weil sie bei der Baumaßnahme schlecht geleistet habe und sie daher von dem Vergabeverfahren auszuschließen sei.

Gegen den Ausschluss wendet sich die ASt mit ihrem Nachprüfungsantrag.

Die Entscheidung

Ohne Erfolg! Der Ausschluss nach § 127 Abs. 1 Nr. 7 GWB sei vergaberechtlich nicht zu beanstanden.

Die Vergabekammer untersucht hierzu die Vergaberechtskonformität des Ausschlusses im Wege einer dreistufigen Prüfung anhand der Tatbestandsmerkmale des § 127 Abs. 1 Nr. 7 GWB:

a) Hat die ASt wesentliche Anforderungen bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags erheblich und fortdauernd mangelhaft erfüllt?

b) Führte dies zu einer vorzeitigen Beendigung dieses Auftrags?

c) Basiert der Ausschluss auf einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung?

a) Die Vergabekammer stellt aufgrund von unstreitigem Sachverhalt die folgenden, als erheblich qualifizierten Pflichtverletzungen der ASt fest:

Die ASt hat

· mehrere Leistungen nicht fristgerecht erbracht, sodass der vertraglich vereinbarte Fertigstellungstermin nicht eingehalten werden konnte;

· auf mehrere Fristsetzungen der AG nicht reagiert und ist auf mehrere, zur Klärung vorgesehene Gesprächsvorschläge oder Nachfragen der AG nicht eingegangen., was eine fortdauernde Verletzung der Kooperationspflicht darstelle;

· Nachunternehmer eingesetzt, ohne dies vorher der AG anzuzeigen.

b) Eine fristlose Kündigung wurde durch die AG ausgesprochen.

Die fristlose Kündigung sei eine in § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB geforderte Rechtsfolge. Zudem sei die Kündigung auch rechtmäßig, wobei die VK offenlässt, ob stets eine umfangreichere Aufklärung der Sach- und Rechtslage durch die Vergabekammer geboten sei, insbesondere im Hinblick auf eine zivilrechtliche Würdigung. Die Vergabekammer merkt hierzu lediglich an, dass eine vertiefte (zivilrechtliche) Prüfung wohl dem Beschleunigungsgebot nach 167 Abs. 1 GWB entgegenstünde.

c) Die AG hat das ihr zukommende Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt

Die Vergabekammer stellt hierzu zunächst klar, dass es keinen Automatismus gäbe, wonach allein die mangelhafte Schlechterfüllung und vorzeitige Beendigung eines früheren öffentlichen Auftrags automatisch zu einem Angebotsausschluss des betreffenden Unternehmens in einem späteren Vergabeverfahren führt. Ermessenfehler seien jedoch nicht festzustellen, da die AG auf das vertragliche Fehlverhalten der ASt im Rahmen eines Bauauftrags abstellen durfte, auch wenn der Folgeauftrag „nur“ Dienst- oder Werkleistungen umfasst. Beide Verträge stünden inhaltlich, örtlich und zeitlich in einem engen Zusammenhang. Hinzu käme, dass die ASt beim Bauvertrag ihre Pflicht, mit dem Auftraggeber zusammenzuarbeiten und etwaige Meinungsverschiedenheiten einvernehmlich und zügig beizulegen (Kooperationspflicht), wiederholt verletzt hat.

Nach alledem sei der Ausschluss rechtmäßig erfolgt.

Rechtliche Würdigung

Der Entscheidung der Vergabekammer ist zuzustimmen.

Sofern der Entscheidung jedoch zu entnehmen ist, dass ein Ausschluss wegen schlechter Erfahrungen nur bei vergleichbaren Aufträgen in Betracht kommt, dürfte diese Auffassung zu streng sein. Wenn sich, wie im vorliegenden Fall, die schlechten Erfahrungen gerade an der Nichtausführung des Auftrages festmachen lassen, muss für die in §§ 123, 124 GWB aufgegangene Zuverlässigkeit des Bieters unerheblich sein, ob es sich nun um einen vergleichbaren Auftrag handelt oder nicht. Dem Kunstgriff der Vergabekammer, die Verletzung einer Kooperationspflicht festzustellen, hätte es dann auch nicht bedurft.

Stet nämlich fest, dass der Auftragnehmer erheblich oder fortdauernd wesentliche Anforderungen bei der Ausführung eines öffentlichen Auftrages mangelhaft erfüllt hat und hat dies zu einer vorzeitigen Beendigung geführt, dann muss dieser Befund grundsätzlich auch bei unveränderter Sachlage ausreichen, um ein Folgeangebot des betreffenden Unternehmens aus einem nachfolgendem Vergabeverfahren auszuschließen.

Die ausdrückliche Wiederholung des bereits in § 97 Abs. 1 Satz 2 GWB verankerten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in § 124 Abs. 1 GWB soll Unternehmen vor Willkür des Auftraggebers schützen. Die Reichweite des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB darf nicht ausufern. Nicht jede Leistungsstörung, die zu einer Kündigung des Vertrages oder zu Ausübung von Sekundärrechten führt, kann einen Angebotsausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB tragen. Dies verbietet bereits das Erfordernis einer „erheblich oder fortdauernden“ Schlechtleistung. Vielmehr muss für einen Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB für öffentliche Auftraggeber genügen, dass sie zu der Überzeugung gelangen, dass die Vorfälle des Vorauftrages eine beanstandungsfreie Ausführung des künftigen Auftrages nicht gewährleisten. Die Vergabekammer spricht hierzu von einer „negativen Prognoseentscheidung“. Der Vergleichbarkeit der Auftragsgegenstände dürfte hierzu nur eine nachrangige Bedeutung zukommen.

Damit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit durch Auftraggeber hinreichend Rechnung getragen wird, ist vielmehr erforderlich, dass dem betreffenden Unternehmen die Möglichkeit zur Stellungnahme vor Angebotsausschluss eingeräumt wird. Auf die Stellungnahme ist dann vom Auftraggeber zu untersuchen, ob das Verhalten des Auftragnehmers, welches die schlechten Erfahrungen begründet, abgestellt wurde. Dem Auftraggeber ist hierzu ein Beurteilungsspielraum einzuräumen, der von den Vergabekammern nur eingeschränkt auf Einhaltung der Grenzen des Beurteilungsspielraums überprüft werden soll, insbesondere darauf, ob von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen worden ist, allgemeine Wertungsgrundsätze beachtet worden und keine sachwidrige Erwägungen in die Wertung eingeflossen sind (so noch zur Zuverlässigkeit: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Februar 2016, Az. VII-Verg 41/15).

2-Bauvergabetag-2018-Anmeldung

Auswirkungen auf die Praxis

Die Entscheidung zeigt, dass § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB kein stumpfes Schwert ist.

Die Vergabekammer hat nachvollziehbar aufgezeigt, dass öffentliche Auftraggeber keinesfalls dazu verpflichtet sind mit Unternehmen zusammenarbeiten zu müssen, die Aufträge schlecht oder gar nicht erbringen.

In diesem Zusammenhang sollte die Entscheidung der VK Bund, Beschl. v. 27.12.2017, Az. VK 1 – 137/17, nicht unberücksichtigt bleiben. Dort erfolgte ebenfalls ein Ausschluss des Bieters nach § 127 Abs. 1 Nr. 7 GWB, wobei der Bieter dort der Kündigung widersprach und derzeit ein Beweissicherungsverfahren bei den ordentlichen Gerichten anhängig ist. Im dortigen Fall genügte der Vergabekammer jedoch eine „Verlässlichkeit“ aus bereits vorgelegten gutachterlichen Stellungnahmen, dass der ASt auch Ausführungsmängel zur Last fallen. Einer eindeutigen und somit rechtskräftig entschiedenen Kündigungslage bedarf es für einen Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB mithin nicht. Öffentliche Auftraggeber sollten ihre Entscheidung in der Vergabeakte hinreichend dokumentieren und nach Anhörung des Bieters verschriftlichen, dass die Erfahrungen aus früheren öffentlichen Aufträgen zu einer negativen Prognoseentscheidung führen.

Bietern ist an dieser Stelle ein Studium des § 125 GWB nahezulegen. Können Bieter einem Ausschluss entgegentreten und darlegen, dass sie Maßnahmen ergriffen haben, die geeignet sind, ein weiteres Fehlverhalten zu vermeiden, muss dies der öffentliche Auftraggeber im Rahmen seiner Ermessensentscheidung berücksichtigen. Bieter können auf diesem Wege eine negative Prognoseentscheidung des öffentlichen Auftraggebers möglicherweise widerlegen.

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NRW: UVgO seit dem 09.06.2018 in Kraft

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Politik und MarktRecht

Die Änderung des Runderlasses „Verwaltungsvorschriften zur Landeshaushaltsordnung (VV zur LHO)“ wurde im Ministerialblatt (MBl. NRW.), ausgegeben am 8. Juni 2018, veröffentlicht. Die Änderung trat am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft.

Der Runderlass enthält zudem eine Vereinfachung im Hinblick auf die verpflichtende E-Vergabe: „Unterhalb des EU-Schwellenwertes können Verhandlungsvergaben oder Freihändige Vergaben bis zu einem Auftragswert von 25 000 Euro ohne Umsatzsteuer sowie in den Fällen des § 12 Absatz 3 Unterschwellenvergabeordnung per E-Mail abgewickelt werden. In diesen Fällen kommen § 7 Absatz 4 und die §§ 39, 40 Absatz 1 Unterschwellenvergabeordnung nicht zur Anwendung.“

Den vollständigen Runderlass finden Sie unter recht.nrw.de.

Beachten Sie zur Einführung der Unterschwellenvergabeordnung auch unsere aktuellen Seminarangebote der DVNW Akademie.

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DVNW_Akademie_Seminar

Die UVgO – Reform des Vergaberechts unterhalb der Schwellenwerte am 21.08.2018 und 13.11.2018 in Berlin

Fundiertes Wissen mit praktischen Tipps für die rechtssichere und erfolgreiche Durchführung von Vergabeverfahren gemäß der UVgO werden vermittelt. Unsere erfahrenen Referenten sind Herr Dr. Oskar Maria Geitel, Fachanwalt für Vergaberecht bei Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB und Herr Leif-Holden Dimitriadis, Jurist im Einkauf bei der BIM Berliner Immobilienmanagement GmbH. Das Dozentenduo, bestehend aus einem erfahrenden Juristen der anwaltlichen Praxis und einem Juristen als Vertreter der öffentlichen Hand, steht für Kompetenz in Theorie und Praxis.

Weitere Informationen und Anmeldung.

DVNW_Akademie_Seminar

Die öffentliche Auftragsvergabe im Unterschwellenbereich – Vom Praktiker für Praktiker am 19.09.2018 in Hamburg

Zur Zielgruppe des Seminars zählen Mitarbeiter/-innen von Vergabestellen und Einkaufsabteilungen sowohl der öffentlichen Hand als auch privatwirtschaftlicher Unternehmen sowie Personen aus den Zuwendungs- und Prüfungsbereichen. Das Seminar ist besonders empfehlenswert für Einsteiger/-innen, da Vorkenntnisse nicht erforderlich sind. Aber auch für die Auffrischung von bestehendem Wissen, insbesondere wegen der neuen rechtlichen Anforderungen der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO), ist das Seminar empfehlenswert.

Unser Referent als erfahrener Vergabepraktiker ist der ehem. Teamleiter bei der Region Hannover – Zentrale Submissionsstelle Dipl.-Verwaltungswirt Joachim-E. Warbek.

Weitere Informationen und Anmeldung.

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Bei einer Buchung bis einen Monat vor dem Veranstaltungstermin sparen Sie auf alle Seminare 60,00 Euro exkl. MwSt. auf den Normalpreis.

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