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Primärrechtsschutz auch bei Unterschwellenvergaben?

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Mit Beschluss vom 13.12.2017 (Az. 27 U 25/17) hat das OLG Düsseldorf zum Primärrechtsschutz bei Vergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte Stellung genommen. Danach gebe es auch im Unterschwellenbereich gewichtige Gründe, die Einhaltung einer Informations- und Wartepflicht durch den öffentlichen Auftraggeber zu verlangen.

Die Leitsätze des Beschlusses lauten:

  1. Auch unterhalb der Schwellenwerte und unterhalb einer Binnenmarkrelevanz ist ein Vertrag über Überlassung eines Grundstücks zwecks Betriebs von Sport- und Freizeitanlagen in einem transparenten und diskriminierungsfreien Verfahren zu vergeben.
  2. Bei Verstößen steht dem betroffenen Bieter oder Bewerber der Zivilrechtsweg offen, um im Wege einer einstweiligen Verfügung ein Zuschlagsverbot erwirken zu können.
  3. Ist der Zuschlag bereits erteilt, kann Primärrechtsschutz nicht mehr erreicht werden. Anderes gilt nur, wenn der geschlossene Vertrag unwirksam oder nichtig ist.
  4. Ein unter Verstoß gegen die Informations- und Wartepflicht geschlossener Vertrag wegen Verstoßes gegen ein ungeschriebenes Gesetz als nichtig einzustufen, um effektiven Rechtsschutz sicherzustellen.

Das OLG Düsseldorf stützt diese „gewichtigen Gründe” insbesondere auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs:

„Nach der Rechtsprechung des Gerichts der Europäischen Union fordern die gemeinsamen Verfassungen der Mitgliedstaaten und die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten einen effektiven und vollständigen Schutz gegen Willkür des öffentlichen Auftraggebers. Dieser vollständige Rechtsschutz verlangt, sämtliche Bieter vor Abschluss eines Vertrages von der Zuschlagsentscheidung zu unterrichten. Ein vollständiger Rechtsschutz verlangt auch, dass zwischen der Unterrichtung abgelehnter Bieter und der Unterzeichnung des Vertrags eine angemessene Frist liegt, innerhalb der für den Bieter ein vorläufiger Schutz gewährt werden kann, wenn er für die volle Wirksamkeit der Entscheidung in der Sache erforderlich ist.“

Der Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen hinterfragt die Entscheidung des OLG Düsseldorf in einer Stellungnahme kritisch (hier).


Veranstaltungshinweis:
3. IT-Vergabetag am 26. April 2018 in Berlin. Jetzt anmelden unter www.it-vergabetag.de.


Die §§ 134, 106 Abs. 1 GWB sähen eine Informations- und Wartepflicht für Auftraggeber vor dem Vertragsschluss nämlich nur für Vergaben oberhalb der EU-Schwellenwerte vor. Im Unterschwellenbereich finden sich derartige Regelungen dagegen ausdrücklich nicht. Zudem habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einer grundlegenden Entscheidung vom 13.06.2006 (Az. 1 BvR 1160/03) klar gemacht, dass eine Beschränkung des Primärrechtsschutzes im Vergaberecht auf Auftragsvergaben oberhalb bestimmter Schwellenwerte verfassungsgemäß ist:

„Die in der Rechtsordnung dem übergangenen Konkurrenten eingeräumten Möglichkeiten des Rechtsschutzes gegen Entscheidungen über die Vergabe öffentlicher Aufträge mit Auftragssummen unterhalb der Schwellenwerte genügen den Anforderungen des Justizgewährungsanspruchs. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber das Interesse an einer raschen Vergabeentscheidung und damit an der Möglichkeit einer sofortigen Ausführung der Maßnahme für gewichtiger als das des erfolglosen Bieters gehalten hat.
Vergaben unterhalb der Schwellenwerte sind ein Massenphänomen. Müssten für solche Vergaben stets bestimmte Verfahrensvorkehrungen getroffen werden, um effektiven Primärrechtsschutz zu ermöglichen, könnte das die Verwaltungsarbeit erheblich beeinträchtigen und dadurch die Wirtschaftlichkeit der Vergabe leiden. Demgegenüber ist der erfolglose Bieter durch die Auftragsvergabe in einer bloßen Umsatzchance, nicht in seiner persönlichen Rechtsstellung betroffen. Wird er auf einen Schadensersatzanspruch verwiesen, kann sein auf den Erhalt einer Umsatzchance gerichtetes Interesse durch einen solchen Anspruch grundsätzlich ausgeglichen werden. Daher ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber den in der allgemeinen Rechtsordnung verfügbaren Sekundärrechtsschutz als ausreichend angesehen und keine besonderen Vorkehrungen zur Realisierung von Primärrechtsschutz, etwa durch eine Pflicht zur Information des erfolglosen Bieters vor der Zuschlagserteilung, getroffen hat.”

Vor diesem Hintergrund stuft der Städte- und Gemeindebund NRW  die Entscheidung des OLG Düsseldorf als Einzelfallentscheidung ein: Diese sollte aus Sicht des Verbandes nicht zur Folge haben, dass Städte und Gemeinden nunmehr auch alle Vergaben im Unterschwellenbereich vor dem Vertragsschluss mit einer Informations- und Wartepflicht gegenüber den Bewerbern und Bietern versehen müssen.

Auch die Rechtsfolge “Nichtigkeit des Vertrages” erscheine unsachgemäß, zumal diese bei konsequenter Anwendung der OLG-Entscheidung dann auc bei Bagatellvergaben, also auch bei einem Auftragswert von zum Beispiel 5.000 Euro, greifen müsste.

Dies sei aber gerade vor dem Hintergrund des vom BVerfG auch in den Mittelpunkt seiner Entscheidung gerückten „Interesses des Auftraggebers an einer raschen Vergabeentscheidung und damit an der Möglichkeit einer sofortigen Ausführung der Maßnahme“, also gerade heute mehr denn je erforderlicher schneller (kommunaler) Investitionen, nicht recht nachvollziehbar.

Quelle: StGB NRW-Mitteilung vom 25.01.2018


Hinweis der Redaktion: Die Entscheidung des OLG Düsseldorf wird in Kürze ausführlich im Vergabeblog besprochen!

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Rückforderung von Fördergeldern wegen Vergabefehlern trotz unwirksamer Auflage?

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Recht

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Eine Vielzahl von Unternehmen nimmt heutzutage die Möglichkeit in Anspruch, bei der Finanzierung von Projekten, insbesondere Bauvorhaben, auf staatliche Mittel zurückzugreifen. Diese staatlichen Zuschüsse werden von den Fördermittelgebern grundsätzlich aufgrund von Förderrichtlinien in Form eines Zuwendungsbescheids bewilligt. Dieser Bescheid enthält in der Regel eine Vielzahl von Auflagen, die bei der Verwendung der Fördermittel durch die Zuwendungsempfänger beachtet werden müssen. Eine der Auflagen verpflichtet die Zuwendungsempfänger üblicherweise zur Einhaltung des öffentlichen Vergaberechts, das nicht nur den transparenten und gleichberechtigten Wettbewerb bei der öffentlichen Auftragsvergabe gewährleisten, sondern zudem die sparsame und wirtschaftliche Verwendung der öffentlichen Mittel sicherstellen soll.

Die Wirksamkeit und Einhaltung dieser Auflage ist häufig Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Fördermittelgeber und dem Zuwendungsempfänger im Rahmen des (Teil-)Widerrufs und der Rückforderung von Fördergeldern.

I. Ausgangslage bei der Rückforderung von Fördermitteln wegen Auflagenverstoßes

1. Rechtsgrundlage des (Teil-)Widerrufs und der Rückforderung

Der (Teil-)Widerruf und die Rückforderung von Fördermitteln richten sich grundsätzlich nach §§ 49 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, 49a VwVfG. Danach kann ein rechtmäßiger Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen und die Fördergelder zurückgefordert werden, wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht erfüllt hat. Diese Auflage ist regelmäßig der Kern der rechtlichen Auseinandersetzung.

2. Auflage und ihre Bestimmtheit

a) Wirksame Auflage

Bei einem rechtmäßigen Zuwendungsbescheid ist die wirksame Auflage zur Einhaltung des Vergaberechts dann nicht erfüllt, wenn der Zuwendungsempfänger bei der Vergabe von Aufträgen, die mit öffentlichen Fördermitteln finanziert werden, das Vergaberecht nicht oder fehlerhaft anwendet. In diesem Fall liegt ein Auflagenverstoß im Sinne des § 49 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 VwVfG vor, sodass der Fördermittelgeber den Zuwendungsbescheid nach Ausübung seines Ermessens vollständig oder teilweise widerrufen und die Fördermittel zurückfordern kann.

b) Nichtige Auflage

Ist die Auflage jedoch nichtig, dann ist sie nicht wirksam Bestandteil des Zuwendungsbescheids geworden. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn der Fördermittelgeber gegen § 37 Abs. 1 VwVfG verstoßen hat. Danach müssen ein Verwaltungsakt und damit auch die Auflage inhaltlich hinreichend bestimmt sein.

Inhaltlich hinreichend bestimmt ist eine Auflage nur dann, wenn die von der Behörde getroffene Regelung so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist, dass der Adressat sein Verhalten danach ausrichten kann. Ob das der Fall ist, ist durch Auslegung entsprechend der zu den §§ 133, 157 BGB entwickelten Regeln zu ermitteln. Es kommt bei der Auslegung maßgeblich darauf an, wie der Betroffene selbst nach allen ihm bekannten Umständen in einer verobjektivierten Weise den materiellen Gehalt des Bescheids unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste. Bei der Auslegung sind sowohl die subjektiven Vorstellungen des Adressaten als auch der erlassenden Behörde unerheblich. Maßgebend ist entsprechend der Auslegungsregel des § 133 BGB der erklärte Wille, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte[1].

Enthält der Bewilligungsbescheid, den der Zuwendungsempfänger erhalten hat, Nebenbestimmungen in Form einer Auflage zur Einhaltung des Vergaberechts, die nicht vollständig, klar, eindeutig und für ihn nicht transparent ist, ob und nach welchen Vergaberegelungen er sich bei der Vergabe der öffentlich finanzierten Aufträge richten soll, dann fehlt der Auflage die Bestimmtheit im Sinne des § 37 Abs. 1 VwVfG.

Ist die Auflage in einer die Schwelle des § 44 Abs. 1 VwVfG überschreitenden Weise unbestimmt, so ist sie nichtig und unwirksam, was bedeutet, dass sie nicht wirksamer Bestandteil des Zuwendungsbescheids geworden ist und die Pflicht zur Einhaltung des Vergaberechts gegenüber dem Fördermittelgeber seitens des Zuwendungsempfängers nicht besteht.

Ein Auflagenverstoß wegen Verletzung der Vergabevorschriften kann dann mangels wirksamer, die Pflicht zur Einhaltung des Vergaberechts begründender Auflage nicht vorliegen, sodass der Tatbestand für den (Teil-)Widerruf nicht erfüllt und damit auch eine Rückforderung durch den Fördermittelgeber rechtswidrig ist.

Der Zuwendungsempfänger dürfte sich insoweit vor diesem Hintergrund grundsätzlich erfolgreich gegen einen (Teil-)Widerruf sowie eine Rückforderung zu Wehr setzen können, selbst wenn er offensichtliche und schwere Vergabeverstöße begangen hat.

II. Problem bei der Förderung mit EU-Mitteln

Problematisch wird es jedoch, wenn die bewilligten Fördergelder Mittel aus dem EU-Haushalt enthalten. Dies ist sehr häufig der Fall, weil eine Vielzahl von Maßnahmen aus den EU-Fonds wie insbesondere dem ESF-, EFRE- oder ELER-Fonds gefördert wird.

In diesen Fällen kommen die Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 über den EFRE-, ESF-, Kohäsions-, ELER- sowie den EMFF-Fonds, für ältere Fördermaßnahmen die mittlerweile abgelöste „Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 mit allgemeinen Bestimmungen über den EFRE-, ESF- und Kohäsionsfonds“ sowie die „Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaft“ zur Anwendung.

Nach einem Urteil des EuGH sind Art. 1 Abs. 2 EG-Verordnung Nr. 2988/95 sowie Art. 2 Nr. 7 EG-Verordnung Nr. 1083/2006 im Hinblick auf den Begriff der „Unregelmäßigkeit“ dahin auszulegen, dass der Verstoß gegen nationale Rechtsvorschriften durch einen öffentlichen Auftraggeber, der einen Zuschuss aus den Strukturfonds erhält, im Rahmen der Vergabe eines öffentlichen Auftrags, dessen geschätzter Auftragswert unterhalb der EU-Schwellenwerte liegt, eine „Unregelmäßigkeit“ darstellen kann, soweit dieser Verstoß dadurch einen Schaden für den Gesamthaushaltsplan der EU bewirkt hat oder bewirken würde, dass ihm eine ungerechtfertigte Ausgabe angelastet werden muss oder müsste[2].

Es wird davon ausgegangen, dass mit EU-Mitteln geförderte Maßnahmen dem EU-Recht unterliegen. Der Begriff der „Unregelmäßigkeit“ im Sinne der genannten Verordnungen ist daher so zu verstehen, dass er nicht nur jeden Verstoß gegen dieses Recht umfasst, sondern auch jeden Verstoß gegen nationale Rechtsvorschriften, die dazu beitragen, die ordnungsgemäße Anwendung des EU-Rechts im Bereich der Verwaltung von Vorhaben, die von EU-Fonds gefördert werden, sicherzustellen[3].

Ziel der Verordnung Nr. 1083/2006 ist es, einerseits die Grundsätze für die Verwaltung, Begleitung und die Kontrolle der von den Fonds finanziell unterstützten Maßnahmen und andererseits die ordnungsgemäße und effiziente Verwendung der Strukturfonds zu gewährleisten, um die finanziellen Interessen der EU zu schützen.

Aus dieser Verordnung ergibt sich gleichzeitig, dass es zuvörderst Aufgabe der Mitgliedstaaten ist, die erforderlichen finanziellen Berichtigungen vorzunehmen und darauf zu achten, dass die geförderten Maßnahmen im Einklang mit sämtlichen Vorschriften stehen, die sowohl auf EU-Ebene als auch auf nationaler Ebene anzuwenden sind.

Eine Auslegung, dass Rückforderungen nur bei Verstößen gegen das EU-Recht und nicht auch gegen das nationale Recht zulässig sind, steht der Wirksamkeit der Intervention der betreffenden EU-Fonds entgegen und würde keine Gewähr für die vollständige Verwirklichung der vom Unionsgesetzgeber auf diesem Gebiet verfolgten Ziele bieten[4].

Dies wird durch die EU-Verordnung Nr. 1303/2013, die die Verordnung Nr. 1083/2006 (EG) abgelöst hat, bestätigt, die in Art. 2 Nr. 36 als Definition für die „Unregelmäßigkeit“ nunmehr ausdrücklich jeden Verstoß gegen das EU-Recht oder gegen das mit dessen Anwendung verbundene nationale Recht umfasst[5].

Dies führt nach Ansicht des Autors zu folgendem Schluss: Ist in Fällen der Förderung eines öffentlichen Auftraggebers mit EU-Mitteln, der Auftragsvergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte nicht oder fehlerhaft durchführt, die Auflage zur Einhaltung des Vergaberechts nichtig und daher unwirksam ist, dann berührt dies im Ergebnis, im Gegensatz zur Konstellation der Förderung ohne EU-Mittel, die Zulässigkeit der Rückforderung der Zuwendung seitens des Fördermittelgebers nicht.

Obwohl die Auflage zur Einhaltung des Vergaberechts im Zuwendungsrechts-Verhältnis nichtig ist und die Verpflichtung aus dem Zuwendungsbescheid an sich entfallen ist, darf der Fördermittelgeber die Zuwendung entsprechend den EU-Verordnungen sowie dem EuGH-Urteil vom öffentlichen Zuwendungsempfänger zurückfordern.

III. Rechtliche Beurteilung

1. Verstoß gegen nationales Vergaberecht ist eine „Unregelmäßigkeit“

Aus dem zitierten Urteil und vorgenannten Verordnungen ergibt sich, dass dem Fördermittelgeber im Falle der Förderung von öffentlichen Zuwendungsempfängern aus EU-Mitteln neben den nationalen Vorschriften eine Rechtsgrundlage für die Rückforderung im EU-Recht zur Verfügung steht.

In der Vergangenheit war es stets erforderlich, dass im Verhältnis zwischen Fördermittelgeber und Zuwendungsempfänger bei Bewilligung durch das Zuwendungsrechts-Verhältnis in Kombination mit der Auflage zur Einhaltung des Vergaberechts eine Rechtsgrundlage geschaffen wurde. Anderenfalls war eine Verpflichtung gegenüber dem Fördermittelgeber nicht gegeben und eine Rückforderung nicht möglich.

Nunmehr verhält es sich so, dass selbst bei rechtsfehlerhaft formulierten Auflagen des Fördermittelgebers die Nichtigkeit der Auflage nicht dazu führt, dass eine Rückforderung mangels Rechtsgrundlage unzulässig ist. Vielmehr ist in den EU-Verordnungen unmittelbar eine Rechtsgrundlage festgelegt, die unabhängig von der Auflage im Zuwendungsbescheid eine Rückforderungsmöglichkeit bietet.

Diese strengen Regelungen und Auslegungen, die bei der Verwendung von EU-Mitteln aufgestellt werden, stehen nach Ansicht des Autors jedoch im Einklang mit den Zielen der Verordnungen und insbesondere mit dem Grundsatz des „effet utile, der die wirksame und effiziente Durchsetzung des EU-Rechts gewährleisten soll.

Die Ziele der Verwaltung, Begleitung und Kontrolle der EU-geförderten Maßnahmen sowie die ordnungsgemäße und effiziente Verwendung des Strukturfonds leiten sich aus den EU-Verordnungen und damit dem EU-Recht ab.

Das Effizienzgebot (effet utile) bedeutet, dass das EU-Recht dem nationalen Recht im Zweifel vorgeht, soweit nationale Vorschriften mit dem Zweck des konkreten EU-Rechts nicht vereinbar sind.

Würden Verstöße gegen nationale Vergabevorschriften keine „Unregelmäßigkeiten“ im Sinne der Verordnungen darstellen, könnten Fördergelder aus EU-Fonds, die durch das EU-Recht geregelt sind, trotz Vergabefehlern nicht zurückgefordert werden. Damit könnte keine ordnungsgemäße und wirksame Verwendung der Mittel aus den Strukturfonds gewährleistet werden. Die Verwaltung, Begleitung und Kontrolle dieser EU-geförderten Maßnahmen würde zumindest teilweise leerlaufen.

2. EU-geförderte Maßnahmen sind in der Regel EU-Beihilfen

Weiterhin ist zu beachten, dass es sich bei den meisten EU-geförderten Maßnahmen um solche Maßnahmen handeln wird, die den Tatbestand der EU-Beihilfe gemäß Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllen. Das EU-Recht geht aber von einem einheitlichen Beihilfenbegriff aus. Das bedeutet, wenn eine Maßnahme mit einem noch so geringen Teil aus EU-Mitteln kofinanziert ist, dann muss dennoch die gesamte Förderung und nicht nur der auf EU-Mittel entfallende Teil zurückgefordert werden.

3. Das Effizienzgebot des „effet utile“

Der genannte Grundsatz des „effet utile“ führt darüber hinaus dazu, dass die Vertrauenstatbestände sowie die Jahresfrist zum Wegfall der Rückzahlungspflicht nach §§ 48 Abs. 2 – 4 und 49 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 2 VwVfG als Verweisungsnorm wegen Unionswidrigkeit nicht anwendbar sind, da auch diese nationalen Normen eine wirksame und effiziente Einziehung der EU-Mittel verhindern würden.

4. Rückforderung von privaten Auftraggebern/Zuwendungsempfängern

Interessant ist außerdem die Frage, ob die genannten Folgen auch private, mit EU-Mitteln geförderte Auftraggeber/Zuwendungsempfänger betreffen.

Die angeführte Entscheidung des EuGHs spricht in seinem Leitsatz und der Begründung ausdrücklich von öffentlichen Auftraggebern, die bei Auftragsvergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte durch Nichteinhaltung des nationalen Vergaberechts eine „Unregelmäßigkeit“ im Sinne der genannten EU-Verordnung begehen.

Die einschlägigen EU-Verordnungen jedoch verwenden bei der Definition des Begriffs der „Unregelmäßigkeit“, der Voraussetzung für die Maßnahmen der Mitgliedstaaten in Form der Einziehung der rechtsgrundlos gezahlten Förderbeträge gemäß Art. 143 Abs. 1, 2, Art. 122 Abs. 2 der EU-Verordnung Nr. 1303/2013 ist, für dessen Anwendungsbereich ausdrücklich den Begriff des „Wirtschaftsteilnehmers“ in ihren Begriffsbestimmungen.

Die „Unregelmäßigkeit“ meint zunächst jeden Verstoß gegen das Unionsrecht oder gegen nationale Vorschriften zu dessen Anwendung als Folge einer Handlung oder Unterlassung eines an der Inanspruchnahme von Mitteln aus den ESI-Fonds beteiligten Wirtschaftsteilnehmers. „Wirtschaftsteilnehmer“ meint sodann jede natürliche oder juristische Person oder jede Einrichtung, die an der Durchführung der Unterstützung aus den ESI-Fonds beteiligt ist.

Der Begriff des „Wirtschaftsteilnehmers“ unterscheidet nicht zwischen öffentlichen und privaten Auftraggebern. Vielmehr umfasst er seinem Wortlaut nach jede natürliche oder juristische Person oder Einrichtung. Ist nunmehr ein privater „Wirtschaftsteilnehmer“ an der Durchführung einer mit EU-Mitteln geförderten Maßnahme beteiligt und verstößt gegen nationales Vergaberecht, ist der Tatbestand der „Unregelmäßigkeit“ also erfüllt.

Da in diesem Fall eine durch einen „Wirtschaftsteilnehmer“ verursachte „Unregelmäßigkeit“ im Sinne des genannten Art. 143 Abs. 1, 2, Art. 122 Abs. 2, Art. 2 Nr. 36 der EU-Verordnung Nr. 1303/2013 vorliegt, dürfen die damit rechtsgrundlos ausgezahlten EU-Fördermittel eingezogen bzw. zurückgefordert werden.

Dass der EuGH in seiner Entscheidung bzw. seinem Leitsatz nur von öffentlichen Auftraggebern spricht, dürfte daher vermutlich nur daran liegen, dass die Vorlagefrage des betroffenen Mitgliedstaates im konkret entschiedenen Fall lediglich öffentliche Auftraggeber zum Gegenstand hatte und der EuGH daher über private, mit EU-Mitteln geförderte Auftraggeber nicht zu entscheiden hatte[6].

Weiterhin sprechen die „Leitlinien der EU-Kommission zur Festsetzung von Finanzkorrekturen, die bei Verstößen gegen die Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge auf von der EU im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung finanzierte Ausgaben“ (COCOF-Leitlinien) für eine Anwendung der EU-Verordnungen als Rechtsgrundlage für die Rückforderung der Fördergelder auch von privaten Auftraggebern/Zuwendungsempfängern.

In Ziffer 1.2.2 der Leitlinien wird ausgeführt, dass unabhängig von dem Vorhandensein eines grenzüberschreitenden Interesses (Binnenmarktrelevanz) bezüglich eines öffentlichen Auftrags, der nicht den EU-Richtlinien unterliegt, geprüft werden muss, ob die für den konkreten, EU-geförderten Auftrag gemeldeten Ausgaben den nationalen Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge entsprechen. Die Leitlinien der EU-Kommission stellen zwar nur eine Empfehlung dar. Damit wird jedoch ausdrücklich aufgezeigt, dass die COCOF-Leitlinien bei Finanzkorrekturen wegen „Unregelmäßigkeiten“ auch im Unterschwellenbereich, nötigenfalls in analog für die nationalen Vergabeverfahren, Anwendung finden, wenn EU-Mittel bewilligt werden.

Würden bei der Wiedereinziehung von EU-Mitteln aufgrund von „Unregelmäßigkeiten“ private und öffentliche Auftraggeber zudem unterschiedlich behandelt, weil die sich aus der EU-Verordnung ergebende Rechtsgrundlage lediglich öffentliche Auftraggeber umfassen würde, so entstünde unter Verstoß gegen das EU-Primärrecht, den Gleichheitsgrundsatz, eine nach Ansicht des Autors nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung.

Die Rückforderungsmöglichkeit eines mit EU-Mitteln geförderten privaten Auftraggebers reiht sich insoweit in die Ziele und Grundsätze des EU-Rechts, namentlich der ordnungsgemäßen Verwaltung, Begleitung und Kontrolle der Mittel aus EU-Fonds sowie der effizienten Durchsetzung des EU-Rechts, ein.

5. Gesamtschau

Unter Berücksichtigung dieser unter den Nummer 1 – 4 genannten Aspekte ist in der Gesamtschau folglich zweifellos erkennbar, wie das EU-Recht stringent, ordnungsgemäß und effizient im Zweifel zu Lasten des nationalen Rechts durchgesetzt wird und wie die einzelnen Regelungen nicht zuletzt durch Auslegung ineinandergreifen.

Die EU sowie der EuGH schaffen durch die Möglichkeit der Rückforderung von EU-Fördermitteln bei öffentlichen Aufträgen im Bereich unterhalb der EU-Schwellenwerte eine Verknüpfung zwischen nationalem und europäischem Recht ähnlich der „Binnenmarktrelevanz“ öffentlicher Aufträge im Unterschwellenbereich. Die Förderung der Wirtschaft innerhalb des EU-Binnenmarktes mit EU-Mitteln führt dazu, dass Rückforderungen, die zunächst nur nationalem Recht unterliegen, dem die Verwaltung und Kontrolle dieser Mittel regelndem EU-Recht unterworfen werden. Damit wird die Einziehung rechtsgrundlos gezahlter Fördergelder von Bedeutung für die EU und ihren Binnenmarkt, obwohl das „europäische“ Vergaberecht unterhalb der EU-Schwellenwerte grundsätzlich keine Anwendung findet und Verstöße gegen nationales Vergaberecht durch den Fördermittelgeber mangels wirksamer Auflage rein nach nationalem Recht nicht beanstandet werden können.

IV. Praxistipp

Das EU-Beihilfen-, Zuwendungs- sowie Vergaberecht werden komplexer und strenger, um neben einem transparenten Wettbewerb die ordnungsgemäße und effiziente Verwendung insbesondere von EU-Mitteln zu gewährleisten. Sind Zuwendungsempfänger von EU-Mitteln in der Vergangenheit noch davon ausgegangen, dass sie selbst bei offensichtlichen Vergabefehlern noch die rechtliche Möglichkeit haben, sich gegebenenfalls auf wegen Unbestimmtheit nichtige Auflagen zur Einhaltung des Vergaberechts zu berufen, wird dies künftig nicht mehr erfolgreich möglich sein.

Es ist nicht abwegig, für die Zukunft zu erwarten, dass auch Fälle der EU-Förderung von privaten Auftraggebern/Zuwendungsempfängern gerichtlich zugunsten einer rechtmäßigen Rückforderung der Fördermittelgeber entschieden werden, obwohl entsprechende Auflagen zur Einhaltung des Vergaberechts in Bescheiden nichtig sind.

Soweit EU-Mittel bewilligt werden, muss folglich präzise auf die Einhaltung sämtlicher rechtlicher Regelungen, wie ausgeführt nicht nur der Auflagen im Bescheid, geachtet werden. Im Zweifel ist den Zuwendungsempfängern nicht zuletzt aus Haftungsgründen anzuraten, zwingend fachlichen Rat einzuholen, da sie insbesondere Verluste der EU-Fördermittel riskieren.


[1] VG Köln, Urteil vom 3.9.2015, Az. 16 K 3369/14.
[2] EuGH, Urteil vom 26.5.16, Az. C-260/14 und C-261/14.
[3] a. a. O.
[4] a. a. O.
[5] a. a. O.
[6] a. a. O.


Anm. der Redaktion: Im Mitgliederbereich des DVNW entwickelt sich übrigens gerade eine interessante Diskussion genau zu diesem Thema (hier). Noch kein Mitglied? Zur Mitgliedschaft geht es hier.

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Dickes Ding: Unterschwellige Konzessionsvergabe ohne Vorabinformation und Wartefrist nichtig? (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.12.2017 – 27 U 25/17)

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EntscheidungDas OLG Düsseldorf hat nun im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens wegen der Vergabe einer Unterschwellenkonzession in einem obiter dictum die Ansicht geäußert, dass gewichtige Gründe dafür sprächen, auch im Unterschwellenbereich die Einhaltung einer Informations- und Wartepflicht durch den öffentlichen Auftraggeber zu verlangen. Diese Rechtsauffassung ist diskutabel.

Für die Vergabe von Konzessionen im Unterschwellenbereich sind die Verfahrensregeln der KonzVgV und des GWB nicht anwendbar. Somit gelten insbesondere nicht die in § 134 GWB geregelte Informations- und Wartepflicht und die Vertragsunwirksamkeit nach § 135 GWB. Für unterschwellige Konzessionen können aber bspw. bei einem grenzüberschreitenden Interesse Verfahrensanforderungen aus den Grundnormen des AEUV folgen, insbesondere des Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) sowie den sich daraus ergebenden allgemeinen Grundsätze der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Transparenz.

§ 134 BGB; §§ 935, 940 ZPO; Art. 3, 19 Abs. 4 GG

Sachverhalt

Streitgegenständlich war die von einer Stadt beabsichtigte Überlassung eines Grundstücks an einen gemeinnützigen Verein zum Ausbau und Unterhalt von Freizeitanlagen sowie deren kostenfreie Zurverfügungstellung für die Öffentlichkeit. Ein österreichischer Betreiber von Sport- und Freizeitanlagen war dagegen der Auffassung, dass die Stadt vor Abschluss eines solchen Überlassungsvertrages ein transparentes und diskriminierungsfreies Auswahlverfahren durchführen müsse, an dem er sich beteiligen wolle. Er beschritt deshalb den ordentlichen Rechtsweg und beantragte den Erlass einer entsprechenden einstweiligen Verfügung gegen die Stadt. Nach Zurückweisung des Antrages in erster Instanz schloss die Stadt mit dem Verein den Grundstücksüberlassungsvertrag. Der Verfügungskläger legte zeitgleich Berufung beim OLG Düsseldorf ein. Ohne Erfolg.

Die Entscheidung

Der 27. Zivilsenat des OLG Düsseldorf, unter dem Vorsitz von Dicks, hielt den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bereits mangels hinreichender Glaubhaftmachung des Rechtsschutzinteresses für unzulässig. Aus diesem Grund haben die Düsseldorfer Richter nur nebenbei materielle Rechtsausführungen getroffen.

So meint das OLG Düsseldorf, dass die Überlassung des Grundstücks eine Dienstleistungskonzession darstelle, weil sich die Stadt dadurch Dienstleistungen in Form von Freizeitmöglichkeiten für ihre Bürger und Besucher beschafft. Der Betreiber trage wegen der Verwaltung und Instandhaltung der Anlagen auch in erheblichem Umfang das Betriebsrisiko. Unterhalb der EU-Schwellenwerte und selbst bei einem fehlenden grenzüberschreitenden Interesse an der Dienstleistungskonzession verlange der grundgesetzliche Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 GG) ein transparentes und diskriminierungsfreies Vergabeverfahren.

Bei Verstößen hiergegen steht dem Rechtsschutzsuchenden daher der Zivilrechtsweg offen, um im Wege einer einstweiligen Verfügung gemäß §§ 935, 940 ZPO ein Zuschlagsverbot erwirken zu können. Ist hingegen der Zuschlag bereits erteilt, kann Primärrechtsschutz nicht mehr erreicht werden, es sei denn, der geschlossene Vertrag ist unwirksam oder nichtig. Eine Vertragsnichtigkeit infolge von vermeintlichen Verstößen gegen Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV (beihilferechtliches Durchführungsverbot) oder § 138 BGB (kollusives Zusammenwirken) hielten die Düsseldorfer Richter hier nicht für gegeben.

Vielmehr könne nach Auffassung des 27. Zivilsenats eine Vertragsnichtigkeit aber daraus folgen, dass die Stadt den österreichischen Freizeitanlagenbetreiber weder über den beabsichtigten Vertragsabschluss mit dem Verein informiert, noch im Anschluss daran eine angemessene Wartefrist eingehalten hat. Nach Ansicht des OLG Düsseldorf besteht ein ungeschriebenes Gesetz, dass ein unter Verstoß gegen die Informations- und Wartepflicht geschlossener Vertrag gemäß § 134 BGB nichtig sei. Dies folge aus der europäischen und deutschen Rechtsprechung.

So würden die gemeinsamen Verfassungen der Unionsstaaten und die Konvention zum Schutz der Menschenrechte sowie die Grundfreiheiten einen effektiven und vollständigen Schutz gegen eine Willkür des öffentlichen Auftraggebers fordern. Hierzu zähle auch, dass zwischen der Unterrichtung abgelehnter Bieter und der Vertragsunterzeichnung eine angemessene Frist liegt, innerhalb der für den Bieter ein vorläufiger Schutz gewährt werden kann, wenn er für die volle Wirksamkeit der Entscheidung in der Sache erforderlich ist, so die Düsseldorfer Richter unter Hinweis auf den EuG (Urt. v. 20.09.2011 – T-461/08 Evropaïki Dynamiki / EIB).

Schließlich stritten auch die Rechtsprechung des BVerwG (Urt. v. 04.11.2010 2 C 16/09) bei Beamten- und Richterbeförderungen sowie des OVG Berlin-Brandenburg (Beschl. v. 30.11.2010 OVG 1 S.107.10) zur Vergabe von Wochenmarktveranstaltungen für eine vorherige Informations- und Wartepflicht.

Rechtliche Würdigung

Das obiter dictum des OLG Düsseldorf dürfte auf Unternehmensseite auf Zustimmung, bei der öffentlichen Hand hingegen auf Ablehnung treffen. Die oberlandesgerichtliche Ansicht wird jedenfalls die Diskussion um die konkreten Verfahrensanforderungen bei der Vergabe unterschwelliger Konzessionen neu beleben.

Der EuGH fordert in seiner Teleaustria-Entscheidung (Urt. v. 07.12.2000 C-324/98) bei Konzessionsvergaben (von grenzüberschreitenden Interesse) eine Nachprüfungsmöglichkeit, ob das Verfahren unparteiisch durchgeführt wurde. Zur Wahrung eines effektiven Rechtsschutzes müssen daher zumindest die Entscheidungen mit ungünstigen Folgen für konzessionsinteressierte Unternehmen auf etwaige Verletzungen der aus dem europäischen Primärrecht abgeleiteten Grundanforderungen nachgeprüft werden können (EU-Kommission, ABlEU v. 01.08.2006, C 179/7). Deshalb sind die Gründe für die Nichtberücksichtigung von Konzessionsbietern in der Entscheidung selbst oder auf Antrag nach der Mitteilung der Entscheidung darzulegen (EuGH, Urt. v. 15.10.1987 – C-222/86 Heylens). Die vom OLG Düsseldorf in Bezug genommene Entscheidung des EuG (Urt. v. 20.09.2011 – T-461/08 Evropaïki Dynamiki / EIB) ändert daran nichts, weil diese das vergaberechtliche Sonderregime einer Beschaffung der Europäischen Investitionsbank betraf – zumal eines (oberschwelligen) Auftrages – und daher nicht für (unterschwellige) Konzessionen verallgemeinerungsfähig sein dürfte. Für das Urteil des BVerwG (Urt. v. 04.11.2010 2 C 16/09) gilt ähnliches, weil die grundgesetzlich gesicherte Beamtenernennung nach Art. 33 Abs. 2 GG anderes regelt als eine Konzession.

Eine vor der Konzessionsvergabe erteilte Information an die nicht berücksichtigten Bieter mit anschließender Wartefrist ist  aber nicht zwingend. Denn für die nicht berücksichtigten Bieter besteht auch nach der Konzessionsvergabe eine gerichtliche Nachprüfungsmöglichkeit im Wege des Sekundärrechtsschutzes. Die insbesondere unter Hinweis auf Art. 19 Abs. 4 GG vertretene Gegenmeinung (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 30.11.2010 – OVG 1 S 107.10) überdehnt insoweit die europäische Rechtsprechung. Denn der EuGH fordert zwar einen effektiven, aber auch einen zum mitgliedstaatlichen Recht äquivalenten Rechtsschutz (EuGH, Urt. v. 22.01.2015 C-463/13 Stanley International Betting und Stanleybet Malta). In verfassungsrechtlicher Hinsicht ist der deutsche Gesetzgeber nicht dazu verpflichtet, eine auch tatsächlich verwirklichbare Möglichkeit eines primären Rechtsschutzes bei unterschwelligen Konzessionsvergaben zu schaffen (BVerfG, Beschl. v. 13.06.2006 – 1 BvR 1160/03). Vor allem muss er auch keine Verpflichtung des Konzessionsgebers zu einer rechtzeitigen Information der nicht berücksichtigten Bieter regeln, wie sie z.B. in den §§ 154 Nr. 4, 134 GWB für oberschwellige Konzessionsvergaben vorgesehen ist.

Vor diesem Hintergrund erscheint zudem die Annahme einer Vertragsnichtigkeit nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen ein ungeschriebenes Gesetz zweifelhaft. Dies gilt insbesondere deshalb, weil ein Gewohnheitsrecht, das den Abschluss eines unterschwelligen Konzessionsvertrages ohne Vorabinformation und Wartefrist unmissverständlich verwirft, nicht offensichtlich ist. Ebenso sind auch die Grundrechtsartikel grundsätzlich nicht als Verbotsgesetze i.S.d. § 134 BGB zu werten.

Praxistipp

Konzessionsgeber, die der Rechtssicherheit ihrer Entscheidungen einen hohen Stellenwert beimessen, sollten – bis zu einer gefestigten Rechtsprechung – vor dem Abschluss unterschwelliger Konzessionsverträge die nicht berücksichtigten Bieter aus Gründen der Vorsicht vorab informieren und eine angemessene Wartefrist (z.B. zehn Tage bei elektronischer Vorabinformation) einplanen. Andernfalls besteht nach der Rechtsmeinung des OLG Düsseldorf das Risiko, einen nichtigen bzw. unwirksamen Konzessionsvertrag abzuschließen.

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Keine Nachbesserung von Eignungsnachweisen im Vergabeverfahren

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Liefer- & DienstleistungenRecht

RechtDie Festlegung der im Rahmen eines Vergabeverfahrens geforderten Eignungsnachweise ist – neben der Bestimmung der Zuschlagskriterien – die wichtigste verfahrensleitende Entscheidung öffentlicher Auftraggeber. Im Kontext der Eignungsprüfung sind öffentliche Auftraggeber nach § 56 Abs. 2 Satz 1 VgV berechtigt, fehlende oder unvollständige Unterlagen, offensichtliche Schreibfehler oder unklare oder widersprüchliche Angaben in Teilnahmeanträgen oder Angeboten nachzufordern, zu vervollständigen oder zu korrigieren. Nach einer aktuellen Entscheidung der Vergabekammer Thüringen ist das Nachreichen und Nachfordern von „besseren“ Eignungsnachweisen jedoch nicht von § 56 Abs. 2 Satz 1 VgV gedeckt und widerspricht dem Grundsatz der Bietergleichbehandlung, unter dessen Vorbehalt § 56 Abs. 2 VgV ausdrücklich steht (Beschl. v. 20.09.2017 – 250-4004-6659/2017-E-034-WE).

VgV 2016, § 56 Abs. 2

Sachverhalt

Ein öffentlicher Auftraggeber schrieb Planungsleistungen für eine Küchenplanung im Wege eines Verhandlungsverfahrens mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb europaweit aus. Von den Bewerbern war im Teilnahmeantrag ein Projektleiter mit der Berufsqualifikation „Ingenieur“ zu benennen. Das für den Zuschlag vorgesehene Planungsbüro benannte im Teilnahmeantrag einen Projektleiter und einen stellvertretenden Projektleiter. Der als Projektleiter vorgesehene Mitarbeiter verfügte über eine Berufsausbildung als Koch, der Stellvertreter über eine Qualifikation als Diplom-Ingenieur. Nach Beanstandung der beabsichtigten Vergabe durch einen Wettbewerber wurde die Wiederholung der Eignungsprüfung durch das zuständige Ministerium angeordnet, da der angegebene Projektleiter nicht über die erforderliche Eignung verfüge. Das Planungsbüro gab nunmehr den ursprünglich als stellvertretenden Projektleiter vorgesehenen Mitarbeiter als Projektleiter an. Dieses Vorgehen wurde von dem Wettbewerber im Rahmen des der Entscheidung der Vergabekammer zugrunde liegenden Nachprüfungsantrags als „unzulässiges Nachverhandeln“ beanstandet.

Entscheidung

Die VK Thüringen entschied, dass der Austausch des Projektleiters in der vorliegenden Fallkonstellation unzulässig war. Die nachträgliche Erbringung von Eignungsnachweisen sei nicht von § 56 Abs. 2 Satz 1 VgV gedeckt. Vielmehr bestünde für die Bewerber nach Ablauf der Teilnahmefrist grundsätzlich eine Bindung an den Inhalt ihres Teilnahmeantrags. Der Austausch einzelner Eignungsnachweise nach Ablauf der Teilnahme- oder Angebotsfrist stelle eine dem Gleichbehandlungsgrundsatz widersprechende inhaltliche Nachbesserung des Teilnahmeantrags beziehungsweise des Angebots dar. Darüber hinaus war die Kammer der Überzeugung, dass durch die nachträgliche Änderung einmal abgegebener Erklärungen ein ungerechtfertigter Wettbewerbsvorteil gegenüber den Konkurrenten entstehe.

Die Nachforderungsmöglichkeit des § 56 Abs. 2 Satz 1 VgV diene lediglich dazu, „überspitzte Förmeleien“ zu beseitigen und das bloße Vergessen einer Unterlage, offensichtliche Schreibfehler oder widersprüchliche Angaben im Rahmen eines Teilnahmeantrags oder eines Angebots nicht mehr mit dem Ausschluss zu bestrafen.

Praxistipp

Die Thematik der Nachforderung oder Vervollständigung von Unterlagen hat immense Praxisrelevanz. Für öffentliche Auftraggeber gilt es zu beachten, dass ein Austausch oder ein inhaltliches Nachbessern von Unterlagen nach Ablauf der Teilnahme- oder Angebotsfrist unzulässig ist. Dementsprechend dürfen von einem Auftraggeber auch keine „besseren“ oder anderen Eignungsnachweise nachgefordert werden.

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Unklarheiten in den Ausschreibungsunterlagen gehen stets zu Lasten des Auftraggebers (VK Südbayern, Beschl. v. 16.10.2017 – Z3-3-3194-1-30-06/17)

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Liefer- & DienstleistungenRecht

RechtUnklare und auslegungsbedürftige Begriffe sind zu Gunsten der Bieter weit auszulegen. Und die von der Vergabestelle verursachten Unklarheiten dürfen nicht zu Lasten der Bieter gehen. Vielmehr gehen diese stets zu Lasten des Auftraggebers. Dies hat die Vergabekammer Südbayern entschieden.

§ 122 Abs. 4 S. 2 GWB, § 48 Abs. 1 VgV

Sachverhalt

Der Auftraggeber beabsichtigte die Vergabe einer Rahmenvereinbarung über Mediadienstleistungen an eine Mediaagentur. Als Eignungsanforderungen waren u.a. ein jährliches Umsatzvolumen von 100 Millionen Euro der Agentur verlangt sowie „ein fester Personalstamm von mindestens 20 Mitarbeitern, davon mindestens drei Media-Direktoren und/oder mindestens vier eigenständige Units bzw. Teams.“

Im Laufe des Teilnahmewettbewerbs stellte ein Bewerber die Bieterfrage, ob mit dem Umsatzvolumen das „Billing-Volumen“ gemeint sei, welches die Agentur verwalte bzw. als Schaltvolumen in den Medien platziere. Der Auftraggeber antwortete: „Billing-Volumen ist gemeint.“

Eine unterlegene Bieterin rügte die beabsichtigte Vergabe an einen Konkurrenten schließlich mit dem Vorwurf, dass die erfolgreiche Bieterin weder das erforderliche Billing-Volumen erfülle, da es erforderlich sei, dass das Volumen auch durch ihre eigenen Bücher gehe, noch über 20 Vollzeitbeschäftigte bzw. drei Media-Direktoren verfüge. Die erfolgreiche Bieterin wiederum verteidigte sich damit, dass nur 20 Mitarbeiter verlangt seien, nicht jedoch explizit Vollzeitbeschäftigte. Zudem reiche es aus, wenn sie ein Billing-Volumen verwalte, auch wenn direkt zwischen Auftraggeber und Medien abgerechnet würde, ohne dass der Betrag über ihre eigenen Bücher laufe.

Die Entscheidung

Die Vergabekammer hat die Vergabestelle im Ergebnis dazu verpflichtet, die Eignung des erfolgreichen Bieters weiter aufzuklären und sodann die Eignungsprüfung zu wiederholen. Im Wesentlichen wurde der Nachprüfungsantrag aber zurückgewiesen. Die Vergabekammer hat die maßgeblichen Eignungsanforderungen sämtlich als unklar angesehen und daher entsprechend der üblichen Vorgehensweise zu Gunsten der Bieter ausgelegt.

So sei beispielsweise der Begriff des festen Personalstammes arbeitsrechtlich nicht definiert, der Begriff des Media Direktors ebenfalls nicht geregelt und es bleibe unklar, welche Unternehmensteile als vier eigenständige Units bzw. Teams angesehen werden können (Zitat: VK Südbayern, aaO Rn. 89). Danach könne die Anforderung an einen Personalstamm von 20 Mitarbeitern auch durch 20 Teilzeitmitarbeiter erfüllt werden. Auch könne jeder Bieter selbst entscheiden, welchen Mitarbeiter er als Media Direktor bezeichne.

Der Begriff des Billing-Volumens sei ebenfalls unklar. Zwar spreche einiges dafür, dass damit im Branchenjargon tatsächlich nur ein solcher Umsatz gemeint sei, der unmittelbar von einer Agentur im Auftrag eines Kunden bei den Medien getätigt werde (eingekauftes Werbevolumen). Allerdings habe die Vergabestelle hier auf eine Bieterfrage hin den Eindruck erweckt, dass es bereits ausreiche, wenn eine Agentur in Bezug auf ein bestimmtes Volumen nur beratend tätig gewesen sei.

Da auch nicht ganz geklärt werden konnte, ob die bestplatzierte Bieterin diese bieterfreundlich zu verstehenden Anforderungen erfüllt, hat die Vergabekammer den Auftraggeber zur Wiederholung der Eignungsprüfung verpflichtet.

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung der Vergabekammer Südbayern ist ein Musterbeispiel für den bereits seit langem etablierten Grundsatz der bieterfreundlichen Auslegung von unklaren Anforderungen in den Vergabeunterlagen. Die Eingangsfrage ist aber stets, ob denn auch tatsächlich eine unklare Anforderung vorliegt. Dabei hat die Vergabekammer ebenfalls einen strengen  Maßstab angelegt. Ihr ist aber zuzugeben, dass die Anforderungen hier durchaus klarer hätten formuliert werden können.

Praxistipp

Auftraggebern dürfte auch schon vor dieser Entscheidung klar gewesen sein, dass die Eignungsanforderungen möglichst klar und bestimmt formuliert sein müssen. Die vorliegende Entscheidung zeigt aber, dass jedes Beschaffungsvorhaben spezifisches Branchen-Knowhow voraussetzt, über das eine Vergabestelle häufig nicht verfügt. Welcher Einkäufer weiß schon exakt, was ein Media-Direktor ist oder was unter Billing-Volumen in der Werbebranche im Detail zu verstehen ist. Vergabestellen ist daher zu raten, sich entweder professionell beraten zu lassen (falls es das Auftragsvolumen hergibt) oder anderenfalls auf bewährte Eignungsanforderungen zu rekurrieren, die dann zwar nicht völlig perfekt zu dem spezifischen Auftrag passen, aber doch vergaberechtlich anerkannt sind.

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Keine Flucht in den Subunternehmereinsatz: Bei Vergabe von SPNV-Dienstleistungen muss neuer AN i.d.R. Personal des Altbetreibers übernehmen! (VK Südbayern, Beschl. v. 12.12.2017, Z3-3-3194-1-40-08/17)

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RechtVerkehr

RechtPersonalkosten sind im Bereich der SPNV-Leistungen ein wichtiger Wettbewerbsfaktor. Umso unbeliebter sind Vorgaben des Auftraggebers zur Übernahme von Altpersonal des bisherigen Betreibers. In einem Fall, den die Vergabekammer Südbayern jüngst zu entscheiden hatte, wollte der Auftraggeber Bietern hier entgegen kommen.

§ 131 Abs. 3 GWB, § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB

Leitsatz

1. § 131 Abs. 3 GWB ist eine Bestimmung über das Vergabeverfahren im Sinne des § 97 Abs. 6 GWB. Auf eine Verletzung des § 131 Abs. 3 GWB können sich Bieter aufgrund des Wettbewerbsbezugs der Norm regelmäßig berufen.

2. Bei juristischen Personen muss die positive Kenntnis in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht i.S.d. § 160 Abs.3 S.1 Nr.1 GWB bei einer Person vorliegen, die befugt ist, für das Unternehmen im konkreten Vergabeverfahren rechtsverbindliche Erklärungen abzugeben.

3. Mit der Soll-Regelung des § 131 Abs. 3 Satz 1 wird die Anordnung der Übernahme von Arbeitnehmern des bisherigen Betreibers zum Regelfall. Ein Abweichen von der Anordnung bleibt aber bei Vorliegen eines sachlichen Grundes insbesondere in atypischen Fällen – weiterhin möglich.

4. Trifft der Auftraggeber eine Regelung, die die Verpflichtung zur Übernahme von Arbeitnehmern des bisherigen Betreibers weitgehend leer laufen lässt, ist er ebenso wie beim vollständigen Abweichen von der Anordnung der Übernahme verpflichtet, zu begründen und zu dokumentieren, aus welchen sachlichen Gründen er vom gesetzlichen Regelfall abweicht. Das etwaige Vorliegen eines atypischen Falls ist darzulegen.

Sachverhalt

Bei der Vergabe von SPNV- Dienstleistungen bestimmte die Leistungsbeschreibung entsprechend § 131 Abs. 3 GWB, dass der Auftragnehmer nach Maßgabe seines Personalbedarfs Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bestimmter Beschäftigungsgruppen des bisherigen Betreibers zwingend zu übernehmen habe und ihnen die Rechte gemäß § 613a BGB gewähren müsse. Gleichzeitig regelte sie, dass Bieter den Einsatz eines Subunternehmers in ihrem Personalkonzept bedarfsmindernd berücksichtigen können.

Der bisherige Betreiber wollte sich an der Ausschreibung beteiligen, sah sich aber durch die Möglichkeit der Bedarfsminderung bei Subunternehmereinsatz benachteiligt. Er war der Meinung, dass der in § 131 Abs. 3 GWB grundsätzlich vorgesehene Betriebsübergang auf diese Weise ausgehebelt werde und Konkurrenten die Kalkulationsrisiken, die sich aus einem Betriebsübergang ergeben und die sie nach dem gesetzgeberischen Willen tragen sollen, umgehen könnten. Er griff diese Regelung der Leistungsbeschreibung darum mit einem Nachprüfungsantrag an.

Die Entscheidung

Mit Erfolg!

1. Drittschützende Norm

Die Vergabekammer stellt dabei entgegen der überwiegend in der Literatur vertretenen Meinung – fest, dass § 131 Abs. 3 GWB eine bieterschützende Norm sei, auf die sich auch der bisherige Betreiber berufen könne. Das Verlangen der Übernahme bisheriger Beschäftigter entsprechend § 613a BGB bürde Bietern Kalkulationsrisiken auf, z.B. hinsichtlich der ungewissen Zahl der tatsächlich übergehenden Arbeitnehmer. Daher müssten Bieter auch im Nachprüfungsverfahren die Einhaltung dieser Maßgabe überprüfen lassen können, um unzulässige Wettbewerbsvorteile zu verhindern, die bei Missachtung des § 131 Abs. 3 GWB entstünden. Wenn einzelne Bieter gegenüber anderen unzulässige Kalkulationsvorteile erhielten, liege darin eine unzulässige Verbesserung bzw. Verschlechterung der Zuschlagschancen einzelner Bieter.

Auch in der Sache gab die Vergabekammer dem bisherigen Betreiber Recht.

2. Abweichungen von § 131 Abs. 3 Satz 1 GWB nur bei atypischen Fällen und im Rahmen einer Ermessensentscheidung

Zunächst einmal erläuterte sie Voraussetzungen und Reichweite des Anspruchs.

  • Gemäß § 131 Abs. 3 Satz 1 GWB sollen öffentliche Auftraggeber bei einem Betreiberwechsel verlangen, dass der ausgewählte Betreiber die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die beim bisherigen Betreiber für die Erbringung dieser Verkehrsdienstleistung beschäftigt waren, übernimmt und ihnen die Rechte gewährt, auf die sie im Falle eines Betriebsübergangs gemäß § 613a BGB Anspruch hätten.
  • Davon dürfe der rechtliche Auftraggeber nur in atypischen Fällen abweichen. Atypische Fälle sind solche, in denen konkrete, nicht vom öffentlichen Auftraggeber selbst zu vertretende überwiegende Gründe für das Abweichen von der Norm sprechen. Ob ein solch atypischer Fall vorliege, sei im Nachprüfungsverfahren voll überprüfbar.
  • Selbst bei Vorliegen eines atypischen Falls müsse der Auftraggeber seinen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Frage ausnutzen, ob und in welchem Umfang er von der Anordnung einer Übernahme der bisherigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Betreibers absehe. Der Auftraggeber kann demnach also im Rahmen seiner Ermessenentscheidung insbesondere auch die Übernahme der Beschäftigten des bisherigen Betreibers nur begrenzen, anstatt vollständig darauf zu verzichten. Dabei habe er die Erbringung von effizienten Verkehrsdienstleistungen einerseits und die Belange der Arbeitnehmer andererseits sowie den Wettbewerb zu berücksichtigen. Die in § 131 Abs. 3 GWB vorgesehene Soll-Regelung enthalte dabei eine stärkere Ausrichtung am Schutz der Arbeitnehmer als die zugrunde liegende Kann-Regelung in VO (EG) Nr. 1370/2007.)

Der Vergabekammer zufolge war aber weder vorgetragen noch ersichtlich, dass im vorliegenden Fall ein solch atypischer Fall gegeben sei. Schon deswegen musste der Auftraggeber in diesem Fall die Übernahme der Arbeitnehmer gemäß § 131 Abs. 3 Satz 1 GWB verlangen. Dies habe er zwar getan, gleichzeitig aber durch die Möglichkeit der Bedarfsminderung im Falle des Subunternehmereinsatzes den Umfang der zu übernehmenden Arbeitnehmer unzulässig begrenzt.

3. Arbeitnehmerübernahme nur im Umfang des bietereigenen Personalkonzepts

Das Verlangen des Auftraggebers müsse sich gemäß § 131 Abs. 3 Satz 2 GWB indes auf solche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschränken, die für die Erbringung der Verkehrsleistung unmittelbar erforderlich sind. Dabei richte sich der Bedarf ausweislich der Gesetzesbegründung nach dem Personalkonzept des neuen Betreibers. Sind nach dessen Konzept weniger Personen erforderlich, müsse er nur diese übernehmen, so dass potentielle Wettbewerbsvorteile insoweit erhalten blieben. Dabei dürfe der neue Betreiber in seinem Personalkonzept auch sein eigenes, bereits vorhandenes Personal berücksichtigen. Er solle nicht dazu verpflichtet werden, zusätzlich zu seinen Arbeitnehmern die Arbeitnehmer des alten Betreibers zu beschäftigen, die dann vor einer Kündigung gemäß § 131 Abs. 3 S. 1 GWB geschützt wären, während seine eigenen, bisherigen Arbeitnehmer nicht geschützt sind. Arbeitnehmer des alten Betreibers seien nicht schutzwürdiger als die des neuen Betreibers.

4. Subunternehmereinsatz im Personalkonzept im Regelfall nicht bedarfsmindernd

Nicht bedarfsmindernd dürfe im Regelfall allerdings Personal berücksichtigt werden, das bei Subunternehmern eingesetzt werde und nicht bereits beim neuen Betreiber vorhanden sei.

Die Vergabekammer sieht ansonsten die Gefahr, dass Bieter die kalkulatorischen und konzeptionellen Risiken eines Betriebsübergangs mittels Subunternehmereinsatz umgehen, ohne dass die Voraussetzungen des § 131 Abs. 3 GWB wie im vorliegenden Fall vorliegen.

Rechtliche Würdigung

Die Vorschrift des § 131 Abs. 3 GWB setzt die Bestimmung des Art. 4 Abs. 5 (EG) VO Nr. 1370/2007 um. Während das Gemeinschaftsrecht jedoch nur eine Kann-Vorschrift enthält, stärkt die Soll-Vorschrift des § 131 Abs. 3 Satz 1 GWB die Position der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des bisherigen Betreibers noch weitergehend. Will der Auftraggeber deren Übernahme nicht verlangen, sind die Anforderungen an eine Rechtfertigung eines solchen Verzichts nach dem Willen des Gesetzgebers hoch.

Zu beachten ist, dass im Einzelfall auch ohne ein solches Verlangen schon ein Betriebsübergang kraft Gesetzes gemäß § 613a BGB vorliegen kann. Der Anwendungsbereich des § 131 Abs. 3 GWB dürfte sich auf Fälle konzentrieren, in denen der neue Betreiber die Leistungen mit eigenen Fahrzeugen erbringt (vgl. Fandrey in Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB Vergaberecht, 2016, § 131 Rdnr. 40). Zu Recht weist die Vergabekammer darauf hin, dass bei einem Betriebsübergang gemäß § 613a BGB ein umfassender Personalübergang stattfindet. Auf den Bedarf des neuen Betreibers kommt es dann nicht mehr an.

Praxistipp

Die Entscheidung zeigt, dass eine umfassende vergaberechtliche Konzeption auch Rechtsfragen in angrenzenden Rechtsbereichen im vorliegenden Fall insbesondere des Arbeitsrechts berücksichtigen muss.

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Unzureichende Mitwirkung des Bieters bei der (Preis-) Aufklärung – Angebotsausschluss! (OLG Koblenz, Beschl. v. 04.01.2018, Verg 3/17)

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BauleistungenRechtUNBEDINGT LESEN!

EntscheidungWirkt ein Bieter bei der Aufklärung seines Angebotes durch den Auftraggeber nur sehr unzureichend mit bzw. beantwortet die ihm vom Auftraggeber gestellten Fragen nicht fristgerecht, ist der Ausschluss seines Angebotes zwingend.

 

Leitsätze

1. Auch bei einem hinsichtlich des Gesamtpreises unauffälligen Angebot darf der Auftraggeber Aufklärung zu Einzelpreisen verlangen, wenn diese sowohl von den eigenen Preisen des Bieters zu ähnlichen Positionen als auch von den Preisen der Konkurrenten exorbitant abweichen und diese Abweichungen weder durch einen höheren Leistungsumfang noch durch Marktgegebenheiten oder -besonderheiten zu erklären sind.
2. Beantwortet ein Bieter Fragen, die ihm der Auftraggeber im Rahmen einer zulässigen Aufklärung stellt, innerhalb der ihm gesetzten Frist nicht, muss sein Angebot nach § 15 Abs. 2 EU VOB/A 2016 ausgeschlossen werden.

§ 15 Abs. 1 Nr. 1 EU VOB/A; § 15 Abs. 2 EU VOB/A

Sachverhalt

Ein Abwasserzweckverband (AG) hatte im Juni 2017 Leistungen für den Ausbau von Abwasserreinigungsanlagen europaweit ausgeschrieben. Einziges Zuschlagskriterium war der Preis. Zu den insgesamt vier Bietern gehörte Bieter A, dessen im Gesamtpreis völlig unauffälliges Angebot das niedrigste war; allerdings gab es Auffälligkeiten bei Einzelpreisen, speziell zu den Leistungen Lagerplatz für Sortierung und getrennte Lagerung von Baustellenabfällen (OZ 1.1.20) und Dichtigkeitsprobe (OZ 1.10.810). Bei erstgenannter OZ hatte A einen Pauschalpreis von EUR 140.000 eingetragen, während die Pauschalen der Konkurrenten jeweils unter EUR 4000 lagen.

Bei letztgenannter OZ fand sich bei A ein Betrag von EUR 44.000, während die Pauschalen der Konkurrenten gut EUR 40.000 niedriger waren. Darauf forderte der AG den A zur Vorlage des ausgefüllten Preisblatts (221 oder 222) sowie zur Darlegung der Auskömmlichkeit und Aufgliederung der benannten Einzelpreise (EPs) auf. Nachdem die Vorlage des Formblatts, die Aufgliederung der EPs und auch die Vorlage der Urkalkulation keinen Beitrag zur Preisaufklärung leisten konnten, forderte der AG den A auf, bis 15.08.2017, 12 Uhr, auf seine Fragen schriftlich Antwort zu geben. Im Rahmen eines Aufklärungsgesprächs am 21.08.2017 gab A teilweise ausweichende, teilweise unzureichende Antworten auf die Fragen des AG, worauf dieser dem A am 31.08.2017 mitteilte, dass sein Angebot ausgeschlossen worden sei und ein anderer Bieter den Auftrag erhalte. A beantragte Nachprüfung bei der VK, die seinen Antrag als unbegründet zurückwies; dagegen legte A sofortige Beschwerde beim OLG ein.

Die Entscheidung

Das OLG gibt dem AG Recht und bestätigt den Angebotsausschluss. Der AG ist zweifelsohne berechtigt, von A gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A Aufklärung zu den Preisen für OZ 1.1.20 und OZ 1.10.810 zu verlangen. A ist hier Bestbieter. Wenn mit seinem Angebot alles in Ordnung gewesen war, aber auch nur dann, hätte er beauftragt werden müssen. Ob aber alles in Ordnung ist, stellt der AG zu Recht in Frage. Die exorbitanten Abweichungen von den eigenen Preisen des A bei ähnlichen Positionen sowie von den Preisen der Konkurrenten sind weder durch einen höheren Leistungsumfang noch durch Marktgegebenheiten oder -besonderheiten zu erklären, weshalb sie vom AG auch nicht ignoriert werden konnten. Der Verdacht einer unzulässigen „Mischkalkulation“ (siehe BGH – B. v. 18.05.2004 X ZB 7/04) hat sich hier geradezu aufgedrängt. Wenn es überhaupt eine (vergaberechtskonforme) Erklärung gegeben hat, ist nur A in der Lage, diese zu geben.

Mit Blick auf OZ 1.1.20 bleibt nur die Feststellung, dass A keine einzige der ihm schriftlich gestellten Fragen innerhalb der am 15.08. 2017, 12.00 Uhr abgelaufenen Frist beantwortet hat, er also die ihm gesetzte Frist ohne Antwort verstreichen ließ – was für den zwingenden Angebotsausschluss gemäß § 15 Abs. 2 EU VOB/A ausreicht. Die Behauptung des A, er hätte dem AG nicht mehr als geschehen mitteilen können, ist abwegig. Zum einen hat er in den Schriftsätzen seines Verfahrensbeteiligten  bereits mehr mitgeteilt – dies allerdings zu spät; im Vergabeverfahren hat er offensichtlich nur gemauert. Zum anderen geht das OLG davon aus, dass auch bei A nicht mit dem Würfelbecher kalkuliert wird und deshalb zumindest die für die Erstellung des Angebots verantwortliche Person in der Lage gewesen sein musste, die Einzelheiten der angebotenen Preise darzulegen. Dies ist von Seiten des A aber offenbar nie gewollt gewesen. Ohne dass es für die zu treffende Entscheidung noch darauf ankommt, ist darauf hinzuweisen, dass das OLG auch hinsichtlich OZ 1.10.810 zur Bejahung des Ausschlussgrundes nach § 15 Abs. 2 EU VOB/A neigt, weil insoweit insbesondere die Frage zu den Lohnkosten innerhalb der bis zum 15. August 2017, 12.00 Uhr laufenden Frist unbeantwortet geblieben ist und A somit – wenn überhaupt – nur eine unzureichende Teilaufklärung geboten hat.

Darüber hinaus teilt das OLG auch die Auffassung des AG und der vorinstanzlichen VK, dass das Herumdrucksen der Vertreter des A am 21. August 2017 zu OZ 1.10.810 nur als Eingeständnis einer unzulässigen „Mischkalkulation“ interpretiert werden kann – womit grundsätzlich der Ausschlussgrund der unvollständigen, da inhaltlich unrichtigen Preisangabe (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 EU VOB/A) gegeben ist. Zwar besteht bei jeder Dichtigkeitsprobe das kalkulationsrelevante Risiko des Fehlschlags mit der Notwendigkeit einer Wiederholung. Aus den übrigen Preisen lässt sich allerdings ein Preis für eine Prüfung bei OZ 1.10.810 in einer Größenordnung von höchstens 400 Euro ableiten. Mit dem im Angebot angesetzten Betrag lässt sich die Prüfung des fraglichen Vorlageschachtes somit mindestens 100 mal wiederholen – eine Annahme, die unmöglich Grundlage der Kalkulation gewesen sein kann.

Soweit A vortragen lässt, dass es ihm an einem Manipulationswillen sowie an einer Manipulationsmöglichkeit fehlt, ist dies unerheblich. Maßgegend ist allein, dass eine Preisangabe unzutreffend ist. Die Motive hierfür interessieren nicht; darüber muss auch nicht aufgeklärt werden.

Rechtliche Würdigung

Selten liest man eine vergaberechtliche Entscheidung, die mit einer derart drastischen und radikalen Wortwahl einem Bieter im wahrsten Sinne des Wortes die Leviten liest. Folgende Konsequenzen sind daraus zu ziehen:

Der Auftraggeber ist immer dann, wenn er Zweifel an der Angemessenheit der angebotenen Preise hat, zur Aufklärung der Preisbildung verpflichtet! Nach geltender Rechtsprechung können dabei sogar Mitbewerber vom AG eine nähere Prüfung der Angemessenheit der Preise verlangen (BGH, B. v. 31.01.2017- X ZB 10/16).

Andererseits ist der Bieter zur Mitarbeit bei der Preisprüfung durch den AG verpflichtet, da naturgemäß nur ihm eine Darlegung der einzelnen Preisbestandteile und damit auch der Nachweis der Angemessenheit und Auskömmlichkeit der angebotenen Preise möglich ist. Sperrt sich dagegen der Bieter oder verweigert er diese Mitarbeit, ist der Ausschluss seines Angebots zwingend.


Veranstaltungshinweis: Am 21. Juni findet der 2. Bau-Vergabetag in Berlin, Gendarmenmarkt statt. Bitte vormerken. Nähere Infos demnächst im Vergabeblog und auf www.bau-vergabetag.de.

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Schriftform: Eingescannte Unterschrift genügt nicht

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Recht

signatureWerden vom Auftraggeber schriftliche Angebote gefordert, müssen diese eigenhändig unterzeichnet sein. Angebote mit einer eingescannten Unterschrift genügen nicht der Schriftform und müssen ausgeschlossen werden.

In ihrer Entscheidung vom 17. Januar (Az. VK 2 – 154/17) hat sich die Vergabekammer des Bundes erneut mit den Formerfordernissen bei schriftlichen Angeboten auseinander gesetzt. Grundsätzlich gilt danach wie vor: Die Schriftform ist nicht gleich Textform, sondern erfordert eine eigenhändige (echte) Unterschrift. Eine lediglich eingescannte oder einkopierte Signatur genügt dem Schriftformerfordernis (§ 126 BGB) nicht, sodass ein in dieser Form eingereichtes Angebot zwingend auszuschließen ist.

Im entschiedenen Fall enthielt das vom Bieter eingereichte Angebotsschreiben keine handschriftliche, sondern lediglich eine fotokopierte bzw. eingescannte Unterschrift. Der Auftraggeber hatte lediglich die Abgabe schriftlicher Angebote zugelassen, die Möglichkeit einer anderen Form (Textform, elektronische Form, vgl. 11 Abs. 4 VOB/A-EU) war nicht vorgesehen.

Den Beschluss im Volltext finden Sie hier. Die Entscheidung wird in Kürze ausführlich im Vergabeblog besprochen.

Quelle: Bundeskartellamt

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EVB-IT: Neuer Mustervertrag für den Einkauf von IT-Dienstleistungen wird auf dem 3. IT-Vergabetag vorgestellt

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ITKPolitik und MarktRecht

Anfang Februar wurde der EVB-IT Vertrag für die Beschaffung von IT-Dienstleistungen (“EVB-IT Dienstleistungen”) durch einen neuen Mustervertrag ersetzt. Das Bundesministerium des Innern (BMI) und der Digitalverband Bitkom hatten sich auf eine neue vertragliche Grundlage für die Vergabe von IT-bezogenen Dienstleistungsaufträgen durch die öffentliche Verwaltung verständigt. Mit der Ende Januar erfolgten Zustimmung der öffentlichen Verwaltung kann das Vertragswerk nun in Kraft treten.

Somit sind nun nahezu alle alten EVB-IT Musterverträge der Jahre 2002/2003 an die neuen EVB-IT Standards angepasst. Der IT-Planungsrat hat am 01.02.2018 seinen Mitgliedern die Anwendung der neuen EVB-IT Dienstleistung für die Beschaffung von IT-Dienstleistungen empfohlen.

Was aber ist neu am neuen EVB-IT DL? Anders als bisher ermöglichen die neugefassten EVB-IT Dienstleistung über die Vereinbarung einer einmalig zu erbringenden Leistung hinaus auch Vereinbarungen über Dauerschuldverhältnisse und Abrufkontingente, soweit dies im Einzelfall vergaberechtlich zulässig ist. Hervorzuheben sind auch die neuen Regelungen zu Nutzungsrechten, die anders als ihre Vorgänger dem öffentlichen Auftraggeber umfangreiche Rechte an den Dienstleistungsergebnissen sichern. Ferner wurden das alte Haftungsregime aufgegeben und die Rechte des öffentlichen Auftraggebers im Falle einer Schlechtleistung verbessert.

Die Rahmenbedingungen für den Einkauf von IT-Leistungen werden durch eine Arbeitsgruppe, die aus Vertretern von Bund, Ländern und Kommunen besteht, fortentwickelt und mit dem Digitalverband Bitkom abgestimmt. Die Musterverträge sind für Beschaffungen durch Bundes- und Landesbehörden bestimmt und geeignet. Aber auch Kommunen und sonstige öffentliche Organisationen können darauf zurückgreifen.


Veranstaltungstipp: Der neue EVB-IT Vertrag Dienstleistung ist natürlich auch ein Thema auf dem 3. IT-Vergabetag am 26. April 2018. Rechtsanwalt Thomas Fischer, Fachanwalt für IT-Recht und Mitglied in der EVB-IT Verhandlungsgruppe, wird den neuen EVB-IT Dienstleistung vorstellen und zum Thema „Vertragsgestaltung bei der IT-Beschaffung“ referieren.

Noch nicht angemeldet? Anmeldung unter www.it-vergabetag.de.


EVB-IT-Dienstleistungen sind vorrangig für Beratungs- und Unterstützungsleistungen gedacht, werden in der Praxis aber breit angewendet, etwa bei Planungs-, Hotline- oder Betreiberleistungen. Der Bitkom bewertet es indessen weiterhin als kritisch, dass die öffentliche Hand einer breiten Anwendungspraxis gegenüber einer Vereinfachung den Vorzug einräumt. In der Praxis zeigten sich immer wieder Unsicherheiten bei der Nutzung und Anwendung der EVB-IT-Muster. Zum Teil werden von den öffentlichen Auftraggebern auch Vertragsmuster genutzt, die nicht zum ausgeschriebenen Beschaffungsgegenstand passen. Es muss daher noch darauf geachtet werden, welche EVB-IT-Muster bei welchen Beschaffungsgegenständen anzuwenden sind. EVB-IT-Dienstleistungen sind zum Beispiel nicht als vertragliche Grundlage für eine eigenständige Software-Entwicklung geeignet.

Die neuen Musterverträge sowie alle weiteren Muster aus der EVB-IT-Vertragsfamilie stehen unter www.cio.bund.de kostenfrei zum Download zur Verfügung. Wichtige Hinweise für die Nutzung der EVB-IT Vertragsdokumente finden Sie bei den jeweiligen Vertragstypen.

(Quellen: BMI, Der Beauftragte der Bundesregierung für Informationstechnik, Digitalverband Bitkom)

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Vergaberechtswidrige Vergleichsangebote: Internetanzeigen stellen keine Aufforderung zur Angebotsabgabe dar

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ITKRecht

Logo-RechtsbeitraegeEin fortschrittlicher Auftraggeber wird auf der Suche nach wirtschaftlichen Angeboten kaum um das Internet herumkommen. Die Vielzahl an Onlineshops und Handelsplattformen eröffnet Käufern und Anbietern eine unvergleichbare Möglichkeit des Handels.

I. Einleitung

Gerade bei der Beschaffung von Lieferungen, aber auch Dienstleistungen, kann der Auftraggeber auf eine Vielzahl von Internetshops zurückgreifen. Nahezu jedes gängige Marktsegment wird sowohl bezogen auf die Produktpalette als auch die verschiedenen Anbieter abgedeckt. Neben bekannten Größen des Internethandels nutzen mittlerweile auch eine Vielzahl mittelständischer und kleinerer Unternehmen selbst die Möglichkeit, ihre Waren zu vermarkten. So liegt es nahe, dass einige Auftraggeber gerade im Wege der Freihändigen Vergabe derartige Internetanzeigen gerne als Vergleichsangebote heranziehen und mittels eines sog. Screenshot zur Erfüllung ihrer Dokumentationspflicht nach § 20 VOL/A der Vergabeakte beilegen. Eben diese auf den ersten Blick pragmatische Vorgehensweise wird bei Freihändigen Vergaben unter Verwendung von Fördermitteln regelmäßig zu Beanstandungen führen, sofern die Einhaltung des Vergaberechts zur Auflage gemacht wird. Gleiches dürfte aber auch für Beschaffungen durch Auftraggeber nach § 98 ff. GWB außerhalb einer Projektförderung gelten.

II. Begründungszusammenhang der vergaberechtlichen Beanstandung

Aufgrund der formalen Anforderungen bei Öffentlichen und Beschränkten Ausschreibungen wird die o. g. Vorgehensweise regelmäßig nur bei freihändigen Vergaben (nach UVgO: Verhandlungsvergabe) in Betracht zu ziehen sein. Anknüpfungspunkt für die Beanstandung ist die abstrakte Pflicht des Auftraggebers, sich vor einer Auftragserteilung um einen angemessenen Grad an Wettbewerb zu bemühen. Die Freihändige Vergabe nach § 3 Abs. 1 VOL/A setzt für deren vergaberechtlich ordnungsgemäße Durchführung voraus, dass der Auftraggeber mehrere – grundsätzlich mindestens drei – Bewerber zur Angebotsabgabe aufgefordert hat. Die Beanstandung zielt darauf ab, dass die Auftraggeber bei dem Versuch entsprechende Vergleichsangebote zu erhalten, auf bloße Internetanzeigen in Internetshops zurückgreifen und diese mittels eines sog. Screenshot gesicherten Anzeigen, als Beleg für das Auffordern von mehreren Anbietern zur Abgabe eines Angebotes der Vergabedokumentation beigefügen. Bei dieser Vorgehensweise fordert der Auftraggeber aber eben nicht in der vergaberechtlich vorgeschriebenen Art und Weise potentielle Bieter zur Abgabe eines Angebotes auf. Die Feststellung eines hierin begründeten Vergaberechtsverstoßes beruht auf der Ansicht, dass Internetanzeigen kein Angebot im Sinne der zivilrechtlichen Dogmatik darstellen. Es handelt sich vielmehr um eine vom Händler geschaffene Gelegenheit, die der potentielle Käufer nutzen kann, um selbst ein Angebot abgeben zu können (lateinisch: invitatio ad offerendum). Dies reicht aber nicht aus, um die Anforderungen nach § 3 Abs. 1 VOL/A zu erfüllen. Folglich ist der Auftraggeber seiner Pflicht, drei Bewerber zur Angebotsabgabe aufzufordern, nicht nachgekommen, sodass eine hierauf beruhende Auftragsvergabe vergaberechtswidrig ist.

III. Rechtliche Einordnung von Internetshop-Anzeigen

Anzeigen auf Internetseiten oder in Internetshops sind keine rechtswirksamen Angebote von Seiten des Verkäufers. Dieser Betrachtungsweise liegt das dogmatische Verständnis vom Zustandekommen eines rechtswirksamen Vertrages durch Angebot und Annahme zu Grunde. Ein wirksam geschlossener Vertrag setzt eine Einigung, erzielt durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen mit Rechtsbindungswillen in Form von Angebot und Annahme, voraus. Auf den ersten Blick scheinen die Internetanzeigen wie echte Angebote auszusehen. Dem potentiellen Käufer werden nahezu sämtliche für eine Kaufentscheidung relevanten Informationen zur Verfügung gestellt. Neben dem Preis und den produktbezogenen Spezifikationen, wird Auskunft erteilt über die Verfügbarkeit (Menge) und die voraussichtliche Lieferzeit, sowie die Zahlungsbedingungen. Der entscheidende Unterschied zu einem rechtlich wirksamen Angebot ist, dass sich der Händler mit dem bloßen Präsentieren der Ware im Internet noch nicht rechtlich binden will. Genau dieser fehlende Rechtsbindungswille macht den entscheidenden Unterschied. Hintergrund ist, dass die Bewertung einer solchen Verkaufsanzeige als echtes Angebot den wirksamen Vertragsschluss allein vom Käufer abhängig macht. Dies könnte dazu führen, dass sich der Verkäufer bereits zu diesem Zeitpunkt etwaigen Schadensersatzansprüchen aussetzt, nämlich dann, wenn die angebotene Ware nicht mehr zur Verfügung steht.

IV. Vergaberechtliche Relevanz

Das Hauptproblem besteht also darin, dass die erwähnten Internetanzeigen nicht den unabdingbaren Erklärungsgehalt eines Angebotes besitzen, weil sie eines erforderlichen Rechtsbindungswillens entbehren. Vor dem Hintergrund weiterentwickelter Möglichkeiten durch den Online-Handel im Vergleich zu einfacher Prospektwerbung sollte diese Betrachtungsweise genauer hinterfragt werden.

Die Rechtsprechung lässt bereits Tendenzen erkennen, den Händler mit gesteigerter Verbindlichkeit an derartige Offerten binden zu wollen (BGH, Urteil vom 17. September 2015,  Az. I ZR 92/14). So soll ein Anbieter, der Produkte zum Kauf bewirbt, einen aus objektiver Sicht bei einem normalerweise zu erwartenden Geschehensablauf entsprechenden Bestand der Ware vorhalten. Dies ergibt sich bereits aus § 3 Abs. 3 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in Verbindung mit zugehörigen Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG, der eine Umsetzung von Anhang I Nr. 5 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken Rechnung trägt. Das lässt den Schluss zu, dass von Online-Händlern aufgrund der zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten erwartet werden kann, dass sie ihre Anzeigen stets aktuell halten und ggf. entfernen, sobald ein Artikel nicht mehr vorrätig ist. Anderenfalls würden sie sich wiederum dem Vorwurf unlauterer Geschäftspraktiken aussetzen. Bei vielen Internetshops wird die Verfügbarkeit des Artikels ausdrücklich benannt. Nicht zuletzt, weil potentielle Käufer sich durch einen knappen Bestand zu schnellen Käufen verleiten lassen sollen. Somit ist festzuhalten, dass das Hauptargument, den Händler vor etwaigen Schadensersatzansprüchen wegen unzureichender Verfügbarkeit des Artikels, bezogen auf den Online-Handel, nur schwer aufrecht zu erhalten ist.


Veranstaltungstipp: 3. IT-Vergabetag am 26. April 2018 im Tagungszentrum der Katholischen Akademie im Hotel Aquino. Programm und Anmeldung unter www.it-vergabetag.de.


Ein weiteres zivilrechtliches Dogma betrifft die Auslegung von Willenserklärungen. Bei deren Auslegung ist nicht allein auf deren Wortlaut, also deren Formulierung abzustellen, sondern so wie es Treu und Glauben (§ 242 BGB) unter Berücksichtigung der Verkehrssitte erwarten lassen. Bei einem Werbeprospekt, welches über Printmedien in Umlauf gebracht wird, will der Händler regelmäßig unabhängig der explizit beworbenen Artikel, potentielle Kunden zum Besuch seines Marktes motivieren. In diesem Zusammenhang wird auch von „Lockangeboten“ gesprochen. Ein Online-Händler hingegen will primär bezogen auf einen in seinem Internetshop eingestellten Artikel schnellen Vertragsschluss erzielen. Auf Seiten des Händlers dürften die für einen rechtwirksam geschlossenen Vertrag erforderlichen Bedingungen ausreichend geklärt sein. Selbiges gilt auch für den potentiellen Käufer. Neben Preis, Stückzahl und Lieferzeitpunkt, wird er auf seine Verbraucherrechte und die Zahlungsbedingungen aufmerksam gemacht und hat regelmäßig ein 14-tägiges Widerrufsrecht. Insoweit erscheint es mit Blick auf das Medium des Online-Handels als überholt, den Kunden ein Angebot machen zu lassen, welches der Online-Händler dann annimmt. Dies gilt erst recht, wenn der Kunde vor einer vermeintlichen Bestellbestätigung bereits den Kaufpreis online entrichtet hat (vgl. Direktzahlungsarten im Online-Handel). Einige Online-Händler haben auf diesen Umstand bereits mit einer sog. „1-Klick-Button“ -Kaufmöglichkeit reagiert. Hier hängt der Vertragsschluss einzig vom Verhalten des Kunden ab, weil mit der Betätigung des 1-Klick-Button ein rechtswirksamer Vertrag geschlossen wird. Warum dies tatsächlich anders ist, wenn der Kunde seinen gewünschten Artikel zuvor in einen Warenkorb legt und dann den Kauf tätigt, lässt sich nur schwer begründen.

Stellt man darauf ab, dass derartige Online-Käufe regelmäßig keine Verhandlungsmöglichkeiten auf Seiten des Käufers zulassen, kann dem entgegengehalten werden, dass eine Vielzahl von Beschaffungen im Wege der Freihändigen Vergabe unter Berufung auf geltende Wertgrenzenerlasse bzw. Verordnungen erfolgen und regelmäßig nicht verhandelt werden. Der Einwand der fehlenden Verhandlung dürfte allenfalls für Freihändige Vergaben, die unter Berufung auf das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes erfolgen, zutreffen. Eben solche Leistungsgegenstände dürften sich aber dem breiten Online-Handel entziehen.

V. Fazit

Um als Auftraggeber der Pflicht ausreichenden Wettbewerb herzustellen zu entsprechen, ist es nicht ausreichend auf bloße Internetanzeigen, die mittels eines sog. Screenshot dokumentiert werden, zurückzugreifen. Diese Vorgehensweise stellt keine Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes im Sinne des Vergaberechts dar. Nach derzeitiger Rechtslage dürfte die Beanstandung zutreffend aber wohl kaum zeitgemäß sein. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber auf die veränderte Wirklichkeit mit entsprechenden Regelungen reagiert.

VI. Praxistipp

Vorerst sollten Auftraggeber die am Markt verfügbaren Anbieter tatsächlich zur Angebotsabgabe auffordern. Das Auffordern zur Abgabe eines Angebotes setzt unabdingbar voraus, dass der Auftraggeber aktiv auf einen Anbieter zugeht.

· Die Übermittlung einer solchen Aufforderung kann unter Berücksichtigung der gesetzlichen Formerfordernisse postalisch oder elektronisch (Fax oder E-Mail) erfolgen. Der Vorteil ist, dass der Auftraggeber seine schriftliche Aufforderung problemlos dokumentieren kann.

· Denkbar ist aber auch eine telefonische Aufforderung zur Angebotsabgabe. In diesem Fall muss für eine ausreichende Dokumentation ein Telefonvermerk erstellt werden. Dieser sollte Datum, Telefonnummer, Anbieter, und ggf. Gesprächspartner wiedergeben. Angaben zum Inhalt der Aufforderung (letztlich das Leistungsverzeichnis samt Vertragsbedingungen) sollten vorab in einem Vermerk niedergelegt und dem Anbieter dann fernmündlich mitgeteilt werden.

· Sofern eine Vergabe bereits nach der anfänglich beschriebenen Vorgehensweise erfolgt ist, sollte überprüft werden, ob zusätzlich ein Telefonvermerk angefertigt wurde. Ist dies nicht der Fall, wird es für den Auftraggeber nur schwer möglich sein darzustellen, dass es sich bei der von ihm ausgewählten Internetanzeige um ein verbindliches Angebot handelt.

· Die Pflicht zur Herstellung von Wettbewerb bedeutet aber keinesfalls, dass der Auftraggeber solange Anbieter auffordern muss, bis er tatsächlich mehrere Angebote vorlegen kann. Sollte ein Auftraggeber im Wege der Freihändigen Vergabe mehrere Anbieter – grundsätzlich drei- vergeblich aufgefordert haben, bleibt ihm nur die Möglichkeit der Vergleiche über das Internet oder gar die Direktvergabe.

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Schriftliche Angebote = eigenhändig unterschriebene Angebote! Ohne Ausnahme! (VK Bund, Beschl. v. 17.01.2018, VK 2 – 154/17)

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BauleistungenRecht

EntscheidungFotokopierte oder eingescannte Unterschriften sind keine eigenhändigen Unterschriften und erfüllen nicht die Schriftform des § 13 EU Abs. 1 Nr. 1 S. 1 und 2 VOB/A. Dies hat die Vergabekammer des Bundes in einem aktuellen Beschluss zum Bauvergaberecht nochmals klargestellt. Fordert der Auftraggeber in den Ausschreibungsunterlagen, dass Angebote schriftlich abzugeben sind, schließt dies die Abgabe von Angeboten mit fotokopierten bzw. eingescannten Unterschriften zwingend aus. Angebote können dann nur eigenhändig unterschrieben abgegeben werden.

Dem Auftraggeber steht es bis zum Ablauf der Übergangsfrist nach § 23 EU VOB/A (18.10.2018) frei, ausschließlich schriftliche Angebote zu fordern. Bis zum Ablauf dieser Übergangsfrist ist er nicht verpflichtet, elektronische Angebote in Textform zuzulassen. Der Bieter ist an die vom Auftraggeber festgelegte Angebotsform gebunden.

§ 13 EU Abs. 1 Nr. 1 S. 1 und 2, § 16 EU Nr. 2, § 23 EU S. 1 VOB/A, § 126 BGB

Sachverhalt

Der Auftraggeber schrieb Bauleistungen nach der VOB A/EU EU-weit aus. In der Aufforderung zur Angebotsabgabe legte er fest, Angebote seien schriftlich abzugeben. Ferner gab er in der Auftragsbekanntmachung fehlerhaft an, sein Haus sei eine zentrale Beschaffungsstelle.

Das Angebot des Antragstellers war nach der Wertung an erster Stelle. Es enthielt aber keine eigenhändige, sondern lediglich eine fotokopierte bzw. eingescannte Unterschrift. Nach Auffassung des Auftraggebers kam das Angebot des Antragstellers aufgrund anderer Umstände bereits nicht für den Zuschlag in Betracht. Im hiergegen geführten Nachprüfungsverfahren beruft sich der Auftraggeber nunmehr auch darauf, dass das Angebot des Antragstellers jedenfalls aufgrund der fehlenden eigenhändigen Unterschrift nach § 16 EU Nr. 2 i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A vom Vergabeverfahren auszuschließen sei.

Die Entscheidung

Mit Erfolg!

1. § 13 EU Abs. 1 Nr. 1 S. 1 VOB/A bestimmt, dass der öffentliche Auftraggeber festlegt, in welcher Form Angebote einzureichen sind. Schriftliche Angebote sind nach § 13 EU Abs. 1 Nr. 1 S. 2 VOB/A zu unterzeichnen. Angebote, die den Formbestimmungen der § 13 EU Abs. 1 Nr. 1 S. 1 und 2 VOB/A nicht entsprechend, sind auszuschließen. Die nach § 13 EU Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 VOB/A vorgesehene Schriftform richte sich nach § 126 Abs. 1 BGB. Daraus folgt, dass schriftliche Angebote eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet sein müssen. Angebote mit fotokopierten/eingescannten Unterschriften bzw. insgesamt kopierte Angebote erfüllen die Voraussetzung einer eigenhändigen Unterschrift nicht. Diese Angebote seien keine schriftlichen Angebote und müssen daher bei Zulassung lediglich schriftlicher Angebote zwingend vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.

2. Dem Auftraggeber sei nach § 23 EU S. 1 VOB/A im hiesigen Fall auch gestattet, ausschließlich schriftliche Angebote zu fordern. Darin liege kein Verstoß gegen § 11 EU Abs. 4 VOB/A, wonach Angebote in Textform (ohne eigenhändige Unterschrift) mithilfe elektronischer Mittel zu übermitteln seien.

Der Auftraggeber könne nach § 23 EU S. 1 VOB/A bis zum 18.04.2017 die schriftliche Angebotsabgabe zwingend vorschreiben, denn bei ihm handele es sich um keine zentrale Beschaffungsstelle im Sinne des § 120 Abs. 4 GWB, die schon ab dem 18.04.2017 verpflichtet gewesen sei Angebote grundsätzlich in Textform mittels elektronischer Mittel zuzulassen. Die fehlerhafte Selbstbezeichnung des Auftraggebers in der Auftragsbekanntmachung ändere daran nichts. Diese habe insbesondere nicht zur Anwendbarkeit des § 11 EU Abs. 4 VOB/A im Wege des Rechtsscheins geführt. Dem stehe schon entgegen, dass der Auftraggeber in den Vergabeunterlagen ausdrücklich die Schriftform der Angebote gefordert habe und keine anderen Angebotsformen zugelassen habe. Darüber hinaus sei der Antragsteller selbst nicht von der Anwendbarkeit des § 11 EU Abs. 4 VOB/A ausgegangen, da er kein Angebot in Textform mithilfe elektronischer Mittel, sondern ein schriftliches Angebot ohne handschriftliche Unterschrift abgegeben habe. Der Auftraggeber habe mit der Vorgabe der Schriftform für die Angebote lediglich von der im § 23 EU Abs. 1 VOB/A vorgesehenen Übergangsfrist bis zum 18.10.2018 Gebrauch gemacht. Eine Begründung für die Wahl der Schriftform bis zum Ablauf der Angebotsfrist bedürfe es nicht.

3. Ein Ausschluss des nicht eigenhändig unterschriebenen Angebots des Antragstellers, verstoße auch nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach § 97 Abs. 1 GWB.

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebiete als milderes Mittel zum Ausschluss insbesondere nicht die Nachforderung der fehlenden Unterschrift nach § 16a S.1 EU VOB/A. § 16a EU S.1 VOB/A sei hier schon nicht anwendbar, weil eine fehlende eigenhändige Unterschrift keine der Nachforderung zugängliche Erklärung bzw. kein Nachweis im Sinne dieser Vorschrift sei. Die Unterschrift könne bei vorgeschriebener Schriftform schlechterdings nicht nachgefordert werden.

Im Ausschluss des nicht unterschriebenen Angebots des Antragstellers, trotz vorgelegter Kopie des unterschriebenen Angebots, liege auch keine unangemessene Beeinträchtigung der Rechte des Antragstellers. Zweck des § 13 EU Abs. 1 Nr. 1 S. 2 VOB/A sei es die Abgabe verbindlicher und echter Angebote zu gewährleisten, von denen sich der unterzeichnende Bieter nach Ablauf der Angebotsfrist nicht mehr lösen könne. Angebote ohne die vorgeschriebene Schriftform sind nicht verbindlich und der Bieter habe es in der Hand, sich von ihnen durch Anerkennung oder Verweigerung nach Belieben zu lösen.

Der Verweis auf § 53 Abs. 6 S. 2 VgV und die dort vorgesehenen Abgabe von Angeboten mittels Telefax helfe nicht weiter, denn die VOB/A-EU enthalte aufgrund des Geheimhaltungswettbewerbs gerade keine dem § 53 Abs. 6 Satz 2 VgV vergleichbare Vorschrift. Eine (per Telefax) versandten Kopie des Angebots bzw. des Angebotsschreibens könne keinen Absender als echt und verbindlich zugeordnet werden.

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung der Vergabekammer hält erfreulicherweise streng am Grundsatz des § 13 EU Abs. 1 Nr. 1 S. 1 VOB/A fest, wonach es Aufgabe des Auftraggebers ist zu bestimmen, in welcher Form er Angebote haben möchte. Dies ermöglicht es ihm bis zum Ablauf der Übergangsfrist nach § 23 EU S. 1 VOB/A die Schriftform nach § 13 EU Abs. 1 Nr. 1 S. 2 VOB/A als einzige zulässige Angebotsform vorzuschreiben. Die VK Bund lehnt es ab, in den eindeutigen Aussagen des Wortlautes dieser Vorschriften, aus vermeintlichen Verhältnismäßigkeitserwägungen einzelfallgetriebene Ausnahmen hineinzulesen. Sie leistet damit einen erfreulichen Beitrag zur Verlässlichkeit und Anwenderfreundlichkeit der VOB/A-EU. Schriftform heißt auch in der VOB/A-EU, dass eine Erklärung eigenhändig unterschrieben sein muss.

Die Auseinandersetzung der VK Bund mit der Argumentation des Antragstellers zum § 53 Abs. 6 S. 2 VgV und die dortige Betonung des Geheimwettbewerbes in der VOB/A-EU legt eine gesetzgeberisch in der VgV unglücklich gelöste Frage offen. Die Angebotsabgabe per Telefax ist bei Lichte Betrachtet nicht mit dem Grundsatz des Geheimwettbewerbs vereinbar, da das Fax als Übermittlungsmedium die Kenntnisnahme vom Inhalt des Angebotes ermöglicht. Es ist daher zu begrüßen, dass die VK Bund die Anwendung des § 53 Abs. 6 S. 2 VgV im Rahmen der VOB/A-EU ablehnt. Der Gesetzgeber wäre daher gut beraten den § 53 Abs. 6 S. 2 VgV ersatzlos zu streichen, um auch in der VgV Friktionen mit dem Prinzip des Geheimwettbewerbs zu vermeiden.

Praxistipp

Bieter/Bewerber sind gehalten, die formellen Anforderungen an das Angebot strengstens einzuhalten. Ein in anderen Lebenslagen vielleicht angebrachter „Freestyle“ mit formellen Vorgaben, kann im Vergaberecht zu unschönen Folgen führen. Dies belegt der hiesige Fall, denn hier war das Angebot des Antragstellers das wirtschaftlich günstigste. Wirtschaftlich noch so gute Angebote können daher am Fehlen einer simplen Unterschrift scheitern. Dies ist von allen Bietern/Bewerbern im Vergabeverfahren stets zu beachten, denn sie haben es in der Hand den formellen Anforderungen im Vergabeverfahren zu genügen und damit das Risiko eines Ausschlusses aufgrund formeller Verstöße auszuschließen. Der Formalismus des Vergaberechts sollte durch die Bieter/Bewerber nicht unterschätzt werden, denn ein gewisser Formalismus ist für eine geordnete Vergabe unerlässlich. Nur durch formelle Vorgaben kann die Vergleichbarkeit von Angeboten/Bewerbungen sowie die Nachvollziehbarkeit des Vorgehens des Auftraggebers im Vergabeverfahren sichergestellt werden.

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Dürfen Auftraggeber die Angebotsöffnung nicht auf externe Dienstleister übertragen? (VK Südbayern, Beschl. v. 02.01.2018 – Z3-3-3194-1-47-08/17)

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Liefer- & DienstleistungenRechtUNBEDINGT LESEN!

RechtNicht selten betrauen öffentliche Auftraggeber externe Dienstleister mit der Abwicklung von Vergabeverfahren. Das beinhaltet oft auch die Angebotsöffnung. Die Vergabekammer Südbayern zeigte sich gegenüber dieser etablierten Praxis nun überraschend kritisch.

 

Leitsatz (nicht amtlich)

Die Öffnung der Angebote muss nach § 55 Abs. 2 VgV von mindestens zwei Vertretern des öffentlichen Auftraggebers durchgeführt werden. Dies ist zu dokumentieren. Die Öffnung darf nicht ausschließlich von Mitarbeitern eines beauftragten Büros durchgeführt werden. Sie ist ebenso wie die Wertung ureigene Aufgabe des öffentlichen Auftraggebers.

VgV § 55 Abs. 2

Sachverhalt

Ein öffentlicher Auftraggeber beauftragte für die europaweite Vergabe von Leistungen der Tragwerksplanung eine Projektmanagementgesellschaft. Wie sich später herausstellte, gehörte auch die Öffnung der Teilnahmeanträge und der Angebote zu den Aufgaben des Dienstleisters. Wie viele seiner Mitarbeiter dann tatsächlich die Öffnung durchführten, ließ sich anhand der Dokumentation nicht mehr zweifelsfrei erkennen. Fest stand aber, dass kein Mitarbeiter des Auftraggebers zugegen war. Ein unterlegener Bieter rügte viele – teils organisatorische – Verfahrensmängel. Unter anderem wendete er sich gegen die Angebotsöffnung durch den externen Projektmanager.

Die Entscheidung

Mit Erfolg! Nachdem der Auftraggeber das Verfahren aufgehoben hatte, stellte die Vergabekammer Südbayern fest, dass die Angebotsöffnung durch einen externen Dienstleister gegen § 55 Abs. 2 VgV verstoße. Dieser Vorschrift zufolge hätte die Angebotsöffnung durch zwei Vertreter des öffentlichen Auftraggebers erfolgen müssen. Sinn und Zweck sei, durch ein formalisiertes Verfahren im Vier-Augen-Prinzip Manipulationen vorzubeugen. Die Vergabekammer schloss daraus, dass die Aufgabe nicht übertragen werden dürfe, sondern vom Auftraggeber selbst durchzuführen sei. Übertragbar seien nur solche Handlungen, die sich der Auftraggeber später zu eigen machen könne dies sei bei einer Öffnung von Teilnahmeanträgen und Angeboten aber ohne Entsendung eines eigenen Mitarbeiters nur schwer vorstellbar.

Bereits dieser und ein weiterer Vergaberechtsverstoß hätten der Vergabekammer zufolge eine Rückversetzung des Verfahrens erfordert.

Rechtliche Würdigung

Eine sehr zweifelhafte Entscheidung!

Zunächst einmal ist festzustellen, dass § 55 Abs. 2 VgV sich (im Gegensatz zu § 55 Abs. 1 VgV) lediglich auf Angebote und nicht auf Teilnahmeanträge bezieht. Es gibt also keine rechtliche Vorschrift, die eine Öffnung von Teilnahmeanträgen durch zwei Vertreter des öffentlichen Auftraggebers vorsieht.

Des Weiteren bestimmt § 55 Abs. 2 VgV auch nur, dass zwei Vertreter des öffentlichen Auftraggebers die Angebotsöffnung durchführen müssen. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift ist nicht zu erkennen, dass § 55 Abs. 2 VgV einschränkend als bei dem öffentlichen Auftraggeber angestellter Mitarbeiter ausgelegt werden müsste. Auch ein externer Dienstleister kann ein formalisiertes Verfahren im Vier-Augen-Prinzip sicherstellen. Es ist kaum einzusehen, weshalb sein Mitarbeiter grundsätzlich weniger vertrauenswürdig sein sollte als ein Mitarbeiter des öffentlichen Auftraggebers. Vor allem dann, wenn zugelassene Rechtsanwälte (Organe der Rechtspflege!) mit der Abwicklung des Verfahrens betraut werden, müssten öffentliche Auftraggeber doch auf ein manipulationsfreies Verfahren vertrauen dürfen!

Auch erscheint die Forderung vor dem Hintergrund der zukünftig rein elektronischen Auftragsvergabe nicht gerechtfertigt. Die Anforderungen an die elektronischen Mittel gemäß § 10 VgV sichern nämlich bereits die Manipulationsfreiheit der Angebotsöffnung. Ob nun zwei Mitarbeiter des öffentlichen Auftraggebers die Software bedienen oder zwei Mitarbeiter eines externen Dienstleisters, macht dabei keinen Unterschied. Im Grunde genommen könnte man sogar die Notwendigkeit von zwei Personen hinterfragen.

Überdies ist nicht zu erkennen, weshalb der öffentliche Auftraggeber sich nur durch Anwesenheit eines eigenen Mitarbeiters vor Ort die Inhalte der Angebotsöffnung zu eigen machen können sollte. Im Gegensatz zu einer Angebotswertung erfordert die Angebotsöffnung nicht die Ausübung eines Beurteilungsspielraums oder eine Ermessensentscheidung (vgl. zur Reichweite des Grundsatzes der Eigenverantwortlichkeit beispielsweise OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.06.2010, Az.: 15 Verg 4/10 m.w.N.).

Schließlich wäre die Forderung der Vergabekammer auch in der Praxis bei gemeinsamer Auftragsvergabe mehrerer Auftraggeber (wie etwa bei Rahmenverträgen mit einer Vielzahl von Auftraggebern) oft nur schwer umsetzbar.

Praxistipp

Es bleibt zu hoffen, dass diese Entscheidung keine Schule macht! Bis auf Weiteres sind öffentliche Auftraggeber aber gut beraten, dafür zu sorgen, dass die Angebotsöffnung im Beisein zweier Mitarbeiter erfolgen kann!

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Eine Referenz des Bieters muss nicht gewertet werden, wenn sie nicht überprüft werden kann (VK Hessen, Beschl. v. 18.12.2017, 69d-VK-2-38/2017)

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RechtSicherheit & Verteidigung

EntscheidungKann der Auftraggeber vorgelegte Referenzen nicht überprüfen, weil er den Referenzgeber telefonisch nicht erreicht oder dieser auf die Anfragen des Auftraggebers nicht reagiert, so kann er von einem nicht erbrachten Nachweis der Eignung ausgehen und muss diese nicht werten.

Leitsätze

1. Eine Referenzleistung ist mit der ausgeschriebenen Leistung „vergleichbar“, wenn die durchgeführten Leistungen einen etwa gleich großen oder größeren Umfang haben.
2. Kann der Auftraggeber vorgelegte Referenzen nicht überprüfen, so kann er von einem nicht erbrachten Nachweis der Eignung ausgehen.

§ 122 GWB; § 46 Abs. 1, 3, § 48 Abs. 1 VgV

Sachverhalt

Der Auftraggeber schrieb die Ausführung von Sicherheitsdienstleistungen im offenen Verfahren aus und forderte dabei zum Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit eine Liste mit mindestens drei Referenzen. Diese waren geeignet, wenn sie nach Art und Umfang dem zu vergebenden Auftrag entsprechen. Dabei waren die zu leistenden Jahresstunden als Bezug zur Vergleichbarkeit benannt.
Der Bieter legte vier Referenzen vor. Davon entsprachen jedoch zwei Referenzen dem geforderten Jahresstundenumfang nur zu 52% bzw. 17% und waren damit nicht vergleichbar.
Bei der Überprüfung der beiden weiteren Referenzen erhielt der Auftraggeber von einem der Referenzgeber die Auskunft, dass mit dem Bieter erhebliche Probleme in mehreren Verträgen zum Zeitpunkt der Auskunft bestünden.
Der letzte Referenzgeber beantwortete die vom Auftraggeber übersandte „Checkliste“ zur Abfrage der Referenzen nicht und eine telefonische Kontaktaufnahme zur Abklärung der vorgelegten Referenz war ebenso nicht möglich. Der Auftraggeber schloss das Angebot des Bieters daraufhin von der Wertung aus.
Der Bieter wehrte sich gegen den Ausschluss.

Die Entscheidung

Die Vergabekammer Hessen hat jedoch entschieden, dass der Auftraggeber die Referenzen in zulässiger Weise gefordert hat und die Eignungskriterien hinsichtlich der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit mit dem Auftragsgegenstand in einem angemessen Verhältnis stehen. Der Auftraggeber hat explizit dargestellt unter welchen Voraussetzungen er Referenzen als geeignet ansieht. Die Referenz ist dann vergleichbar, wenn sie hinsichtlich der technischen Ausführung und Organisation einen ähnlich hohen oder höheren Schwierigkeitsgrad wie die ausgeschriebene Leistung hat oder aber die durchgeführten Leistungen einen etwa gleich großen oder größeren Umfang aufweisen.

Zwei der vier vom Bieter angegebenen Referenzen kommen in ihrem Umfang nicht an den ausgeschriebenen Leistungsumfang der jährlichen ausgeschriebenen Stundenanzahl heran, entsprechen damit nicht der Ausschreibung und wurden folglich als nicht vergleichbar gewertet. Die Einbeziehung der negativen Stellungnahme des dritten Referenzgebers in die Eignungsprognose des Auftraggebers wertet die Vergabekammer als zulässig. Vergaberechtlich ist es nach Ansicht der Kammer im Rahmen des Beurteilungsspielraumes des Auftraggebers auch, dass dieser mit eigenen Checklisten die Referenzen überprüfen wollte. Dabei hat er den vierten Referenzgeber weder telefonisch erreicht, noch hat dieser auf die Anfragen des Auftraggebers reagiert. Die Entscheidung des Auftraggebers, dies als nicht erbrachten Eignungsnachweis  zu werten und den Bieter wegen mangelndem Nachweis der Eignung auszuschließen, ist nach Auffassung der Kammer rechtlich nicht zu beanstanden.

Rechtliche Würdigung

Der Auftraggeber hat das Angebot des Bieters zu Recht gemäß § 57 Abs. 1 VgV ausgeschlossen, denn dieser hat die erforderliche Eignung im Hinblick auf die technische und berufliche Leistungsfähigkeit nicht nachgewiesen
Die Anforderungen des Auftraggebers an die Eignung beziehen sich auf die erforderlichen personellen und technischen Mittel sowie auf die erforderlichen Erfahrungen der Bieter und sie stehen im konkreten Sachzusammenhang mit dem streitgegenständlichen Auftrag gemäß § 46 Abs. 1 VgV.

Hier hat der Auftraggeber im Rahmen von § 46 Abs. 1 VgV die für den in Rede stehenden Auftrag erforderlichen Erfahrungen der Bieter durch die Vorlage von drei Referenzen abgefragt, die wie der Auftragsgegenstand auch die Erbringung von Sicherheitsdienstleistungen von vergleichbaren öffentlichen Gebäuden, die als lebenswichtige Einrichtung eingestuft (=Sachzusammenhang) sind, beinhalten und diese Referenzen mit Hilfe einer eigens erstellten Checkliste verifiziert.
Gemäß § 122 Abs. 1 GWB dürfen Aufträge nur an fachkundige und leistungsfähige (geeignete) Unternehmen vergeben werden. Die Begriffe „technische und berufliche Leistungsfähigkeit“ des § 122 Abs. 2 Nr. 3 GWB sowie „geeignete Referenzen“ sind unbestimmte Rechtsbegriffe. Dem öffentlichen Auftraggeber steht ein Spielraum bei der Beurteilung zu, wann die Voraussetzungen erfüllt sind, der nur eingeschränkt von den Nachprüfungsinstanzen überprüft werden kann. Die Nachprüfungsinstanzen können nur prüfen, ob der Auftraggeber bei der Prüfung der vorgelegten Referenzen den von ihm selbst vorgegebenen „Prüfungsmaßstab“ angewandt und eingehalten hat.

Die Prüfung des Umfanges von zwei der vier vorgelegten Referenzen hat unter Berücksichtigung der vom Auftraggeber vorgegebenen Bedingungen zur Vergleichbarkeit der Erfahrungsnachweise ergeben, dass diese nicht dem Umfang des hier streitgegenständlichen Auftrages entsprechen und damit keine geeigneten Referenzen sind, sodass die Antragstellerin die erforderliche technische und berufliche Leistungsfähigkeit mit diesen beiden Referenzen nicht nachgewiesen hat.

Die Entscheidung des Auftraggebers, dass die dritte Referenz keinen Nachweis der Eignung darstellt, da der Referenzgeber keine positive, sondern ganz im Gegenteil eine negative Stellungnahme abgegeben hat und von diversen Problemen bei der Auftragsausführung berichtet hat, ist von seinem Ermessen in der Prognoseentscheidung erfasst.

Dies gilt ebenso für die Einschätzung des Auftraggebers, dass die vierte Referenz ebenso keinen Nachweis der Eignung darstellt. Der Bieter ist selbst in der Pflicht seine Eignung nachzuweisen. Der Auftraggeber kann diese Angaben des Bieters überprüfen, er muss jedoch nicht dem Referenzgeber hinterher telefonieren, bis er ihn erreicht. Der Bieter hat dafür zu sorgen, dass die Kontaktmöglichkeit besteht. Insofern hat der Auftraggeber auch hier seine Prognoseentscheidung in nicht zu beanstandender Weise getroffen.

Praxistipp

Die Vergabekammer zeigt in ihrer Ausführung, dass die Referenzen vom Auftraggeber nicht nur auf dem Papier abzuhaken sind, sondern dass sich der Auftraggeber über die früheren Tätigkeiten des Bieters bei vorherigen Auftraggebern erkundigen kann. Die Frage nach den Referenzen ist also nicht nur reine Formalie.
Der persönliche Austausch zwischen zukünftigen und bisherigen Auftraggebern kann so ein effektives Mittel zur Sicherstellung der Auswahl kompetenter Vertragspartner werden. Im Hinblick auf das zukünftige Wettbewerbsregister momentan das effektivste Mittel, schwarze Schafe auszuschließen. Zudem zeigt die Entscheidung auch, wie weit das Bemühen des Auftraggebers bei der Verifizierung von Referenzen gehen muss. Der Auftraggeber ist nicht gezwungen, endlos dem Referenzgeber hinterher telefonieren zu müssen um eine Referenz nicht werten zu müssen, sondern die Beweislast der Eignung liegt beim Bieter.
Der Bieter sollte bei der Angabe von Referenzen bei seinem Referenzgeber sicherstellen, dass dieser bei Anfragen des zukünftigen Auftraggebers erreichbar und bereit ist, Auskünfte zu geben.

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OLG München: Schadensersatz wegen „Schienenkartells“

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Liefer- & DienstleistungenRecht

Das Oberlandesgericht München hat am 8. März entschieden, dass der Stadt München “dem Grunde nach” Schadensersatzansprüche gegen Hersteller und Lieferanten von Schienen, Schwellen und Weichen  zustehen. Damit hat das OLG ein Grundurteil des Landgerichts München I im Wesentlichen bestätigt.

München klagt gegen sieben Firmen

Die Klägerin, die Stadt München, macht Schadensersatzansprüche gegen insgesamt sieben Firmen aus Deutschland und Österreich geltend, die sich zwischen dem Jahr 2001 und Mai 2011 an wettbewerbsbeschränkenden Absprachen beteiligt haben. Vor gut 10 Jahren war das sog. „Schienenkartell“ aufgeflogen. Mehrere Stahl-Lieferanten, darunter Thyssen-Krupp und Voestalpine, hatten über viele Jahre untereinander die Preisen abgesprochen. Infogedessen mussten insbesondere die Deutsche Bahn, aber auch mehrere Kommunen höhere Preise für Stahl zahlen als auf dem freien Markt zustande gekommen wären. Das Kartell wurde im Jahr 2008 aufgedeckt und das Bundeskartellamt verhängte Bußgelder in Höhe von fast 125 Millionen Euro gegen die am „Schienen-Kartell“ beteiligten Unternehmen. Der Gesamtschaden soll bei mehr als 500 Millionen Euro liegen.

Auch die bayerische Landeshauptstadt München hatte im fraglichen Zeitraum in zehn Fällen Oberbaumaterialien, d.h. Schienen, Schwellen und Weichen erworben, in der Hälfte dieser „Beschaffungsvorgänge“ von den beklagten Kartellanten, im Übrigen von nicht am Kartell beteiligten Unternehmen (Kartellaußenseitern).

Kartellbedingte Preiserhöhungen

Mit ihrer Klage verlangt die Stadt München Schadensersatz von mindestens  454.457,- Euro und hilfsweise pauschalierten Schadensersatz von über  100.000,00 Euro. Sie behauptet, dass ihr durch kartellbedingte Preiserhöhungen ein erheblicher Schaden entstanden sei.

Das Landgericht hat die Klage wegen der Beschaffungsvorgänge mit Kartellaußenseitern abgewiesen und wegen der übrigen Beschaffungsvorgänge festgestellt, dass dem Grunde nach Schadensersatzansprüche bestehen, § 33 GWB (Az. U 3497/16 Kart).

In seinem Urteil hat das Oberlandesgericht München die Berufungen der Beklagten und der Klägerin (die Stadt München wollte Schadensersatz auch für weitere Beschaffungsvorgänge mit Kartellaußenseitern) im Wesentlichen zurückgewiesen und das Urteil der Vorinstanz (Az. 37 O 24526/14) weitgehend bestätigt. Ob der geltend gemachte Schadensersatz von insgesamt 217.321,82 € auch der Höhe nach gerechtfertigt ist, muss nun wiederum das Landgericht entscheiden.

Quelle: Oberlandesgericht München, Süddeutsche Zeitung

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Nachträgliche Einführung von Unterkriterien bzw. Gewichtungskoeffizienten für Unterkriterien und Schadensersatz wegen außervertraglicher Haftung des Auftraggebers (EuGH, Urt. v. 20.12.2017, C-677/15 P)

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Entscheidung-EUDer Europäische Gerichtshof hat sich in einem Grundsatzurteil vom 20. Dezember 2017 zur Anwendung der Grundsätze von Chancengleichheit und Transparenz sowie außervertragliche Haftung aufgrund von Begründungsmängeln geäußert. Dem Beitrag liegt die Nichtigerklärung einer Vergabeentscheidung und deren gerichtliche Überprüfung im Rechtsmittelverfahren durch den Gerichtshof der Europäischen Union zu Grunde.

Leitsatz des Bearbeiters

Eine außervertragliche Haftung setzt einen Kausalzusammenhang zwischen der materiellen Rechtswidrigkeit der Bewertung des Angebotes und dem Verlust einer Chance voraus.

Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, Art. 100 Abs. 2 Unterabs. 1 und 2 der Haushaltsordnung sowie Art. 149 der Durchführungsbestimmungen, Art. 296 Abs. 2 AEUV, Art. 340 Abs. 2 AEUV

Sachverhalt

Im Rahmen einer europaweiten Ausschreibung über einen Auftrag der u. a. die externe Bereitstellung von Dienstleistungen für das Programm- und Projektmanagement und technische Beratung im Bereich Informationstechnologien zum Gegenstand hatte, griff ein öffentlicher Auftraggeber für die technische Beurteilung der Angebote auf fünf Zuschlagskriterien, von denen die ersten beiden Kriterien weitere Unterkriterien aufwiesen, zurück. Nach erfolgter Wertung durch einen Bewertungsausschuss, informierte der Auftraggeber die Bieterin, dass das von ihr abgegebene Angebot an die dritte Stelle gesetzt wurde.

Die hiergegen gerichtete Klage beim EUGH, die Vergabeentscheidung des Auftraggebers für nichtig zu erklären und zusätzlich den durch den Verlust einer Chance, sowie die damit einhergehende Schädigung des guten Rufes und der Glaubwürdigkeit entstandenen Schaden der Bieterin zu ersetzen, hatte in wesentlichen Punkten Erfolg.

Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass der öffentliche Auftraggeber bei der Wertung zweien der fünf Unterkriterien nachträglich ein größeres Gewicht als den anderen im Rahmen des ersten Zuschlagskriteriums genannten Unterkriterien beigelegt habe. Dies begründe einen Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit und der Transparenz. Ferner leide die Vergabeentscheidung an offensichtlichen Beurteilungsfehlern, da der öffentliche Auftraggeber im Nachhinein ein zusätzliches Unterkriterium in die Wertung einbezogen habe.

Hinsichtlich des Schadensersatzes erkannte das Gericht an, dass der Verlust der Chance, den die Bieterin erlitt, einen tatsächlichen und sicheren Schaden im Sinne der Rechtsprechung unter Beachtung des Grundsatzes des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes gemäß Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, darstellt.

Hiergegen legte der Auftraggeber ein Rechtsmittel nach Artikel 56 der Satzung des Gerichtshofes der Europäischen Union ein, um das Urteil auf Rechtsfehler überprüfen zu lassen.

Die Entscheidung

Das Gericht stellt fest, dass es zulässig sein kann, nachträglich Gewichtungskoeffizienten für Unterkriterien zu bilden, wenn diese im Wesentlichen den Kriterien entsprechen, die den Bietern vorher zur Kenntnis gebracht wurden. Die Zulässigkeit wird an drei Voraussetzungen geknüpft:

1) Die Gewichtung darf die in den Verdingungsunterlagen oder in der Vergabebekanntmachung bestimmten Zuschlagskriterien nicht ändern.

2) Die Gewichtung darf nichts enthalten, was, wenn es bei der Vorbereitung der Angebote bekannt gewesen wäre, diese Vorbereitung hätte beeinflussen können.

3) Die Gewichtung darf nicht unter Berücksichtigung von Umständen gewählt worden sein, die einen der Bieter diskriminieren konnte.

Bezüglich des offensichtlichen Beurteilungsfehlers wegen eines im Nachhinein einbezogenen zusätzlichen Unterkriterium in die Wertung, hat das Gericht festgestellt, dass ein offensichtlicher Beurteilungsfehler in Bezug auf ein Zuschlagskriterium nicht die Nichtigerklärung einer Vergabeentscheidung rechtfertigt, wenn diese andere Gesichtspunkte enthält, die für sich genommen genügen, um sie rechtlich zu begründen.

Zum anderen hat die Überprüfung der Entscheidung ergeben, dass die Haftung zwingend einen Kausalzusammenhang zwischen der festgestellten materiellen Rechtswidrigkeit der Bewertung des Angebotes und dem Verlust einer Chance voraussetzen.

Rechtliche Würdigung

Aufschlussreich ist die Entscheidung des Rechtsmittelverfahrens hinsichtlich der Benennungen von materiellen Anforderungen für die Zulässigkeit einer nachträglichen Gewichtung von Unterkriterien. Letztlich darf es zwar nicht überraschen, dass die Addition der drei Kriterien in ihrer Gesamtheit die Verwirklichung der Grundsätze von Transparenz und Gleichbehandlung ergibt. Allerdings gibt das Gericht Auftraggebern konkrete Prüfschritte für den Umgang mit Unterkriterien an die Hand, die ggf. sogar als Auslegungs- und Argumentationshilfe dienen können.

Wesentlich unscheinbarer wirkt die Feststellung des Gerichts über die Einbeziehung eines im Nachhinein einbezogenen zusätzlichen Unterkriterium in die Wertung. Letztlich öffnet das Ergebnis der Rechtmittelüberprüfung eine Hintertür zu Gunsten des Auftraggebers. Dieser soll hiernach in der Lage sein, seine Vergabeentscheidung auch bei Vorliegen einer partiell fehlerhaften Wertung bzw. unzureichenden Begründung oder einem offensichtlichen Beurteilungsfehler vor einer Nichtigerklärung bewahren zu können, wenn seine Entscheidung andere Gesichtspunkte enthält, die für sich genommen genügen, um sie rechtlich zu begründen. Im Ergebnis dürfte es in der Praxis auf die Frage hinauslaufen, ob sich ein Fehler in der Wertung auf die Rangfolge der Bieter ausgewirkt hat. Diese Möglichkeit ist von Seiten der Auftraggeber ebenfalls zu begrüßen, da diese bei umfangreichen Auftragsvergaben mit komplexer und damit fehleranfälligeren Wertungen, nicht befürchten müssen, dass das Ergebnis ihrer Entscheidung einer rein formalen Alles-oder-Nichts-Prüfung unterzogen wird.

Im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens nutze dem Auftraggeber dieser Einwand aber nichts, da er es versäumt hat zu erklären bzw. darzutun, dass im vorliegenden Fall die Vergabeentscheidung ohne die verschiedenen Verstöße nicht günstiger für die Bieterin hätte sein können und damit nicht nachgewiesen hat, dass sich der Fehler in der Wertung nicht auf die Rangfolge der Bieter ausgewirkt hat.

Letztlich hat das Gericht im angefochtenen Urteil den erforderlichen Kausalzusammenhang rechtlich nicht hinreichend nachgewiesen. Insbesondere hat es nicht festgestellt, ob und inwieweit die Bieterin angesichts des Sachverhalts ohne die vom Auftraggeber begangenen Fehler an die erste Stelle gesetzt geworden wäre und den fraglichen Auftrag erhalten hätte.

Insoweit ist ein Anspruch auf Schadensersatz zutreffend versagt worden.

Praxistipp

Die Verwendung von Unterkriterien sowie deren Gewichtung darf nicht dazu führen, dass diese rein ergebnisorientiert eingesetzt werden.

Sofern der Einsatz von Unterkriterien zu einem Vergabefehler führt, sollte der Auftraggeber den Nachweis erbringen, dass sich dieser Fehler nicht auf die Wertung bzw. die daraus resultierende Rangfolge der beteiligten Bieter ausgewirkt hat.

Bei der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches müssen Bieter darauf achten, dass sie einen Kausalzusammenhang zwischen der Rechtswidrigkeit der Bewertung ihres Angebotes und dem Verlust einer Chance den ausgeschriebenen Auftrag zu erhalten, nachweisen.

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Fehlende Antragsbefugnis bei Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in Form einer interkommunalen Kooperation (OLG Koblenz, Beschl. v. 14.03.2018, Verg 4/17)

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EntscheidungTrotz einer unzulässigen interkommunalen Kooperation kann ein privater Entsorger keinen vergaberechtlichen Rechtsschutz erlangen, da ihm insoweit mangels Chance auf Beteiligung an einer Ausschreibung die Antragsbefugnis fehlt.

Wenn nach der politischen Beschlusslage eine Ausschreibung der kommunalisierten abfallwirtschaftlichen Dienstleistungen ausgeschlossen ist, kann sich ein privater Entsorger hiergegen nicht mittels Nachprüfungsverfahren gegen eine rechtswidrige interkommunalen Kooperation zur Wehr setzen.

§ 160 Abs. 2 GWB

Sachverhalt

Ein Landkreis in Rheinland-Pfalz hatte beschlossen, die bisher fremdvergebenen Leistungen zur Einsammlung des kommunalen Altpapiers künftig in Eigenregie zu erbringen. Hierzu hatte der Landkreis unter anderem entsprechende Abfallsammelfahrzeuge beschafft.

In Rheinland-Pfalz sind die Landkreise und kreisfreien Städte öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger und somit für die Abfalleinsammlung und -entsorgung zuständig. Im Rahmen der Leistungserbringung sollte der Bauhof einer kreisangehörigen Stadt in deren Stadtgebiet in die Leistungserbringung einbezogen werden. Hierzu war der Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages beabsichtigt. Gegen den Abschluss dieses Vertrages wandte sich ein privater Entsorger mit einem Nachprüfungsantrag, der bei der Vergabekammer auch Erfolg hatte.

Die Entscheidung

Das OLG Koblenz hat den Nachprüfungsantrag jetzt zurückgewiesen. Das OLG ist zwar wie die Vergabekammer zunächst der Auffassung, dass der beabsichtigte Vertragsschluss keine vergabefreie interkommunale Kooperation ist. Nach § 108 Abs. 6 Nr. 1 GWB fehle es nämlich an der Zielidentität. Eine Vereinbarung, die eine Stadt in die Leistungserbringung einbezieht, die ohne diesen Vertrag mit dieser Aufgabe gar nichts zu tun hätte, falle nicht unter § 108 Abs. 6 GWB.

Dennoch wies das OLG den Nachprüfungsantrag zurück, da es der Antragstellerin (ausnahmsweise) an der Antragsbefugnis fehle. Das OLG stellt zunächst fest, dass die Antragsbefugnis nicht schon deswegen entfalle, wenn die Vergabestelle bloß erklärt, kein neues Ausschreibungsverfahren mehr durchzuführen. Antragsbefugt könne aber nur ein Unternehmen sein, dass eine Chance auf den Zuschlag hat. Bei einer drohenden Direktvergabe sei diese Chance grundsätzlich gegeben, da das hinter dem Nachprüfungsantrag stehende Ziel des Unternehmens die Einleitung eines förmlichen Vergabeverfahrens ist, an dem es sich dann beteiligen kann.

Das OLG sah in den Besonderheiten des Falls aber Anlass von diesem Grundsatz abzuweichen. Da die politische Beschlusslage eine Ausschreibung der Leistungen derzeit nicht erlaube, gäbe es derzeit insoweit keinen Beschaffungsbedarf und somit sei auch eine Ausschreibung nicht möglich. Deshalb existiere auch keine Chance der Antragstellerin mehr, in einem Vergabeverfahren den Zuschlag zu erhalten. Damit drohe kein Schaden, der aber Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB ist.

Die Antragstellerin hatte dagegen eingewandt, dass der Kreistag jederzeit auch wieder Abstand von der Kommunalisierung nehmen könne und dann wieder eine Ausschreibung stattfinden würde. Diese Einwand ließ das OLG aber nicht gelten, da dies ein neuer Sachverhalt sei, der jetzt nicht Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens ist.

Vergabekammern- und -senate seien keine Aufsichtsbehörden, die objektive Rechtsverstöße feststellen, sondern individuellen Primärrechtsschutz gewährleisten. Rechtswidriges Verhalten der Kommunen als solches falle daher in den alleinigen Zuständigkeitsbereich der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD).

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung ist zwar letztlich für beide Seiten unbefriedigend, aber trotzdem zutreffend.

Dem OLG Koblenz ist zuzustimmen, dass die beabsichtigte Kooperation zwischen Landkreis und Stadt nicht vom Vergaberecht freigestellt ist. Blickt man in die vergaberechtliche Judikatur, insbesondere die des EuGH aber auch des OLG Koblenz selbst, so wurde für eine vergabefreie interkommunale Kooperation immer gefordert, dass es dabei um eine allen Kooperationsbeteiligten obliegende Aufgabe gehen muss. Vgl. EuGH, Urt. v. 19.12.2012 – C-159/11 „Lecce“. Ist nur einer der Kooperationspartner zuständig, liegt daher keine vergabefreie Kooperation vor.

Dass der Nachprüfungsantrag mangels Antragsbefugnis dennoch ohne Erfolg blieb ist daher für die Antragstellerin ärgerlich, aber auch für Stadt und Landkreis kein Erfolg, weil das OLG Koblenz materiell dennoch die Unzulässigkeit der Kooperation festgestellt hat. Deshalb haben sowohl die Stadt als auch der Landkreis in der mündlichen Verhandlung erklärt, von der beabsichtigten Kooperation abzusehen.

Das OLG hat die Antragsbefugnis auch zur Recht verneint. Wenn ein Ausschreibungsverfahren für die Leistung, um die es geht, jedenfalls kurz oder mittelfristig ausgeschlossen ist, kann einem Unternehmen kein Schaden drohen. Dies ist aber nun einmal Voraussetzung für die Antragsbefugnis. Zuzustimmen ist dem OLG auch darin, dass die bloße Behauptung, kein Ausschreibungsverfahren mehr durchführen zu wollen, in der Regel die Antragsbefugnis nicht entfallen lässt.

Praxistipp

Nachdem die Voraussetzungen einer vergabefreien interkommunalen Kooperation in § 108 Abs. 6 GWB seit der Vergaberechtsnovelle erstmals positiv geregelt sind, hat sich an den Voraussetzungen für diese nach Auffassung des OLG Koblenz nichts geändert. Es muss immer eine „Zielidentität“ im Sinne einer Zuständigkeit der Kooperationspartner für die Aufgabe vorliegen. Liegt eine solche nicht vor, wird eine vertragliche interkommunale Kooperation in aller Regel nicht möglich sein. Alternative ist dann nur noch die Institutionalisierung der Kooperation durch Gründung eines gemeinsamen Rechtsträgers (Mehrträger-AöR, Zweckverband, GmbH). Es sei denn, man fordert auch insoweit eine Zielidentität, was man in Rheinland-Pfalz durchaus aus § 1 Abs. 1 Satz 1 des Landesgesetz über die kommunale Zusammenarbeit (KomZG) durchaus ableiten könnte.

Für die Praxis bedingt das Urteil daher eine sorgfältige Prüfung beabsichtigter interkommunalen Kooperationen auf die gemeinsame Zuständigkeit hin.

Anm. d. Red.: Der Autor hat in dem Nachprüfungsverfahren den Antragsgegner vertreten.

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Öffentliche Auftraggeber müssen abfallrechtliche Vorgaben bei der Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts beachten (OLG München, Beschl. v. 09.03.2018 – Verg 10/17)

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Das OLG München hat in einer aktuellen Entscheidung dem Nachprüfungsantrag eines Entsorgungsunternehmens gegen die bindende Vorgabe der “thermischen Verwertung” in Ausschreibungen der Bayerischen Straßenbauämter zur Entsorgung von teer-/pechhaltigem Straßenaufbruch stattgegeben.

Leitsatz des Bearbeiters

Öffentliche Auftraggeber haben abfallrechtliche Vorgaben wie die Abfallhierarchie bei der Ausübung ihres Leistungsbestimmungsrechts zu berücksichtigen und müssen, wenn sie eine bestimmte Entsorgungsoption vorgeben wollen, im Hinblick auf die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt einen Vergleich mit anderen, nicht offensichtlich minderwertigeren Entsorgungsoptionen anstellen und dokumentieren.

§ 6 KrWG

Der Vergabesenat des Oberlandesgerichts hat mit Beschluss vom 09.03.2018 (Az.  Verg 10/17) in einem von der REMEX Mineralstoff GmbH gegen den Freistaat Bayern geführten Nachprüfungsverfahren in Bezug auf die Entsorgung von teer- und pechhaltigem Straßenaufbruch aus den Bezirken der Staatlichen Bauämter Aschaffenburg, Schweinfurt und Würzburg zu Gunsten des Entsorgers entschieden und klargestellt, dass dem grundsätzlich weiten vergaberechtlichen Leistungsbestimmungsrecht öffentlicher Auftraggeber durch das Kreislaufwirtschaftsgesetz und die dort in § 6 normierte Abfallhierarchie Grenzen gesetzt sind.

Sachverhalt

Das Staatliche Bauamt Würzburg als Vergabestelle hatte in der Leistungsbeschreibung der Ausschreibung vorgegeben, dass der teer-/pechhaltige Straßenaufbruch „thermisch zu verwerten“ sei. Gegen diese Vorgabe richtete sich der Nachprüfungsantrag von REMEX, nach deren Auffassung auch andere Verwertungsoptionen, wie die Verwertung des Straßenaufbruchs als Ersatzbaustoff im Deponiebau, zugelassen werden müssten.

Die Vergabestelle sah die verbindliche Vorgabe der „thermischen Verwertung“ des Straßenaufbruchs als von ihrem vergaberechtlichen Leistungsbestimmungsrecht gedeckt an und hat die Vorgabe damit begründet, dass die in dem teer-/pechhaltigen Straßenaufbruch enthaltenen Schadstoffe, namentlich die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK), endgültig aus dem Stoffkreislauf ausgeschleust werden sollten. Dabei berief sie sich auf das Merkblatt 3.4/1 des Bayerischen Landesamtes für Umwelt (LfU), in dem die „thermische Verwertung“ von teer-/pechhaltigem Straßenaufbruch als vorzugswürdig beschrieben wird, obwohl die Verwertung im Deponiebau und sogar die Beseitigung auf Deponien auch für weiterhin möglich erklärt werden.

REMEX hat sich im Nachprüfungsantrag gegen die verbindliche Vorgabe der „thermischen Verwertung“ mit dem Argument gewehrt, dass die „thermische Verwertung“ aufgrund der weiten Transportwege zur derzeit einzig in Betracht kommenden Anlage in den Niederlanden nicht die umweltschonendste Behandlungsoption darstellt; da nach der Abfallhierarchie und den Vorgaben der §§ 7, 8 KrWG die Abfallbesitzer – und damit die den Straßenaufbruch übernehmenden Entsorgungsunternehmen – dazu verpflichtet sind, die umweltschonendste Entsorgungsoption zu wählen, sah REMEX in der Vorgabe der „thermischen Verwertung“ eine Vorgabe zu rechtswidrigem Verhalten. Dabei hat REMEX auf zwei umfangreiche Ökobilanz-Studien zur Entsorgung von teer-/pechhaltigem Straßenaufbruch verweisen können, eine Studie der Sonderabfall-Management-Gesellschaft Rheinland-Pfalz mbH aus dem Jahr 2007 und eine Studie des IFEU-Instituts aus dem Jahr 2016. Beide kommen zu dem Ergebnis, dass die „thermische Verwertung“ von teer-/pechhaltigem Straßenaufbruch in Anlagen in den Niederlanden nicht die umweltschonendste und ökoeffizienteste Entsorgungsmethode ist, sondern die Verwertung im Deponiebau vorzugswürdig ist. REMEX vertrat des Weiteren die Auffassung, dass eine Vergabestelle bei der Ausschreibung von Entsorgungsleistungen eine bestimmte Entsorgungsart nur auf Grundlage einer vorherigen Abwägung der in Betracht kommenden Entsorgungsoptionen und ihrer Auswirkungen auf Mensch und Umwelt vorgeben darf; wenn die Vergabestelle sich mit ihrer Vorgabe zu vorliegenden Ökobilanzierungen in Widerspruch setzt, muss sie ggfs. selbst eine Ökobilanzierung der von ihr gewünschten und der anderen in Betracht kommenden Entsorgungsoptionen vornehmen und damit nachweisen, dass die von ihr gewollte Entsorgungsoption im konkreten Fall auch tatsächlich die umweltschonendste ist. Bei mehreren in Betracht kommenden gleichwertigen Entsorgungsmethoden müsste die Vergabestelle auch Alternativen zulassen.

Die Entscheidung

Nachdem die Vergabekammer Nordbayern zunächst der Vergabestelle Recht gegeben und den Nachprüfungsantrag abgelehnt hatte, hat das OLG München im Beschwerdeverfahren den Beschluss der Vergabekammer aufgehoben und ist dabei der Argumentation von REMEX weitestgehend gefolgt.

Das OLG sieht zwar keine Verpflichtung einer Vergabestelle, eine umfassende Ökobilanzierung im Umfang etwa der IFEU-Studie zu erstellen, wenn sie bei der Vergabe von Entsorgungsleistungen eine bestimmte Verwertungsmaßnahme vorgeben will. Aber die Vergabestelle muss dem OLG zu Folge, wenn sie einen ganz bestimmten Umgang mit dem Abfall vorschreiben und alle sonstigen nicht von vorneherein offensichtlich nachrangigen Verwertungs- bzw. Entsorgungsoptionen ausschließen will, jedenfalls die zentralen Aspekte, die für oder gegen die beabsichtigte Festlegung sprechen, gegenüberstellen und unter Berücksichtigung der grundlegenden Konzeption des KrWG bewerten.

Dass dies im vorliegenden Fall geschehen wäre, konnte das OLG aus den Vergabeunterlagen des Staatlichen Bauamtes Würzburg nicht erkennen. Das Staatliche Bauamt hat sich nach Auffassung des OLG nur an den umwelt- und gesundheitspolitischen Zielsetzungen auf Landes- und Bundesebene orientiert, wie sie im LfU-Merkblatt zum Ausdruck kommen. Es hat nicht die Verwertung im Deponiebau als andere zulässige Verwertungsoption in seine Überlegungen mit einbezogen und keine nach dem KrWG gebotene vergleichende Wertung vorgenommen. Genau das erachtet das OLG jedoch für erforderlich.

Im Hinblick auf die Entsorgung von teer-/pechhaltigem Straßenaufbruch sieht das OLG zwar die beiden Alternativen „thermische Verwertung“ und Verwertung im Deponiebau grundsätzlich als eng beieinanderliegend an. Für die „thermische Verwertung“ spricht dem OLG zu Folge zwar der Vorteil einer zeitnahen, endgültigen Beseitigung potentiell gefährlicher Schadstoffe. Dagegen spricht aus Sicht des OLG jedoch, dass die „thermische Verwertung“ derzeit nur in den Niederlanden möglich ist und den Transport des Abfalls in die Niederlande erfordert, was mit entsprechenden Umweltbelastungen verbunden ist. Die Vergabestelle hätte nach Ansicht des OLG die transportbedingten Umweltbelastungen sowie den Umstand, dass die thermische Verwertung in den Niederlanden zu Emissionen führt, prüfen und berücksichtigen müssen. Sie hätte zudem prüfen und berücksichtigen müssen, welcher Energieeinsatz nötig ist und in welcher Größenordnung überhaupt wiederverwendbares Material aus der „thermischen Verwertung“ gewonnen wird. Die Absicht bzw. Motivation, die gefährlichen PAK zu zerstören, genügt dem OLG als Begründung für die Vorgabe der „thermischen Verwertung“ jedenfalls nicht. Außerdem hätte die Vergabestelle auch die tatsächlichen Risiken für Mensch und Umwelt bei der alternativen Verwertung im Deponiebau prüfen und bewerten müssen. Dabei hat das OLG ausdrücklich auf den Widerspruch hingewiesen, dass die Oberste Bayerische Baubehörde in einem Schreiben vom 29.11.2017 den Wiedereinbau von aufbereiteten teer-/pechhaltigen Straßenausbaustoffen in Staatsstraßen für zulässig erklärt hat, die Vergabestelle dagegen die Verwertung auf einer Deponie wegen etwaiger Restrisiken für Umwelt und menschliche Gesundheit für nicht akzeptabel hält.

Das Staatliche Bauamt Würzburg als Vergabestelle muss nun das Vergabeverfahren in das Stadium vor der Bekanntmachung zurückzuversetzen und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Vorgaben für die Entsorgung des teer-/pechhaltigen Straßenaufbruchs entscheiden.

Rechtliche Würdigung

Das OLG München hat nun erstmals konkrete Anforderungen formuliert, die öffentliche Auftraggeber bei der Ausübung ihres vergaberechtlichen Leistungsbestimmungsrechts zu berücksichtigen haben, wenn sie bei der Ausschreibung von Entsorgungsleistungen eine bestimmte Entsorgungsoption vorgeben möchten. Damit hat das OLG München die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf fortentwickelt. Bereits 2012 hatte das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 01.08.2012 – VII-Verg 105/11) festgestellt, dass das KrWG und die Abfallhierarchie das Leistungsbestimmungsrecht der öffentlichen Auftraggeber beeinflussen können und die Einhaltung der abfallrechtlichen Vorgaben durch die Auftraggeber im Rahmen eines Vergabenachprüfungsverfahrens inzident mit zu prüfen sind. Zudem hat das OLG München klargestellt, dass die „thermische Verwertung“ von teer-/pechhaltigem Straßenaufbruch entgegen einer derzeit festzustellenden Praxis bei den Straßenbauämtern nicht ohne Weiteres als die vorzugswürdige Entsorgungsoption betrachtet werden kann.

Praxistipp

Öffentliche Auftraggeber dürfen abfallrechtliche Vorgaben wie die “Abfallhierarchie” bei der Ausübung des Leistungsbestimmungsrecht nicht außer Acht lassen. Soll eine bestimmte Entsorgungsoption vorgeben werden, muss – im Hinblick auf die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt ein Vergleich mit anderen, nicht offensichtlich minderwertigeren Entsorgungsoptionen durchgeführt und dokumentiert werden. Dem weiten vergaberechtlichen Leistungsbestimmungsrecht öffentlicher Auftraggeber sind wie die Entscheidung des OLG München veranschaulicht, durch abfallrechtliche Vorschriften wie § 6 Kreislaufwirtschaftsgesetz und die dort normierte Abfallhierarchie Grenzen gesetzt.


Hinweis der Redaktion:
Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Kanzlei LLR Legerlotz Laschet und Partner Rechtsanwälte. Vielen Dank an die Einsender, die Herren Rechtsanwälte Dr. Olaf Konzak und Bastian Gierling.

 

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Wann gilt EU-Recht bei Unterschwellenvergaben? (EuGH, Urt. v. 20.3.2018 – C-187/16 –„Österreichische Staatsdruckerei“)

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Entscheidung-EUFür öffentliche Aufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte sind die Grundregeln des AEUV, insbesondere der Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) zu beachten, wenn an diesen Aufträgen ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse besteht. Wann ein solcher Binnenmarktbezug aber konkret vorliegt und öffentliche Auftraggeber deshalb europarechtliche Vergabevorgaben bei der Beschaffung berücksichtigen müssen, ist immer wieder Gegenstand gerichtlicher Verfahren. So urteilte die Große Kammer des EuGH im Fall der direkten Beauftragung der Österreichischen Staatsdruckerei GmbH zur Herstellung von sog. Pyrotechnik-Ausweisen:

Art. 49 und 56 AEUV

Leitsatz

Ob ein öffentlicher Auftrag für ein ausländisches Unternehmen von eindeutigem Interesse ist, erfordert eine Gesamtschau aller objektiven Kriterien und maßgeblichen Umstände des Einzelfalls. Nur entsprechend geartete Vermutungen genügen insoweit nicht.

Sachverhalt

Die Republik Österreich beauftragte ohne Ausschreibung die Österreichische Staatsdruckerei GmbH unter anderem mit dem Druck von Pyrotechnik-Ausweisen. Die Direktvergabe dieses Druckauftrages rechtfertigte die Republik Österreich damit, dass der Auftragswert von 56.000 Euro so gering sei, dass er für andere ausländische Unternehmen uninteressant sei und daher nicht in den Anwendungsbereich des AEUV falle. Die Europäische Kommission hingegen war der Meinung, dass auch ein vergleichsweise geringer Auftragswert für ausländische Unternehmen wegen dessen technischer Merkmale interessant sein könne. So liege ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse vor, weil der Markt für Unternehmen, die fälschungssichere Ausweispapiere herstellten, spezialisiert, klein und international verflochten sei. Zudem sei die geografische Nähe kein Erfordernis für den Druck von fälschungssicheren Dokumenten.

Die Entscheidung

Die Große Kammer des EuGH hat seine ständige Rechtsprechung bekräftigt: Bei der Auftragsvergabe im Unterschwellenbereich sind die Grundregeln und allgemeinen Grundsätze des AEUV (namentlich Transparenz, Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung) zu beachten, sofern an den öffentlichen Aufträgen ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse besteht (Rdnr. 104). Objektiven Kriterien, die auf ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse hindeuten können, sind unter anderem (1.) ein gewisses Auftragsvolumen, (2.) der Leistungsort, und (3.) die technischen Auftragsmerkmale oder Besonderheiten der Waren (Rdnr. 106). Zu den objektiven Kriterien zählen auch (4.) ernstgemeinte Beschwerden von ausländischen Unternehmen (EuGH, Urt. v. 6.10.2016 C-318/15 Technoedi Construzioni, Rdnr. 20).

Bei Berücksichtigung aller objektiven Kriterien und aller maßgeblichen Umstände des Streitfalls in einer Gesamtschau, stellten die europäischen Richter fest, dass sich der Druckauftrag über die Herstellung der Pyrotechnik-Ausweise zwar nicht nur durch seinen vergleichsweise geringen Auftragswert, sondern auch durch seinen sehr technischen Charakter auszeichnet und außerdem die Einhaltung besonderer Sicherheitsmaßnahmen mit den damit einhergehenden Kosten voraussetzt (Rdnr. 107).

Allerdings reicht die Vermutung eines insoweit bloß behaupteten grenzüberschreitenden Interesses nicht aus, um einen Binnenmarktbezug auch nachzuweisen (Rdnr. 105, 109). Die Vertragsverletzungsklage gegen die Republik Österreich wurde daher abgewiesen (Rdnr. 112).

Rechtliche Würdigung

Die Große Kammer des EuGH hat richtig entschieden. Denn ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse liegt nicht ohne weiteres bei jedem Unterschwellenauftrag vor. Nur, wenn ein Binnenmarktbezug konkret und positiv im Einzelfall festzustellen ist, finden auch die Grundregeln und allgemeinen Grundsätze des AEUV bei Unterschwellenvergaben Anwendung. Eine rein abstrakte oder bloß hypothetische Bewertung oder lediglich Vermutung des Vorliegens der objektiven Beispielskriterien (z.B. besonderer technischer Auftragsmerkmale) ist gerade nicht ausreichend, um ein grenzüberschreitendes Interesse bejahen zu können.

Praxistipp

Das Urteil erspart öffentlichen Auftraggebern auch in Zukunft nicht die Gesamtschau aller objektiven Kriterien und maßgeblichen Einzelfallumstände zur Beurteilung der Binnenmarktrelevanz. In der Beschaffungspraxis kann diese Prüfung mitunter schwierig sein, weil die objektiven Beispielskriterien recht unbestimmt sind (z.B. gewisses Auftragsvolumen). Es wäre daher auch im Sinne der Rechtssicherheit wünschenswert, wenn der EuGH seine objektiven Kriterien weiter schärfen würde, um dem Beschaffungspraktiker deren Anwendung und seine darauf gründende Entscheidung zu erleichtern.

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Referenzen nicht wirksam gefordert: Kein Ausschluss wegen fehlender Nachweise! (VK Nordbayern, Beschl. v. 15.02.2018 – RMF-SG-3194-31)

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BauleistungenRecht

Die vom Auftraggeber geforderten Eignungskriterien und die entsprechenden Nachweise müssen in der Auftragsbekanntmachung allen  Bietern bekannt gegeben werden. Dies kann auch in einem elektronisch zugänglichen Bekanntmachungstext mittels eines Links geschehen. Allerdings müssen die Unterlagen dann mittels dieses Links direkt erreichbar sein.

§ 122 Abs. 4 GWB; § 12 Abs. 3 Nr. 2 EU VOB/A; § 16 b EU VOB/A;

Leitsatz

  1. Der Auftraggeber muss die Eignungskriterien und die geforderten Nachweise den potentiellen Bietern im Voraus bekannt geben. Bekannt geben heißt, die einzelnen Eignungskriterien und die Mittel zu deren Nachweis ausdrücklich zu bezeichnen. Das Mitteilungsmedium ist in der Regel die Auftragsbekanntmachung. Es genügt nicht, in der Bekanntmachung auf ein später in den Vergabeunterlagen zu findendes Formblatt hinzuweisen.
  2. Ausreichend ist es hierbei, wenn sich in einem online zugänglichen Bekanntmachungstext ein Link befindet, über den man ohne weiteres das Formblatt mit den geforderten Eignungskriterien und Nachweisen öffnen und ausdrucken kann. Nicht ausreichend ist es, wenn in der Bekanntmachung auf die Vergabeunterlagen verwiesen wird, die unmittelbar online zugänglich sind.
  3. Sind Eignungskriterien nicht entsprechend in der Bekanntmachung festlegt worden, scheidet ein Ausschluss eines Angebots aufgrund fehlender Nachweise über die Referenzen aus, weil die Referenzen nicht wirksam gefordert worden sind.

Sachverhalt

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Bauleistungen zur Errichtung eines Klärwerks im Wege des offenen Verfahrens europaweit nach der EU VOB/A ausgeschrieben. Einziges Zuschlagskriterium war der Preis.

Bieter A gab ein Angebot ab und war nach Wertung der Angebote als wirtschaftlichster Bieter an 1. Stelle. Der AG forderte darauf Unterlagen bei A nach, die A dem AG übermittelte. Mit Schreiben vom 02.01.2018 schloss der AG das Angebot des A aus, u.a. mit dem Hinweis, dass A seine Fachkunde nicht nachgewiesen habe. Alle Stahlbetonbauwerke seien wasserundurchlässig herzustellen. A habe dafür jedoch keine Referenzen nachweisen können. Dem widersprach A mit seiner Rüge. Es seien keine Referenzen nachgefordert worden. Zudem könne er ohne weiteres zahlreiche Referenzen für Bauwerke aus WU-Beton benennen. A beantragte darauf Nachprüfung bei der Vergabekammer (VK).

Die Entscheidung

Die VK gibt hier dem Bieter A Recht. Ein Ausschluss des Angebots der Antragstellerin wegen fehlender Referenzen ist vergaberechtswidrig. Die Forderung von Referenzen (Bauwerke aus WU-Beton) ist nicht ausreichend bekannt gemacht worden und kann somit keinen Ausschluss eines Angebots rechtfertigen.

Rechtliche Würdigung

Der Auftraggeber muss die Eignungskriterien und die geforderten Nachweise den potentiellen Bietern im Voraus bekannt geben, § 12 Abs. 3 Nr. 2 EU VOB/A i.V.m. Anhang V Teil C Nr. 11 Ziff. c) der Richtlinie 2014/24/EU. Bekannt geben heißt, die einzelnen Eignungskriterien und die Mittel zu deren Nachweis ausdrücklich zu bezeichnen. Das Mitteilungsmedium ist in der Regel die Auftragsbekanntmachung. Es genügt nicht, in der Bekanntmachung auf ein später in den Vergabeunterlagen zu findendes Formblatt hinzuweisen. Ausreichend ist es hierbei, wenn sich in einem online zugänglichen Bekanntmachungstext ein Link befindet, über den man ohne weiteres das Formblatt mit den geforderten Eignungskriterien und Nachweisen öffnen und ausdrucken kann. Nicht ausreichend ist es, wenn in der Bekanntmachung auf die Vergabeunterlagen verwiesen wird, die unmittelbar online zugänglich sind. Der Sinn und Zweck von Regelungen wie § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB und § 12 Abs. 3 Nr. 2 EU VOB/A i.V.m. Anhang V Teil C Nr. 11 Ziff. c) der Richtlinie 2014/24/EU besteht darin, dass jedes in- und ausländische Unternehmen auf einen Blick erkennen kann, ob es als potentiell geeigneter Wettbewerbsteilnehmer in Betracht kommt oder ob es sich eine Befassung mit den Vergabeunterlagen von vornherein ersparen kann.

Hier hat der AG in seiner Bekanntmachung unter Ziffer III.1.2 auf die Ausschreibungsunterlagen und in diesen – unter 04 – auf die Leistungsbeschreibung verwiesen. Erst dort kommt man unter Anklicken der Ziffer 04 auf eine Datei, die u.a. das Formblatt 124 mit folgenden gedruckten Angaben an den Bieter enthält:

Ich erkläre, dass ich in den letzten 3 bzw. 5 Jahren vergleichbare Leistungen ausgeführt habe. Falls mein Angebot in die engere Wahl kommt, werde ich für 3 Referenzen je eine Referenzbescheinigung mit Angaben in Anlehnung an das Formblatt 444 (Link) vorlegen.

Es ist somit vorliegend gerade nicht gewährleistet, dass der Bieter über den Link aus dem Bekanntmachungstext ohne weiteres das Formblatt mit den geforderten Eignungskriterien und Nachweisen öffnen und ausdrucken kann. Der Bieter kann nicht auf einen Blick erkennen, ob er als potentiell geeigneter Wettbewerbsteilnehmer in Betracht kommt.

Nach § 16b EU VOB/A überprüft der Auftraggeber die Eignung der Bieter anhand der vorgelegten Nachweise. Hat der Auftraggeber dazu aber nichts festgelegt, fehlt auch die Grundlage für eine Eignungsprüfung. Mangels Festlegung der Eignungskriterien in der Bekanntmachung, scheidet ein Ausschluss des Angebots des A aufgrund fehlender Nachweise über die Referenzen aus. Die Referenzen sind nicht wirksam gefordert worden.

Im Übrigen hat der Auftraggeber auch in den Vergabeunterlagen nicht explizit Referenzen für Leistungen mit wasserundurchlässigem Beton gefordert. In der mündlichen Verhandlung trägt er vor, dass es genüge, vergleichbare Referenzen von den Bietern zu fordern. Vergleichbar seien vorliegend nur Referenzen, die sich auf Bauwerke mit wasserundurchlässigem Beton beziehen. Ob der Auftraggeber tatsächlich nur Referenzleistungen mit wasserundurchlässigem Beton werten darf, obwohl er dies nicht explizit gefordert hat, ist vorliegend mangels ausreichender Bekanntmachung der Referenzanforderung aber nicht mehr entscheidungserheblich.

Praxistipp

Wie die Entscheidung u.a. zeigt, ist nach wie vor umstritten, wie die Kriterien und Nachweise zur Eignungsprüfung ordnungsgemäß bekanntgegeben werden.

§ 122 Abs. 4, Satz 2 GWB bestimmt dazu eindeutig, dass die Eignungskriterien (ausschließlich) in der Auftragsbekanntmachung aufzuführen sind.

In der vergaberechtlichen Rechtsprechung wird dagegen teilweise eine Verlinkung in der Bekanntmachung auf die Auftragsunterlagen, welche die Eignungskriterien enthalten, als ausreichend angesehen (z.B. VK Südbayern, B. v. 16.10.2017 Z3-3-3194-1-30-06/17). Begründet wird dies damit, dass das EU- Standardformular Auftragsbekanntmachung ausdrücklich einen Verweis auf die Auftragsunterlagen vorsieht. Folgt man dieser Ansicht, ist jedoch zwingend zu beachten, dass mit Anklicken des Links in der Bekanntmachung tatsächlich alle Eignungskriterien sowie die Informationen zum Nachweis der Eignung uneingeschränkt, vollständig und direkt abrufbar sein müssen. Ein dort aufzufindender weiterer Verweis auf Formblätter etc. ist daher unzulässig.

Aber auch zu dieser Verlinkung gibt es Gegenmeinungen, die fordern, dass die Eignungskriterien einschließlich der Mindestanforderungen ausschließlich und abschließend in der Bekanntmachung angegeben werden müssen (z.B. VK Bund, B. v.18.09.2017 VK 2-96/17). Vor diesem Hintergrund ist Auftraggebern daher eher zur Vorsicht und zur strikten Beachtung des § 122 Abs. 4 GWB zu raten.

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Dr.-Ing. Werner Weigl, 2. Vizepräsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, spricht auf dem 2. Bau-Vergabetag des DVNW am 21.06.2018 in Berlin

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BauleistungenPolitik und MarktRecht

Mit deutlichen Worten zieht Dr. Werner Weigl eine erste und nicht gerade positive Bilanz der Auswirkungen der jüngeren EU-Vergaberechtsreform sowie der dieser folgenden Rechtsprechung. Insbesondere die Addition der Auftragswerte von einzelnen Planerleistungen hätte negative Konsequenzen. Planerleistungen würden zunehmend EU-weit ausgeschrieben. Ebenso hätte die Anzahl von Generalplanerleistungen zugenommen. Beide Entwicklungen liefen zu Lasten kleinerer und regional tätiger Planerbüros. Das Ziel einer klein- und mittelstandsfreundlichen Vergabepolitik würde damit verfehlt.

Aber auch an Angehörigen des von der Bayrischen Ingenieurekammer vertretenen Berufsstands übt Weigl Kritik. Durch gezieltes Angreifen von Vergabeverfahren würde den von Vergabejuristen zu stark formalisierten und zugleich weniger fach- und sachgerechten Vergabeverfahren Vorschub geleistet.

Dr. Weigl wird auf dem 2. Bau-Vergabetag im Fachpanel seine kritische Analyse vortragen und zur Diskussion stellen. Außerdem wird sich Dr. Weigl als Diskutant der Podiumsdiskussion zu den Herausforderungen des digitalen Planen und Bauens positionieren.

Hier der Originaltext zum Nachlesen (zuerst veröffentlicht in der Bayerischen Staatszeitung vom 16.03.2018).

Quo vadis Ingenieurvergabe?

Zwei Jahre sind nun seit dem Inkrafttreten der Reform des Vergaberechtes und ein Jahr seit dem Urteil des OLG München zur Addition sämtlicher Planungsleistungen bei der Ermittlung des Schwellenwertes ins Land gezogen – Zeit eine erste Bilanz zu ziehen.

Festzustellen ist zweierlei: die Zahl der europaweiten Ausschreibungen einzelner Planungsleistungen mit zum Teil deutlich unterhalb des Schwellenwertes liegenden Auftragswerten hat ebenso zugenommen wie die Zahl der Generalplanerausschreibungen. Ersteres führt zu groteskem Mehraufwand für Auftraggeber und Auftragnehmer, letzteres zum Aus für viele kleine und regionale Ingenieurbüros. Beides Effekte, die im krassen Gegensatz zu den in Brüssel formulierten Zielen des Vergaberechts stehen.

Dabei wäre es jedoch zu kurz gesprungen, nur mit dem Finger auf die Akteure in Brüssel und Berlin zu zeigen!

Den Teufel mit dem Beelzebub austreiben?

Der Blick auf die Vergabenachprüfungsverfahren bringt einen überraschenden Aspekt zutage: Angehörige unseres Berufsstandes scheinen im Team mit einschlägigen Juristen das Vergaberecht als neues Geschäftsmodell entdeckt zu haben. Mit einem Schrotschuss angeblicher und zweifelhafter Vergabeverstöße hoffen diese, irgendein vorgebrachter Punkt rechtfertige schon die Rüge und bewirke eine Aufhebung des Verfahrens – nur um dann anschließend mit Anwaltsgebühren und Schadensersatzansprüchen Geld zu verdienen. Als Beispiel sei hier exemplarisch die Rüge einer Begegnung zweier Bewerber auf dem Flur während des Verhandlungsverfahrens genannt. Bei aller Notwendigkeit, faire und korrekte Verfahren auch mit Nachprüfungen zu erreichen, wird hier der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben!

Dabei wird übersehen, dass auf diese Weise lediglich immer formalistischere Verfahren unter Betreuung von Vergaberechtsjuristen und weniger sach- und fachgerechte Ingenieurvergaben erreicht werden: Auf Bewerberseite gewinnen damit die Akteure, die groß genug sind, um Juristen und eine eigene Marketingabteilung zu beschäftigen. Auftraggeber müssen hohen Aufwand betreiben und stehen nur noch einer eingeschränkten Bieterzahl gegenüber. Die Gesellschaft verliert regionale, arbeitsplatzsichernde Strukturen und bewährte, persönlich ansprechbare und auch verantwortliche Planungspartner.

Maßvolle Referenzanforderungen

Besonderes Augenmerk sollten die Vergabestellen im ersten Verfahrensschritt also auf die sorgfältige Auswahl des Beraters und maßvolle Referenzanforderungen richten. Es gilt einen Berater zu finden, der neben Verfahrenskompetenz zwingend auch über den technischen Sachverstand zur Formulierung der Anforderungen und deren Beurteilung verfügt, sofern die Vergabestelle nicht selbst die entsprechende Kompetenz besitzt.

Eine weitere, aus meiner Sicht äußerst kritisch zu betrachtende, neue Tendenz ist die Vergabe von Ingenieurleistungen im offenen Verfahren. Für Ingenieurleistungen sieht §74 VgV das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb nach §17 oder im wettbewerblichen Dialog nach §18 vor. Aus gutem Grund: Die Leistung von Ingenieuren ist in aller Regel vorab nicht eindeutig und erschöpfend zu beschreiben!

Ein Beispiel: Die geistig schöpferische und gestaltende Aufgabe des Tragwerksplaners ist die Umsetzung der Formensprache, Funktion und Materialität der Architektur in eine standsichere, baubare und wirtschaftliche Lösung. Diese kreative, im Team mit Architekten und anderen Fachingenieuren zu bearbeitende Aufgabe ist mitnichten eine vollständig und umfassend beschreibbare Leistung. Dies wäre die Reduktion auf ein „bloßes“ Nachrechnen der im Entwurf vorgeschlagenen Lösung.

Dabei leisten beispielsweise Tragwerksplaner so viel mehr, wenn sie die ursprünglichen gestalterischen Ideen der Entwürfe mit wirtschaftlicheren Ansätzen von hohem gestalterischem Wert umsetzen. So zeugt es zum Beispiel von großer Kreativität und hoher Qualität, wenn ein Faltwerk, das im Entwurf als untergehängte Konstruktion gedacht war, in eine weitgehend vorgefertigte Ingenieurholzbaukonstruktion als tragendes Bauelement in Brettstapelbauweise verwandelt wird.

Die geistig schöpferische Leistung des gesamten Planungsteams ist die Fortführung des Entwurfes im Aufgabenkanon von Funktion, Form, Standsicherheit, Baubarkeit, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit. Diese Aufgaben sind gemeinsam weiterzuentwickeln und im Team einer qualitativ hochwertigen und die Baukultur fördernden Lösung zuzuführen.

Verbrechen an der Baukultur

Die aufgezählten Punkte sind exemplarisch für alle am Bau beteiligten Ingenieure zu verstehen. Die Leistungen dieser Ingenieure als bloße Umsetzung, als eindeutig und erschöpfend zu beschreibende Aufgabe zu definieren und damit einem Vergabeverfahren wie für einen Kubikmeter Beton zu unterwerfen, ist ein Verbrechen an der Baukultur.

Quelle: Bayerische Ingenieurekammer-Bau

Hinweis der Redaktion:
Der 2. Bauvergabetag des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW) findet am 21. Juni in Berlin statt – zu Programm & Anmeldung.

 

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