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Gesetz zum Wettbewerbsregister in Kraft

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Politik und MarktRecht

Das Gesetz zur Einrichtung und zum Betrieb eines Registers zum Schutz des Wettbewerbs um öffentliche Aufträge und Konzessionen (Wettbewerbsregistergesetz)  ist am 29. Juli mit einigen Änderungen  in Kraft getreten (Vergabeblog.de berichtete u.a. hier und hier).

So wurde wurde in  § 5 Abs. 3 WRegG doch noch ein umfassendes Akteneinsichtsrecht für betroffenen Unternehmen eingeführt. Bereits während des Gesetzgebungsverfahrens hatte es nach massiver Kritik einige Verbesserungen gegeben (siehe dazu Vergabeblog.de vom 10/04/2017, Nr. 30725).

Mit dem Wettbewerbsregister werden Auftraggebern im Sinne von § 98 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen Informationen über Ausschlussgründe im Sinne der §§ 123 und 124 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zur Verfügung gestellt. Das Register wird in Form einer elektronischen Datenbank beim Bundeskartellamt geführt, § 1 WRegG.

Zum Wettbewerbsregistergesetz geht es hier.

Auch interessant:

Übrigens: Das Wettbewerbsregister ist auch Thema auf dem 4 .Deutschen Vergabetag am 19. & 20.10.2017 in Berlin. Zu Programm & Anmeldung.

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VSVgV.de ist online

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Politik und MarktRechtSicherheit & Verteidigung

Linktipp: VSVgV.de – Der Blog zum Vergaberecht für den Bereich Verteidigung und Sicherheit ist online. Auf dem Blog berichtet unser langjähriger Vergabeblog-Autor Dr. Daniel Soudry, LL.M. laufend über aktuelle Entwicklungen in Gesetzgebung und Rechtsprechung rund um die Vergabe von VS-Aufträgen – unabhängig, wettbewerbsneutral und werbefrei. Der Blog ist unter www.vsvgv.de erreichbar.

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Auch unwirtschaftliche Teillose müssen beauftragt werden, wenn das Gesamtergebnis über alle Lose wirtschaftlich ist! (OLG Koblenz, Beschl. v. 28.06.2017 – Verg 1/17)

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Liefer- & DienstleistungenRecht

Mit dieser Entscheidung erschwert das OLG Koblenz die wirtschaftliche Beschaffung und lässt dabei den Grundsatz der wirtschaftlichen Beschaffung (§ 97 Abs. 1 Satz 2 GWB) völlig außen vor. Die Aufteilung eines Auftrags in Mengenlose ändert nichts daran, dass es sich aus vergaberechtlicher Sicht um einen einzigen Auftrag handelt. Auch wenn ein Auftrag in Teillosen ausgeschrieben wird, kommt es für die Betrachtung der Wirtschaftlichkeit deshalb nach Auffassung des OLG Koblenz auf das Gesamtergebnis an und nicht auf die einzelnen Teillose.

§ 63 Abs. 1 Nr. 3 VgV

Leitsatz

Auch bei einer Teillosvergabe kann Unwirtschaftlichkeit im Sinne des § 63 Abs. 1 Nr. 3 VgV nur angenommen werden, wenn das Gesamtergebnis unwirtschaftlich ist.

Sachverhalt

Der Antragsgegner ist ein rheinland-pfälzischer Zweckverband bestehend aus den Landkreisen M. und C. sowie der Stadt K. Er hat zum 01.01.2017 die Entsorgung von 52.000 Mg/a Restabfall in vier gleich großen Mengenlosen für drei Jahre mit einer Verlängerungsoption um zwei weitere Jahre ausgeschrieben. Abweichungen bis +/- 20% waren von den Bietern einzukalkulieren. Für Mengenänderungen außerhalb dieses Korridors war eine Preisanpassung vorgesehen.

Die Antragstellerin ist ein in der Kreislaufwirtschaft tätiges Unternehmen.

Der Landkreis M. hat zum 01.01.2016 eine neues Abfallwirtschaftskonzept umgesetzt, das über die Gebührengestaltung starke Anreize zur Restabfallvermeidung setzt. Das hat dazu geführt, dass die in der Ausschreibung genannten Mengen für diesen Landkreis zu hoch waren.

Der Antragsgegner hatte im Vorfeld der Ausschreibung eine Kostenschätzung vorgenommen, die einen Behandlungspreis in Höhe von 115,50 EUR/Mg auswies. Aufgrund dieser Kostenschätzung ergab sich für die Gesamtmenge bezogen auf die feste Laufzeit von drei Jahren ein Betrag in Höhe von 18.018.000 EUR.

Die Lose 1-3 wurden für insgesamt 12.597.000 EUR vergeben.

Die Antragstellerin hat als einzige Bieterin ein Angebot zu Los 4 mit einem Einheitspreis von 144,95 EUR/Mg abgegeben. Damit liegt dieses Angebot verglichen mit dem vom Antragsgegner zu Grunde gelegten Tonnagepreis um 25,49 % höher. Wenn man hingegen auf das Gesamtergebnis abstellt, ergibt sich ein Gesamtpreis für drei Jahre in Höhe von 18.250.050 EUR. Dies entspricht einem Behandlungspreis über alle Lose gesehen in Höhe von 116,99 EUR/Mg. Das Gesamtergebnis weicht nach dieser Betrachtung von der Kostenschätzung nur um 1,29 % noch oben ab.

Der Antragsgegner hat die Ausschreibung zu Los 4 aufgehoben. Dabei berief er sich hauptsächlich auf eine wesentliche Änderung der Grundlagen des Vergabeverfahrens (§ 63 Abs. 1 Nr. 2 VgV), weil die Mengen aus dem Landkreis M. um 3.300 Mg zurückgegangen seien. Hilfsweise berief er sich auf die Unwirtschaftlichkeit des für Los 4 abgegebenen Einheitspreises.

Die Entscheidung

Vergabekammer und OLG kommen zunächst beide zu dem Ergebnis, dass in dem Mengenrückgang im Landkreis M. keine wesentliche Änderung der Grundlagen des Vergabeverfahrens gesehen werden kann.

Während die Vergabekammer die Aufhebung des Loses 4 wegen Unwirtschaftlichkeit noch als statthaft eingeschätzt hat, kommt das OLG in diesem Punkt zu einer anderen Auffassung.

Das OLG vertritt die Auffassung, das es für die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung auch bei Teillosen nur auf das Gesamtergebnis ankommt. Zwar sehe § 63 Abs. 1 VgV eine losweise Aufhebung vor, dies sei aber für die Frage, ob der Einheitspreis pro Teillos oder der Einheitspreis über alle Lose gerechnet maßgeblich ist, unerheblich. Außerdem sei der Auftragsgegenstand die Behandlung von jährlich 52.000 Mg Restabfall. Unter Verweis auf Art. 46 Abs. 1 RL 2014/24/EU sei zudem vergaberechtlich von einem Auftrag auszugehen. Auch § 3 Abs. 7 VgV spreche daher von einem Auftrag, der in mehrere Losen vergeben werden kann. Es könne daher im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung keinen Unterschied machen, ob ein Auftrag in einem oder in mehreren Losen vergeben werde. Denn wäre der Auftrag in einem Los ausgeschrieben worden, wäre bei einer Abweichung in Höhe von 1,24 % sicherlich keine Aufhebung wegen Unwirtschaftlichkeit möglich.

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung des OLG Koblenz ist im Ergebnis nicht überzeugend. Denn sie steht im diametralen Gegensatz zu dem vergaberechtlichen Grundsatz der wirtschaftlichen Beschaffung gemäß  97 Abs. 1 Satz 2 GWB. Mit diesem Punkt setzt sich das OLG überhaupt nicht auseinander. Ohne natürlich den Preisspiegel zu kennen, könnte ein zweitplatziertes Angebot aus den Losen 1 bis 3 günstiger gewesen sind als das Angebot zu Los 4. Wenn das aber so ist, musste der Zweckverband für die Gesamtmenge mehr bezahlten als eigentlich notwendig.

Wenn die VgV in § 3 Abs. 7 eine losweise Aufhebung einer Ausschreibung ausdrücklich zulässt, so ist kein Grund ersichtlich, warum diese nicht auch im Falle der Unwirtschaftlichkeit eines Loses möglich sein soll.

Auch der Vergleich des OLG mit einer fiktiven Gesamtlosvergabe überzeugt nicht, weil er die ebenfalls fiktive Möglichkeit der Aufteilung der Mengen in vier eigenständige Ausschreibungen nicht berücksichtigt. Denn in diesem Szenario hätte das OLG die Aufhebung wahrscheinlich akzeptiert. Es kann aber nicht von der Frage des Ausschreibungsmodells abhängen, ob ein (Teil-)Auftrag wirtschaftlich oder unwirtschaftlich ist.

Damit läuft auch das Argument des OLG, es handele sich aus Sicht des Vergaberechts auch bei Losteilung immer um einen einzigen Auftrag, ins Leere. Bei einer Losteilung kann jedes einzelne Los an unterschiedliche Unternehmen vergeben werden. Damit gibt es immer so viele Aufträge wie Lose. Im Übrigen kann die Argumentation des OLG nur dann greifen, wenn es sich um Mengenlose handelt. Bei Fachlosen, zum Beispiel unterschiedlichen Gewerken bei Bauvorhaben, kann man sicherlich nicht mehr von einem einzigen Auftrag sprechen.

Praxistipp

Der Praktiker fragt natürlich nach alternativen Gestaltungsmöglichkeiten, die dieses unschöne Ergebnis vermeiden können: Eine Möglichkeit wäre es, anstatt vier Losen vier Mengenkorridore vorzugeben und die Ermittlung der wirtschaftlichsten Angebote so nicht losweise, sondern über alle Angebotspreise vorzunehmen. Dazu müsste man jedem Bieter die Abgabe von Angebotspreisen pro Mengenfenster gestatten, wobei jeder Bieter bis zu vier verschiedene Preise angeben kann. Sodann ermittelt man aus allen Preisen die vier günstigsten Angebote. Bei mehr als vier identischen Angebotspreisen könnte etwa die Entfernung zur Verbrennungsanlage den Ausschlag geben.

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UVgO: Umsetzung in Bund und Ländern

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Politik und MarktRecht

UVgOAm 7.2.2017 wurde die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) im Bundesanzeiger veröffentlicht (siehe Vergabeblog.de vom 07/02/2017, Nr. 29125). Das neue Regelwerk soll die bisher geltende Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A Abschnitt 1) ersetzen.

Umsetzung im Bund: voraussichtlich im September 2017

Erste Anwender der neuen UVgO bei der Ausschreibung von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen im Unterschwellenbereich werden aller Voraussicht nach die Vergabestellen des Bundes sein. Die entsprechenden Änderungen im Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG)  und in der Bundeshaushaltsordnung (BHO) sind auf den Weg gebracht und werden voraussichtlich im Laufe des September umgesetzt. Damit ist zumindest auf Bundesebene der Weg frei für die Unterschwellenvergabeordnung (siehe auch .

Umsetzung in den Ländern noch offen

Anders sieht es derzeit noch in den Ländern aus. Hier sind die zur „Indienstsetzung“ der UVgO erforderlichen „Einführungserlasse“ (siehe dazu ) noch nicht flächendeckend in Sicht. Zudem besteht hier die zusätzliche Hürde, dass in einigen Ländern nicht nur die Landeshaushaltsordnung, sondern auch das jeweilige Landesvergabegesetz geändert werden muss. So nehmen etwa die bestehenden Regelwerke der Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen und Hamburg jeweils auf den ersten Abschnitt der VOL/A Bezug, die ja durch die UVgO ersetzt werden soll. Während Hamburg am 9. Juni 2017 die Änderung seines Landesvergabegesetzes angestoßen hat, will man dem Vernehmen nach in Hessen sogar ganz auf die Einführung der UVgO verzichten und die VOL/A beibehalten.

Im Unterschwellenbereich droht Flickenteppich

Mit einem einheitlichen Start der UVgO ist also nicht zu rechnen und auch eine – inhaltlich wie formal – einheitliche Einführung durch die Länder steht derzeit in den Sternen. Damit droht derUnterschwellenbereich bundesweit ein regeltechnischer Flickenteppich zu bleiben.

Seminarhinweis:

Am 30.11. findet in Berlin ein Seminar der DVNW Akademie zur Reform des Vergaberechts unterhalb der Schwellenwerte statt. Das Seminar wird am 18.01.2018 in Frankfurt am Main wiederholt. Anmeldung hier. Unser aktuelles Seminarangebot finden Sie auf www.dvnw-akademie.de.

Übrigens: Im Mitgliederbereich des DVNW (dort Fachausschuss UVgO) gibt es eine interessante Diskussion mit weiteren Informationen zum Thema „Erlasse auf Bundes- und Landesebene zur Ablösung der VOL/A durch die UVgO“ (hier). Noch kein Mitglied? Zur kostenlosen Mitgliedschaft geht es hier.

 

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Keine Nachforderung von Hersteller- und Fabrikatsangaben (VK Westfalen, Beschl. v. 09.06.2017 – VK 1-12/17)

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Liefer- & DienstleistungenRecht

EntscheidungAngebote ohne Hersteller- und Fabrikatsangaben sind keine zuschlagsfähigen Angebote und sie dürfen auch durch Nachforderungen nicht zuschlagsfähig gemacht werden.
Der Umgang mit vom Auftraggeber ordnungsgemäß in den Vergabeunterlagen geforderten Hersteller- und Fabrikatsangaben ist in der vergaberechtlichen Rechtsprechung umstritten. Einige Nachprüfungsinstanzen sehen in diesen Angaben wesentliche Vertragsbestandteile, deren Fehlen zwangsläufig zum Ausschluss eines Angebots wegen Änderung der Vergabeunterlagen führen müsse. Der Ausschluss könne auch nicht durch eine Nachforderung der Angaben umgangen werden, denn die Hersteller- und Fabrikatsangaben seien einer Nachforderung nicht zugänglich. Andere Nachprüfungsinstanzen sehen dies grundsätzlich anders und ermöglichen in solchen Fällen die Nachforderung. Ein Ausschluss befürworten sie nur, wenn auch nach einer Nachforderung die geforderten Angaben nicht gemacht werden. Ersterer Position schließt sich in der vorliegenden Entscheidung nunmehr auch die VK Westfalen an.

§ 56 Abs. 2 und 3 VgV, § 16a EU VOB/A, § 16a VOB/A

Leitsätze

  1. Leistungsbezogene Unterlagen i. S. v. § 56 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2, Abs. 3 Satz 1 VgV sind nur solche, die den Inhalt der angebotenen Leistung belegen.*)
  2. Lässt das Angebot eines Bieters offen, um welchen Hersteller es sich beim angebotenen Produkt handelt, wurde aber die Angabe des Herstellers vom öffentlichen Auftraggeber in der Leistungsbeschreibung gefordert, liegt in der nachträglichen Benennung eines Herstellers nicht bloß ein Beleg des Inhalts der angebotenen Leistung, sondern vielmehr eine erstmalige Festlegung auf einen konkreten Hersteller und damit auf ein Produkt. Dies wird von § 56 Abs. 2 S. 1 VgV nicht gestattet.

Sachverhalt

Im Rahmen einer IT-Hardware-Ausschreibung (Lieferung, Installation und Inbetriebnahme zweier Tape-Libraries) forderte der öffentliche Auftraggeber in der Leistungsbeschreibung die Benennung der jeweiligen Hersteller der für die Auftragsausführung vorgesehenen Fabrikate. Anhand des Herstellers war für den der öffentliche Auftraggeber das genaue Fabrikat ersichtlich. Das Angebot der Antragstellerin enthielt keine diesbezüglichen Angaben. Auch in Ermangelung dieser Angaben konnte es sich im Wettbewerb mit den anderen Angeboten nicht durchsetzen. Der öffentliche Auftraggeber erteilte den Zuschlag an ein anderes Unternehmen.

Die Entscheidung

Das Angebot des Antragstellers ist insbesondere wegen der fehlenden Hersteller-/Fabrikatsangaben zwingend wegen Änderung der Ausschreibungsunterlagen nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV von der Wertung auszuschließen. Die Benennung des Herstellers/Fabrikats ist von elementarer Bedeutung für den abzuschließenden Vertrag. Nur durch diese Angaben wird der öffentliche Auftraggeber in die Lage versetzt zu prüfen, ob das Angebot den Vorgaben der Leistungsbeschreibung entspricht. Ohne diese Angaben bleibt offen, welche Leistungen angeboten werden, sodass das Angebot nahezu inhaltsleer ist. Im Ergebnis liegt ohne die erforderliche Angabe des Herstellers/Fabrikats gar kein zuschlagsfähiges Angebot vor.
Das Angebot kann auch nicht durch eine Nachforderung der Hersteller-/Fabrikatsangabe nach § 56 Abs. 2 S. 1, 2. HS VgV zuschlagsfähig gemacht werden. Die Nachforderung nach dieser Vorschrift ist ausgeschlossen. Diese Nachforderungsmöglichkeit gestattet nur die Nachforderung von solchen leistungsbezogenen Unterlagen, die den Inhalt der angebotenen Leistung nachträglich nachweisen und belegen. Die Vorschrift gestattet keine Nachforderung von Unterlagen, die die angebotene Leistung erstmalig festlegen. Die Nachforderung ist darüber hinaus auch aufgrund des § 56 Abs. 3 S. 1 VgV ausgeschlossen. Der Hersteller und das Modell des angebotenen Fabrikats haben auf die Wirtschaftlichkeitsbewertung des Angebots anhand der Zuschlagskriterien wesentlichen Einfluss. Eine Nachforderung solcher Angaben würde – in vergaberechtlich unzulässiger Weise – eine nachträgliche Änderung des Angebotsinhalts ermöglichen. Ein Angebot ohne die erforderliche Hersteller-/Fabrikatsangabe muss daher zwingend ausgeschlossen werden.

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung der VK Westfalen ist auf den ersten Blick streng formalistisch. Für sie spricht aber, dass der Leistungsgegenstand zivilrechtlich zu den „essentialia negotii“ des rechtsgeschäftlichen Vertrages gehört. Durch die genaue Benennung dieses Leistungsgegenstands anhand der Hersteller-/Fabrikatsangabe wird der Vertragsinhalt bestimmen und der Vertrag gegenüber anderen Verträgen in hinreichender Weise abgegrenzt. Die Hersteller-/Fabrikatsangabe ist somit von integraler Bedeutung für den Vertragsinhalt. Aus diesem Grund haben sich auch die VK Thüringen (VK Thüringen, Beschl. v. 12.04.2013 – 250-4002-2400/2013-E-008-SOK) und die VK Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 23.12.2016 – 3 VK LSA 53/16 gegen eine Nachforderungsmöglichkeit dieser Angaben und für den zwingenden Ausschluss dieser Angebote entschieden.
Allerdings sollte diese zivilrechtliche Argumentation im Vergaberecht nicht überspannt werden. In Fällen, in denen der Hersteller bzw. das Fabrikat keinen oder keinen (wesentlichen) Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit des Anagebotes hat und die fehlende Angabe sich in ihrer Auswirkung auf den Wettbewerb im jeweiligen Vergabeverfahren wie das Fehlen einer formellen Vorgabe der Vergabeunterlagen auswirkt, sollte die Nachforderung gestattet werden, vgl. OLG Dresden, Beschl. v. 17.01.2014 – Verg 7/13. In solchen Fällen wäre ein Ausschluss, trotz eines im Übrigen ordnungsgemäßen und wirtschaftlichen Angebots, mit dem Verhältnismäßigkeits- und Wirtschaftlichkeitsgrundsatz des § 97 Abs. 1 GWB schwer vereinbar. Bei der Frage des Ausschlusses und der Nachforderung sollte daher nicht schematisch, sondern einzelfallabhängig unter Beachtung des vergaberechtlich gebotenen Augenmaßes geurteilt werden.

Praxistipp

Gegenwärtig ist eine abschließende Klärung dieser Frage in der Rechtsprechung nicht ersichtlich.Vor dem Hintergrund der Risiken dieser divergierenden Rechtsprechung, müssen Bieter die Vergabeunterlagen genauestens studieren, erforderliche Herstellerangaben identifizieren und die geforderten Angaben eintragen. Taktische Überlegungen und eine Geheimhaltung der Hersteller und Fabrikate sind – zumindest in diesem Punkt – vergaberechtlich nicht ratsam.
Öffentliche Auftraggeber sollten mit der Rechtsprechung vertraut und bereit sein, die divergierenden Grundsätze in ihrem Beschaffungsvorhaben anzuwenden und eine vergaberechtlich vertretbare Lösung zu wählen. Hierbei sollten sie das gebotene Augenmaß berücksichtigen.

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EuGH verschärft erneut Regeln für Unterschwellenvergaben (EuGH, Urt. v. 05.04.2017 – C-298/15 Borta)

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BauleistungenRecht

Entscheidung-EUBei Unterschwellenvergaben gilt das europäische Primärrecht, wenn an den öffentlichen Aufträgen ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse besteht. In diesem Fall sind die Grundregeln des AEUV zu beachten, vor allem Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit), sowie die sich daraus ergebenden allgemeinen Grundsätze der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Transparenz. Liegt ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse vor, stellt sich die Frage nach den hieraus folgenden Verfahrensanforderungen. Dazu zählt seit jeher z.B. die Pflicht zur Gewährleistung eines angemessenen Grades an Öffentlichkeit, sprich zur Bekanntmachung. Für europarechtswidrig haben die Luxemburger Richter aber jüngst die Anforderung eingeordnet, dass die ausgeschriebenen Leistungen auch hauptsächlich vom Auftragnehmer auszuführen sind.

Art. 49 und 56 AEUV

Leitsatz

Bei einem öffentlichen Auftrag, der nicht in den Anwendungsbereich der europäischen Vergaberichtlinien fällt, an dem allerdings ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse besteht, sind die Art. 49 und 56 AEUV dahin auszulegen, dass sie einer Regelung entgegenstehen, die für den Fall eines Unterauftragnehmereinsatzes die Erbringung der Hauptleistung durch den Auftragnehmer selbst vorsieht.

Sachverhalt

Das Vorabentscheidungsersuchen erging im Rahmen eines Rechtsstreits wegen der Rechtmäßigkeit der Vergabeunterlagen für einen öffentlichen Bauauftrag zur Erneuerung der Kaianlagen im litauischen Klaipeda. Darin war u.a. geregelt, dass die vom Auftraggeber angegebene Hauptleistung bei einem Unterauftragnehmereinsatz vom Auftragnehmer selbst erbracht werden muss. Gegen diese Forderung wandte sich das Unternehmen Borta und ersuchte deshalb um Rechtsschutz.

Die Entscheidung

Die Grundregeln und die allgemeinen Grundsätze der Gleichbehandlung sowie der Nichtdiskriminierung, insbesondere das sich hieraus ergebende Transparenzgebot, sind auch bei öffentlichen Aufträgen zu beachten, die wegen ihres Wertes nicht in den Anwendungsbereich des EU-Vergaberechts (hier: RL 2004/17/EG) fallen, sofern an diesen Aufträgen ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse besteht (Rdnr. 44). Ein solches Interesse liegt hier vor, weil der Auftragswert relativ hoch, der Seehafen für die nationale Sicherheit strategisch bedeutsam ist und zwei ausländische Bieter an der Ausschreibung teilnahmen (Rdnr. 45).

Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, die nicht unter die europäischen Vergaberichtlinien fallen, liegt es im Interesse der EU einen möglichst umfassenden Wettbewerb sicherzustellen. Der Einsatz von Unterauftragnehmern, der den Zugang kleinerer und mittlerer Unternehmen zu öffentlichen Aufträgen fördern kann, trägt zur Erreichung dieses Ziels bei (Rdnr. 48). Die verfahrensgegenständliche Regelung hindert die Unternehmen jedoch daran, die vom Auftraggeber als Hauptleistung eingestuften Arbeiten ganz oder teilweise an Unterauftragnehmer zu vergeben oder für diesen Teil der Arbeiten ihre Leistungen als Unterauftragnehmer anzubieten (Rdnr. 49). Eine solche Bestimmung stellt daher eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs dar (Rdnr. 50). Sie kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn sie ein legitimes Ziel des Allgemeininteresses verfolgt und soweit sie den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahrt, d.h. geeignet ist, die Erreichung dieses Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was hierzu erforderlich ist (Rdnr. 51).

Das Verbot, Unterauftragnehmer für die Hauptleistung des öffentlichen Auftrages einzusetzen, ist nach Ansicht des EuGH zur Erreichung des Ziels der korrekten Ausführung der ausgeschriebenen Arbeiten nicht erforderlich, weil das Verbot u.a. keinen Raum für eine Einzelfallprüfung durch den Auftraggeber vorsieht. Zudem bleibt z.B. unberücksichtigt, welche Qualifikationen die Unterauftragnehmer vorweisen können (Rdnr. 55). Nach Ansicht der Luxemburger Richter wäre eine mildere Regelung ausreichend gewesen, wie etwa in der verpflichtenden Angabe der Bieter, welchen Anteil am Auftrag und welche Arbeiten sie an Unterauftragnehmer vergeben möchten, welche Unterauftragnehmer sie vorschlagen und welche Kapazitäten diese besitzen. In Betracht käme auch eine dem Auftraggeber eingeräumte Möglichkeit, den Austausch von Unterauftragnehmern zu untersagen, wenn er zuvor nicht die Identität und Kapazitäten der Unterauftragnehmer überprüfen konnte (Rdnr. 57). Das Verbot, alle vom Auftraggeber als Hauptleistung bezeichneten Arbeiten an Dritte zu delegieren, selbst wenn die übertragenen Aufgaben nur einen verhältnismäßig geringen Teil dieser Arbeiten ausmachen, geht aber über das Erforderliche hinaus, so der EuGH (Rdnr. 58).

UVgO-30-11-18-01-15-03-_256

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung des EuGH ist auftraggeberunfreundlich. Sie engt die Handlungsmöglichkeiten öffentlicher Aufraggeber unnötig ein. Denn die aus den Grundsätzen der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Transparenz folgende Pflicht zur Gewährleistung eines fairen und unparteiischen Verfahrens erfordert kein grundsätzliches Verbot der Forderung nach Selbstausführung durch den Auftragnehmer. Ein überwiegender oder fast vollständiger Unterauftragnehmereinsatz führt in der Beschaffungspraxis häufig zu Qualitätsbeeinträchtigungen und nicht ordnungsgemäßer Leistungserbringung. Diese nachteiligen Folgen (wenigstens) im Unterschwellenbereich zu vermeiden, ist ein legitimes Ziel der Auftraggeber. Es darf deshalb bezweifelt werden, ob der EuGH einen wenigstens in den zeitlichen Anwendungsbereich der RL 2014/24/EU oder RL 2014/25/EU unterfallenden Sachverhalt wieder so entscheiden würde. Denn Art. 63 Abs. 2 RL 2014/24/EU und Art. 82 Abs. 3 RL 2014/25/EU sehen – anders als noch die RL 2004/17/EG und RL 2004/18/EG die auftraggeberseitige Möglichkeit vor, zumindest bestimmte kritische Aufgaben bei Bau- und Dienstleistungsaufträgen vom Bieter selbst ausführen zu lassen. Es wäre insoweit kaum überzeugend, wenn der EuGH im richtlinienfreien Unterschwellenbereich an die Auftraggeber höhere Verfahrensanforderungen stellen würde als im vergaberegulierten Oberschwellenbereich.

Praxistipp

Bis zu einer von diesem Urteil abweichenden EuGH-Entscheidung dürften Auftraggeber bei Unterschwellenvergaben mit Binnenmarktbezug vorerst gut beraten sein, den Einsatz von Unterauftragnehmern nicht in Gänze auszuschließen. Vielmehr sollte im Einzelfall erwogen werden, welche milderen Regelungen (vgl. oben Rdnr. 57 des Urteils) bei der Selbstausführung zielführend und sinnvoll erscheinen.

The post EuGH verschärft erneut Regeln für Unterschwellenvergaben (EuGH, Urt. v. 05.04.2017 – C-298/15 Borta) appeared first on Vergabeblog.

Recht auf Nachbesserung der Angebote bei bevorstehender Rechtsänderung (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.05.2017 – VII-Verg 43/16)

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Gesundheits- & SozialwesenRecht

EntscheidungÄndert sich der Beschaffungsbedarf des Auftraggebers nach Eröffnung der Angebote aufgrund einer bevorstehenden Rechtsänderung, ist den Bietern Gelegenheit zur Nachbesserung ihrer Angebote zu geben.

 

§ 127 GWB; § 129 Abs. 5 S. 3 SGB V

Sachverhalt

Mehrere gesetzliche Krankenkassen schrieben im Jahr 2016 Rahmenverträge über die Lieferung von in Apotheken herzustellenden Zytostatika (Medikamente zur Krebsbehandlung) zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung in Arztpraxen im offenen Verfahren europaweit aus (Rabattverträge). Die ausgeschriebenen Verträge waren bisher nur auf Grundlage des § 129 Abs. 5 S. 3 SGB V a.F. zulässig und sollten eine Laufzeit von 24 Monaten aufweisen (mit Verlängerungsoptionen). In einem Nachprüfungsverfahren machte eine Bieterin unter anderem geltend, die Festlegung auf den Preis als alleiniges Zuschlagskriterium sei vergaberechtswidrig. Die angerufene Vergabekammer des Bundes wies den Nachprüfungsantrag zurück. Auch nach dem anwendbaren neuen Vergaberecht sei die Festlegung auf den Preis als alleiniges Zuschlagskriterium zulässig. Nach der Einlegung der sofortigen Beschwerde durch die Antragstellerin, beschloss der Bundestag das GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG). Nach diesem Gesetz können die hier ausgeschriebenen Verträge nicht mehr abgeschlossen werden. Zusätzlich werden auch bereits geschlossene Verträge mit Ablauf des dritten Montags nach In-Kraft-Treten des Gesetzes unwirksam. Am 13.05.2017 trat das Gesetz schließlich in Kraft.

Die Entscheidung

Die sofortige Beschwerde der vor der Vergabekammer unterlegenen Bieterin hat Erfolg. Das OLG Düsseldorf hebt den Beschluss der Vergabekammer auf und untersagt den Zuschlag auf die ausgeschriebenen Verträge, obwohl die Entscheidung der Vergabekammer nach Auffassung des Vergabesenats zumindest im Ergebnis richtig war. Aufgrund der bevorstehenden Gesetzesänderung habe sich der Beschaffungsbedarf der Auftraggeber jedoch in kalkulationsrelevanter Weise geändert. Denn aufgrund der im AMVSG vorgesehenen Unwirksamkeit bereits geschlossener Verträge, die voraussichtlich zum 31.08.2017 eintrete, verkürze sich zwangsläufig die in der Ausschreibung vorgesehene Vertragslaufzeit drastisch. In einem solchen Fall, so der Vergabesenat, müsse der Auftraggeber den Bietern in jeder Lage des Verfahrens die Gelegenheit geben, auf diese gravierende Veränderung der Kalkulationsgrundlagen zu reagieren. Auch wenn die Angebote bereits eröffnet sind, müssen die Bieter ihre Angebote nachbessern dürfen. Eine nach der Entscheidung des Senats eigentlich gebotene Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in ein früheres Stadium kam nicht in Betracht, da nach In-Kraft-Treten des neuen Gesetzes ein Abschluss der ausgeschriebenen Verträge nicht mehr zulässig ist und ein Zuschlag vorher zeitlich nicht mehr realisierbar war.

Rechtliche Würdigung

Anzutreffen ist hier der eher seltene Fall, dass der Beschwerdesenat die Entscheidung der Vergabekammer im Ergebnis ausdrücklich für richtig hält, aber dennoch aufhebt. Aus welchen Gründen der ursprüngliche Nachprüfungsantrag auch aus Sicht des Senates unbegründet war, wird leider nicht erläutert. Dennoch spricht alles dafür, dass mit der Entscheidung der Vergabekammer in der Vorinstanz der Preis als alleiniges Zuschlagskriterium auch nach der Vergaberechtsreform weiter zulässig ist.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass bei einer Änderung des Beschaffungsbedarfs des Auftraggebers, welche den ausgeschriebenen Leistungsumfang in kalkulationserheblicher Weise verändert, den Bietern in jeder Lage des Verfahrens Gelegenheit gegeben werden muss, auf die Änderung zu reagieren. Tritt die Änderung nach Eröffnung der Angebote ein, so müssen die Bieter ihre Angebote entsprechend ändern können (Vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.01.2011 – Verg 46/10 BeckRS 2011, 03875).

Die gleichen Maßstäbe gelten nach der Entscheidung des OLG Düsseldorf dann, wenn die Änderung des Beschaffungsbedarfs aufgrund einer Rechtsänderung eintritt, die erst bevorsteht. Noch im Jahr 2014 hatte der Vergabesenat in einem ähnlichen Fall entschieden, dass Rechtsänderungen erst vom Zeitpunkt ihres In-Kraft-Tretens an in den Vergabeunterlagen zu berücksichtigen seien. Die tatsächlichen und rechtlichen Auswirkungen von Rechtsänderungen auf die Kalkulation der Angebote seien in der Regel erst ab diesem Zeitpunkt zuverlässig zu beurteilen. Lediglich wenn Rechtsänderungen vor Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe tatsächlich eintreten, könne der Auftraggeber unter Umständen zur Wiedereröffnung der Angebotsphase verpflichtet werden. Der Auftraggeber dürfe deshalb von der Rechtslage zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ausgehen und den Zuschlag erteilen. Etwaige Anpassungen seien im Anschluss nach den Bestimmungen des § 313 BGB nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage zu lösen. Dabei müssten die Grundsätze des EuGH zu wesentlichen Vertragsänderungen berücksichtigt werden (heute: § 132 GWB) (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.02.2014 – VII-Verg 42/13 – BeckRS 2014, 08848).

Die neue Lösung des Vergabesenats überzeugt. Führt eine Rechtsänderung während des Vergabeverfahrens zu einer drastischen Verkürzung der ausgeschriebenen Vertragslaufzeiten, so beschafft der Auftraggeber faktisch nunmehr eine andere Leistung, es verändert sich also der Beschaffungsbedarf. In einem derartigen Fall könnte ein Auftraggeber unter Umständen die Ausschreibung gem. § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 VgV aufheben. Aber auch hier müsste den Auftragnehmern zunächst die Möglichkeit der Nachbesserung ihres Angebots gegeben werden. Nichts anderes kann gelten, wenn der Auftraggeber im eigenen Interesse an der Ausschreibung festhalten will. Denn nur auf diese Weise erfolgt eine gerechte Risikoverteilung, nachdem bisher die Bieter allein das Risiko einer Änderung der Rechtslage nach der Abgabe ihres Angebots zu tragen hatten. Die Lösung ist zugleich auch praxisgerechter. Denn nachträgliche Vertragsanpassungen führen oft zu erheblichen Schwierigkeiten und häufig nicht zu für beide Seiten befriedigenden Ergebnissen.

Unklar bleibt, mit welcher Sicherheit eine noch bevorstehende Gesetzesänderung feststehen muss, damit sie vom Aufraggeber auch während des Vergabeverfahrens zu berücksichtigen ist. Je unsicherer der Eintritt der Gesetzesänderung und damit der Eintritt der Änderung des Beschaffungsbedarfs zum Zeitpunkt der Zuschlagserteilung ist, desto weniger dürfte man vom Auftraggeber verlangen können, vorauseilend die Gesetzesänderung durch die Gestaltung der Vergabebedingungen zu berücksichtigen. In derartigen Fällen verbliebe weiterhin lediglich die Möglichkeit einer nachträglichen Vertragsanpassung.

Praxistipp

Auftraggeber sollten umsichtig agieren, wenn sich eine Änderung der Rechtslage abzeichnet, die Einfluss auf den Beschaffungsgegenstand haben könnte. Die Einbeziehung konkreter Vertragsanpassungsklauseln für den Fall des Eintritts der Gesetzesänderung könnte den Zuschlag ohne Nachbesserung der Angebote ermöglichen und zugleich eine Vertragsanpassung vor dem Hintergrund des § 132 GWB rechtfertigen.

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Niedersachsen: Einführung der UVgO frühestens nach der Landtagswahl

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Politik und MarktRecht

UVgO-versp-tet2Die im Februar veröffentlichte neue Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) wird im krisengeplagten  Niedersachsen nicht wie geplant im Spätsommer/Frühherbst eingeführt werden. Die Landesregierung hatte einen Entwurf zur Änderung des Nie­dersächsischen Tariftreue- und Vergabegesetzes (NTVergG) in den Landtag eingebracht, mit dem u.a. die UVgO in Niedersachsen zur Anwendung gebracht werden sollte.

Aufgrund der Auflösung des Niedersächsischen Landtages wird es in dieser Legislaturperiode keine Änderung des NTVergG mehr geben. Das NTVergG findet weiterhin in der seit dem 01.07.2016 geltenden Fassung Anwendung.

Quelle: Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

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UVgO auf Bundesebene in Kraft – VOL/A 1. Abschnitt Geschichte!

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RechtUNBEDINGT LESEN!

UVgOWo lesen Sie es zuerst? Richtig, im Vergabeblog! Mit Wirkung ab 2. September 2017 haben die Bundes-Auftraggeber für Vergaben von Liefer- und  Dienstleistungen unterhalb der EU-Schwellenwerte die UVgO anzuwenden. Die VOL/A Abschnitt 1 ist damit für diese Geschichte! Dazu wurden § 55 BHO (siehe dazu ) sowie nunmehr auch die Allgemeine Verwaltungsvorschriften zur Bundeshaushaltsordnung (VV-BHO) am 1.9.2017 durch das Bundesministerium der Finanzen geändert.  Die Änderung wird in Kürze im Gemeinsamen Ministerialblatt (hier) veröffentlicht werden. Die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) wurde vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) am 7.2.2017 im Bundesanzeiger veröffentlicht (siehe Vergabeblog.de vom 07/02/2017, Nr. 29125). Wann die UVgO dann in den Ländern eingeführt wird, ist Gegenstand einer umfangreichen Diskussion im Mitgliederbereich des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW) hier. Noch kein Mitglied? Zur Mitgliedschaft geht es hier.

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Vergabe von agilen Softwareentwicklungsverträgen nach Scrum

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ITKRechtUNBEDINGT LESEN!

Logo-RechtsbeitraegeBei der Entwicklung komplexer Leistungen mit sich ständig ändernden Anforderungen wird in der Industrie standardmäßig agil vorgegangen. Auch öffentliche Auftraggeber sind zunehmend an diesem Modell zur Beschaffung von Leistungen interessiert, z.B. zur Beschaffung einer individuell zugeschnittenen Verwaltungssoftware oder aber einer neuen komplexen Homepage. Es fehlen jedoch Vorlagen für Bewerbungsbedingungen, Verträge sowie Eignungs- und Zuschlagskriterien, die eine agile Vorgehensweise berücksichtigen; es fehlen somit sog. „best practices“. Unser Autor Dr. Roderic Ortner, ein ausgewiesener Experte für IT-Beschaffungen, hat sich auf dieses im Vergaberecht neue Terrain begeben und auch schon entsprechende Ausschreibungen begleitet. In seinem Beitrag gibt er am Beispiel der Vergabe eines agilen Softwareentwicklungsvertrages einen Überblick über die Pflöcke, die im Vergabeverfahren einzuschlagen sind, dabei beschränkt er sich auf das Modell Scrum1.

I.  Die Vorgehensweisen

Bei der Vergabe anspruchsvoller und komplexer Softwareentwicklungsleistungen stehen die öffentlichen Auftraggeber häufig vor dem Problem, dass die Leistungsbeschreibung, an der sie oft Monate lang gearbeitet haben – meist unterstützt durch kostenintensive externe Hilfe – im Zeitpunkt der Vergabe bereits in Teilen überholt ist, entweder, da sich die Technik weiterentwickelt hat (oder nicht mehr „supportet“ wird), oder da die Fachbereiche (Bedarfsträger) beim Auftraggeber zwischenzeitlich dem Einkauf (Vergabestelle) andere oder neue Anforderungen und Wünsche angetragen haben. Häufig wird dann auch erst bei der Auswertung der Angebote festgestellt, dass die Lösungen nicht (mehr) passen. Es kann auch passieren, dass erst nach der Programmierung und Implementierung der Software festgestellt wird, dass die nun abzunehmende Lösung an den Vorstellungen, die man heute hat, vorbeigeht. Änderungen sind dann oft gar nicht oder nur schwer möglich, da sie häufig die Struktur der Softwarelösung als solche betreffen und kostenpflichtige Nachträge nach sich ziehen („change requests“). Alle Nachträge sind bekanntlich wiederum auf den vergaberechtlichen Prüfstand gemäß § 132 GWB zu stellen.

1. Das sog. Wasserfallmodell

Die arbeitsreiche Erstellung einer Leistungsbeschreibung, die dann in den Markt gegeben wird und in toto umzusetzen ist, nennt man auch „Wasserfallmodell“. Im Bereich der Softwareentwicklung handelt es sich dabei um einen Werkvertrag, da die erstellte Software das abzunehmende Werk darstellt. Greift man als öffentlicher Auftraggeber auf einen EVB-IT Vertrag zurück, bietet sich hierzu der EVB-IT Erstellungsvertrag an.

2. Das sog. agile Vorgehensmodell

Die Nachteile, die das Wasserfallmodell mit sich bringen können hat vor über zehn Jahren dazu geführt, dass andere Modelle entwickelt wurden, bei denen der Auftragnehmer die Software für den Kunden nicht en bloc auf Grund einer eindeutig und erschöpfenden Leistungsbeschreibung programmiert und dann das Ergebnis abliefert, sondern in regelmäßigen Treffen mit dem Auftraggeber die im Vorfeld nur funktional beschriebenen Anforderungen nach und nach konkretisiert, einzeln umsetzt und in weiteren Treffen präsentiert; es wird also „agil“ vorgegangen. Das agile Modell hat sich (belegbar) in der Praxis als das erfolgreichere herausgestellt. Die Projektabbruchquote ist deutlich geringer als beim Wasserfallmodell. Ein agiles Vorgehen nach Scrum funktioniert aber nur, wenn es auf Seiten des Auftraggebers (des Kunden) einen verantwortlichen „Kümmerer“ gibt, der sich Vollzeit mit dem Projekt befasst und über die erforderlichen Befugnisse verfügt. Beide Modelle – Wasserfall und agil – haben freilich Vor- und Nachteile, die hier im Einzelnen nicht dargestellt werden können.

Praxistipp: Vor jeder Softwareentwicklung sollte der öffentliche Auftraggeber prüfen, welches Modell im Einzelfall für ihn das bessere ist, und ob das gewählte Modell auch im Hinblick auf die personellen Ressourcen umsetzbar ist.

Hier wird davon ausgegangen, dass der Auftraggeber die Vor- und Nachteile abgewogen hat und sich für das agile Modell entscheidet.

II. Vergaberecht und Scrum

Scrum ist das wohl bekannteste agile Modell. Die agile Vorgehensweise geschieht aber immer erst nach der Beauftragung, d.h. nach der Bezuschlagung. Das Scrum-Modell muss sich also in den Vergabeunterlagen, insbesondere im Softwareentwicklungsvertrag widerspiegeln. Hier beginnen die Schwierigkeiten in der Praxis, da es keine Vorlagen gibt, welche die Besonderheit des Auftraggebers als eine öffentliche staatliche Einrichtung berücksichtigt. Das V-Modell XT Bund Vers. 2.0 lässt eine inkrementelle Entwicklung zwar ausdrücklich zu, schweigt aber zur vergaberechtlichen Herangehensweise. Der EVB-IT Erstellungsvertrag kann zwar theoretisch als Grundlage für einen agilen Vertrag genutzt werden, er ist aber auf das Wasserfallmodell ausgerichtet, so dass man ihn sehr stark durch Änderungen im Text und durch Anlagen verbiegen müsste. Es droht, dass der Vertrag insgesamt intransparent wird und Widersprüchen in den Vergabeunterlagen entstehen. Daher ist ein Individualvertrag zu empfehlen, den die EVB-IT Nutzerhinweise für einen solchen Fall auch zulassen.

Praxistipp: Bei der Vergabe eines agilen Softwareentwicklungsvertrages passt kein EVB-IT Vertrag, so dass ein Individualvertrag zulässig und zu empfehlen ist.

Da im vergaberechtlichen Jargon die Vertragsbedingungen neben der Leistungsbeschreibung Bestandteile der Vertragsunterlagen sind, ist der agile Softwareentwicklungsvertrag vom öffentlichen Auftraggeber bereitzustellen. Der Umstand, einen solchen Vertrag zu vergeben führt außerdem dazu, dass auch an anderen Stellschrauben der Vergabeunterlagen zu drehen ist. Hierauf wird nachfolgend näher eingegangen.

1. Eignungskriterien

Die Eignungskriterien sind vom Gesetz bereits weitestgehend vorgegeben. Im Bereich der VgV bedeutet dies etwa, dass sich der Auftraggeber hinsichtlich möglicher Belege der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit an den abschließenden Katalog des § 46 Abs. 3 halten muss. Hinsichtlich der Nachweisführung durch Referenzen bietet es sich an, neben Referenzen zum Gegenstand der Ausschreibung auch Referenzen abzufragen, die belegen, dass der Bewerber in anderen Projekten bereits Erfahrungen im Bereich Scrum gesammelt hat. Darüber hinaus liegt es nahe, die weiteren bei IT-Vergaben üblichen Kriterien abzufragen, etwa die Beschreibung der Maßnahmen zur Qualitätssicherung im Unternehmen.

2. Zuschlagskriterien

a. Leistungskriterien

Bei Scrum besteht das Scrum Team aus dem Product Owner, dem Entwicklungsteam und dem Scrum Master. Aufgrund seiner Funktion ist der Product Owner in der Regel im Lager des öffentlichen Auftraggebers, während die anderen Teammitglieder vom Auftragnehmer gestellt werden. Als Zuschlagskriterium bietet es sich daher an, gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VgV „die Organisation, Qualifikation und Erfahrung“ des einzusetzenden Teams als Zuschlagskriterium festzulegen. Dass das Team „erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung“ hat, wie im Gesetz verlangt, dürfte außer Frage stehen.

Als weiteres Zuschlagskriterium könnte man auch ein Umsetzungskonzept o.ä. einfordern, in welchem der Bewerber oder zu einem späteren Zeitpunkt im Vergabeverfahren der Bieter erläutert, wie er mit seinem Team und den vorhandenen Softwaretools, gemessen an den (funktionalen) Anforderungen des Auftraggebers und unter Berücksichtigung von Scrum, die Leistung zu erbringen gedenkt. Nach den Entscheidungen des EuGH vom 14.07.2016, Rs. C-6/15 – Dimarso und BGH vom 04.04.2017, X ZB 3/17 dürfte unbestritten sein, dass der öffentliche Auftraggeber nicht (mehr) verpflichtet ist, den potenziellen Bietern in den Vergabeunterlagen die Bewertungsmethode zur Kenntnis zu bringen, anhand derer er eine konkrete Bewertung der Angebote hinsichtlich der zuvor festgelegten Zuschlagskriterien und ihrer Gewichtung vornimmt und eine Rangfolge für sie erstellt.

b. Angebotspreis

Bzgl. des Preises widerspricht es zunächst einem agilen Vorgehensmodell, dass sich der Auftraggeber für die Gesamtleistung einen Fixpreis anbieten lässt. Dies ist der Unterschied zum Wasserfallmodell, wobei in der Realität auch beim Wasserfallmodell der Auftraggeber häufig mehr zahlt, da die Leistungsbeschreibung im Projektverlauf ständig auf Geheiß des Auftraggebers geändert wird oder weil die Leistungsbeschreibung von Beginn an unvollständig war und damit zahlreiche change requests einhergegangen sind.

Bei der agilen Vorgehensweise zahlt der Auftraggeber für Story Points, wobei ein Story Point einem festen Betrag in EUR entspricht.

Beispiel: In einem Sprint Planning konkretisiert das Scrum Team die Anwendung (User Story) „Personalakte anlegen“, so werden z.B. sämtliche Formularfelder festgelegt, die erforderlichen Schnittstellen, Darstellungsformen, Dateiformate, etc. Es wird festgelegt, dass die Umsetzung der Funktionalität gemessen an Umfang und Komplexität 6 Story Points ausmacht. Angenommen, der Auftragnehmer hat einen Story Point für 1.300 EUR angeboten, entspricht der Preis für die Funktionalität 7.800 EUR.

Praxistipp: Es bietet sich im Vergabeverfahren zum Preisvergleich der Angebote an, bereits mehrere im Detail beschriebene User Stories als Referenzstories zu beschreiben. Die Bieter haben dann Story Points zu vergeben, die wiederum während des Vergabeverfahrens in einem Workshop besprochen und ggf. noch angepasst werden. Im Wettbewerb verglichen wird dann jeweils die Höhe der Story Points, die ein Bieter für sämtliche Referenzstories vergibt multipliziert mit dem angebotenen Einheitspreis je Story Point.

Die Story Points können bei unterschiedlichen Bietern durchaus unterschiedlich ausfallen, da jeder Bieter auch unterschiedliche Entwickler und Softwaretools einsetzt, so dass dem einen Bieter die Umsetzung leichter fallen kann als dem anderen. Auch die Geschwindigkeit (Velocity) kann differieren, so dass sich diese als weiteres Zuschlagskriterium anbietet.

Freilich bleibt auch hier in der Vertragsausübung die Ungewissheit, wie die weiteren User Stories im Hinblick auf Umfang (Story Points) und die dadurch entstehenden Kosten (Story Points x Einheitspreis) eingeordnet werden, so dass dem öffentlichen Auftraggeber zu empfehlen ist, mit einem sog. agilen Festpreis zu arbeiten, d.h. es wird eine Budgetobergrenze festgelegt, wodurch das Scrum Modell in seiner Urform durchbrochen wird.

Als weiteres Zuschlagskriterium beim Preis könnte nun neben dem Angebotspreis pro Story Point die Angabe eines Rabatts gefordert werden, den der Auftragnehmer bei Überschreitung der Budgetobergrenze auf alle bislang bezahlten und zukünftigen Leistungen bezahlt.

Weiterhin wird der Auftragnehmer in der Regel auch die Pflege der Software übernehmen, so dass sich als weiteres Preiskriterium die Angabe des monatlichen Pflegesatzes anbietet; auch eine Orientierung an den Story Points ist denkbar, so dass der Pflegesatz variabel ist.

Es gibt auch noch weitere denkbare Möglichkeiten, den Preis bei agilen Vorgehen im Vergabeverfahren als Zuschlagskriterium festzulegen, jedenfalls ist dies kein Gesichtspunkt, der dem öffentlichen Auftraggeber aus vergabe- oder haushaltsrechtlicher Sicht den Weg in eine agile Vorgehensweise versperrt. Im Gegenteil dürfte bei einem agilen Vorgehen, weil der Auftraggeber stets eingebunden ist, dem Steuerzahler am Ende mehr gedient sein als bei einem abgebrochenen oder durch zahlreiche Nachträge aufgepumpten Wasserfall-Projekt.

3. Verfahrensart und Bewerbungsbedingungen

Ein agiler Softwareentwicklungsvertrag kann sinnvollerweise nur im Verhandlungsverfahren ausgeschrieben werden, wobei gleich mehrere der hierfür erforderlichen Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 VgV vorliegen dürften. Ein Vorbehalt des Auftraggebers, auf das Erstangebot bereits den Auftrag zu vergeben, vgl. § 17 Abs. 11 VgV, dürfte in der Regel unzweckmäßig sein, da sich gerade bei der agilen Vorgehensweise ein Workshop wie oben beschrieben anbietet, um ein weiteres Preiskriterium festlegen zu können.

In den Bewerbungsbedingungen ist das phasenweise Vorgehen des Auftraggebers möglichst transparent zu beschreiben, wobei im Hinblick auf die Zuschlagskriterien die Unterkriterien und deren Gewichtung wiederum auch noch im Laufe des Verfahrens konkretisiert werden dürfen. Nur die Zuschlagskriterien selbst (auf oberer Ebene) sowie die Mindestanforderungen müssen unverändert bleiben. Auch hier existieren bislang kaum Blaupausen für öffentliche Auftraggeber, geschweige denn in Bezug auf Scrum.

4. Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)

Da sich bei Scrum typischerweise Personal des Auftragnehmers regelmäßig beim Auftraggeber aufhält (Sprint Planning, daily oder weekly Scrum, Sprint Review), stellt sich automatisch die Frage der Arbeitnehmerüberlassung. Ob eine solche vorliegt bemisst sich an unterschiedlichen Kriterien und ist stets einzelfallabhängig. Der agile Softwareentwicklungsvertrag ist ein Werkvertrag, dies folgt bereits daraus, dass die einzelnen umzusetzenden User Stories jeweils der Teilabnahme unterfallen und der Auftragnehmer solange an der Umsetzung zu arbeiten hat, bis die festgelegten Abnahmekriterien erfüllt sind (vgl. LG Wiesbaden, Urt. v. 30.11.2016, 11 O 10/15). Dies spricht bereits deutlich gegen eine Arbeitnehmerüberlassung. Um das Risiko einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung zu verringern, sollten neben den üblichen Aspekten der fehlenden Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers (kein eigenes Büro, keine eigene E-Mail, etc.) vor allem Weisungsbefugnisse des Auftraggebers möglichst auf das erforderliche Maß beschränkt werden. Der Scrum Master könnte während der Ausführung insofern auch darauf zu achten haben, dass solche Aspekte berücksichtigt und eingehalten werden.

III. Fazit

Der Weg, Softwareentwicklungen nach Scrum zu vergeben, steht auch öffentlichen Auftraggebern offen. Ob sich dies gegenüber dem Wasserfallmodell anbietet, ist im Einzelfall zu prüfen. Mangels vorhandener Vorlagen bei agilem Vorgehen ist die Zusammenstellung der Vergabeunterlagen sowie die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Angebote derzeit mit einigen Hürden versehen, die aber bei entsprechendem Engagement und Willen zu meistern sind.

1 Definition z.B. bei: https://de.wikipedia.org/wiki/Scrum oder: http://scrum-master.de/Was_ist_Scrum/Scrum_auf_einer_Seite_erklaert

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Polen: Die wirkliche Überprüfung der Leistungsfähigkeiten des Auftragnehmers

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Recht

Entscheidung-EUDer Gerichtshof der Europäischen Union hat im Mai 2017 ein Urteil zu den Vorlagefragen der polnischen Nationalen Beschwerdekammer (Krajowa Izba Odwoławcza) erlassen. Obwohl das Urteil in der Rechtssache C-387/14 auf der Grundlage der nicht mehr geltenden Richtlinien aus dem Jahr 2004 erlassen wurde, bezieht es sich auf die Fragen, die auch aufgrund der derzeit in Polen geltenden Vorschriften wesentlich bleiben.

Die Entscheidung richtet sich an Unternehmen, die sich im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen um Aufträge in Polen bemühen und sich dabei auf die Ressourcen anderer Unternehmen stützen möchten oder sich zusammen mit anderen Unternehmen bewerben, um die Eignungskriterien zu erfüllen.

Inanspruchnahme der Kapazitäten anderer Unternehmen

Der EuGH statuiert, dass die Abgabe von Unterlagen, die im ursprünglichen Angebot nicht enthalten waren, nach Ablauf der Bewerbungsfrist unzulässig ist. Dies umfasst beispielsweise die Verpflichtung eines Drittunternehmers, dem Auftragnehmer die zur Auftragsdurchführung erforderlichen Mittel und Ressourcen zur Verfügung zu stellen, soweit dies tatsächlich ein neues Angebot oder eine wesentliche Modifizierung darstellt. Hat der Unternehmer erklärt, die Eignungskriterien selbst zu erfüllen, darf er diese Erklärung nach Abgabe der Bewerbung nicht ändern. Er darf dann auch keine Unterlagen mehr vorlegen, aus denen folgt, dass er beabsichtigt, sich der Ressourcen anderer zu bedienen.

Nach Angebotsabgabe darf der Bewerber – was explizit in polnischen Vorschriften steht – lediglich benannte Drittunternehmen wechseln oder nachweisen, dass er selbst die Eignungskriterien erfüllt.

Inanspruchnahme der Kapazitäten der sog. Konsortien

Bislang konnten sich Auftragnehmer, die Mitglieder eines Konsortiums waren, auf die in den Konsortien vorhandene Erfahrung berufen. Dies galt unabhängig von ihrer tatsächlichen Beteiligung. Beinhaltete der Auftrag beispielsweise Straßenbau- und Brückenbauarbeiten, konnten beide Mitglieder des Konsortiums für künftige Aufträge sowohl hinsichtlich der Straßenbau- als auch hinsichtlich der Brückenbauarbeiten Erfahrungen vorweisen, unabhängig davon, ob sie diese Arbeiten selbst ausgeführt haben. Dieser Umstand resultierte aus dem im polnischen Recht geltenden Grundsatz der solidarischen Haftung für die Erfüllung eines öffentlichen Auftrags.

Der EuGH hat nunmehr klargestellt, dass der Einzelauftragnehmer sich nicht auf die Erfahrung des Konsortiums berufen kann, wenn er innerhalb eines anderen öffentlichen Auftrags an der Ausführung selbst nicht tatsächlich und konkret beteiligt war.

Diese Auffassung des Gerichts begründet die Notwendigkeit zur Überprüfung tatsächlicher Fähigkeiten des Unternehmers zum Zeitpunkt der Abgabe von Angeboten. Die Nationale Beschwerdekammer hat sich dazu noch nicht geäußert.

Praxistipp: Bewerber in Polen sollten damit rechnen, dass Auftraggebern anders als bisher darauf achten und überprüfen werden, ob im Rahmen früherer Aufträge tatsächliche Erfahrungen gesammelt wurden. Als nicht ausreichend könnten dabei Informationen lediglich zur prozentualen Beteiligung an der Auftragsdurchführung angesehen werden. Bei der Bildung der Konsortien und der Berufung auf Ressourcen anderer Unternehmen, sollten die vorgenannten Änderungen des polnischen Vergaberechts im Lichte der EuGH-Rechtsprechung besondere Beachtung finden.

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Nachforderungsrecht von Unterlagen, Erklärungen und Nachweisen in förmlichen Vergabeverfahren – Reichweite und Grenzen (EuGH, Urt. v. 11.05.2017 – C-131/16)

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Liefer- & DienstleistungenRecht

Entscheidung-EUDie Nachforderung von Unterlagen, Erklärungen und Nachweisen stellt die Vergabepraxis häufig vor schwierige Rechtsfragen. Auf der einen Seite erhöht die Möglichkeit der Nachforderung die Flexibilität öffentlicher Auftraggeber, weil fehlende Unterlagen nicht mehr zwingend den sofortigen Angebotsausschluss bedeuten. Auf der anderen Seite geht mit dem Gewinn an Flexibilität einher, dass sich häufig nicht trennscharf abgrenzen lässt, ob eine Unterlage überhaupt nachforderungsfähig ist oder nicht. In diesem Zusammenhang hat der Europäische Gerichtshof Feststellungen getroffen, die insbesondere für die Ausübung des Ermessens öffentlicher Auftraggeber, die Gleichbehandlung der Bieter und die Verfahrensdokumentation von Bedeutung sind.

Sachverhalt

Der Auftraggeber schrieb Dienstleistungen zur Digitalisierung des Bestandes eines Geologischen Archivs aus. Mit dem Angebot war eine gescannte Kopie eines vom Auftraggeber erstellten Dokuments in bestimmter vorgegebener Editierung und die Probe eines Mikrofilms mit Lichtbildern, ergänzt durch Informationen über die Methode der Mikroverfilmung und bestimmte technische Merkmale, einzureichen.

Einer der Bieter beantragte unter Hinweis auf ein Versehen eine Korrektur seines abgegebenen Angebots durch Austausch der Mikrofilmprobe. Dies ließ der Auftraggeber zu und wertete das als eine Vervollständigung der Unterlagen. Zugleich wies er darauf hin, dass die geforderten Informationen über die Methode der Mikroverfilmung und die technischen Merkmale fehlten und schloss das Angebot aus, weil es nicht den Anforderungen der Verdingungsunterlagen entsprach.

Die angerufene Kammer hatte Zweifel an der Vereinbarkeit mit europäischem Vergaberecht in Bezug auf die Verpflichtung eines öffentlichen Auftraggebers, Bieter zur Vervollständigung oder Nachreichung von im Rahmen der Ausschreibung zwingend geforderten Unterlagen und Erklärungen aufzufordern.

Die Entscheidung

Der EuGH entschied, dass unter folgenden Voraussetzungen die Aufforderung zur Berichtigung oder Ergänzung eines Angebots zulässig sei, sofern eine Erläuterung des Angebots offensichtlich geboten sei oder offensichtliche sachliche Fehler berichtigt werden:

• Die Aufforderung zur Erläuterung oder Berichtigung darf erst nach Kenntnisnahme aller Angebote erfolgen und ist an alle Bieter zu richten, die sich in derselben Situation befinden und muss alle erläuterungsbedürftigen Punkte umfassen.

• Aufgrund der Aufforderung darf in Wirklichkeit kein neues Angebot eingereicht werden, denn der Grundsatz der Gleichbehandlung und das Transparenzgebot stehen jeglicher Verhandlung zwischen Auftraggeber und einem Bewerber entgegen.

• Das Ermessen hinsichtlich der Aufforderung muss allgemein, gleich und fair ausgeübt werden.

• Das Fehlen eines in den Auftragsunterlagen geforderten Dokuments darf hingegen nicht durch eine Aufforderung zur Erläuterung behoben werden, da sich der Auftraggeber an von ihm selbst aufgestellte Kriterien halten muss.

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung des EuGH erging noch zur alten Rechtslage. Die alten Richtlinien sahen noch keine ausdrückliche Möglichkeit zur Nachforderung von Unterlagen vor. Nach der Entscheidung des EuGH ist eine Nachforderung im Falle des Fehlens von Unterlagen, deren Vorlage zwingend gefordert war, grundsätzlich nicht möglich. Eine Ausnahme besteht danach lediglich hinsichtlich einer Aufforderung zur Erläuterung oder Berichtigung eines offensichtlichen sachlichen Fehlers.

Die neuen Richtlinien enthalten Regelungen zur Nachforderung von Unterlagen, deren Vorgaben in § 56 Abs. 2 bis Abs. 5 VgV umgesetzt wurden. Die Nachforderung von Unterlagen ist allerdings auch nach den Vorgaben der VgV eingeschränkt. Leistungsbezogene Unterlagen, die die Wirtschaftlichkeitsbewertung der Angebote anhand der Zuschlagskriterien betreffen, dürfen grundsätzlich nicht nachgefordert werden. Daher bleibt die weitere Rechtsentwicklung, insbesondere präzisierende Rechtsprechung der Nachprüfungsinstanzen abzuwarten.

Praxistipp

Die Entscheidung des Gerichtshofs enthält für die Auslegung der deutschen Vorschriften gleichwohl überaus wertvolle Hinweise: Die Nachforderung von Unterlagen darf in keinen Fall zu einem Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot führen. Bei der Beurteilung mehrerer Angebote müssen öffentliche Auftraggeber bei der Ausübung und Dokumentation ihres Ermessens sehr sorgfältig vorgehen.

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Sind mehrere Hauptangebote im Verhandlungsverfahren zulässig? (VK Bund, Beschl. v. 19.07.2017, VK 1-63/17)

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BauleistungenRecht

EntscheidungFraglich ist, ob innerhalb eines Verhandlungsverfahrens mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb die Abgabe mehrerer Hauptangebote vom Auftraggeber zugelassen werden muss. Die VK Bund verneint dies in einer Entscheidung eines etwas ungewöhnlichen Falles.

Leitsätze

1. Im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb muss der Auftraggeber die Abgabe mehrerer Hauptangebote nicht zulassen.
2. Der Auftraggeber hat Informationen zum Vergabeverfahren, die Einfluss auf die Angebotserstellung und damit den Wettbewerb haben, allen Bietern – möglichst gleichzeitig – zur Verfügung zu stellen.
3. Vergaberechtsverstöße, die dem Antragsteller erst nach Einleitung des Nachprüfungsverfahrens zur Kenntnis gebracht werden, müssen nicht gesondert gerügt, sondern lediglich – zeitnah – im Nachprüfungsverfahren geltend gemacht werden.

§§ 97 Abs. 1, 2 GWB; §§ 3 b Abs. 3 Nr. 6 EU VOB/A; § 17 Abs. 10 VgV

Sachverhalt

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte die Anmietung eines Bürogebäudes im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb europaweit ausgeschrieben. Dabei hatte er es den Bietern freigestellt, die geforderten Mietflächen durch ein vorhandenes Bestandsgebäude, durch Anpassung eines sich bereits in Bau befindlichen Gebäudes oder einen völligen Neubau bereitzustellen. Nach mehreren Verhandlungen und darauf geplanter Zuschlagserteilung kam es zu einem längerdauernden Nachprüfungsverfahren durch zwei Instanzen. Um weitere Verzögerungen zu verhindern, einigten sich der AG und die beiden verbleibenden Bieter A und B auf einen Vergleich. Danach setzte der AG das Verfahren in den Stand vor abschließender Angebotsabgabe zurück und forderte die beiden Bieter auf, ihre Angebote letztverbindlich zu erneuern. A rügte daraufhin verschiedene Punkte und fragte, ob die Abgabe mehrerer Hauptangebote zugelassen sei. Der AG bejahte dies, sofern sich diese in technischer Hinsicht unterscheiden würden, z.B. Bestandsgebäude und Neubau. Dies rügte wiederum B als unzulässig, da der Vergleich völlig neue Hauptangebote gerade nicht vorsehe. Dieser Rüge half der AG ab und machte deutlich, dass mit dem letzten verbindlichen Angebot kein gänzlich neues Hauptangebot, das bisher nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen sei, abgegeben werden könne. Darauf rügte Bieter A, dass der AG die Zulassung mehrerer Hauptangebote wieder zurückgenommen habe. Nachdem der AG dieser Rüge nicht abhalf, beantragte A Nachprüfung u.a. mit dem Argument, dass die Erweiterung des Wettbewerbs durch Zulassung mehrerer Hauptangebote nicht rückgängig gemacht werden könne.

Die Entscheidung

Die VK Bund gibt  dem AG Recht. Vergaberechtlich ist es nicht zu beanstanden, dass es der AG letztlich nicht zugelassen hat, ein Bieter könne mehrere Hauptangebote abgeben. Eine Zulassung von mehreren Hauptangeboten hätte im vorliegenden Vergabeverfahren bedeutet, dass auch gänzlich neue – bisher unverhandelte – Angebote hätten eingereicht werden können. Dies hätte im vorliegenden Fall aber ebenso gegen die vom AG für das Vergabeverfahren bekanntgegebenen Vergabebedingungen wie auch den Vergleich, den die Verfahrensbeteiligten geschlossen hätten, verstoßen. Die Entscheidung des AG, keine neuen Hauptangebote zuzulassen, ist daher vergaberechtskonform.

Rechtliche Würdigung

Wie die VK weiter ausführt, können zwar  Vergabeunterlagen grundsätzlich auch noch während des laufenden Vergabeverfahrens vom Auftraggeber geändert werden, soweit dies transparent und diskriminierungsfrei gegenüber allen Bietern geschieht. Im vorliegenden Fall bestehen jedoch folgende Besonderheiten: So ist bereits zu Beginn der Angebotsphase der Ablauf des Verhandlungsverfahrens in seinen einzelnen Phasen (Angebote und Verhandlungsrunden) genau beschrieben worden, worauf sich die Bieter eingestellt hatten. Zudem gehört es zum Wesen des vorliegend vorgegebenen Verfahrensablaufs, dass die zunächst indikativen und später verbindlichen Angebote verhandelt und auf die Bedürfnisse des AG angepasst werden; gänzlich neue Angebote waren demgegenüber nicht entsprechend verhandelt worden, so dass diese mit den verhandelten Angeboten als nicht ohne Weiteres vergleichbar angesehen werden konnten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier nach dem Vergleich – nur noch die letzte Angebotsrunde wiederholt werden soll und damit weitere Verhandlungen ausgeschlossen sind. Denn dem Vergleich selbst, auf den sich die Verfahrensbeteiligten verbindlich geeinigt haben, ist unzweifelhaft zu entnehmen, dass die bereits vorliegenden Angebote des A und B nur noch einmal überarbeitet werden durften, und zwar zur Abgabe eines letzten verbindlichen Angebots. Indem zudem von „letztverbindlichen Angeboten“ und „letztgültigen Vergabeunterlagen“ sowie dem „Stand vor abschließender Angebotsabgabe“ die Rede ist, wird ausdrücklich klargestellt, dass weitere Angebotsrunden und Verhandlungen nicht mehr vorgesehen sind. Die Verwendung des Begriffs „erneuern“ macht dabei deutlich, dass Ausgangspunkt für die letzte Angebotsabgabe das bisherige (verhandelte) Angebot sein soll, das erneuert, d.h. überarbeitet werden darf.

A macht des weiteren geltend, dass dem B Bieterfragen beantwortet worden sind, ohne dass auch er Kenntnis davon erlangt hat. Richtig ist, dass es aufgrund des Transparenzgebots und des Gleichbehandlungsgrundsatzes (§ 97 Abs. 1 und 2 GWB) seitens des Auftraggebers geboten ist, Informationen zum Vergabeverfahren allen Bietern – möglichst gleichzeitig – zur Verfügung zu stellen. Dies ist vorliegend weder durchgängig bei der Beantwortung von Bieterfragen des B noch von Bieterfragen des A erfolgt. Die VK hat jedoch im Ergebnis festgestellt, dass dem A keine Informationen vorenthalten worden sind, die für das vorliegende Vergabeverfahren von entscheidender Bedeutung sind; insbesondere hat es sich nicht um Informationen gehandelt, die einen Einfluss auf die Angebotserstellung und damit den Wettbewerb gehabt hatten. Nicht zu beanstanden ist, dass A seiner Rügeobliegenheit nicht nachgekommen ist. Soweit er nämlich Vergaberechtsverstöße in Bezug auf die Angebotswertung geltend macht, die ihm erst nach Einleitung des Nachprüfungsverfahrens zur Kenntnis gebracht worden sind, hat er die entsprechenden Verstöße nicht gesondert rügen, sondern lediglich – zeitnah – im Nachprüfungsverfahren geltend machen müssen; eine Rüge ist insoweit entbehrlich.

Praxistipp

Wie die Entscheidung zeigt, ist ein öffentlicher Auftraggeber  im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens in der konkreten Gestaltung der einzelnen Verhandlungsrunden zwar relativ frei, hat aber dabei sowohl die vergaberechtlichen Grundsätze (Transparenz, Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung) als auch die von ihm selbst aufgestellten und bekannt gemachten Mindestanforderungen und Zuschlagskriterien zwingend zu beachten. Ebenfalls ist es ihm auch im Verhandlungsverfahren untersagt, über die letztverbindlichen und endgültigen Angebote erneut zu verhandeln (siehe § 3b Abs. 3 Nr. 6 EU VOB/A; §17 Abs. 10 VgV).


Veranstaltungshinweis: Am 24. Januar 2018 findet in Berlin ein DVNW Akademie-Seminar mit dem Verfasser als Referent zum Thema „Vergabe von Bauleistungen unter besonderer Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung zum Vergaberecht“  statt. Weitere Informationen und Anmeldemöglichkeit hier.

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Risikominimierung rechtfertigt produktspezifische Ausschreibung (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.05.2017 – VII-Verg 36/16)

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ITKRechtSicherheit & Verteidigung

Das Recht des öffentlichen Auftraggebers, den Beschaffungsgegenstand selbst zu bestimmen, und das vergaberechtliche Gebot, im Interesse eines möglichst großen Wettbewerbs produktneutral auszuschreiben, stehen häufig im Widerstreit. Das OLG Düsseldorf hat in seinem Beschluss die rechtlichen Grenzen zwischen dem Leistungsbestimmungsrecht des öffentlichen Auftraggebers einerseits und dem Wettbewerbsgrundsatz des Vergaberechts andererseits thematisiert und die Möglichkeiten einer produktspezifischen Ausschreibung aufgezeigt. Der Entscheidung lag eine Rüstungsbeschaffung zugrunde, die Entscheidungsgründe lassen sich jedoch auf Vergaben allgemein übertragen.

Sachverhalt

Ausgangspunkt der Entscheidung des Düsseldorfer Vergabesenats war die seitens der Bundesrepublik Deutschland geplante Beschaffung von bewaffnungsfähigen Drohnen. Aufgrund der aktuellen Krisenherde und des sich daraus ergebenden akuten Bedarfs in der Bundeswehr sollten für die Auswahlentscheidung vor allem die schnelle Verfügbarkeit und die sofortige Einsatzbereitschaft des Systems maßgebend sein. Anhand dieser Kriterien und auf Grundlage einer eingehenden Marktanalyse legte sich das Verteidigungsministerium auf das Modell Heron TB eines israelischen Rüstungsunternehmens fest. Nur für den Fall, dass das israelische System die definierten Bedingungen nicht erfüllt, sollte nachrangig auf das Drohnensystem eines US-amerikanischen Anbieters zurückgegriffen werden. Die Beschaffung des favorisierten Drohnensystems Heron TB sollte im Wege eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) VSVgV erfolgen.

Gegen dieses Vorgehen wandte sich der US-amerikanische Drohnenanbieter, der darin eine Missachtung des Grundsatzes der Produktneutralität gemäß § 15 Abs. 8 VSVgV sah. Der nach erfolgloser Rüge eingereichte Nachprüfungsantrag wurde von der zuständigen Vergabekammer des Bundes abgewiesen (VK Bund, Beschl. v. 17. August 2016, VK 1-54/16). Über die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde hatte nun das OLG Düsseldorf zu entscheiden.

Die Entscheidung

Der Vergabesenat des OLG Düsseldorf bestätigte die Vergaberechtskonformität der beabsichtigten produktspezifischen Ausschreibung und wies die sofortige Beschwerde zurück.

In seiner Begründung hebt das OLG Düsseldorf zunächst hervor, dass der öffentliche Auftraggeber als Ausfluss seiner ihm zukommenden Vertragsfreiheit bei der Beschaffungsentscheidung für ein bestimmtes Produkt, eine Herkunft oder ein Verfahren grundsätzlich rechtlich ungebunden sei: Das Vergaberecht regele nicht, was der öffentliche Auftraggeber beschafft, sondern nur die Art und Weise der Beschaffung.

Eine Einschränkung erfahre die Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers jedoch im Interesse der angestrebten Öffnung des Beschaffungswesens der öffentlichen Hand für den Wettbewerb und einer effektiven Durchsetzung der Warenverkehrsfreiheit. Dem entsprechend verpflichte § 15 Abs. 8 VSVgV (vgl. die inhaltsgleichen Regelungen in § 7 EU Abs. 2 VOB/A, § 31 Abs. 6 VgV) grundsätzlich zur produktneutralen Ausschreibung, gestatte jedoch unter anderem dort eine Ausnahme, wo dies „durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist„. Daran anknüpfend erachtet das OLG Düsseldorf eine produktspezifische Ausschreibung immer dann für zulässig, wenn:

  • die Spezifizierung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist,
  • vom Auftraggeber dafür nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist,
  • solche Gründe tatsächlich vorhanden (festzustellen und notfalls erwiesen) sind,
  • und die Spezifizierung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert.

Bewegt sich die Spezifizierung in diesen Grenzen, gilt nach Auffassung des OLG Düsseldorf der Grundsatz der Wettbewerbsoffenheit der Beschaffung nicht mehr uneingeschränkt (vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1. August 2012, VII-Verg 10/12, und Beschl. v. 27. Juni 2012, VII-Verg 7/12).

Diese Voraussetzungen für eine produktspezifische Beschaffung sah das OLG Düsseldorf auch im vorliegenden Fall als erfüllt an. Die rasche Verfügbarkeit und schnelle Einsatzfähigkeit des Drohnensystems zum Schutz der eigenen Soldaten und der Bündnispartner seien nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe für die getroffene Auswahlentscheidung. Das Drohnensystem Heron TP sei zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung wesentlich früher verfügbar gewesen und zum Einsatz mit Bundeswehrpersonal bereit als das konkurrierende System des US-amerikanischen Unternehmens. Außerdem sei das US-amerikanische System deutlich risikobehafteter, da es sich zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung erst in der Flugerprobung befunden habe, während das System Heron TP bereits in Kriegsgebieten zum Einsatz gekommen sei. Auch der Beschaffungsaufwand (Einholung von Genehmigungen des Herstellerlandes für den Kauf, den Export und den Einsatz der Drohnen) sei für das israelische System geringer und daher weniger zeitintensiv.

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf verdeutlicht, dass eine produktspezifische Ausschreibung immer dann zulässig ist, wenn hierdurch im Interesse der Systemsicherheit und Funktion eine wesentliche Verringerung von Risikopotentialen (Risiko von Fehlfunktionen, Kompatibilitätsproblemen, höherem Umstellungsaufwand) bewirkt werden kann. Der öffentliche Auftraggeber darf in diesem Fall jedwede Risikopotentiale ausschließen und den sichersten Weg wählen.

Die durch das OLG Düsseldorf aufgezeigten rechtlichen Möglichkeiten sind – trotz des sicherheits- bzw. verteidigungspolitischen Kontextes der Entscheidung – auch für die herkömmliche Beschaffungspraxis von Relevanz. Das gilt zum Beispiel für IT-Beschaffungen wie die Erweiterung oder Neulieferung von Kommunikationshardware oder die Implementierung einer Hochschulverwaltungssoftware.

Praxistipp

Auch die Umstellung der vorhanden Hard- und Software auf ein neues System eines anderen Herstellers führt häufig zu Kompatibilitätsschwierigkeiten und begründet das Risiko von Fehlfunktionen sowie einen höheren Umstellungsaufwand. Vorbehaltlich der gebotenen Einzelfallprüfung, erlaubt das Vergaberecht in diesen Fällen die Beauftragung des bisherigen Anbieters und erspart dem öffentlichen Auftraggeber somit Kosten und Zeit für ein aufwändiges Vergabeverfahren und eine ggf. notwendige Systemumstellung.

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Schätzung des Auftragswerts: Schwellenwertberechnung kann nachgeholt werden! (OLG Celle, Beschl. v. 29.06.2017 – 13 Verg 1/17)

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BauleistungenRechtUNBEDINGT LESEN!

Der Auftraggeber muss anhand objektiver Kriterien eine Prognose über den voraussichtlichen Auftragswert erstellen und dies ordnungsgemäß in der Vergabeakte dokumentieren. Aus dem Einsatz von Städtebauförderungsmitteln lassen sich keine verlässlichen Rückschlüsse auf den Auftragswert ziehen. Ist im Zeitpunkt der Ausschreibung noch nicht abzuschätzen, welchen konkreten Umfang und welche Dauer die zu vergebenden Leistungen haben werden, kann kein Gesamtpreis angegeben werden. Dies ist z. B. der Fall, wenn der Umfang der Sanierungsträgerleistungen noch nicht feststeht. Die Dokumentation der Auftragswertschätzung bzw. der Schwellenwertberechnung kann im Nachprüfungsverfahren nachgeholt werden.

§§ 149, 159 Abs. 2, 164a BauGB, 106 GWB, 3 VgV

Sachverhalt

Die Parteien streiten um die Vergabe von Sanierungsträgerleistungen im Zusammenhang mit städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen im Stadtgebiet der Auftraggeberin. Die Auftraggeberin plant städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen im Gebiet ihrer Altstadt mit einem Volumen von über EUR 4 Mio. Die Sanierungsträgerleistungen (u.a. Leistungen des Projektmanagements) belaufen sich auf EUR 313.080 (brutto) bei einer angenommenen Gesamtlaufzeit von 10 Jahren. Dieser Betrag entspricht der (üblichen) Kappungsgrenze in Höhe von 6% des Gesamtvolumens und im Ergebnis den maximal förderfähigen Kosten. Der Wert des Dienstleistungsauftrags wird von dem Auftraggeber gemäß § 3 Abs. 11 VgV allerdings nach dem 48-fachen Monatswert geschätzt. Dafür hat der Auftraggeber den sich aus der geschätzten Verfahrensdauer von 10 Jahren ergebenden mittleren Monatswert errechnet, mit 48 multipliziert und daraus einen Auftragswert in Höhe von unter EUR 150.000 (netto) ermittelt. Der Auftraggeber schreibt die Sanierungsträgerleistungen dementsprechend national aus. Der Antragsteller (ASt) rügt das Unterbleiben einer europaweiten Ausschreibung und legt nach Zurückweisung der Rüge einen Nachprüfungsantrag ein. Der ASt argumentiert im Wesentlichen, dass der Auftragswert den EU-Schwellenwert von EUR 209.000 (netto) überschreite, da auf den Betrag der Kappungsgrenze als mögliches Maximalhonorar abzustellen sei. Die Vergabekammer widerspricht der Argumentation des ASt und weist den Nachprüfungsantrag als unzulässig zurück. Der Auftragswert überschreite nicht den maßgeblichen Schwellenwert gem. § 106 GWB. Das Vergabeverfahren sei daher einer Überprüfung durch die Vergabekammer nicht zugänglich. Bei Aufträgen über Liefer- oder Dienstleistungen, für die kein Gesamtpreis angegeben werde, sei in Abweichung zu § 3 Abs. 1 VgV gemäß § 3 Abs. 11 VgV der 48-fache Monatswert Berechnungsgrundlage für den geschätzten Auftragswert. Der ASt legt dagegen sofortige Beschwerde ein.

Die Entscheidung

Ohne Erfolg! Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig. Der in Rede stehende Auftragswert liegt unterhalb des für das Eingreifen des Vergaberechtsregimes hier maßgeblichen Schwellenwerts (§ 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB).

Bei der Schätzung des Auftragswerts ist vom voraussichtlichen Gesamtwert der vorgesehenen Leistung ohne Umsatzsteuer, mithin dem Nettobetrag, auszugehen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 VgV). Etwaige Optionen oder Vertragsverlängerungen sind zu berücksichtigen (§ 3 Abs. 1 Satz 2 VgV), ebenso vom Auftraggeber vorgesehene Prämien oder Zahlungen (§ 3 Abs. 1 Satz 3 VgV). Bei Aufträgen über Liefer- und Dienstleistungen, für die kein Gesamtpreis angegeben wird, ist gemäß § 3 Abs. 11 VgV Berechnungsgrundlage für den geschätzten Auftragswert bei zeitlich begrenzten Aufträgen mit einer Laufzeit von bis zu 48 Monaten der Gesamtwert für die Laufzeit dieser Aufträge (Nr. 1), und bei Aufträgen mit unbestimmter Laufzeit oder einer Laufzeit von mehr als 48 Monaten der 48-fache Monatswert (Nr. 2).

Der Auftraggeber muss eine ernsthafte Prognose über den voraussichtlichen Auftragswert nach objektiven Kriterien erstellen oder erstellen lassen. Die Prognose zielt darauf ab, festzustellen, zu welchem Preis die in den Vergabeunterlagen beschriebene Leistung voraussichtlich unter Wettbewerbsbedingungen beschafft werden kann. Der Wert darf nicht in der Absicht geschätzt oder aufgeteilt werden, den Auftrag der Anwendung der Vergabebestimmungen zu entziehen (vgl. § 3 Abs. 2 VgV). Im Nachprüfungsverfahren trägt der Antragsteller die Darlegungs- und Beweislast für die Frage, ob der Schwellenwert erreicht oder überschritten ist; entscheidend ist die Sicht ex-ante. Hält sich der Auftraggeber innerhalb dieses Rahmens, steht ihm ein Beurteilungsspielraum zu, der von den Nachprüfungsinstanzen beachtet werden muss. Wegen der Bedeutung des Schwellenwertes ist es erforderlich, dass die Vergabestelle die ordnungsgemäße Ermittlung des geschätzten Auftragswerts in einem Aktenvermerk festhält, wobei die Anforderungen an die Genauigkeit der Wertermittlung und der Dokumentation steigen, je mehr sich der Auftragswert dem Schwellenwert annähert.

Dem pflichtgemäß geschätzten Auftragswert liegt der Wert zugrunde, den ein umsichtiger und sachkundiger öffentlicher Auftraggeber nach sorgfältiger Prüfung des relevanten Marktsegmentes und im Einklang mit den Erfordernissen betriebswirtschaftlicher Finanzplanung bei der Anschaffung der vergabegegenständlichen Sachen bzw. Leistungen veranschlagen würde. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Schätzung ist der Tag der Absendung der Auftragsbekanntmachung oder Einleitung des Vergabeverfahrens auf sonstige Weise (§ 3 Abs. 3 VgV).

Der Auftraggeber durfte den Auftragswert in zulässiger Weise unter Rückgriff auf den 48-fachen Monatswert der in Rede stehenden Sanierungsträgerleistungen berechnen. Der Auftraggeber hat sein Unvermögen, einen Gesamtpreis anzugeben, nachvollziehbar damit begründet, dass im Zeitpunkt der Ausschreibung nicht abzuschätzen war, welchen Umfang und welche Dauer die zu vergebende Leistung haben würde. Im Zeitpunkt der Ausschreibung war nicht abzuschätzen, welchen Umfang und welche Dauer die zu vergebende Leistung haben würde, womit die von den Bietern lediglich abgefragten Stundensätze und die noch nicht abschließend festgelegte nur pauschal beschriebene Aufgabenstellung korrelieren. Der Auftragsumfang war mithin nicht abschließend festgelegt und Änderungen denkbar.Gegen die Möglichkeit, einen bestimmten Auftragswert zu benennen, spricht ferner die ungewisse Dauer der Maßnahme.

Etwas anderes folgt auch nicht aus der Kosten- und Finanzübersicht. Aus dem dort aufgeführten Betrag in Höhe von EUR 313.080 (brutto) lassen sich keine belastbaren Schlussfolgerungen für den in Rede stehenden Auftragswert für die Vergabe der Sanierungstreuhänderleistungen ziehen. Dieser Betrag entspricht lediglich dem maximal förderfähigen Betrag für die Sanierungsträgerleistungen (6% vom Gesamtbetrag ohne Grunderwerb), er kann nicht mit dem Auftragswert gleichgesetzt werden. Abweichendes ergibt sich auch nicht aus den Vorschriften des Baugesetzbuchs über den Ablauf von städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen (§§ 136 ff. BauGB; siehe dazu ausführlich die Ausführungen des Senats unter den Ziffer 61 ff. des Beschlusses).

Unerheblich war im Ergebnis, dass der Auftraggeber (zunächst) keine ordnungsgemäße Schätzung des Auftragswerts in den Vergabeakten dokumentiert hatte. Er hat diese durch die Übergabe von Dokumenten in der mündlichen Verhandlung (!) während des Nachprüfungsverfahrens nachgeholt und damit den Dokumentationsfehler geheilt.

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung ist richtig.

1. Erstens muss der Auftraggeber bei der Auftragswertschätzung nur solche Umstände berücksichtigen, die auf Grundlage objektiver Kriterien hinreichend wahrscheinlich sind. Wenn der Auftraggeber sich auf § 3 Abs. 11 VgV berufen möchte und angibt, dass kein Gesamtpreis angegeben werden kann, muss er dies nachvollziehbar begründen. Dies hatte der Auftraggeber vorliegend getan und sein Unvermögen, einen Gesamtpreis anzugeben, nachvollziehbar damit begründet, dass er im Zeitpunkt der Vergabebekanntmachung nicht abschätzen konnte, welchen Umfang und welche Dauer die zu vergebende Leistung haben würde. Es war für den Auftraggeber unklar, welchen Umfang und welche Dauer die zu vergebende Leistung haben würde. Der Auftragsumfang war mithin nicht abschließend festgelegt und Änderungen denkbar, so dass für die Wertberechnung vorliegend der 48-fache Monatswert herangezogen werden durfte.

2. Zutreffend ist zweitens die Entscheidung des Senats, wonach die fehlerhafte Dokumentation im Nachprüfungsverfahren (vorliegend sogar erst in der mündlichen Verhandlung) nachgebessert und damit der Vergabeverstoß geheilt werden kann. Dies ist seit der Entscheidung des BGH vom 8. Februar 2011 zum Az. X ZB 4/10 ganz herrschende Meinung und wird in diesem Sinne auch von dem hier zuständigen Senat vertreten (vgl. Senatsbeschlüsse vom 10. November 2016 zum Az. 13 Verg 7/16 und vom 13. Mai 2013 zum Az. 13 Verg 13/12).

3. Schließlich sind drittens auch die Ausführungen des Senats zur Unmaßgeblichkeit der Vorschriften des Baugesetzbuches über den Ablauf von städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen (§§ 136 ff. BauGB) und insbesondere des § 159 BauGB für die hier in Rede stehende Auftragswertschätzung nach § 3 Abs. 11 VgV nicht zu beanstanden. Sie stehen der mangelnden Möglichkeit der Schätzung der Sanierungsträgerleistungen nicht entgegen. Eine genaue Leistungsbeschreibung ist für die hier in Rede stehenden Sanierungsträgerleistungen im Regelfall kaum möglich, weil zu Beginn einer Sanierungsmaßnahme die einzelnen anfallenden Aufgaben in ihrem wirklichen Leistungsumfang in der Regel nicht übersehen werden können. Die Vergütung lässt sich im Zeitpunkt der Bekanntmachung der Höhe nach nur schwer im leistungsgerechten Umfang vorhersehen. Es ist daher auch nach der vom Senat zitierten Literatur üblich, dass die Gemeinden einen Rahmenvertrag schließen, der nur eine grobe Umschreibung der vom Träger zu erbringenden Leistungen und die Berechnungsart der an den Träger zu zahlenden Vergütung nach Stundensätzen sowie allgemeine Regelung zur Vertragsabwicklung zum Inhalt hat.

Praxistipp

Bei Aufträgen über Liefer- und Dienstleistungen, für die kein Gesamtpreis angegeben wird, ist gemäß § 3 Abs. 11 VgV Berechnungsgrundlage für den geschätzten Auftragswert bei zeitlich begrenzten Aufträgen mit einer Laufzeit von bis zu 48 Monaten der Gesamtwert für die Laufzeit dieser Aufträge (Nr. 1), und bei Aufträgen mit unbestimmter Laufzeit oder einer Laufzeit von mehr als 48 Monaten der 48-fache Monatswert (Nr. 2). Dabei muss sich die Schätzung nicht auf einen nur möglichen, aber keineswegs sicheren höheren Gesamtumfang stützen. Wegen der hohen Bedeutung des Schwellenwertes für das Vergabeverfahren ist es erforderlich, dass die Vergabestelle die ordnungsgemäße Ermittlung des geschätzten Auftragswerts in einem Aktenvermerk festhält, wobei die Anforderungen an die Genauigkeit der Wertermittlung und der Dokumentation steigen, je mehr sich der Auftragswert dem Schwellenwert annähert. Unabhängig davon, dass die Dokumentation der Schwellenwertberechnung in einem etwaigen Nachprüfungsverfahren nach überwiegender Auffassung nachgeholt werden kann, sollte diese von Anfang an ordnungsgemäß erfolgen; dies vor allem immer dann, wenn der geschätzte Auftragswert bei Liefer- und Dienstleistungsvergaben oberhalb von EUR 150.000 (netto) liegt.

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Preisprüfstatistik 2016: 30% aller Preisprüfungen enden mit einer Rechnungskürzung

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Politik und MarktRecht

Es bleibt dabei – beinahe jede dritte Preisprüfung endet mit einer Rechnungskürzung. Zu einem ähnlichen Ergebnis wie in den Vorjahren kam auch die aktuell veröffentlichte Preisprüfstatistik 2016 des BMWi für geprüfte öffentliche Aufträge und Zuwendungen. Nach einer schrittweisen Steigerung dieser Quote von 24% in 2005 bis 28% in 2010 und 2011, pendelt sich der Anteil der Kürzungen seitdem zwischen 29 und 30% ein.

Weniger Preisprüfungen, aber höhere Kürzungen

Im Jahr 2016 wurden 2.238 (Vorjahr: 2.584) öffentliche Aufträge und Zuwendungen mit einer Gesamtsumme von ca. 2,4 Mrd. (Vorjahr: 3,0 Mrd.) Euro geprüft. In 30% der Fälle (Vorjahr: 29%) ergab sich eine Rechnungskürzung aufgrund des Ergebnisses der Preisprüfung. Die Rechnungskürzungen ergaben die Gesamtsumme von 75,9 Mio. (Vorjahr 41,8 Mio.) Euro – wiederum eine deutliche Steigerung gegenüber dem Vorjahr und ein Rekordwert seit Beginn der Aufzeichnungen in 2005.

63% aller Preisprüfungen (Vorjahr: 65%) fanden in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfallen statt. 571 Preisprüfungen wurden in Bayern durchgeführt, 494 in Baden-Württemberg und 333 in Nordrhein-Westfalen. Bayern ist damit seit 2009 (mit Ausnahme in 2013) weiterhin Spitzenreiter bei der Anzahl von Preisprüfungen – Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen wechselten sich hier jeweils mit dem 2. und 3. Platz ab – lediglich in 2013 waren in Baden-Württemberg die meisten Preisprüfungen zu verzeichnen. Unter diesen Top 3 – Ländern ist es aber Nordrhein-Westfalen, das seit 2005 mit einigem Abstand die höchsten durchschnittlichen Kürzungen vorweist.

Interessant ist zudem, dass Nordrhein-Westfalen zwar bundesweit die meisten öffentlichen Aufträge vergibt, bei der Anzahl der Preisprüfungen jedoch oft hinter Bayern und Baden-Württemberg liegt.

Berlin und Bremen kürzen am meisten

Ausreißer bei der Quote der Rechnungskürzungen auf Basis der Preisüberwachungsbehörden waren in 2015 Berlin (65% nach 54% im Vorjahr), Bremen (51% nach 44% im Vorjahr), Hamburg (47% nach 48% im Vorjahr), Mecklenburg-Vorpommern (ebenfalls 47% nach 22% im Vorjahr) und Düsseldorf (40% nach 48% im Vorjahr). Besonders erwähnenswert ist, dass die Rückzahlungsquote bei der Preisüberwachungsbehörde Bremen seit 2005 mit 40 bis 70% auf einem fortwährend hohen Niveau im Vergleich zum Bundesdurchschnitt liegt.

Die Risiken einer Preisprüfung werden in der Einzelstatistik am Beispiel Düsseldorf ganz besonders deutlich. Von 82 geprüften Aufträgen ergaben sich bei 33 Aufträgen Rechnungskürzungen in Höhe von gesamt 40 Mio. Euro – im Durchschnitt also 1,2 Mio. Euro pro Auftrag. Mit großem Abstand – aber immer noch überdurchschnittlich hoch folgen Niedersachsen (463.000 Euro), Detmold (259.000 Euro) und Arnsberg (156.000 Euro). Bei diesen Durchschnittswerten muss auch noch erwähnt werden, dass sich dahinter Rückforderungen in der Spanne von unter 1.000 bis über 1 Mio. Euro verbergen.

Geldbußen wurden – wie in den Jahren 2005 bis 2015 – auch 2016 nicht verhängt. Die Preisprüfstatistiken des BMWi von 2010 bis 2016 sind hier nachzulesen.

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Kein Vertrauensschutz bei Formfehlern! (VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 14.07.2017 – 1 VK 20/17)

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Liefer- & DienstleistungenRechtUNBEDINGT LESEN!

Auch Vergabestellen erfinden nicht bei jeder Ausschreibung das Rad neu, sondern verwenden gern Vordrucke und Formulare voriger Vergabeverfahren erneut. Doch Vorsicht! Eine aktuelle Entscheidung der Vergabekammer Baden-Württemberg zeigt wieder einmal, dass damit nicht zwingend auch eine einheitliche Handhabung verbunden ist.

Leitsätze

  1. Ergibt sich aus der Bekanntmachung und den Vergabeunterlagen eindeutig, dass das Kästchen im Formular mit der Überschrift „Stundensatz“ mit nur einer Eintragung auszufüllen ist, stellt die Eintragung unterschiedlicher Stundensätze eine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen dar.
  2. Der Singular „Stundensatz“ deutet darauf hin, dass dort ein Wert einzutragen ist. Die Größe eines Kästchens sagt nichts darüber aus, wie viele Eintragungen möglich sein sollen.

GWB § 97 Abs. 6; VgV §§ 31, 53, 57 Abs. 1

Sachverhalt

In dem entschiedenen Fall waren bei der Ausschreibung von Sachverständigenleistungen im offenen Verfahren als Zuschlagskriterium unter anderem die Stundensätze vorgesehen. Die Vergabeunterlagen enthielten ein vorbereitetes Angebotsschreiben, in dem die Bieter zu Los 1 jeweils den Stundensatz für sachverständige Ingenieure einerseits und für Techniker andererseits eintragen mussten. Der bisherige Auftragnehmer bewarb sich erneut um den Auftrag und gab wie bereits in der vorangegangenen Ausschreibung jeweils mehrere unterschiedliche Stundensätze an. Diesmal aber schloss der Auftraggeber ihn anders als im vorigen Verfahren wegen unzulässiger Änderungen an den Vergabeunterlagen aus.

Die Entscheidung

Zu Recht! Der Ausschluss wegen unzulässiger Änderung der Vergabeunterlagen war der Vergabekammer zufolge gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV rechtmäßig, da die Vergabeunterlagen lediglich jeweils die Angabe eines einzigen Stundensatzes vorsahen.

1. Eindeutige Abfrage nur eines einzigen Stundensatzes im Angebotsformular

Der Verweis auf Stundensätze im Plural bezog sich demnach erkennbar lediglich auf die Gesamtheit aller abgefragten Stundensätze in Los 1 und 2. Bei der Auslegung sei ein objektiver Maßstab zugrunde zu legen, deswegen kam es auf die subjektive Erwartung des Bieters, der in der Vorgängerausschreibung mit derselben Vorgehensweise erfolgreich gewesen war, nicht an. Sein Vertrauen in das vergangene, rechtswidrige Verhalten der Vergabestelle genieße keinen Schutz. Dass die Formatierung der Kästchen auch mehrere Eintragungen zuließ, war ebenso unerheblich.

2. Ausschluss wegen fehlender Preisangaben

Überdies wäre ein Ausschluss auch gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV rechtmäßig gewesen, da das Angebot nicht den geforderten Preis enthalte. Es sei nämlich unklar, welcher der Stundensätze jeweils zur Anwendung komme. Die Erfahrungen aus der Vergangenheit seien nicht sicher auf die Zukunft übertragbar.

Rechtliche Würdigung

Hinsichtlich des fehlenden Vertrauensschutzes in vergangenes, rechtswidriges Verhalten der Vergabestelle ist der Entscheidung zuzustimmen. Dies gilt zumindest dann, wenn die Vorgaben der Vergabeunterlagen klar und eindeutig sind (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.10.2008 – Verg 41/08, OLG Schleswig, Beschluss vom 14. Dezember 2004 – 6 Verg 4/04), was die Vergabekammer hier schon aufgrund des Wortlautes klar bejahte.

Die Möglichkeit eines Ausschlusses wegen fehlender Preisangaben hingegen erscheint im vorliegenden Fall zweifelhaft. Schließlich hatte der Bieter die seinerseits geforderten Stundensätze vollständig angegeben. Er hatte dabei nicht zu wenig, sondern umgekehrt sogar zu viel eingetragen! In Betracht wäre aber möglicherweise die Einordnung als nicht zugelassenes oder nicht wertbares kaufmännisches Nebenangebot und mithin ein Ausschluss gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 6 oder Abs. 2 VgV gekommen, der Tatbestand lässt dies nicht klar erkennen.

Praxistipp

Bietern ist zu empfehlen, die Vergabeunterlagen in jedem Verfahren erneut genau zu prüfen. Angaben aus vorangegangenen Angeboten einfach blind zu übernehmen oder sehenden Auges auf eine bisher großzügige Praxis der Vergabestelle zu vertrauen, ist hingegen äußerst riskant. Insbesondere, wenn auf Auftraggeberseite plötzlich andere Sachbearbeiter zuständig sind oder erkennbar neue oder andere Berater hinzugezogen werden, sollten Bieter sich auf eine möglicherweise abweichende Handhabung einstellen und im Zweifelsfall lieber eine Bieterfrage mehr als ein weniger stellen, um nicht korrigierbare Fehler zu vermeiden!

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Kaum Schutz durch vorsorgliche Ex-ante-Transparenz-Bekanntmachung bei Direktvergaben (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.07.2017 – VII-Verg 13/17)

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RechtEin Auftraggeber muss für eine Direktvergabe fehlenden Wettbewerb aus technischen Gründen im Einzelnen nachweisen. Die Frist nach § 135 Abs. 3 GWB setzt jedenfalls voraus, dass die Auffassung der Zulässigkeit der Direktvergabe sorgsam gefasst und objektiv vertretbar ist.

Leitsätze des Autors

  1. Die Freiheit des Auftraggebers, den Auftragsgegenstand zu bestimmen, ist nach § 14 Abs. 6 VgV deutlich eingeschränkt, wenn die Bestimmung des Auftraggebers dazu führen würde, dass eine Vergabe ohne Wettbewerb zulässig wäre.
  2. Der Auftraggeber muss darlegen und ggf. nachweisen, dass keine vernünftigen Alternativen oder Ersatzlösungen bestehen und der Auftrag nur von einem Unternehmen erfüllt werden kann.
  3. Die Anwendung des § 135 Abs. 3 GWB (10-Tages-Frist nach freiwilliger Ex-Ante-Transparenzbekanntmachung der beabsichtigten Direktvergabe) setzt voraus, dass der öffentliche Auftraggeber den seiner Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt sorgfältig, nämlich vollständig und zutreffend, ermittelt hat und die von ihm hieraus gezogenen tatsächlichen und rechtlichen Schlussfolgerungen zumindest vertretbar sind.

§ 14 Abs. 6 VgV; § 135 GWB

Überblick

Nicht überraschend knüpft das OLG Düsseldorf die Direktvergabe aus technischen Gründen an hohe Anforderungen und einen detaillierten Nachweis durch den öffentlichen Auftraggeber. Der öffentliche Auftraggeber kann sich auf die Aussage eines Herstellers, ausschließlich er biete seine Produkte an (Direktvermarktung), nicht verlassen. Auch muss der öffentliche Auftraggeber prüfen, ob ein potentieller Bieter die Eignung seiner Produkte noch im Vergabeverfahren herstellen kann (hier: Nachholung eines Konformitätsbewertungsverfahrens im Vergabeverfahren).

Im Anschluss an das Urteil des EuGH vom 11.09.2014 (Az. C-19/13) legt das OLG Düsseldorf die Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer Ex-Ante-Transparenzbekanntmachung nach § 135 Abs. 3 GWB eng aus. § 135 Abs. 3 GWB soll dem öffentlichen Auftraggeber ermöglichen, Rechtssicherheit bei der Direktvergabe von Aufträgen zu schaffen, indem er die beabsichtigte Direktvergabe im Amtsblatt der EU bekanntmacht und eine 10tägige Wartefrist einhält. Voraussetzung ist nach § 135 Abs. 3 Nr. 1, dass der öffentliche Auftraggeber der Ansicht ist, die Direktvergabe sei vergaberechtlich zulässig. Nach Auffassung des OLG Düsseldorf setzt dies voraus, dass der öffentliche Auftraggeber den Sachverhalt ausreichend ermittelt hat und dass seine – auf Grundlage dieser Sachverhaltsermittlung gewonnene – Ansicht, eine Direktvergabe durchführen zu dürfen, vertretbar ist.

Nach Auffassung des Autors müsste es für die erste Voraussetzung jedenfalls ausreichend sein, wenn die Reichweite der durchgeführten Sachverhaltsaufklärung vergaberechtlich zum Zeitpunkt der Entscheidung, eine Direktvergabe durchzuführen, vertretbar war. Dieser Aspekt spielt in der Praxis eine große Rolle, da die Frage, wie detailliert eine Markterkundung sein muss, häufig streitig sein wird. Sie war auch im entschiedenen Fall von Bedeutung: Wenn der Hersteller plausibel darlegt, dass er seine Geräte nur direkt vermarktet und zum Zeitpunkt der beabsichtigten Direktvergabe keine Indizien dagegen sprechen, so erscheint dem Autor dessen Auffassung vertretbar, keine weiteren Erkundigungen einholen zu müssen. Allerdings hatte die Antragsgegnerin diesen Aspekt erst im Nachprüfungsverfahren vorgebracht; dokumentiert hatte sie lediglich, dass die Antragstellerin nicht über entsprechende Geräte verfügte. Letztlich schlägt sich vorliegend also ein Dokumentationsmangel durch, aus dem das OLG Düsseldorf den Schluss zog, dass keine ausreichende Markterkundung erfolgte. Das OLG Düsseldorf musste sich mit der Vertretbarkeit der Sachverhaltsaufklärung daher nicht näher auseinandersetzen.

Auf die – spannende – Frage, unter welchen Umständen eine Rechtsauffassung, die in den Fällen des § 135 GWB regelmäßig nicht der Auffassung der Nachprüfungsinstanz entspricht, vertretbar ist, geht das OLG Düsseldorf nur allgemein ein. Von Bedeutung soll sein, ob die Frage einfach oder schwer zu klären war und über welche Erfahrungen der Auftraggeber in dem relevanten Bereich verfügt. Ihm müsse bewusst sein, dass – bei Anwendbarkeit des Kartellvergaberechts – eine Vergabe ohne Wettbewerb nur ausnahmsweise in Betracht kommt. Auf ein Verschulden soll es nicht ankommen. Zweifel daran, ob der Sachverhalt ausreichend aufgeklärt und die Auffassung des Auftraggebers vertretbar war, gingen zu seinen Lasten. Ihn treffe die materielle Beweislast.

In der Subsumtion stellt das OLG dann nur noch fest, dass die Auffassung der Antragsgegnerin jeweils unvertretbar war, ohne dies näher zu begründen. Im Ergebnis ist zu vermuten, dass die Gerichte Vertretbarkeit nur annehmen, wenn der öffentliche Auftraggeber auf abweichende Auffassungen in Rechtsprechung und/oder Literatur, jedenfalls aber auf ein ausführliches Rechtsgutachten verweisen kann.

Sachverhalt

Die Antragsgegnerin schloss nach einer freiwilligen Ex-Ante-Transparenzbekanntmachung vom 30.08.2017 am 10.09.2016 einen Rahmenvertrag über die Lieferung von Systemen zur Leberunterstützungstherapie „MARS“ nebst Verbrauchsmaterialien mit der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen.

Die Antragsgegnerin begründete die Direktvergabe damit, dass aus technischen Gründen kein Wettbewerb vorhanden sei. Nur die Beigeladene biete geeignete Systeme an, die mit den – ebenfalls von der Beigeladenen gelieferten – vorhandenen Dialysegeräten kompatibel seien. Insbesondere vertreibe allein die Beigeladene die von ihr hergestellten und zu beschaffenden Ersatzmonitore. Die von Antragstellerin angebotenen Schlauchsysteme „OPAL“ hätten anders als die „MARS“-Systeme kein Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen.

Die Antragstellerin macht geltend, dass am Markt sehr wohl Ersatzmonitore zu beschaffen sein und legt hierfür im Nachprüfungsverfahren ein an sie gerichtetes Angebot vor. Das Konformitätsbewertungsverfahren für das von ihr angebotene System „OPAL“ könne sie in kurzer Zeit nachholen. Zudem seien die vorhandenen Dialysegeräte abgeschrieben, so dass die Antragsgegnerin zur Herstellung von Wettbewerb insgesamt neue Geräte auszuschreiben habe.

Die Vergabekammer gibt dem Nachprüfungsantrag statt.

Die Entscheidung

Das OLG Düsseldorf weist die gegen die Entscheidung gerichtete sofortige Beschwerde zurück.

1. Bereits für die Vergabe eines Auftrags innerhalb eines wettbewerblichen Verfahrens sei anerkannt, dass die – dem Vergabeverfahren grundsätzlich vorgelagerte – Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers, ob und was beschafft werden soll, und damit auch die Frage, welche Anforderungen an die zu beschaffenden Leistungen gestellt werden dürfen, unter Berücksichtigung des Grundsatzes der wettbewerbsoffenen Beschaffung vergaberechtlichen Grenzen unterliegt. Diese seien nach ständiger Rechtsprechung des OLG Düsseldorf gewahrt, sofern die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist, vom Auftraggeber dafür nachvollziehbare, objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist, solche Gründe tatsächlich vorhanden (festzustellen und notfalls vom Auftraggeber bewiesen) sind und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert.

2. Führe die Bestimmung des Auftragsgegenstands durch den öffentlichen Auftraggeber dazu, dass im Sinne des § 14 Abs. 4 Nr. 2 a) oder b) VgV der Auftrag nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht oder bereitgestellt werden kann, greife das Korrektiv des § 14 Abs. 6 VgV ein, wonach die Voraussetzungen für die Anwendung des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb, mithin eine Vergabe außerhalb des Wettbewerbs, nur dann gelten, wenn es keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung gibt und der mangelnde Wettbewerb nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung der Auftragsvergabeparameter ist. Die Bestimmungsfreiheit des Auftraggebers unterliege damit engeren vergaberechtlichen Grenzen als dies bei Durchführung eines wettbewerblichen Verfahrens der Fall ist. Eine Leistungsbestimmung, die im Falle des § 14 Abs. 4 Nr. 2 VgV zu einem völligen Wettbewerbsverzicht führt, bedürfe größerer Rechtfertigungstiefe als eine solche, die unter Aufrechterhaltung des Vergabewettbewerbs im Ergebnis (nur) zu einer hersteller- oder produktbezogenen Leistungsspezifikation gemäß § 31 Abs. 6 VgV führe.

3. Diese Voraussetzungen sah das OLG Düsseldorf im vorliegenden Fall nicht als erfüllt an:

a) Zwar sei die Antragsgegnerin nicht darauf zu verweisen, vollständig neue Dialysegeräte zu beschaffen. Aufgrund der erheblichen Kosten, die mit der Beschaffung neuer Dialysegeräte verbunden wäre, sei die Entscheidung der Antragsgegnerin nicht zu beanstanden, auch die bereits abgeschriebenen Dialysegeräte weiterhin zu nutzen. Darin liege weder eine künstliche Einschränkung der Auftragsvergabe Parameter noch stelle die Neuanschaffung reiner Leberdialysegeräte eine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung dar.

b) Die Antragsgegnerin habe aber nicht den Nachweis erbracht, dass nur die beigeladene neue Monitore liefern könne. Allein der Verweis darauf, dass die Beigeladene die Monitore ohne Zwischenhändler vertreibe, schließe nicht aus, dass gleichwohl neue Geräte am Markt verfügbar sein. Das an die Antragstellerin gerichtete Angebot über neue Geräte sei ein gewichtiges Indiz dafür, selbst wenn es zum Zeitpunkt der beabsichtigten Direktvergabe noch nicht vorgelegen habe.

c) Auch könne die Antragsgegnerin nicht darauf verweisen, dass das OPAL – Behandlungsset noch kein Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen habe. Sie hätte der Antragstellerin Gelegenheit geben müssen, dieses im Laufe des Vergabeverfahrens nachzuholen.

4. Der Nachprüfungsantrag sei auch nicht gemäß § 135 Abs. 3 GWB unzulässig, da verfristet. Zwar habe die Antragsgegnerin die beabsichtigte Direktvergabe im Amtsblatt bekannt gemacht (§ 135 Abs. 3 Nr. 2 GWB) und die Frist von zehn Kalendertagen nach § 135 Abs. 3 Nr. 3 GWB sei zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses abgelaufen gewesen, Die Antragsgegnerin durfte aber nicht der Ansicht sein, dass eine Direktvergabe vergaberechtskonform zulässig sei (§ 135 Abs. 3 Nr. 1 GWB).

Das OLG Düsseldorf lässt offen, ob bei der Auslegung des § 135 Abs. 3 Nr. 1 GWB ein ausschließlich objektiver Maßstab anzulegen sei oder ein weniger strenger subjektiver Maßstab, der im Ergebnis auf die Vertretbarkeit der Entscheidung in sachlicher und rechtlicher Hinsicht abstellt, da auch nach der zuletzt genannten Ansicht die Antragsgegnerin nicht der Ansicht sein durfte, eine Direktvergabe sei zulässig.

a) Allein der Umstand, dass der öffentliche Auftraggeber auf eine europaweite Ausschreibung verzichtet, reiche nicht aus. Eine tatsächliche Vermutung des Inhalts, dass der öffentliche Auftraggeber nur dann auf eine europaweite Ausschreibung verzichte, wenn er den Verzicht für zulässig hält, existiere nicht. Die Nachprüfungsinstanzen müssten vielmehr aufgrund konkreter Anhaltspunkte feststellen können, dass der öffentliche Aufraggeber, obwohl die getroffene Entscheidung vergaberechtlich falsch war, dennoch der Überzeugung war, den Auftrag ohne vorherige europaweite Ausschreibung vergeben zu dürfen. Welche Voraussetzungen an diese Feststellungen zu stellen sind, kann nicht generell beantwortet werden, sondern hänge von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab.

b) Ausgehend von der Rechtsprechung des EuGH (Urteil v. 11.09.2014, C-19/13 – Fastweb, juris Rn. 50) seien die Nachprüfungsinstanzen im Ergebnis verpflichtet, zu würdigen, ob der öffentliche Auftraggeber, als er die Entscheidung gefällt hat, einen Auftrag direkt zu vergeben, sorgfältig gehandelt hat und ob er der Ansicht sein durfte, dass die in der Ausnahmevorschrift hierfür aufgestellten Voraussetzungen tatsächlich erfüllt waren. Dies setzt voraus, dass der öffentliche Auftraggeber den seiner Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt sorgfältig, nämlich vollständig und zutreffend, ermittelt hat und die von ihm hieraus gezogenen tatsächlichen und rechtlichen Schlussfolgerungen zumindest vertretbar sind.

c) Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall nicht erfüllt:

aa) Im Hinblick auf die Verfügbarkeit neuer Monitore am Markt habe die Antragsgegnerin den Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt und sei aufgrund dessen von falschen Tatsachen ausgegangen.

bb) Zudem sei die Antragsgegnerin – insoweit nach Auffassung des OLG Düsseldorf vergaberechtlich nicht vertretbar – von falschen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen, wenn sie aus dem Fehlen der Durchführung eines Konformitätsbewertungsverfahrens auf ein Fehlen von Wettbewerb schließt. Wie ausgeführt, hätte sie in Erwägung ziehen müssen, dass bei Bedarf das Konformitätsbewertungsverfahren auch noch im Lauf des Vergabeverfahrens durchgeführt werden könne.

Rechtliche Würdigung

1. Die Entscheidung überzeugt im ersten Teil: Eine Direktvergabe war vorliegend aus technischen Gründen nicht zulässig, jedenfalls konnte die Antragsgegnerin nicht nachweisen, dass die Monitore tatsächlich nur von der Beigeladenen geliefert werden können und dass das von Antragstellerin angebotene Produkt ungeeignet ist. Hier zeigen sich einmal mehr die hohen Anforderungen an die Dokumentation und die Sachverhaltsaufklärung, wenn sich ein öffentlicher Auftraggeber darauf berufen möchte, dass nur ein Unternehmen technisch in der Lage ist, den Auftragsgegenstand anzubieten.

2. Die Ausführungen zur freiwilligen Transparenzbekanntmachung nach § 135 Abs. 3 GWB überzeugen hingegen nicht vollständig. Zwar ist es richtig, dass § 135 Abs. 3 GWB den öffentlichen Auftraggebern keinen Freibrief zur rechtssicheren, aber rechtswidrigen Direktvergabe erteilt. In der Auslegung des OLG Düsseldorf (und des EuGH) wird der Anwendungsbereich des § 135 Abs. 3 GWB aber derart eingeschränkt, dass er kaum noch Wirkung entfalten kann. Der Maßstab, ob die Auffassung des öffentlichen Auftraggebers vertretbar ist, ist kaum greifbar. Auch das Risiko, den Sachverhalt nicht vollständig aufgeklärt zu haben, bleibt vollständig beim öffentlichen Auftraggeber, obgleich dieses Risiko bei der Direktvergabe aus technischen Gründen, die eine eingehende Markterkundung erfordert, in vielen Fällen das größte sein wird. So erscheint es subjektiv vertretbar, sich auf die Angabe des Herstellers zu verlassen, dass er seine Geräte ausschließlich direkt vermarktet. Der Fehler lag im entschiedenen Fall dann allerdings jedenfalls in der unzureichenden Dokumentation der Markterkundung.

Die Nachprüfungsinstanzen werden wohl nur dann annehmen, dass die Auffassung des öffentlichen Auftraggebers, dass eine (tatsächlich rechtswidrige) Direktvergabe rechtmäßig war, vertretbar war, wenn der öffentliche Auftraggeber auf abweichende Auffassungen in Rechtsprechung und/oder Literatur, jedenfalls aber auf ein ausführliches Rechtsgutachten verweisen kann.

Praxistipp

1. Die technischen Gründe für eine Direktvergabe müssen (insbesondere durch eine entsprechende Markterkundung) sind detailliert zu ermitteln.

2. Eine Ex-ante-Transparenzbekanntmachung bringt nur in wenigen Fällen Rechtssicherheit nach § 135 Abs. 3 GWB. Jedenfalls sind eine detaillierte Dokumentation und eine – möglichst gutachterlich abgesicherte – rechtliche Stellungnahme des öffentlichen Auftraggebers erforderlich, aus der hervorgeht, dass eine Direktvergabe zulässig ist.

3. Bestehen Zweifel an der Zulässigkeit der Direktvergabe, ist allein die Durchführung eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens rechtssicher – allerdings mit dem Risiko, dass der einzig mögliche Bieter überhöhte Preise aufruft. Ggf. kann dann ein Verhandlungsverfahren nach § 14 Abs. 3 Nr. 5 VgV durchgeführt werden.

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Keine vergaberechtskonforme Wertung ohne aussagekräftige Vergabedokumentation und zureichende Zuschlagskriterien (VK Südbayern, Beschl. v. 04.07.2017, Z3-3-3194-1-17-04/17)

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Liefer- & DienstleistungenRechtUNBEDINGT LESEN!

EntscheidungDie Vergabekammer München hatte in einem Nachprüfungsverfahren – es ging u.a. um Vergaben im so genannten  Mietwäscheverfahren sowie  im Lohnwäscheverfahren  –  zur Nichtigkeit des geschlossenen Vertrags wegen ungenügender Information nach § 134 Abs. 1 GWB sowie zur Rückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor Bereitstellung der Vergabeunterlagen zu entscheiden.

Leitsätze

  1. Wird der Zuschlag erteilt, ohne dass einem Bieter vorher die Information nach § 134 Abs. 1 GWB übermittelt wurden, ist auf seinen Antrag nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB die Nichtigkeit des geschlossenen Vertrags festzustellen. Dies gilt auch dann, wenn der betreffende Bieter die ungenügende Information nach § 134 Abs. 1 GWB nicht oder nicht rechtzeitig gerügt hat.
  2. Die Anordnung der Wiederholung der Wertung aufgrund fehlender Dokumentation der Wertung der nichtpreislichen Zuschlagskriterien verbietet sich, wenn aufgrund der Festlegung unzureichender Zuschlagskriterien feststeht, dass eine vergaberechtskonforme Wertung von vorneherein nicht möglich ist.
  3. In diesem Fall ist das Vergabeverfahren in den Stand vor Bereitstellung der Vergabeunterlagen zurückzuversetzen oder aufzuheben. Dies gilt auch dann, wenn der betreffende Bieter die unzureichenden Zuschlagskriterien nicht rechtzeitig gem. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB gerügt hat.

§ 127, § 134, § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB, § 58 VgV

Sachverhalt

Der Auftraggeber schrieb in einem EU-weiten Vergabeverfahren Dienstleistungen der qualifizierten Aufarbeitung von Flachwäsche, Babyartikeln, Dienst- und Bereichsbekleidung im Mietwäscheverfahren sowie die qualifizierte Aufarbeitung hauseigener Spezialartikel im Lohnwäscheverfahren als Rahmenvereinbarung mit einer Laufzeit von 60 Monaten aus.

In der Bekanntmachung gab der Auftraggeber folgende Zuschlagskriterien anhand derer das wirtschaftlichste Angebot ermittelt werden sollte, bekannt:

„1. Preis Mietwäsche, Gewichtung 60

2. Preis Lohnwäsche, Gewichtung 10

3. Musterung und Qualitätsbeurteilung, Gewichtung 30

Zusätzlich ergab sich aus einem den Ausschreibungsunterlagen beiliegenden Formblatt (L227.H – Gewichtung der Zuschlagskriterien), dass alle drei Kriterien jeweils nach einer Skala von 0 bis 10 Punkten bewertet werden sollten. Grundlage diese Wertung sollten die Einstufung der Angaben im ‚Angebot als Angebot wie LV‘, ‚Besser als LV‘ und ‚Mindestanforderungen‘ sein.“

Das Leistungsverzeichnis in der Ausschreibung enthielt ebenfalls Erläuterungen zur Wertung. Es wies eine identische Gewichtung der drei Kriterien „Preis Mietwäsche“, „Preis Lohnwäsche“ und „Bemusterung und Qualitätsbeurteilung wie im Formblatt L227.H“ auf. Weiterhin hieß es dort:

Lohnwäsche/Mietwäsche

die Bieter können in den Wertungskriterien Lohnwäsche und Mietwäsche maximal 100 Rohpunkte erreichen, die entsprechend gewichtet werden. Es ergeben sich damit maximal 100 gewichtete Punkte.

Der Bieter mit dem niedrigsten Gesamtpreis erhält die volle Punktzahl (100 Punkte). Die anderen Bieter […] erhalten eine proportional niedrigere Punktzahl anhand der folgenden Formel:

Punkte Bieter B = Preis Bieter A / Preis Bieter B x 100

Die Einzelwerte werden addiert zu einer Gesamtsumme.

Bemusterung und Qualitätsbeurteilung

Die Bewertung der Bemusterung und Qualitätsbeurteilung bzw. der übersandten Musterartikel […] wird durch eine Fachgruppe des Auftraggebers unter einheitlichen Bedingungen und unter Ansetzung einheitlicher Bewertungsmaßstäbe für sämtliche Angebote durchgeführt. Die Fachgruppe bewertet die eingesandten Muster nach den nachfolgend aufgeführten Einzelkriterien:

Orientierende Prüfung der gemusterten Mietartikel

Kriterienkatalog Stationswäsche:

5 = sehr gut, 4 = gut, 3 = befriedigend, 2 = ausreichend, 1 = schlecht

– Optik allgemein
– Maßigkeiten
– Glätte
– Faltsystematik
– Faltqualität
– Griff und Haptik
– Design & Farbe
– Nahtverarbeitung

Einzelwertungsquote Kriterienkatalog Stationswäsche

5 = sehr gut, 4 = gut, 3 = befriedigend, 2 = ausreichend, 1 = schlecht

– Optik allgemein
– Schnitt
– Farbgebung/WG
– Glätte
– Blickdichte
– Oberteil Ausschnitt/Taschen
– Hose Passform/Taschen
– Nahtverarbeitung

Gesamtbewertung der gemusterten Artikel Skala von 01 schlecht bis 05 sehr gut und vergibt für die Musterartikel folgende Qualitätspunkte:

5 Punkte: sehr gute Erfüllung des einzelnen Kriteriums
4 Punkte: gute Erfüllung des einzelnen Kriteriums
3 Punkte: befriedigende Erfüllung des einzelnen Kriteriums
2 Punkte: ausreichende Erfüllung des einzelnen Kriteriums
1 Punkt: ungenügende Erfüllung des einzelnen Kriteriums

Die Qualitätspunkte für die Musterartikel werden addiert und wie folgt in eine Reihenfolge gebracht:

Der Bieter mit der höchsten Zahl Qualitätspunkte erhält die volle Punktzahl (100 Punkte). Die anderen Bieter […] erhalten eine proportional niedrigere Punktzahl anhand der folgenden Formel:

Punkte Bieter B = Qualitätspunkte Bieter B / Qualitätspunkte Bieter A x 100

Gesamtbewertung

Der Bieter, der nach den oben beschriebenen Wertungskriterien die höchste Punktzahl abgegeben hat, erhält den Zuschlag für den Gesamtauftrag.“

Die Antragstellerin beanstandete im Vergabeverfahren die Unterschiede zwischen den Angaben im Formblatt 227.H und den Angaben des LV, woraufhin ihr der Auftraggeber die Verbindlichkeit der Angaben im Formblatt 227.H bestätigte und gleichzeitig darauf hinwies, dass die Bewertungspunkte des Leistungsverzeichnisses gelten.

Im Rahmen der Beantwortung von Bieterfragen machte der Auftraggeber ferner Angaben, die dahingehend verstanden werden konnten, dass er die Gewichtung des Kriteriums Bemusterung und Qualitätsbeurteilung nachträglich von 30 % auf 13,84 % geändert haben könnte.

Ohne dies zu rügen, gab die Antragstellerin ihr Angebot ab. Mit einem Schreiben vom 10.03.2017 informierte der Auftraggeber die Antragstellerin darüber, dass beabsichtigt sei den Zuschlag auf das Angebot eines Mitbieters zu erteilen. Eine Begründung für diese Entscheidung enthielt das Schreiben nicht. Ebenfalls nicht mitgeteilt wurde der Antragstellerin der voraussichtliche früheste Zeitpunkt der Zuschlagserteilung.

Der Auftraggeber erteilte dem Mitbieter am 22.03.2017 den Zuschlag, ohne die Antragstellerin darüber nochmals zu informieren. Am 29.03.2017 ohne Kenntnis der Zuschlagserteilung rügte die Antragstellerin eine rechtlich unzureichende Vorinformation sowie eine nicht vergaberechtskonforme Angebotswertung aufgrund widersprüchlicher Angaben in der Bekanntmachung und den Vergabeunterlagen zum Wertungssystem. Im Rahmen der Rügeantwort informierte der Auftraggeber die Antragstellerin über die zwischenzeitlich erfolgte Zuschlagserteilung, woraufhin diese die Unwirksamkeit der Zuschlagserteilung rügte.

Im Verlauf der gewährten Akteneinsicht stellte die Antragstellerin insbesondere auch fest, dass bei der Bewertung des Angebotspreises Mietwäsche auch die Kosten für ein automatenbasiertes Wäscheausgabesystem berücksichtigt wurden, ohne dass dies in den Ausschreibungsunterlagen den Bietern offengelegt wurde. Dieses beanstandete sie noch im laufenden Vergabeverfahren ebenso wie die mangelhafte Dokumentation der Angebotswertung im Detail.

Die Entscheidung

Der Nachprüfungsantrag ist, soweit mit ihm die Feststellung der Unwirksamkeit des abgeschlossenen Vertrages nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB wegen eines Verstoßes gegen die Vorinformationspflicht nach § 134 Abs. 1 GWB begehrt wird und er sich gegen die Wertung der Angebote richtet, zulässig und begründet.

1. Die Vergabekammer stellt zunächst die Unwirksamkeit des Vertrages nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB fest. Die Unwirksamkeit folge daraus, dass der Zuschlag zu einem Zeitpunkt erteilt wurde als die Stillhaltefrist des § 134 Abs. 2 GWB weder begonnen habe noch abgelaufen sei. Die Stillhaltefrist nach § 134 Abs. 2 GWB habe nicht beginnen können, weil das Informationsschreiben vom 10.03.2017 formal mangelhaft war. Es enthielt nicht die zwingend erforderlichen Angaben über den Zeitpunkt der frühestmöglichen Zuschlagserteilung und die Benennung der Gründe für die Nichterteilung des Zuschlags. Da der Zuschlag bereits am 29.03.2017 auf ein Angebot eines Mitbewerbers erteilt wurde, konnten nachträgliche Informationsschreiben des Auftraggebers das Fehlen einer Vorinformation nach § 134 Abs. 1 GWB nicht mehr heilen. Der Zuschlag sei damit im Ergebnis ohne die vergaberechtlich erforderliche Vorinformation erfolgt.

2. Jenseits dieser bereits vorliegenden Unwirksamkeit des Vertrages, sieht die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag insbesondere wegen einer völlig unzureichenden Dokumentation der Angebotsprüfung als begründet. Die Vergabekammer betont, dass durch die Dokumentation die Wertungsentscheidungen im Vergabeverfahren so dokumentiert sein müssen, dass die Entschlussfassung bzw. Bewertung inhaltlich nachvollziehbar sei. Dazu gehöre nach § 8 VgV insbesondere die Dokumentation über die Gründe der Auswahl eines Bieters. Dem werde die Verfahrensdokumentation im hiesigen Fall nicht gerecht.

a) Aus der Dokumentation sei die Bemusterung und Qualitätsbeurteilung der Stationswäsche und Dienstkleidung/ Bereichskleidung nicht nachvollziehbar. In der Einladung an die Bieter zur Präsentation und Bemusterung würden die Bieter zu einer Bemusterung ihres gesamten Artikelsortiments eingeladen. Die Bieter hätten auf diese Aufforderung hin jeweils über 60 verschiedene Artikel in verschiedenen Größen präsentiert. Aus der Dokumentation gehe jedoch nicht hervor, wie viele Wäschestücke davon tatsächlich bewertet wurden und welche Größe die jeweils bewerteten Wäschestücke der jeweiligen Bieter gehabt hätten. Ferner fehle jegliche Dokumentation dazu, welche Bewertung welches einzelne Wäschestück jeweils von den jeweiligen Bewertern erhalten habe und welche Wäschestücke überhaupt den jeweiligen Bewertungen in den einzelnen Unterkriterien zu Grunde gelegt wurden.

b) Anhand der Dokumentation der Angebotswertung bleibe ebenfalls unklar, was die Gremien bewertet haben. Es sei nicht ersichtlich, nach welchem Maßstab das Unterkriterium Optik bestimmt wurde und wie dieses Unterkriterium vom Unterkriterium Design & Farbe bei der Bewertung abgegrenzt wurde. Dies gelte auch für die Unterkriterien Griff & Haptik bei der Stationswäsche oder Schnitt und Ausschnitt bzw. Passform beim Unterkriterium Dienstkleidung/Bereichskleidung. Offen bleibe auch, anhand welcher Kriterien und wie die Wäschestücke hinsichtlich der Haptik bewertet wurden.

c) Unklar bleibe schließlich auch, woraus sich einzelne Notenabweichungen bei den Unterkriterien Schnitt, Blickdichte, Glätte und Farbqualität ergeben. Hier sei insbesondere nicht nachvollziehbar, ob einzelne Bewerter bei der Bewertung einzelne Wäschestücke anprobiert hätten, sodass sie Kriterien wie die Passform haben bewerten können.

Die fehlende Dokumentation sieht die Vergabekammer, insbesondere vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BGH in seiner Entscheidung vom 04.04.2017 (AZ: X ZB 3/17), als gravierend an. In dieser Entscheidung habe der BGH nochmals das Erfordernis einer genauen Dokumentation betont, das nur erfüllt sei, wenn aus der Dokumentation nachvollziehbar sei, dass die jeweilige Bewertung ohne Benachteiligung einzelner Bieter erfolgt sei. Liege eine solche Dokumentation nicht vor, führe dies wie im vorliegenden Fall zur Erforderlichkeit einer Neuwertung aller Angebote.

3. Die Wertung sei aufgrund der festgestellten Mängel nicht haltbar. Den Weg für eine einer Neuwertung sieht die Vergabekammer im hiesigen Fall allerdings versperrt. Die Ausschreibungsunterlagen weisen aus Sicht der Vergabekammer mindestens drei schwerwiegende Vergabeverstöße auf, die eine vergaberechtkonformen Neubewertung unmöglich machen.

a) Den ersten schwerwiegenden Vergabeverstoß sieht die Vergabekammer darin, dass die aufgestellten Bewertungskriterien nicht auf sämtliche Wäschestücke anwendbar seien und somit eine vergaberechtskonforme Neuwertung der Angebote unmöglich sei. Zum Beispiel können die Faltsystematik eines Kinderschlüpfers, das Design und die Farbe sowie die Maßigkeit eines grünen OP-Tuchs nicht sinnvoll bewertet werden. Der Auftraggeber müsse für eine vergaberechtkonforme Wertung den jeweiligen Wäschestücken die zu ihnen jeweils passenden Kriterien verbindlich und nachvollziehbar zuordnen. Solange dies nicht geschehen sei, könne eine Wertung nicht vergaberechtskonform erfolgen. Zur Feststellung dieses schwerwiegenden Vergabeverstoßes sieht sich die Vergabekammer auch ohne ausdrückliche Rüge durch den Antragsteller befugt. Dem Auftraggeber könne unter Verweis auf eine vermeintliche Rügepräklusion schließlich nicht jegliche Handlungsweise, ohne Beachtung der diesen Handlungen innewohnenden Manipulationsgefahr und des Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, gestattet werden.

b) Den zweiten schwerwiegenden Vergaberechtsverstoß sieht die Vergabekammer bei der Gewichtung der Zuschlagskriterien. Aufgrund der Angaben des Auftraggebers bei der Beantwortung der Bieterfragen sei unklar, ob das Kriterium Bemusterung und Qualitätsbeurteilung wie in der Bekanntmachung angegeben mit 30 % gewichtet werde oder ob die Gewichtung dieses Kriteriums vom Auftraggeber nachträglich auf einen Prozentanteil von 13,84 % gesenkt wurde. Die Nachträgliche Änderung der Gewichtung der Zuschlagskriterien sei ein schwerwiegender Vergabeverstoß, dem eine erhebliche Manipulationsgefahr innewohne. Aufgrund dessen sah sich die Vergabekammer auch hier befugt, diesen Verstoß festzustellen, auch wenn es an einer rechtzeitigen Rüge gefehlt habe.

c) Schließlich sieht die Vergabekammer den dritten schwerwiegenden Vergabeverstoß darin, dass der Auftraggeber in den Ausschreibungsunterlagen nirgends festgelegt habe, ob die Kosten für das automatenbasierte Wäscheausgabesystem beim Angebotspreises Mietwäsche von den Bietern einzukalkulieren und vom Auftraggeber zu werten seien. Die nachträgliche Vorgabe der Kalkulation und Wertung dieses Kriteriums durch den Auftraggeber könne nicht hingenommen werden. Dem Auftraggeber sei es nicht gestattet, die Zuschlagskriterien nachträglich zu ändern. Erschwert werde der Verstoß auch dadurch, dass in den Vergabeunterlagen jegliche Aussage dazu fehle, auf Grundlage welcher Vertragslaufzeit die Kosten für das automatenbasierte Wäscheausgabesystem zu kalkulieren seien. Aufgrund dieser fehlenden Vorgabe, könnten keine vergleichbaren Angebote erwartet werden.

4. Im Ergebnis ist der abgeschlossene Vertrag unwirksam und das Vergabeverfahren in den Stand vor der Versendung der Vergabeunterlagen zu versetzen.

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung enthält eine willkommene Festigung und Konkretisierung bereits in der Rechtsprechung und Literatur entwickelter Grundsätze zu einzelnen vergaberechtlichen Einzelproblemen.

1. So stellt die VK Südbayern nochmals klar, dass ein Schreiben, welches den Grundanforderungen des § 134 Abs. 1 GWB nicht genügt, nicht die Stillhaltefrist des § 134 Abs. 2 GWB auslöst und damit die vergaberechtskonforme Erteilung des Zuschlags ermöglicht. Auftraggeber, die gleichwohl solche Schreiben versenden, gehen damit das Risiko der schwebenden Unwirksamkeit des geschlossenen Vertrages nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 134 Abs. 1 GWB ein. Diesem Risiko können sie auch nicht dadurch entgehen, dass sie nach erfolgter Zuschlagserteilung noch versuchen, die fehlende Vorinformation durch nachträgliche Schreiben an die unterlegenen Bieter zu heilen. Dieser Erkenntnis, die aufgrund der Lektüre des § 134 GWB eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, hatte es in Ansehung des Geschehensablaufs des hiesigen Falles aber gleichwohl bedurft.

2. Vergaberechtlich tiefschürfender sind die Ausführungen der VK Südbayern zu den Anforderungen an die Dokumentation der Wertungsentscheidung. Mit dem BGH in seiner Entscheidung vom 04.04.2017 (AZ: X ZB 3/17) wertet die VK Südbayern den Stellenwert der Dokumentation der Wertungsentscheidung erheblich auf. Der BGH hatte in seiner Entscheidung dem Auftraggeber keine Pflicht auferlegt, seine Bewertungsmethode, wie vor allem in der früheren Rechtsprechung des OLG Düsseldorf gefordert, so offenzulegen, dass jeder Bieter aus den Ausschreibungsunterlagen erkennen könne, welche Anforderungen er erfüllen müsse, um eine bestimmte Anzahl an Punkten zu erreichen. Das OLG Düsseldorf forderte insbesondere, es müsse dem Bieter stets möglich sein, aus den Ausschreibungsunterlagen zu ermitteln, was er zu leisten habe, um die maximale Punkteanzahl zu erreichen, um so das beste Angebot erstellen zu können. Nach der Auffassung des BGH reiche lediglich die Angabe der Zuschlagskriterien und ihrer Gewichtung, da der Auftraggeber hinsichtlich der Wertung einen Beurteilungsspielraum habe, der nicht durch zu detaillierte Anforderungen an die Angaben zur Wertungsmethode eingeschränkt werden dürfe. Als Kompensation für diese Betonung des Beurteilungsspielraums und der Erleichterung bei der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen, verlangte der BGH allerdings eine detaillierte Dokumentation, aus der sich die jeweils angewendete Wertungsmethode und die einzelnen Wertungen für die jeweiligen Zuschlagskriterien nachvollziehbar ergeben müssten. Die Ausübung des freien Beurteilungsspielraums des Auftraggebers müsse durch eine nachvollziehbare und transparente Dokumentation flankiert werden. Diese Linie greift die VK Südbayern hier auf und erfüllt sie mit Leben. Sie stellt anhand der Umstände des Einzelfalls nachvollziehbar dar, warum die Dokumentation im hiesigen Fall diese Anforderungen nicht erfüllt.

3. Auch die Argumentation der VK Südbayern zu den schwerwiegenden Vergaberechtsverstößen, die einer Neuwertung der Angebote entgegenstehen, überzeugt. Die Vergabekammer stellt nachvollziehbar dar, warum das Wertungssystem keine nachvollziehbare, wettbewerbliche und faire Neubewertung der Angebote ermöglicht, sodass eine Rückversetzung in den Stand der Angebotswertung nicht sinnvoll ist. Die von der Vergabekammer aufgeführten drei Mängel sind allesamt schwerwiegend, weil sie dem Auftraggeber ein erhebliches Manipulationspotential eröffnen und einem vergaberechtskonformen Verfahren grundsätzlich entgegenstehen (hier: Zuschlagskriterien passen nicht zu den zu bewertenden Wäschestücken, nachträgliche Veränderung der Zuschlagskriterien und nachträgliche Veränderung der Gewichtung der Zuschlagskriterien).

Auch ohne explizite Rüge darf eine Vergabekammer solch schwerwiegende Vergabefehler nicht unbeanstandet lassen und den Weg für eine Neuwertung der Angebote freimachen. Dieses Vorgehen wäre schwerlich mit dem Amtsermittlungsgrundsatz nach § 163 Abs. 1 GWB vereinbar. Der Einwand der Rügepräklusion darf nicht dazu führen, dass sämtliche Vergabefehler unabhängig von ihrer Schwere unbeachtlich sind, sobald einmal die Präklusion eingetreten ist. Zumindest für schwerwiegende Vergabefehler muss die Vergabekammer im Wege des Amtsermittlungsgrundsatzes nach § 163 Abs.1 GWB wirksam gegen die Rechtswidrigkeit des Verfahrens vorgehen können. Dies bereits auch deshalb, weil sie mit ihrer Entscheidung nach § 168 Abs. 1 S.2 GWB, insbesondere auch auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens hinwirken soll.

Praxistipp

Die Entscheidung sollte von öffentlichen Auftraggebern mit großer Aufmerksamkeit studiert werden. Sie stellt eindrücklich die Anforderungen an eine nachvollziehbare Dokumentation vergaberechtlicher Wertungsentscheidungen dar und erfüllt diese mit Leben. Dem Rechtsanwender wird damit einen gutes Gespür dafür vermittelt, wo Toleranzen hinsichtlich des Detailgrads der Dokumentation überschritten werden.

Des Weiteren macht die Entscheidung deutlich, dass auch nach der Entscheidung des BGH vom 04.04.2017 und den dortigen Ausführungen zum Beurteilungsspielraum, schwerwiegend fehlerhafte Wertungen und Wertungssysteme von den Nachprüfungsinstanzen nicht milder bewertet oder toleriert werden. Öffentliche Auftraggeber sind und bleiben zu hoher Sorgfalt bei der Angebotswertung und der Dokumentation der Wertungen verpflichtet.

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Keine Addition der Auftragswerte bei Hauptauftrag und begleitenden Beratungsleistungen (VK Bund, Beschl. v. 01.06.2017 – VK 1-47/17)

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BauleistungenRecht

EntscheidungBeratungsleistungen für die Vergabe eines öffentlichen Auftrags sind nicht auch nicht im Wege einer funktionalen Gesamtbetrachtung als Teil des Hauptauftrags anzusehen. Der Auftragswert baubegleitend ausgeschriebener Rechtsberatungsleistungen wird nicht bei der Gesamtauftragswertschätzung mit dem Auftragswert des Hauptauftrags der Bauleistung addiert. Beratungsleistungen sind nicht auch nicht im Wege einer funktionalen Gesamtbetrachtung als Teil des Hauptauftrags anzusehen.

GWB § 106 Abs. 2, VgV § 3 Abs. 6

Sachverhalt

Der Auftraggeber schrieb europaweit einen Bauauftrag aus. Bestandteil des Auftrags sollten auch vergabe- und vertragsrechtliche Beratungsleistungen für die Dauer von zwei Jahren nach Vertragsschluss sein. Nach der Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens im Hinblick auf die Vergabe bildete der Auftraggeber vier Lose und schloss interimsweise einen Vertrag mit einer Anwaltskanzlei über konkret bezeichnete vergabe- und vertragsrechtliche Beratungsleistungen für den Zeitraum bis zum Abschluss des zum damaligen Zeitpunkt anhängigen Beschwerdeverfahrens zum Hauptauftrag. Nach eigenen Angaben hatte der Auftraggeber hierfür eine freihändige Vergabe mit beschränktem Teilnahmewettbewerb durchgeführt. Die Antragstellerin wandte sich dagegen mit einem Nachprüfungsantrag. Sie machte geltend, vorher hätte eine Bekanntmachung im EU-Amtsblatt erfolgen müssen. Der maßgebliche Schwellenwert sei nämlich überschritten, da der Wert des Hauptauftrags bei der Berechnung des Auftragswerts der Beratungsleistungen hätte berücksichtigt werden müssen. Es liege ein einheitlicher Auftrag und zugleich eine Vorwegnahme der Leistung des Hauptauftrags vor, weil Beratungsleistungen aus dem Interimsauftrag und der Hauptauftrag auf einer im Wesentlichen identischen Leistungsbeschreibung beruhen würden und vom Auftragnehmer des Interimsauftrags auf den Auftragnehmer des Hauptauftrags übergehen sollten.

Die Entscheidung

Der Nachprüfungsantrag blieb ohne Erfolg! Die VK Bund verwarf ihn als unzulässig. Der nach § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB i.V.m. Art. 4 lit. d) der Richtlinie 2014/24/EU maßgebliche Schwellenwert von 750.000 Euro sei vorliegend nicht überschritten. Die vier Lose des Interimsvertrags seien nicht als Lose des Bauauftrags zu sehen, dem sie letztlich dienen sollen. Weder seien die Beratungsleistungen i.S.d. § 3 Abs. 6 Abs. 1 VgV für die Ausführung des Bauauftrags erforderlich, da das Bauvorhaben auch ohne sie realisiert werden könne; noch würden sie dem Auftragnehmer vom Auftraggeber für die Bauleistung zur Verfügung gestellt. Damit seien Beratungsleistungen nicht als Teil des Bauauftrags anzusehen.

Etwas anderes folge nach Auffassung der VK Bund auch nicht aus der Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 15.03.2012, C-574/10 Autalhalle Niedernhausen Rn. 50).  Der EuGH spreche sich zwar für eine funktionale Betrachtungsweise der Frage aus, ob ein einheitlicher Auftrag vorliegt. Jedoch müssten auch danach die Beratungsleistungen derart mit dem Bauauftrag verknüpft sein, dass sie davon nicht trennbar sind. Da die Annahme einer solch engen Verknüpfung mit einer Bauleistung nach dem EuGH schon bei Architektenleistungen ausscheide, müsse dies erst recht für juristische Beratungsleistungen in Bezug auf einen Bauauftrag gelten.

Sodann befasst sich die VK Bund ausführlich mit der Berechnung des Auftragswerts der Beratungsleistungen selbst: Der Auftragswert des Hauptauftrags, der ja ebenfalls Beratungsleistungen zum Inhalt habe, sei hierbei nicht hinzuzurechnen. Die Leistungen des Interimsauftrags und des Hauptauftrags würden nicht in wirtschaftlicher oder technischer Sicht aufeinander aufbauen. Vielmehr sei der Bedarf für den Interimsauftrag erst durch den für den Hauptvertrag anhängigen Nachprüfungsantrag entstanden. Er lässt den Bedarf für den Hauptauftrag hier auch unberührt. Dies schließe eine funktionale Gesamtbetrachtung beider Abschnitte ebenfalls aus.

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung der VK Bund macht deutlich, dass auch im Rahmen einer funktionalen Betrachtung der Funktionszusammenhang zwischen Beratungsdienstleistungen und dem Hauptauftrag stets im Blick behalten werden muss. Der Anwendungsbereich des europäischen Vergaberechts kann auch infolge der funktionalen Betrachtung nicht beliebig ausgeweitet werden.

Gestützt wird die ausführlich begründete Auffassung der VK Bund insbesondere durch die amtliche Begründung zu der Verordnung der Bundesregierung zur Modernisierung des Vergaberechts (BT-Drs. 18/7318, S. 148). In der Begründung zu § 3 Abs. 6 VgV heißt es nämlich, diese Vorschrift beziehe sich ausschließlich auf die unmittelbar für die Errichtung eines Bauwerks erforderlichen Dienstleistungen. Nur in diesem Zusammenhang stehende Dienstleistungen seien gemeint. § 3 Abs. 6 VgV bezwecke hingegen nicht, eine gemeinsame Vergabe von Bau- und Planungsleistungen vorzuschreiben. Dass auch einer funktionalen Betrachtungsweise gewisse Grenzen gesetzt sind, lässt sich also auch der amtlichen Begründung zu § 3 Abs. 6 VgV durchaus entnehmen.

Überzeugend ist die Entscheidung der VK Bund im Ergebnis auch deswegen, weil sie den Umstand berücksichtigt, dass der Auftraggeber vorliegend gerade nicht von vornherein den gesamten Auftrag künstlich unterteilen wollte. Die Notwendigkeit eines Interimsauftrags ist schließlich durch das Nachprüfungsverfahren in Bezug auf den Hauptauftrag entstanden. Ferner bestand auf Seiten des Auftraggebers nicht vornherein der Wille, die benötigten Dienstleistungen zwecks Umgehung des EU-Vergaberechts in mehrere Abschnitte zu unterteilen. Gerade aber diese künstliche Aufteilung will der EuGH schließlich durch eine funktionale Betrachtungsweise unterbinden (EuGH, Urt. v. 15.03.2012, C-574/10 Autalhalle Niedernhausen, Rdnr. 36). Daher steht die Entscheidung der VK Bund im Einklang mit der Linie des EuGH.

Praxistipp

Auch bei Zugrundelegung einer funktionalen Betrachtungsweise im Rahmen der Schwellenwertermittlung sind der Zusammenrechnung von Aufträgen Grenzen gesetzt: Nur dort, wo die Verknüpfung zwischen einer Baudienstleistung und einer begleitenden Beratungsleistung derart eng ist, dass die erste nicht ohne die zweite möglich ist, muss addiert werden. Dies wird manchem Auftraggeber sicher gelegen kommen, gerade wenn es um die Beauftragung von Projektantenleistungen (d.h. Hilfestellung bei der Vergabe als solcher) geht.

Sofern es nicht um bauauftragsbegleitende Beratungsleistungen, sondern um Fachplanungsleistungen geht, gelten einer aktuellen Entscheidung des OLG München zufolge dieselben Grundsätze. Im Ergebnis aber wird hier im Unterschied zu juristischen Beratungsleistungen die enge Verknüpfung bei funktionaler Betrachtung eher gegeben sein (OLG München, Beschl. v. 13.03.2017 Verg 15/16).

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