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Kein Auskunftsanspruch für Informationsdienste auf Ausschreibungsinformationen über abgeschlossene Vergabeverfahren (VG Stuttgart, Urt. v. 23.06.2016 ‒ 1 K 3376/13)

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Recht

EntscheidungNach wie vor werden öffentliche Auftraggeber häufig von privaten Informationsdiensten aufgefordert, nach Auftragsvergabe Informationen zu den Ausschreibungsergebnissen für eine Veröffentlichung anzugeben. Die Thematik war bereits mehrfach Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. Vor kurzem sah das VG Schwerin einen Presseauskunftsanspruch zu Informationen über eine Auftragsvergabe als gerechtfertigt an (Urt. v. 18.05.2015 ‒ 6 A 75/14; vgl. den Beitrag des Autors, Vergabeblog.de vom 28/01/2016, Nr. 24687). Demgegenüber hatte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Beschluss vom 25. März 2014 festgestellt, dass privaten Datensammlern kein Auskunftsanspruch gegen öffentliche Auftraggeber zusteht (1 S 169/14; vgl. den Beitrag des Autors, Vergabeblog.de vom 28/01/2016, Nr. 19767). In diese Rechtsprechung reiht sich das Urteil des VG Stuttgart vom 23. Juni 2016 (1 K 3376/13). Demnach besteht kein presserechtlicher Auskunftsanspruch, wenn der Schwerpunkt des Angebots des Informationsdienstes auf der kommerziellen Vermarktung der Informationen liege.

Hintergrund

Die Auskunftsansprüche der Informationsdienste zielen darauf ab, Informationen über bereits abgeschlossene Vergabeverfahren zu erhalten. In der Regel werden die Auftraggeber ersucht, den Namen des Auftragnehmers, die Anzahl der Bieter sowie die Auftragssumme preiszugeben. Die Unternehmen der Informationslogistik berufen sich hierbei zumeist auf einen Anspruch aus dem jeweiligen Landespressegesetz, dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes oder eines Landes, soweit letzteres vorhanden ist, oder auf den Rundfunkstaatsvertrag.

Entscheidung

Das VG Stuttgart verneinte einen Auskunftsanspruch. Es fehle an der journalistisch-redaktionellen Tätigkeit des Informationsdienstleisters. Dass der klagende Informationsdienst neben dem Betrieb mehrerer Internetportale auch eine quartalsweise erscheinende Zeitschrift mit Informationen über vergebene Aufträge herausgibt, ändere nichts an dieser Einschätzung. Eine journalistische Tätigkeit setze einen Beitrag zum demokratischen Meinungsbildungsprozess voraus. Ein solcher Beitrag werde jedoch nur dann erbracht, wenn der publizistische Beitrag nicht nur schmückendes Beiwerk einer im Übrigen rein kommerziellen Kommunikation sei. Davon sei vorliegend auszugehen, weil der Geschäftszweck in der Sammlung und Aufbereitung von Auftragsinformationen für Unternehmen insbesondere der Bauwirtschaft liege. Die Internetportale seien vorwiegend auf Geschäftsinteressen gewerblicher Nutzer zugeschnitten.

Rechtliche Würdigung

Interessant an der Entscheidung des VG Stuttgart ist, dass auch ein Printmedium in Ergänzung zu den Internetplattformen des Informationsdienstes nicht zwingend ein journalistisch-redaktionelles Angebot darstellt. Zutreffend stellt das VG Stuttgart fest, dass bei der Überprüfung ein individueller Maßstab anzulegen ist, der die Nutzersicht in den Vordergrund stellt. Für den einzelnen Nutzer sei jedoch das Gesamtangebot aus Internetportalen und dem erscheinenden Printmedium maßgeblich.

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Fazit

Die Entscheidung des VG Stuttgart verdient Zustimmung. Öffentliche Auftraggeber sind grundsätzlich weder auf der Grundlage des einschlägigen Landespressegesetzes noch unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet, privaten Informationsdiensten Ausschreibungsinformationen über abgeschlossene Vergabeverfahren zukommen zu lassen. Presserechtliche Auskunftsansprüche dienen nicht dazu, kommerziellen Anbietern zu einer Verbesserung ihrer Position am Markt zu verhelfen. Daher ist die verwaltungsgerichtliche Betrachtungsweise aus Nutzersicht konsequent. Den Nutzern werden keine Informationen über abgeschlossene Vergabeverfahren vorenthalten. Schließlich müssen öffentliche Auftraggeber eine Bekanntmachung über vergebene Aufträge nur in den Fällen vornehmen, in denen vergaberechtliche Vorschriften hierzu eine Verpflichtung enthalten. Dann kann jeder Marktteilnehmer die bekanntgegebenen Ausschreibungsinformationen ohne weiteres ermitteln und in rechtlich zulässiger Weise weiterverwenden.

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Leistungen im Angebot müssen auch ohne ausdrücklich geforderte Mindestvorgaben (!) objektiv ausreichend für die ordnungsgemäße Leistungserbringung sein (OLG Dresden, Beschl. v. 23.09.2016 – Az. Verg 3/16)

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Liefer- & DienstleistungenRecht

EntscheidungBieter müssen ihr Angebot so kalkulieren und entsprechende Angaben machen, dass der Auftraggeber nachvollziehen kann, ob mit der angebotenen Leistung die nachgefragten Leistungen objektiv ausreichend erbracht werden kann. Gibt ein Bieter zum Beispiel keine (nach Auffassung des Auftraggebers!) ausreichende Anzahl an Servicekräften für eine nachgefragte Leistung an, ist sein Angebot wegen Änderungen oder Ergänzungen der Vergabeunterlagen auszuschließen.

§§ 53 Abs. 7 Satz 1, 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV 2016 (früher §§ 16 EG Abs. 4 Satz 1, 19 EG Abs. 3 VOL/A 2009)

Sachverhalt

Der Auftraggeber schrieb das Management von Speisenversorgungsleistungen an mehreren Klinikstandorten aus. Nach dem Inhalt der Vergabeunterlagen sollten die Bieter in ihren Angeboten diverse Angaben zu dem von ihnen beabsichtigten Personaleinsatz und die dadurch entstehenden Kosten machen. Hierfür war den Vergabeunterlagen unter anderem eine Anlage beigefügt, die die Kosten für das fachliche Management der Speisenversorgung, das Vollzeitkräftevolumen und das Personenvolumen abfragte. Zu den vom Auftragnehmer am Standort W. einzusetzenden Servicekräften enthielten die Vergabeunterlagen keine Mindestvorgaben. Der Antragsteller (ASt) trug daraufhin in die vorgegebene Tabelle die Ziffer 4,0 ein, in der Zeile Administrationskraft; Auftragnehmer“ nahm der ASt die Eintragung 0,66 vor.

Der Auftraggeber informierte den ASt, dass dessen Angebot auszuschließen ist, weil es in unzulässiger Weise von den Vergabeunterlagen abweicht. Im Hinblick auf die Angabe der Servicekräfte zur Versorgung des Standorts führte der Auftraggeber unter anderem aus, dass die Angabe von nur vier Servicekräften für die Versorgung der acht Stationen am Standort W. nicht auskömmlich sei. Der ASt rügte die beabsichtigte Auftragsvergabe und beantragte bei der Vergabekammer, sein Angebot wieder zuzulassen und die Angebotswertung erneut durchzuführen. Die Vergabekammer lehnte dieses Ansinnen ab und bestätigte den Angebotsausschluss. Hiergegen wandte sich der ASt mit seiner sofortigen Beschwerde.

Die Entscheidung

Ohne Erfolg! Der ASt hat nach Ansicht (des Auftraggebers und) des Senats beim Standort W. keine ausreichende Anzahl von Servicekräften vorgesehen, so dass der Senat darin ein Abweichen von den Vertragsunterlagen mit der Folge erblickte und deshalb der Ausschluss des Angebots unumgänglich war.

Der Senat betont, dass das Fehlen von ausdrücklichen Mindestvorgaben nicht bedeutet, dass die Bieter Ihren Angaben völlig frei gewesen wären. Vielmehr liege es auf der Hand, dass die Angebotsunterlagen die Angabe jedenfalls so vieler Servicekräfte erwarten ließen, wie zur ordnungsgemäßen Erbringung der Leistung mindestens notwendig sind. Der Senat schließt sich dabei der Erklärung des Auftraggebers an, wonach mit nur vier Servicekräften der Arbeitsanfall nicht zu bewältigen sei. Zum einen geht der Senat davon aus, dass die von der Antragstellerin für den Standort W. eingeplanten Einsatzkräfte zu der Anzahl der Vollzeitkräfte an anderen Standorten offenkundig und in nicht nachvollziehbarer Art und Weise abweichen. So sehe das Angebot der Antragstellerin für einen anderen Standort beispielsweise 1,28 Vollzeitkräfte pro Station vor, für den Standort W. dagegen nur 0,57 Vollzeitkräfte pro Station. Daran ändert sich nach Ansicht des Senats auch dann nichts, wenn man bei einer Gegenüberstellung der Anzahl der Servicekräfte an den beiden Standorten die Frage berücksichtigt, wie viele Patienten von einer Vollzeitkraft bedient werden (müssen). Nach dem Vortrag des ASt soll an den übrigen Standorten eine Vollzeitkraft durchschnittlich 17,5 Patienten betreuen, am Standort W. soll dagegen eine Vollzeitkraft für durchschnittlich 20,6 Patienten zuständig sein. Das sind in Anbetracht der erfahrungsgemäß knapp gehaltenen Kalkulationen in der Anzahl von in einem Krankenhaus tätigen Kräfte im nichtärztlichen Dienst nach Ansicht des Senats nicht unerhebliche Differenzen, die einen Ausschluss des Angebots erforderlich machen.

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung überzeugt nicht.

Auch wenn dem Senat zuzugestehen ist, dass Bieter so viele Servicekräfte anzubieten haben, wie zur ordnungsgemäßen Erbringung der Leistung (mindestens) notwendig sind, ist vorliegend fraglich, ob in einer nach Auffassung des Auftraggebers zu niedrigen Zahl ein Ausschluss wegen Änderungen oder Ergänzungen der Vergabeunterlagen erachtet werden kann. Da jeder Bieter nur das anbieten darf, was der öffentliche Auftraggeber tatsächlich nachgefragt hat, und sich keinen Wettbewerbsvorteil verschaffen darf, indem er von den Vorgaben abweicht, ist gewährleistet, dass nur solche Angebote gewertet werden, die in jeder aus den Vergabeunterlagen ergebenden Hinsicht miteinander vergleichbar sind. Unzulässige Änderungen an den Vergabeunterlagen liegen immer dann vor, wenn das Angebot von den genannten Vorgaben (eindeutig) abweicht, also immer dann, wenn ein Bieter etwas Anderes anbietet als vom öffentlichen Auftraggeber nachgefragt, sodass sich Angebot und Nachfrage nicht decken. Um festzustellen, ob ein Bieter die Vergabeunterlagen unzulässig geändert hat, ist also sein Angebot mit den in den Vergabeunterlagen genannten Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers an die zu erbringende Leistung zu vergleichen (vgl. zum Ganzen exemplarisch Dittmann in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, 2017, § 57 Rn. 47 ff. mit weiteren Nachweisen). Vor diesem Hintergrund ist zweifelhaft, ob in den Angaben des ASt im Angebot bereits eine Änderung der Vergabeunterlagen erblickt werden kann. Der Ausschlussgrund war für den ASt vorliegend jedenfalls nicht (ohne weiteres) ersichtlich und daher (zu) unbestimmt.

In Anbetracht der weitreichenden Rechtsprechung des OLG Düsseldorf zur Nachforderungen von Erklärungen und Nachweisen und der Pflicht zur Angebotsaufklärung vor Angebotsausschluss wäre der Auftraggeber vorliegend, die Entscheidung erging noch auf Grundlage des bis zum April 2016 geltenden, alten Rechts, gut beraten gewesen, hier im Vorfeld des etwaigen Ausschlusses eine belastbarere Rechtsgrundlage zu schaffen. Denn der Begriff der Erklärungen oder Nachweise sowie der Begriff der Angaben, Nachweise und Erklärungen ist – gleichviel, ob er auftragsbezogene oder unternehmensbezogene Angaben, Willenserklärungen oder Wissensmitteilungen betrifft nach dem Zweck der Norm denkbar weit zu verstehen. Gemäß der Intention, Angebotsausschlüsse aus lediglich formalen Gründen nach Möglichkeit zu vermeiden, darf der Auftraggeber Angebote, die bei Vorliegen formaler Mängel wegen widersprüchlicher Angaben (Erklärungen oder Nachweise) an sich ausschlusswürdig sind, im Übrigen nach Auffassung des OLG Düsseldorf nicht ohne Weiteres von der Wertung ausnehmen, ohne das von einem Ausschluss bedrohte Bieterunternehmen zuvor zu einer Aufklärung über den Inhalt des Angebots aufgefordert und ihm Gelegenheit gegeben zu haben, den Tatbestand der Widersprüchlichkeit nachvollziehbar auszuräumen (anschaulich z.B. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.10.2015 Az. VII-Verg 35/15). Zwar hat der zuständige Vergabesenat das Vorgehen des Auftraggebers (noch) gebilligt, die Entscheidung hätte aber durchaus auch anders ausfallen können.

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Praxistipp

Der Streitfall hätte vorliegend vermieden werden können, wenn der Auftraggeber seine Hausaufgaben in Gestalt einer eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung im Sinne des § 121 Abs. 1 GWB bei der Verfahrensvorbereitung gemacht hätte. Auftraggebern ist daher grundsätzlich zu empfehlen, immer dann Vorgaben bzw. Mindestanforderungen festzulegen, wenn sie ein bestimmtes Leistungsniveau, vorliegend eine bestimmte Mindestanzahl von Servicekräften, erwarten. Unterlassen sie dahingehend eindeutige Vorgaben bzw. verzichten sie auf Mindestanforderungen laufen sie Gefahr, dass die Bieter Leistungen anbieten und/oder entsprechende Angaben machen, die Zweifel an der Auskömmlichkeit der angebotenen Leistungen begründen.

Bietern auf der anderen Seite ist zu raten, rechtzeitig eindeutige Fragen zum erforderlichen Umfang von Leistungen zu stellen, wenn sie Zweifel haben. Nur dadurch (und entsprechend eindeutige Antworten des Auftraggebers) haben sie eine verlässliche Grundlage, auf der sie ihr Angebot hinreichend sicher kalkulieren und etwaiger Angebotsausschlüsse vermeiden können. Erkennen Auftraggeber aufgrund von Bieterfragen (erst) während der Verfahrensdurchführung, dass es Unklarheiten über den Mindestleistungsumfang gibt, ist ihnen zu empfehlen, diese durch Konkretisierung der Vergabeunterlagen allen Bietern gegenüber rechtzeitig auszuräumen. Dadurch hätte dieses Vergabenachprüfungsverfahren voraussichtlich vermieden werden können.

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Voraussetzungen für Inhouse-Vergaben konkretisiert

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Recht

Eine vergaberechtsfreie Inhouse-Vergabe setzt nicht zwingend voraus, dass der öffentliche Auftraggeber auch an der Geschäftsführung seiner eigenen GmbH beteiligt ist. Umgekehrt ist nicht jedes öffentlich beherrschte Unternehmen „inhousefähig“, insbesondere, wenn es auch für private Dritte tätig wird.

In dem Fall, der bundesweit Schlagzeilen gemacht hatte, war es um die Chauffeur- und Fahrdienste für die Abgeordneten des Deutschen Bundestages gegangen. Diese sog. „Mandatsfahrten“ sollten nach dem Auslaufen des Vertrages mit dem bisherigen – externen – Fahrdienstleister nunmehr durch eine bundeseigene Gesellschaft erbracht werden. Hiergegen zog der bisherige Dienstleister vor Gericht und rügte einen Verstoß gegen das Ausschreibungsgebot bei öffentlichen Aufträgen. Die Voraussetzungen einer so genannten „Inhouse-Vergabe“ seien nicht erfüllt.

Dem widersprach das OLG Düsseldorf (Az. VII-Verg 23/16), indem es eine ausschreibungsfreie Inhouse-Tätigkeit bejahte. Die vom Europäischen Gerichtshof in seiner Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an Kontrolle und Beherrschung des Tochter-Unternehmens seien hier erfüllt gewesen. Auch sei die im Streitfall maßgebliche Grenze einer Fremdtätigkeit für Dritte (10 %) eingehalten worden. Als Tätigkeit für den Bund seien sämtliche Aufgaben anzusehen, die die GmbH für bundeseigene Gesellschaften bzw. diesem zuzurechnende Stellen erbringt. Nicht der Tätigkeit für den Bund zuzurechnen seien lediglich solche Tätigkeiten, die die GmbH für private Dritte erbringt.

In einem italienischen Vergabeverfahren hat der EuGH entschieden, dass nicht jedes öffentliche beherrschte Unternehmen „inhousefähig“ ist (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2016 – Rs. C-553/15, siehe auch Besprechung hier). Es sei stets zu prüfen, ob und inwieweit die Tätigkeit des beauftragten Unternehmens für Dritte im Verhältnis zur Tätigkeit des Auftragnehmers für die „beherrschende Körperschaft“ als rein nebensächlich angesehen werden könne.

Anmerkung der Redaktion:

Beide Entscheidungen waren noch zur alten Rechtslage ergangen. Der neue § 108 Abs. 1 Nr. 2 GWB regelt nunmehr erstmals ausdrücklich die Voraussetzungen für die Annahme einer echten Inhouse-Konstellation. Das sog. „Wesentlichkeitskriterium“ wurde mit der neuen Regelung dahingehend konkretisiert, dass mehr als 80 % der Tätigkeiten des kontrollierten Unternehmens Tätigkeiten betreffen müssen, mit denen es vom kontrollierenden Auftraggeber beauftragt wurde.

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf wird in Kürze an dieser Stelle ausführlich besprochen.

Quelle: Rechtsprechungsdatenbank NRW

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Angebotswertung in Vergabeverfahren: Wertungspunkte müssen die Abstände der Angebotspreise widerspiegeln (VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 18.10.2016 – 1 VK 41/16)

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BauleistungenRecht

EntscheidungGroße Sorgfalt müssen Auftraggeber im Rahmen der Angebotswertung nicht nur auf die Bewertung qualitativer Aspekte legen, wie die aktuelle Debatte um die Schulnoten-Rechtsprechung des OLG Düsseldorf zeigt. Auch solche Kriterien, die sich grundsätzlich arithmetisch und damit rein rechnerisch darstellen lassen, können in der Praxis der Vergabestellen Schwierigkeiten bereiten. Begeht der Auftraggeber in dieser Hinsicht einen Vergaberechtsverstoß, muss häufig die Angebotswertung wiederholt werden oder gar eine neue Ausschreibung erfolgen. Die Vergabekammer Baden-Württemberg hat in diesem Zusammenhang festgestellt, dass starre Punktabzüge für den jeweils nächsthöheren Angebotspreis vergaberechtlich unzulässig sind.

GWB § 127 Abs. 1; VOB/A- EU § 16d Abs. 2 Nr. 1

Sachverhalt

Der Auftraggeber schrieb im Rahmen eines europaweiten offenen Verfahrens Abbrucharbeiten und die Schadstoffsanierung für ein Hallenbad aus. Die Vergabeunterlagen sahen vor, dass das Angebot mit dem niedrigsten Preis 75 Punkte erhält. Für die preislich nächsthöheren Angebote war vorgesehen, dass diese jeweils 7,5 Punkte weniger erhalten. Unabhängig von den angebotenen Preisen war somit vorgegeben, dass das zweitplatzierte Angebot 67,5 Punkte, dass drittplatzierte Angebot 60 Punkte, usw. erzielen. Das Angebot der Antragstellerin im Vergabenachprüfungsverfahren war über 20 % günstiger als das des erstplatzierten Bieters. Gleichwohl lag das Angebot der Antragstellerin unter Berücksichtigung der neben dem Preis angewendeten Wertungskriterien nur auf dem zweiten Platz. Die Antragstellerin argumentierte nach erfolgloser Rüge im Nachprüfungsverfahren insbesondere, dass die Wertungsmethodik vergaberechtswidrig sei. Starre Punktabzüge seien nicht geeignet, das beste Preis-Leistungs-Verhältnis zu ermitteln. Vielmehr müssten die Wertungspunkte auch die konkreten Preisabstände widerspiegeln.

Die Entscheidung

Die Vergabekammer entschied, dass die vom Auftraggeber verwendete Wertungsmethodik vergaberechtlich unzulässig ist. Die Punkteberechnungsmethode in Bezug auf die angebotenen Preise sei nicht geeignet, das beste Preis-Leistungs-Verhältnis gemäß § 127 Abs. 1 Satz 2 GWB und § 16d Abs. 2 Nr. 1 VOB/A-EU zu ermitteln. Die Punktevergabe trage den relativen Preisabständen zwischen den einzelnen Angeboten der Bieter nicht hinreichend Rechnung. Die Wertungsmethodik des Auftraggebers führe dazu, dass ohne Berücksichtigung der unterschiedlichen Preishöhen zwangsläufig immer jeweils 7,5 Punkte zwischen den Angeboten liegen. Daraus ergebe sich, dass das um mehr als 20 % günstigere Preisangebot der Antragstellerin sich in der Gesamtwertung nur mit einem Plus von 7,5 Punkten niederschlägt. Wäre das Preisangebot aber nur einen einzigen Euro günstiger gewesen, änderte sich an der Punktvergabe nichts. Die Vergabekammer stellt auf dieser Grundlage einen Verstoß mit den Vorgaben des § 127 Abs. 1 Satz 2 GWB fest, wonach der Preis ausdrücklich in Relation zur Leistung gesetzt werden soll.

Die Vergabekammer Baden-Württemberg weist außerdem besonders darauf hin, dass der Preis mit erheblichem Gewicht in die Gesamtwertung einfloss. Wenn aber bereits der Auftraggeber dem Preis eine starke Gewichtung für den Zuschlag beimisst, dann müsse dem bei der Bewertung der Angebote in Bezug auf die Preisunterschiede entsprechend Rechnung getragen werden. Die Vorgehensweise des Auftraggebers führe somit zu wettbewerbswidrigen Verzerrungen. Das Vergabeverfahren sei daher aufzuheben.

Bei der erneuten Ausschreibung müsse der Auftraggeber berücksichtigen, dass auch die Heranziehung einer Standardumrechnungsformel aus einem der einschlägigen Vergabehandbücher oder die Berechnung der Angebote über einen Dreisatz sich aus den Vergabeunterlagen eindeutig entnehmen lassen müssen.

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Praxistipp

Auftraggeber müssen bei der Ausarbeitung der Bewertungsmethode nicht nur in Bezug auf qualitative Kriterien, sondern auch bei quantitativen Kriterien (Angebotspreis, technische Parameter) große Sorgfalt anwenden. Die aktuelle Rechtsprechung führt dazu, dass sämtliche Vordrucke und Formblätter auch in Bezug auf Standardumrechnungsformeln überprüft und gegebenenfalls vergaberechtskonform angepasst werden müssen. Des Weiteren ist Auftraggebern zu empfehlen, die Wertungsmethodik in den Vergabeunterlagen transparent vorzugeben. In Bezug auf die Wertung des Angebotspreises dürfte beispielsweise die Darstellung eines fiktiven Rechenbeispiels die Transparenz erhöhen. Für die Wertung der angebotenen Preise ist von zentraler Bedeutung, dass die vergebenen Wertungspunkte auch die tatsächlichen Preisabstände widerspiegeln.

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Zeitversetzte Einreichung von zwei Angeboten: Zwei Hauptangebote? (BGH, Urt. v. 29.11.2016 – X ZR 122/14)

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BauleistungenRecht

EntscheidungReicht ein Bieter nach einem ersten Angebot innerhalb der Angebotsfrist ein weiteres Angebot ein, ist das in der Regel nicht als weiteres Hauptangebot, sondern als Angebot verbunden mit der stillschweigenden Rücknahme des zeitlich frühen Angebots auszulegen.

 

§§ 133, 157 BGB

Leitsatz

Sendet ein Bieter auf elektronischem Wege ein Hauptangebot und mit gewissem zeitlichem Abstand (hier: etwa zwei Stunden) kommentarlos eine weitere als Hauptangebot erkennbare Offerte, ist dies regelmäßig, wenn nicht besondere Umstände auf einen abweichenden Willen des Absenders hindeuten, dahin zu verstehen, dass das spätere Angebot an die Stelle des früher eingereichten treten soll, nicht aber, dass beide als Hauptangebot gelten sollen.

Sachverhalt

Die Klägerin beteiligte sich an einem offenen Verfahren zur Vergabe von Tischlerleistungen. Sie reichte vor Ablauf der Angebotsfrist an einem Tag elektronisch zwei Angebote ein, zunächst gegen 9 Uhr ein erstes Angebot und kommentarlos gegen 11 Uhr ein zweites Angebot. Beide Angebote unterschieden sich hinsichtlich der Angaben zum Nachunternehmereinsatz, das zweite Angebot war außerdem wegen umgekehrter Zuordnung des Einheitspreises bei zwei Positionen geringfügig teurer. Der Auftraggeber berücksichtigte bei der Wertung nur das zweite Angebot.

Da die Klägerin (auch) mit dem zweiten Angebot die Mindestbietende war, forderte der Beklagte sie zur Nachreichung fehlender Unterlagen auf und lud sie anschließend zu einem Aufklärungsgespräch. Eine Woche später hob der Auftraggeber das Vergabeverfahren mit der Begründung auf, dass alle Angebote die Kostenschätzung deutlich überschreiten würden. An dem auf die Aufhebung folgenden zweiten Vergabeverfahren, das mit dem Zuschlag endete, nahm die Klägerin nicht mehr teil.

Die Klägerin machte wegen der ihrer Meinung nach rechtswidrigen Aufhebung des ersten Vergabeverfahrens Schadensersatz geltend und verlangte das positive Interesse (entgangenen Gewinn), hilfsweise das negative Interesse (Kosten der Angebotserstellung). Das Landgericht sprach der Klägerin den entgangenen Gewinn zu. Das OLG Naumburg hielt die Aufhebung des ersten Vergabeverfahrens ebenfalls für rechtswidrig. Es ließ den auf das positive Interesse gerichteten Schadensersatzanspruch aber daran scheitern, dass die Klägerin wegen unzulässiger Abgabe von zwei Hauptangeboten nicht für den Zuschlag in Betracht kam. Das OLG wies die Schadensersatzklage daher bis auf die Kosten für die Angebotserstellung von ca. 60 Euro ab.

Die Entscheidung

Auf die Revision der Klägerin hebt der BGH das Berufungsurteil auf und stellt das erstinstanzliche Urteil wieder her. In den Entscheidungsgründen hebt der BGH maßgeblich darauf ab, dass entgegen dem Berufungsurteil das später eingereichte Angebot nicht als zweites Hauptangebot zu werten ist, sondern als Angebot verbunden mit der stillschweigenden Rücknahme des früheren Angebots. Für diesen objektiven Erklärungswert des Verhaltens der Klägerin, der nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln ist, sprechen zwei Indizien. Zum einen ist der Vorgang der Übersendung der beiden Angebote durch den Abstand von zwei Stunden nicht mehr als Einheit zu begreifen; damit fehlt das verbindende Element, das für den Wunsch, zwei Hauptangebote einreichen zu wollen, sprechen könnte. Zum anderen kann der fehlende Kommentar der Klägerin bei Übersendung des zweiten Angebots nicht dahingehend verstanden werden, dass beide Angebote parallel gelten sollen. Im Zweifel ist das Verhalten der Klägerin so zu interpretieren, dass zumindest ein wertungsfähiges Angebot erhalten bleibt.

Rechtliche Würdigung

Der BGH zeigt offen sein Unverständnis dafür, dass das OLG abweichend vom Verständnis beider Parteien im Vergabeverfahren die Angebote der Klägerin als zwei parallel geltende Hauptangebote gewertet hat. Das OLG argumentierte vor dem Hintergrund der Manipulationsmöglichkeiten des Bieters bei der Abgabe von mehreren Hauptangeboten im VOB/A-Verfahren, unterstellte der Klägerin also potentiell unlautere Absichten. Der BGH hält dem das für die Vergabestelle erkennbare Interesse des Bieters entgegen, der im Zweifel wenigstens ein wertungsfähiges Angebot einreichen will. Eine Auslegung, die diese Interessenlage ohne triftigen Grund übergeht, kann keinen Bestand haben.

Im Rahmen der nicht tragenden Urteilsgründe äußert der BGH außerdem Zweifel an der Prämisse des Berufungsurteils, wonach unabdingbare Voraussetzung für die Wertungsfähigkeit mehrerer Hauptangebote eines Bieters ist, dass sie sich (auch) technisch-inhaltlich unterscheiden. So lautet auch die Rechtsprechung mehrerer Vergabesenate (OLG Düsseldorf, B. v. 21.10.2015 VII-Verg 28/14; OLG München, B. v. 29.10.2013 Verg 11/13). Die vom OLG Naumburg beschworene abstrakte Manipulationsgefahr bei Zulassung mehrerer sich nur preislich unterscheidender Hauptangebote stuft der BGH als nicht schlagendes, da eher rechtspolitisch motiviertes Argument ein. Die Rechtsprechung zur Unzulässigkeit von mehreren sich nur preislich unterscheidenden Hauptangeboten eines Bieters wird daher wohl in Bewegung geraten.

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Das Geflecht aus GWB, VgV und VOB/A verstellt leicht den Blick dafür, dass das Vergabeverfahren seinem Wesen nach eine Vertragsanbahnungsphase ist, in der die Willenserklärungen der Beteiligten nach zivilrechtlichen Grundsätzen auszulegen sind. Bei dieser Auslegung darf sich die Vergabestelle nicht blind stellen für die Folgen, die für den Bieter daraus erwachsen. Im Zweifel muss die Vergabestelle die Auslegungsvariante wählen, die auch in ihren Konsequenzen den Interessen des Bieters gerecht wird.

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Keine Antragsbefugnis von vom Vergabeverfahren rechtskräftig ausgeschlossenen Bietern (EuGH, Urt. v. 21.12.2016 C-355/15 Bietergemeinschaft Technische Gebäudebetreuung und Caverion Österreich)

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Liefer- & DienstleistungenRecht

Entscheidung-EUEinem Unternehmen, dessen rechtmäßiger Ausschluss aus einem Vergabeverfahren durch eine rechtskräftige Entscheidung festgestellt wurde, fehlt die Befugnis, den Ausschluss eines Konkurrenten in einem späteren zweiten Nachprüfungsverfahren zu beantragen.
Der EuGH hatte über die Frage zu entscheiden, ob ein Unternehmen, dessen rechtmäßiger Ausschluss vom Vergabeverfahren durch eine rechtskräftige Entscheidung bestätigt worden ist, die Befugnis hat, in einem sich zeitlich anschließenden Nachprüfungsverfahren zu verlangen, dass der einzige weitere Bieter aus dem Vergabeverfahren ebenfalls auszuschließen ist.

Art. 1 Abs. 3 RL 89/665/EWG, Art. 2a Abs. 2 RL 89/665/EWG

Leitsatz

Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21.12.1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.12.2017 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er dem nicht entgegensteht, dass einem Bieter, der durch eine rechtskräftig gewordene Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers von einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags ausgeschlossen wurde, in einem Fall, in dem nur er und der Zuschlagsempfänger Angebote abgegeben haben und der ausgeschlossene Bieter vorbringt, dass auch das Angebot des Zuschlagsempfängers hätte ausgeschlossen werden müssen, der Zugang zu einer Nachprüfung der Zuschlagsentscheidung für den betreffenden öffentlichen Auftrag und des Vertragsschlusses verwehrt wird.

Sachverhalt

Der EuGH musste sich auf ein Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofs (Österreich) nach Art. 267 AEUV mit der Rechtsfrage befassen, ob einem Unternehmen der Zugang zu einem Nachprüfungsverfahren verwehrt werden kann, wenn es in diesem vorträgt, dass ein anderer Bieter aus einem Vergabeverfahren ausgeschlossen werden müsse, in dem es selbst zuvor durch eine rechtskräftige Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers ausgeschlossen worden war.

Eine Bietergemeinschaft bewarb sich neben einem einzigen weiteren Bieter auf ein Vergabeverfahren zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung über die technische Betriebsführung, Instandhaltung, Instandsetzung und Wartung der technischen Gebäudeausrüstung und Laborausstattung des öffentlichen Auftraggebers. In der Folge wurde die Bietergemeinschaft durch den öffentlichen Auftraggeber wegen Unvollständigkeit der Vergabeunterlagen vom Vergabeverfahren ausgeschlossen. Hiergegen wendete sich die Bietergemeinschaft mit einem Nachprüfungsantrag, der vom Bundesverwaltungsgericht (Österreich) abgewiesen wurde. Auch die hiergegen gerichtete außerordentliche Revision vorm Verwaltungsgerichtshof (Österreich) blieb ohne Erfolg.

Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, jedoch noch vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs erteilte der öffentliche Auftraggeber den Zuschlag auf das Angebot des Konkurrenten. Die Bietergemeinschaft erhob gegen die Zuschlagsentscheidung einen Nachprüfungsantrag an das Bundesverwaltungsgericht (Österreich), der zeitlich nach dem rechtskräftigen Abschluss des ersten Nachprüfungsverfahrens mit der Begründung zurückgewiesen wurde, ein Bieter, dessen Angebot zu Recht ausgeschieden worden sei, könne durch Rechtswidrigkeiten, die das Verfahren zur Wahl eines anderen Angebotes für den Zuschlag beträfen, nicht in Rechten verletzt werden.

Hiergegen wendete sich die Bietergemeinschaft mit der Revision vor dem Verwaltungsgerichtshof (Österreich). Sie vertrat die Ansicht, dass der Sachverhalt demjenigen aus einer Entscheidung des EuGH im Fall Fastweb ähnele, in dem die Antragsbefugnis bejaht worden war (EuGH, Urt. v. 04.07.2013 C-100/12 Fastweb). Wie in dem dortigen Sachverhalt gebe es zwei Bieter, von denen jeder ein wirtschaftliches Interesse am Ausschluss des Angebots des jeweils anderen habe, das er auch dann geltend machen könne, wenn sein eigenes Angebot auszuscheiden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof bezweifelte, ob die in der Entscheidung Fastweb angestellten Erwägungen auch zum Tragen kämen, wenn ursprünglich zwei Bieter ein Angebot abgegeben hätten und der Ausschluss des Bieters, der die Zuschlagsentscheidung anfechten wolle, zuvor rechtskräftig vom Auftraggeber selbst festgestellt worden sei. Der Verwaltungsgerichtshof gründete seine Zweifel auf verschiedene aus der Richtlinie 89/665/EWG abgeleitete Umstände, insbesondere auf den Begriff betroffener Bieter im Sinne des Art. 2a Abs. 2 RL 89/665/EWG. Daher beschloss der Verwaltungsgerichtshof, das Verfahren auszusetzen und die Klärung der Rechtsfrage, ob die Versagung des Zugangs zum Nachprüfungsverfahren mit Art. 1 Abs. 3 RL 89/665/EWG zu vereinbaren ist, dem EuGH vorzulegen.

Die Entscheidung

Der EuGH stellte fest, dass Art. 1 Abs. 3 der RL 89/665/EWG einer Auslegung nicht entgegensteht, wonach einem Bieter, der wie die Bietergemeinschaft im Ausgangsverfahren als endgültig ausgeschlossener Bieter im Sinne von Art. 2a Abs. 2 UA 2 der RL 89/665/EWG anzusehen ist, der Zugang zum Nachprüfungsverfahren gegen die Zuschlagsentscheidung versagt ist.

Zwar würden Art. 1 Abs. 1 UA 3 und Art. 1 Abs. 3 der RL 89/665/EWG verlangen, dass Verfahren zur Nachprüfung der Entscheidungen eines öffentlichen Auftraggebers jedenfalls solchen Personen zustehen müssten, die ein Interesse an einem bestimmten Auftrag haben oder hatten und den durch einen behaupteten Verstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht.

Diese Voraussetzungen lägen wie der EuGH in seinem Urteil vom 05. April 2016, PFE (C-689/13) und vom 04. Juli 2013, Fastweb (C-100/12) ausgeführt habe jedoch nur vor, wenn zwei Bieter im Anschluss an ein Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrages Klagen erheben, mit denen der Ausschluss des jeweils anderen begeht wird. In einer solchen Situation habe nämlich jeder der Bieter ein Interesse daran, einen bestimmten Auftrag zu erhalten.

Der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens unterscheide sich jedoch ganz erheblich von den Sachverhalten in den beiden genannten Entscheidungen. Zum einen seien die Angebote der betroffenen Bieter in den Rechtssachen, in denen diese Urteile ergangen seien, nicht vom öffentlichen Auftraggeber ausgeschlossen worden. Zum anderen hatte in diesen Rechtssachen jeder Bieter die Ordnungsmäßigkeit des Angebots des jeweils anderen im Rahmen eines einzigen Verfahrens zur Zuschlagsentscheidung in Frage gestellt, wobei jeder von ihnen ein äquivalentes berechtigtes Interesse am Ausschluss des Angebots des jeweils anderen gehabt habe, was zu der Feststellung führen konnte, dass es dem öffentlichen Auftraggeber unmöglich war, ein ordnungsgemäßes Angebot auszuwählen. Im zugrundeliegenden Ausgangsverfahren habe die Bietergemeinschaft hingegen zunächst die gegen sie ergangene Ausschlussentscheidung angefochten und anschließend die Zuschlagsentscheidung für den Auftrag, wobei sie sich erst im zweiten Verfahren auf die Rechtswidrigkeit des Angebots der Zuschlagsempfängerin berufen habe.

Überdies sei festzustellen, dass die Richtlinie 89/665/EWG, wie sich aus ihrem Art. 1 Abs. 3 und Art. 2a ergebe, die Existenz wirksamer Nachprüfungsverfahren gegen rechtswidrige Entscheidungen im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags gewährleiste, indem jedem ausgeschlossenen Bieter die Möglichkeit eröffnet werde, nicht nur die Ausschlussentscheidung anzufechten, sondern auch, solange über diese Anfechtung noch nicht entschieden worden sei, spätere Entscheidungen, durch die ihm im Fall der Nichtigerklärung seines Ausschlusses ein Schaden entstehen würde.

Rechtliche Würdigung

Der EuGH musste sich in seiner Entscheidung mit einer Rechtsfrage auseinandersetzen, die sich von den von ihm bereits entschiedenen Konstellationen in einem entscheidenden Gesichtspunkt abhob. So stand im Ausgangsverfahren anders als in den zuvor entschiedenen Fällen die Antragsbefugnis eines Bieters in Frage, dessen rechtmäßiger Ausschluss aus einem Vergabeverfahren bereits rechtskräftig bestätigt worden war.

Folgerichtig kam der EuGH nach einem Vergleich des dem Ausgangsverfahren zugrundeliegenden Sachverhalts mit den seinen Entscheidungen in den Rechtssachen PFE (C-689/13) und Fastweb (C-100/12) zugrundeliegenden Sachverhalten zu dem Ergebnis, dass die diesen Entscheidungen zu entnehmenden Rechtsgrundsätze nicht auf die Verfahrens- und Sachlage des Ausgangsverfahrens angewendet werden können. Ein Bieter, über dessen Ausschluss bereits rechtskräftig entschieden worden ist, kann kein berechtigtes Interesse an dem Ausschluss des Angebots eines anderen Bieters geltend machen. Denn ein solcher Bieter hat kein Interesse mehr an dem ausgeschriebenen Auftrag, sondern vielmehr nur noch ein Interesse am Ausschluss des anderen Bieters. Das Interesse am Auftrag ist jedoch die Grundvoraussetzung für die Antragsbefugnis (vgl. Art. 1 Abs. 3 RL 89/665/EWG und auch § 160 Abs. 2 GWB), bei dessen Fehlen folgerichtig die Antragsbefugnis versagt werden muss.

Praxistipp

Die Entscheidung des EuGH macht deutlich, dass Bieter in den Konstellationen, in denen ihr Ausschluss endgültig ist, davon absehen sollten, in einem weiteren Nachprüfungsverfahren den Ausschluss eines anderen Bieters herbeiführen zu wollen. Ein endgültiger Ausschluss ist dabei nicht nur dann anzunehmen, wenn er wie im vorliegenden Fall von einer Nachprüfungsanstelle rechtskräftig als rechtmäßig anerkannt wurde, sondern auch dann, wenn der Ausschluss keiner Nachprüfung mehr zugeführt werden kann, da bereits Präklusion nach § 160 Abs. 3 GWB eingetreten ist.

Aussicht auf Erfolg hat ein Bieter jedoch dann, wenn der Ausschluss aus dem Vergabeverfahren noch nicht besiegelt ist. In diesen Fällen steht einem Bieter, selbst wenn im Rahmen des laufenden Nachprüfungsverfahrens festgestellt wird, dass sein Angebot oder er selbst rechtmäßig ausgeschlossen wurde, die Antragsbefugnis zu, wenn er schlüssig vorträgt, dass auch alle anderen Angebote auszuschließen seien, so dass kein zuschlagsfähiges Angebot übrig bleibe. Beim Vorliegen eines solchen Sachverhaltes sollte die Erhebung eines Nachprüfungsantrags daher stets erwogen werden.

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Kein Winter ohne Streusalz-Entscheidung: Grundsatz der produktneutralen Ausschreibung gegen Leistungsbestimmungsrecht (OLG Celle, Beschl. v. 10.11.2016 – 13 Verg 7/16)

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Liefer- & DienstleistungenRecht

EntscheidungDas Spannungsfeld zwischen dem Leistungsbestimmungsrecht einerseits und dem Grundsatz der produktneutralen Ausschreibung andererseits stellt in der Praxis öffentliche Auftraggeber häufig vor das Problem: Bis zu welchem Maß darf ich den Leistungsgegenstand und damit den Wettbewerb einschränken, ohne gegen den Grundsatz der produktneutralen Ausschreibung bzw. das Diskriminierungsverbot zu verstoßen?

§ 8 Abs. 7 Satz 1 VOL/A-EG

Leitsatz

Es verstößt nicht gegen den Grundsatz der produktneutralen Ausschreibung gemäß § 8 Abs. 7 Satz 1 VOL/A-EG, wenn bei der Ausschreibung eines Rahmenvertrages über die Lieferung von tauenden Streustoffen Salz aus einer bestimmten Gewinnungsstätte ausgeschlossen wird, bei dessen Verwendung in der Vergangenheit erhebliche Probleme (u.a. Verkrustungen und Verklumpungen) aufgetreten waren. Im Hinblick auf die zwingende Notwendigkeit eines jederzeit störungsfreien Betriebs des Winterdienstes darf der Auftraggeber die absehbaren Risiken der (Weiter-)Verwendung dieses Streusalzes ausschließen und den sichersten Weg wählen, weil bereits das tatsächlich vorhandene Risikopotential die getroffene Beschaffungsentscheidung sachlich rechtfertigt.

Sachverhalt

Der Auftraggeber schrieb in einem offenen Verfahren den Rahmenvertrag über die Lieferung von Streusalz für die nächsten Jahre europaweit aus. Einziges Zuschlagskriterium war der niedrigste Preis. In den Vergabeunterlagen stellte der Auftraggeber verschiedene Anforderungen an die Qualität des Streusalzes und schloss die Salzlieferung aus einer bestimmten Gewinnungsstätte in Marokko aus.

Die Antragstellerin war bisherige Auftragnehmerin für die Streusalzlieferung. Dabei lieferte sie Streusalz aus der im neuen Vergabeverfahren untersagten marokkanischen Gewinnungsstätte. In der Vergangenheit gab es massive Probleme bei der Abwicklung des Winterdienstes mit dem marokkanischen Streusalz aus zwischen den Parteien streitigen Gründen. Dies führte letztendlich zur fristlosen außerordentlichen Kündigung durch den Auftraggeber. Über die Wirksamkeit der Kündigung sowie etwaige Schadensersatzansprüche der Antragstellerin bestand zwischen den Beteiligten weiterhin Streit.

Im Vergabeverfahren rügte die Antragstellerin unter anderem den Ausschluss der marokkanischen Gewinnungsstätte für die Streusalzversorgung. Die Antragstellerin bezog als einziger Anbieter für Niedersachsen das Streusalz aus dieser Gewinnungsstätte. Der Auftraggeber wies die Rüge zurück und begründete dies insbesondere mit den in der Vergangenheit gemachten, der Antragstellerin bekannten schlechten Erfahrungen mit dem Streusalz aus der benannten Gewinnungsstätte.

Die Entscheidung

Das OLG Celle gibt dem Auftraggeber Recht. Dabei stellt das Gericht ausführlich das Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers dar, allerdings auch seine Grenzen. Grundsätzlich stehe dem Auftraggeber das Bestimmungsrecht zu, ob und welchen Gegenstand er wie beschaffen wolle, also insbesondere die technischen Anforderungen an den Auftragsgegenstand. Begrenzt werde dies aber insbesondere durch den Grundsatz der produktneutralen Ausschreibung. Dem Auftraggeber sei untersagt, dass er in seinen technischen Anforderungen an die Leistung auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft, ein besonderes Verfahren oder einen bestimmten Ursprung verweise, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder Produkte ausgeschlossen oder begünstigt würden. Etwas anderes gelte nur dann, wenn die produktorientierte Beschaffung und die damit einhergehende wettbewerbsbeschränkende Bestimmung des Beschaffungsgegenstandes ausnahmsweise durch tatsächlich vorhandene sachliche Gründe gerechtfertigt werde.

Bezogen auf den konkreten Fall ließ das Gericht die unstreitig bestandenen Probleme mit dem Streusalz aus der marokkanischen Gewinnungsstätte genügen. Der Auftraggeber legte umfassend die Qualitätsdefizite dar, nämlich dass die Verkrustungen und Verklumpungen in den Siloanlagen, den Streuautomaten und den Löseanlagen zu Rückständen und Verstopfungen bis hin zum Ausfall der Anlagen geführt hatten. Dabei war aus Sicht des OLG Celle nicht entscheidend, ob die zwingende Ursache für die Probleme die Qualität des Streusalzes war. Derzeit seien keine wissenschaftlich belegten Kriterien ersichtlich, anhand derer der Auftraggeber die Leistungsbeschreibung – als milderes Mittel im Verhältnis zum Ausschluss der Gewinnungsstätte – so hätte gestalten können, dass die konkret aufgetretenen Qualitätsmängel in Zukunft zuverlässig hätten verhindert werden können. Der Auftraggeber dürfe den sichersten Weg wählen, weil bereits das tatsächlich vorhandene Risikopotential die getroffene Beschaffungsentscheidung sachlich rechtfertige.

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung verdeutlicht, dass sich in der Rechtsprechung bisher keine allgemeinen Grundsätze zur Reichweite des Leistungsbestimmungsrechtes bzw. dessen rechtliche Überprüfbarkeit herausgebildet haben. In vielen Einzelfallentscheidungen wenden die Nachprüfungsinstanzen teils sehr unterschiedliche Maßstäbe an. Das OLG Celle geht in seinem Beschluss sogar selbst auf die Unterschiede ein, lässt dies aber – da nicht streitentscheidend – offen.

Das OLG Düsseldorf will die Beschaffungsentscheidung nur dahingehend überprüfen, ob sie durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist, vom Auftraggeber dafür nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben wurden, solche Gründe tatsächlich vorhanden sind und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht vergaberechtswidrig diskriminiert. Andere Gerichte, beispielsweise das OLG Celle und das OLG Jena, gehen weiter und verlangen, dass der Auftraggeber den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum nur dann rechtmäßig ausschöpft, wenn er geprüft und substantiiert festgestellt hat, warum ein durch die technischen Vorgaben ausgeschlossenes Produkt oder Verfahren nicht geeignet erscheint.

Zumindest die letztgenannte Ansicht ist zu weitreichend. Auftraggeber sollten ihr Beschaffungsverhalten nicht vollends dem Wettbewerb anpassen und unterwerfen müssen. Andernfalls müsste jeder öffentliche Auftraggeber vor jeder Beschaffung den Markt genau untersuchen und dokumentieren, welche Produkte oder Verfahren er eventuell durch seine Leistungsbeschreibung ausschließen wird. Gerade bei Beschaffungen mit vielen Anbietern, etwa im IT-Sektor, erscheint dies weder praktikabel noch rechtlich geboten zu sein.

Praxistipp

Bei der Vorbereitung des Vergabeverfahrens und der Konzeption der Leistungsbeschreibung müssen Auftraggeber unbedingt das Diskriminierungsverbot und den Grundsatz der produktneutralen Ausschreibung beachten, die auch weiterhin nach den aktuellen Vergaberechtsbestimmungen gelten. In den Fällen, in denen er mit einer Beschränkung des Wettbewerbs rechnet, muss er die Gründe dafür dokumentieren. Auch hier kann man sich die Faustformel merken: Je größer die Wettbewerbsbeschränkung auf wenige oder nur einen einzigen Bieter ist, desto umfassender und sachlich begründeter muss die Dokumentation dieser Entscheidung sein.

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Insourcing von Leistungen und In-House-Vergabe: Neues zum Kontroll- und Wesentlichkeitskriterium (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 02.11.2016 – VII-Verg 23/16)

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Liefer- & DienstleistungenRecht

Das OLG Düsseldorf äußerte sich in seiner Entscheidung zu den Voraussetzungen einer vergaberechtsfreien In-House-Vergabe beim Insourcing von Leistungen. Für das erforderliche Maß an Kontrolle und Beherrschung des Auftragnehmers durch den Auftraggeber ist es nicht erforderlich, dass der Auftraggeber in der Geschäftsführung des Auftragnehmers beteiligt ist. Eine wesentliche Tätigkeit des Auftragnehmers für den ihn kontrollierenden und beherrschenden Auftraggebers ist dann anzunehmen, wenn lediglich bis zu 20 % der Tätigkeiten für Dritte erbracht werden. Dies sind in der nur solche Tätigkeiten, die für private Dritte erbracht werden.

§ 98 GWB a.F.; Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24/EU ; § 108 GWB n.F.

Leitsätze

  1. Ein Verfassungsorgan (hier: der Deutsche Bundestag) ist kein öffentlicher Auftraggeber. Auftraggeber – und damit Antragsgegner im Vergabenachprüfungsverfahren – ist bei der Vergabe eines öffentlichen Auftrags durch ein Verfassungsorgan des Bundes die Bundesrepublik Deutschland.
  2. Die Vergabe von Aufträgen an Tochtergesellschaften des öffentlichen Auftraggebers ist nicht als vergabepflichtig anzusehen, wenn der Auftraggeber über den Auftragnehmer eine Kontrolle ausübt wie über eine eigene Dienststelle (Kontroll- oder Beherrschungskriterium) und der Auftragnehmer seine Tätigkeit im Wesentlichen für den öffentlichen Auftraggeber verrichtet (Wesentlichkeitskriterium). Eine Beteiligung an der Geschäftsführung ist nicht erforderlich.
  3. Das Wesentlichkeitskriterium ist nach dem bis zum 18.04.2016 geltenden „alten“ Vergaberecht erfüllt, wenn das zu beauftragende Unternehmen 90% seiner Tätigkeit für die Körperschaften und öffentlichen Einrichtungen verrichtet, die ihre Anteile innehaben.
  4. Art. 12 der Richtlinie 2014/24/EU, der es ausreichen lässt, wenn mehr als 80% der Tätigkeiten der kontrollierten juristischen Person der Ausführung der Aufgaben dienen, mit denen sie von dem die Kontrolle ausübenden öffentlichen Auftraggeber oder von anderen vom diesem kontrollierten juristischen Personen betraut wurden, entfaltet keine Vorwirkung dergestalt, dass das bis zum 18.04.2016 anwendbare Recht mit Blick auf die neue Regelung richtlinienkonform auszulegen wäre.
  5. „In-House-schädliche“ Fremdgeschäfte des Auftragnehmers sind nur solche Tätigkeiten, die nicht für den Auftraggeber oder ihm zuzurechnende Stellen, sondern für private Dritte erbracht werden.

Sachverhalt

Das OLG Düsseldorf war mit der Frage befasst, inwiefern Chauffeurdienstleistungen für die Abgeordneten des Deutschen Bundestages (sog. Mandatsfahrten) zukünftig von einer bundeseigenen Gesellschaft erbracht werden können, ohne dass die Leistungen vorher in einem förmlichen Vergabeverfahren von der Bundesrepublik Deutschland als Auftraggeberin ausgeschrieben werden müssen. Gehen dieses Vorgehen hatte sich ein Dienstleister zur Wehr gesetzt und einen Nachprüfungsantrag gestellt.

Während die Leistungen bislang von einem externen Dienstleister erbracht wurden, hat sich die Auftraggeberin dazu entschieden, diese in bundeseigener Verantwortung durch eine Zweckgesellschaft, deren Anteile ausschließlich von der Bundesrepublik Deutschland gehalten werden, in Eigenleistung erbringen zu lassen. Der satzungsgemäße Zweck dieser Gesellschaft ist die Entwicklung eines übergreifenden Flottenmanagementsystems und die Übernahme von weiteren Aufgaben im Bereich Mobilität und Flottenmanagement für den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Solche Leistungen dürfen nach der Gesellschaftssatzung auch für Dritte zu erbracht werden, soweit sichergestellt bleibt, dass die Gesellschaft im Wesentlichen für den Bund tätig wird.

Nach Auffassung der Antragstellerin sind die Voraussetzungen einer In-House-Vergabe nicht erfüllt. Zum einen übe der Deutsche Bundestag der als Auftraggeber anzusehen sei nicht die erforderliche Kontrolle über die Beigeladene aus, insbesondere auch deshalb, da keine Beteiligung an der Geschäftsführung gegeben sei. Auch das Wesentlichkeitskriterium sei nicht erfüllt, da die Umsätze der weiteren Gesellschaften aus der sog. Fuhrparkgruppe sowie die Umsätze einer weiteren Gesellschaft als Fremdgeschäft zuzurechnen seien. Im Übrigen sei die Beteiligung einer dieser weiteren Gesellschaften an der bundeseigenen Gesellschaft wie eine private Kapitalbeteiligung zu werten.

Die Entscheidung

Die Antragstellerin hatte keinen Erfolg. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sieht der OLG Düsseldorf in der gegebenen Konstellation die Voraussetzungen für eine vergaberechtsfreie In-House-Vergabe als gegeben an.

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf erging zwar zur alten Rechtslage. Gleichwohl sind die Ausführungen auch für die seit dem 18. April 2016 geltenden Bestimmungen des modernisierten Vergaberechts wesentlich und zur Auslegung der Neuregelung des § 108 GWB zur öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit heranzuziehen.

Erforderlich ist gemäß § 108 Abs. 2 GWB eine Kontrolle, die es dem öffentlichen Auftraggeber ermöglicht, auf die Entscheidungen der Gesellschaft, an die der Auftrag vergeben wird, einzuwirken. Dabei muss es möglich sein, sowohl auf strategische Ziele als auch auf die wichtigen Entscheidungen dieser Gesellschaft ausschlaggebenden Einfluss zu nehmen (vgl. § 108 Abs. 2 Satz 1 sowie z. B. EuGH, Urt. v. 13. Oktober 2005, Rs. C-458/03 – Parking Brixen und Urt. v. 13. November 2008, Rs. C-324/07 Coditel Brabant oder Urt. v. 10. September 2009, Rs. C-573/07 Sea). Der öffentliche Auftraggeber muss letztlich ohne Einschränkung in der Lage sein, strukturelle und funktionelle Kontrolle auszuüben (vgl. EuGH, Urt. v. 29. November 2012, verb. Rs. C-182/11 und C-183/11 Econord). Dafür ist nach der aktuellen Entscheidung des OLG Düsseldorf keine Beteiligung an der Geschäftsführung erforderlich (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 02.11.2016, VII-Verg 23/16).

Ausreichend ist, dass die Kontrolle im vorgenannten Sinne gemeinschaftlich durch mehrere öffentliche Auftraggeber nach § 108 Abs. 4 Nr. 1 und Abs. 5 GWB ausgeübt wird (vgl. EuGH, Urt. v. 19. April 2007, Rs. C-295/05 Asemfo und Urt. v. 13. November 2008, Rs. C-324/07 Coditel Brabant). Allerdings ist bei Mehrebenenverhältnissen in Beteiligungsstrukturen davon auszugehen, dass diese Kontrollmöglichkeit umso kritischer zu bewerten ist, desto mittelbarer die Möglichkeit konkreter Einflussnahme ist (vgl. dazu z. B. EuGH, Urt. v. 11. Mai 2006, Rs. C-340/04 Carbotermo sowie Urt. v. 10. September 2009, Rs. C-573/07 Sea).

Darüber hinaus muss die auftragnehmende Stelle im Wesentlichen für die kontrollierende(n) Stelle(n) tätig sein. Während bislang lediglich Geschäfte für Dritte in einem Umfang von bis zu 10 % als zulässig erachtet wurden (vgl. m. w. N. OLG Hamburg, Urt. v. 14. Dezember 2010 – 1 Verg 5/10), ist nunmehr gemäß § 108 Abs. 1 Nr. 2 bzw. Abs. 4 Nr. 2 GWB eine Tätigkeit für Dritte in einem Umfang von bis zu 20 % zulässig. Damit ist eine wesentliche Tätigkeit für die kontrollierende Stelle gegeben, wenn diese Tätigkeit mehr als 80 % beträgt. Zur Bestimmung des prozentualen Anteils des Umsatzes mit Dritten wird gemäß § 107 Abs. 7 GWB der durchschnittliche Gesamtumsatz der letzten drei Jahre vor Vergabe des betreffenden öffentlichen Auftrags oder ein anderer geeigneter tätigkeitsgestützter Wert herangezogen. Ein geeigneter tätigkeitsgestützter Wert sind z. B. die Kosten, die der juristischen Person oder dem öffentlichen Auftraggeber in dieser Zeit in Bezug auf Liefer-, Bau- und Dienstleistungen entstanden sind. Liegen für die letzten drei Jahre keine Angaben über den Umsatz oder einen geeigneten alternativen tätigkeitsgestützten Wert wie z. B. Kosten vor oder sind diese nicht aussagekräftig, verlangt § 107 Abs. 3 GWB, dass der tätigkeitsgestützte Wert durch Prognosen über die Geschäftsentwicklung belegt wird.

Komplex ist in diesem Zusammenhang die Frage, inwiefern Zurechnungen von Drittumsätzen innerhalb von Beteiligungsstrukturen stattfinden und wie sich diese auf die Frage nach der Einhaltung des Wesentlichkeitskriterium und damit die Vergabepflicht auswirken. Bereits bislang wurde die Auffassung vertreten, dass Umsätze, die ein kommunaler Versorger mit ortsansässigen Privatkunden erwirtschaftet, dem öffentlichen Auftraggeber nicht als Eigenumsatz zugerechnet werden könnten und damit als Drittumsätze zu qualifizieren seien (vgl. OLG Hamburg, Beschl. v. 14. Dezember 2010 1 Verg 5/10 und OLG Frankfurt, Beschl. v. 30. August 2011 11 Verg 3/11).

Das OLG Düsseldorf ist in der gegebenen Konstellation der Auffassung, dass nur solche Tätigkeiten als Fremdgeschäft anzusehen sind, die die bundeseigene Gesellschaft für private Dritte erbringt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 02.11.2016, VII-Verg 23/16). Ganz aktuell hat auch der EuGH festgestellt, dass Umsätze mit öffentlichen Dritten wie z. B. andere Behörden, die an dem im Wege einer In-House-Vergabe zu beauftragenden Unternehmen nicht beteiligt sind und auch keine Kontrolle über dieses Unternehmen ausüben, bei der Ermittlung des Eigenumsatzes keine Berücksichtigung finden (vgl. EuGH, Urt. v. 8. Dezember 2016, Rs. C-553/15 Undis Servizi).

Bei der Berechnung der Eigenumsätze im Rahmen des Wesentlichkeitskriteriums kommt es im Ergebnis nicht darauf an, ob es sich um Umsätze mit privaten oder öffentlichen Dritten handelt, sondern es ist alleine auf die Beteiligungsverhältnisse abzustellen. Eine vergaberechtliche Privilegierung ist alleine solchen Konstellationen vorbehalten, in denen Leistungsbeziehungen ganz überwiegend in verwaltungsinternen Strukturen abgebildet sind.

An der auftragnehmenden Stelle darf schließlich gemäß § 108 Abs. 1 Nr. 3 bzw. Abs. 3 Nr. 3 GWB im Übrigen grundsätzlich keine private Beteiligung gegeben sein, die tatsächlich oder faktisch eine Einflussnahme des Privaten auf die Stelle ermöglichen könnte (vgl. z. B. EuGH, Urt. v. 19. Juni 2014, Rs. C-574/12 SUCH). Sind in Beteiligungsverhältnissen teilweise Private beteiligt, so ist anhand der wechselseitigen Geschäftsbeziehungen genau zu prüfen, inwiefern die In-House-Fähigkeit nicht nur für die Gesellschaften mit privater Beteiligung, sondern auch für solche Gesellschaften entfällt, die in nicht unwesentlichem Umfang Aufträge aus solchen Geschäftsbeziehungen erhalten. Nicht ausreichend ist nach Auffassung des OLG Düsseldorf, sofern eine an einer bundeseigenen Gesellschaft beteiligte Organisationseinheit ihrerseits wie ein Privater auf dem Markt Leistungen anbietet, da alleine die Beteiligungsstruktur ausschlaggebend ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 02.11.2016, VII-Verg 23/16).

Praxistipp

Insbesondere bei Beteiligungsstrukturen ist bei den Vorüberlegungen zur Umsetzung des Insourcing von Leistungen anhand von (erwartbaren) Umsätzen konkret zu bewerten, ob und in welchem Umfang Tätigkeiten für private Dritte erbracht werden und inwiefern gegebenenfalls eine Zurechnung zu berücksichtigen ist. Da die Voraussetzungen der In-House-Vergabe über den gesamten Zeitraum des Auftragsverhältnisses bestehen müssen, ist im Sinne einer vergaberechtlichen Compliance in regelmäßigen Abständen zu überprüfen, inwiefern die vor Auftragsvergabe getroffenen Feststellungen weiterhin Gültigkeit haben.

 

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Das Aus für die Bewertung von Konzepten im Verhandlungsverfahren? – Das Matrjoschka-Prinzip

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Politik und MarktRecht

Nicht erst mit der Vergaberechtsmodernisierung im Jahr 2016 wurde durch die Nachprüfungsinstanzen die Aufstellung und Bewertung konzeptioneller Kriterien im Vergabeverfahren aufgegriffen. Gerade im Lichte der in der Veröffentlichung oder in den Vergabeunterlagen transparent gemachten Bewertungskriterien, deren Unterkriterien und dem Erwartungshorizont folgten vielerlei, im Ergebnis teils divergente Beschlüsse. Aktuell können Vergaberechtspraktiker innerhalb der Beschlüsse der Nachprüfungsinstanzen nachlesen, wie konzeptionelle Lösungen von Bietern nicht gefordert werden können, gleichwohl wurden keine Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt.

Gemäß § 127 Abs. 1 GWB ist der Zuschlag auf das Angebot mit dem besten Preis- Leistungsverhältnis zu erteilen. Dabei ist der öffentliche Auftraggeber verpflichtet die Leistung jedes Bieters transparent zu ermitteln, indem vorab Zuschlagskriterien und deren Gewichtung bekannt gemacht werden, an welche sich der Auftraggeber bei seiner Auswertung selbst bindet.

Bereits vor über einem Jahr bekräftigte das OLG Düsseldorf seine hohen Transparenzanforderungen an eine Bewertungsmatrix (Beschl. v. 16.12.2015 – VII-Verg 25/15). Seither stellte sich für nahezu alle öffentlichen Auftraggeber die Frage, wie konzeptionelle Beschreibungen im Rahmen von Vergabeverfahren von Bietern gefordert werden können. Das Damoklesschwert einer intransparenten Bewertung scheint über eine Vielzahl dieser Vergaben zu schweben.

Insbesondere im IT-Bereich werden von den Bietern innovative Lösungen erwartet, damit diese sich an die speziellen Anforderungen der Auftraggeber anpassen. Für Auftraggeber besteht dahingehend der Wunsch, dass nicht nur technische Neuerungen, sondern auch prozessorientierte Innovationen bei einer Vergabe abgeschöpft werden. Dieser Kontext stellt die Auftraggeber, speziell bei einem heterogenen Markt, vor eine enorme Herausforderung. Aus diesem Grund kann, gerade bei IT-Vergaben, gemäß § 31 Abs. 1 i.V.m. § 31 Abs. 6 VgV zumeist nur eine funktionale Leistungsbeschreibung genutzt werden. Dabei wird nicht die technische Umsetzung, sondern die zu lösende Aufgabe anhand von zuvor definierten Mindestanforderungen, beschrieben.

Linderung erhoffte man sich in diesem Zusammenhang durch das Urteil des EuGH zu „TNS Dimarso“ (Urt. v. 14.07.2016 – C-6/15, “TNS Dimarso”). Demnach ist ein Auftraggeber nicht verpflichtet den potenziellen Bietern vorab die detaillierte Bewertungsmethodik bekannt zu machen. Allerdings darf dies nicht zu einer (nachträglichen) Änderung von Zuschlagskriterien oder deren Gewichtung führen. Gleichwohl verstößt eine strengere nationale Rechtsprechung nicht gegen Europarecht. Vergabepraktiker erhofften sich, aufgrund dieses Leitsatzes, eine Rechtsprechung, welche vermehrt dem EuGH folgt.

Am 02.11.2016 erließ das OLG Düsseldorf (Beschl. v. 02.11.2016 – VII-Verg 25/16) neuerlich einen Beschluss zu den Transparenzanforderungen von Bewertungskriterien, wobei das OLG die in dieser Vergabe veröffentlichten Zuschlagskriterien mit dessen Erfüllungsgrad als „gelungen“ beurteilt hat.

In diesem Lichte ist auch der darauffolgende Beschluss der VK Südbayern (Beschl. v. 21.11.2016 – 37-09/16) zu betrachten. Demzufolge muss auch bei Kriterien, welche auf Bieterseite Konzepte zulassen sollen, der Erwartungshorizont so klar formuliert sein, dass dem Auftraggeber keine uneingeschränkte Wahlfreiheit bei der Wertung dieser Kriterien obliegt.

„Demnach müssen die Öffentlichen Auftraggeber die Bewertungsmaßstäbe so genau und objektiv angeben, dass sich im Vorhinein bestimmen lässt, „welchen Erfüllungsgrad die Angebote auf Grundlage des Kriterienkatalogs und konkreter Kriterien ausweisen müssen, um mit den festgelegten Kriterien bewertet zu werden“, und das Bewertungssystem darf keinen „Raum für Manipulation und Willkür bei der Bewertung der Angebote“ lassen. Für die Bieter muss zu erkennen sein, „unter welchen Voraussetzungen konkret“ ein Kriterium mit wie vielen Punkten gewertet wird. Sie müssen „im Vorhinein beurteilen können, auf welche konkreten Leistungen die [Auftraggeberin] besonderen und gegebenenfalls unverzichtbaren Wert gelegt hat.“[1]

Diese Transparenzforderung der VK Südbayern geht über die Leitsätze des OLG Düsseldorf hinaus und stellt für öffentliche Auftraggeber eine zusätzliche Erschwernis dar Innovationen im Vergabeverfahren im Rahmen von konzeptionellen Bewertungskriterien zu erfragen und abzugreifen.

In unmittelbarer Konkurrenz zu diesen Urteilen ist u.a. der Beschluss des OLG Frankfurt (Beschl. v. 23.11.2016 – 11 Verg 4/16). Demnach müssen Kriterien durch öffentliche Auftraggeber nicht bis ins letzte Detail aufgeschlüsselt werden. Vielmehr muss für den Bieter nur erkenntlich sein, auf welche Eckpunkte ein Auftraggeber besonderen Wert legt.

Auf Grund der Vielzahl von Nachprüfungsentscheidungen zu dieser Thematik, wobei die Auflistung in diesem Artikel nicht abschließend zu verstehen ist, bleibt die zentrale Frage bestehen, ob überhaupt noch konzeptionelle Kriterien erstellt werden können, und wenn ja, in welchen Umfang der Erwartungshorizont bekanntgegeben werden muss.

Eine erste Möglichkeit besteht darin, vollständig auf konzeptionelle Bewertungskriterien zu verzichten. Dies erfordert jedoch, dass die öffentlichen Auftraggeber künftig einen noch detaillierteren Fokus auf eine umfangreiche Markterkundung legen, bei der zum Beispiel im Bereich der Vergabe von IT, analysiert wird, welche Neuerungen einem Auftraggeber zur Verfügung gestellt werden können und ob diese das künftige Vergabeverfahren tangieren.

Im Weiteren müssen die Anforderungen und der Erwartungshorizont zu den einzelnen Kriterien detailliert und abschließend vorab beschrieben sowie veröffentlicht werden, damit keinerlei Möglichkeit für eine, wie auch immer geartete, (nachträgliche) Einflussnahme eines Auftraggebers besteht.

Dementsprechend muss, wie bei einer Matrjoschka[2], jede Anforderung in ihre Einzelanforderungen divergiert werden, damit durch die Bieter vorab ersichtlich wird, welche Punkte sie für welches Kriterium erhalten werden.

Folgt man der dargestellten Rechtssprechung begrenzt sich die Auswahlmöglichkeit mithin auf nachfolgende Kriterientypen. Die Definition der Bewertungs- und Gewichtungspunkte erfolgte lt. Kapitel 4.18ff UfAB VI, Version 1.0. Die Skala der Bewertungspunkte reicht innerhalb der Kritierntypen von 0 bis 5 möglichen Punkten.

1. Bewertungskriterien, die mit „JA“ oder „NEIN“ beantwortet werden können

Durch den Auftraggeber muss die Fragestellung so formuliert werden, dass durch den Bieter die Frage abschließend und eindeutig mit „JA“ oder „NEIN“ beantwortet werden kann.

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2. Kumulative Bewertungskriterien

Durch den Auftraggeber wird die Aufgabenstellung funktional beschrieben. Die dargestellte Aufgabe kann durch verschiedenartige Lösungsansätze, welche dem Auftraggeber vorab vollumfänglich bekannt sein müssen, erbracht werden. Dabei ist jede der denkbaren Lösungsansätze für den Auftraggeber nutzbar, sodass für jede Lösung eine positive Bewertung erfolgt. Somit kann durch einen Bieter eine oder sogar mehrere Lösungen bestätigt werden. Sofern durch einen Bieter mehrere Lösungsansätze angeboten werden, kann er bei dem Kriterium mehr Bewertungspunkte erzielen. Die verschiedenen Lösungen, welche durch den Bieter angeboten wurden, sind nach der Zuschlagserteilung bereitzustellen.

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3. Entweder-Oder-Kriterien

Durch den Auftraggeber wird, wie bereits bei der zweiten Alternative vorgestellt, eine Aufgabenstellung funktional beschrieben. Gleichwohl existieren mehrere Lösungen, welche für den Auftraggeber den gleichen Nutzen haben. Durch einen Bieter kann daher eine Lösung bestätigt werden, wobei alle Lösungen die gleiche Bewertung erhalten.

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4. Abschichtende Bewertungskriterien

Auch hier erfolgt eine funktionale Beschreibung der Aufgabenstellung. Vorliegend gibt es aber Lösungen, welche für den Auftraggeber einen größeren Mehrwert haben. Daher kann durch den Bieter nur eine Lösung bestätigend beantwortet werden. Je schlechter die Lösung für den Auftraggeber ist, desto weniger Punkte erhält ein Bieter für sein Angebot innerhalb des Kriteriums.

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In der Praxis wird häufiger das Problem bestehen, dass aus welchen tatsächlichen Gründen auch immer, eine vollständige Ausdifferenzierung der Kriterien in Verbindung mit den Erwartungshorizonten gemäß dem „Matrjoschka Prinzip“ nicht möglich ist.

Unterstellt man den Auftraggebern, dass eine umfangreiche Markterkundung durchgeführt wurde und dennoch die Notwendigkeit für konzeptionelle Bewertungskriterien besteht, bleibt folgende Alternative zur Lösung der zentralen Fragestellung:

Der essentielle Wesensgehalt konzeptioneller Kriterien ist, dass durch einen Auftraggeber zwar das Ziel definiert, nicht jedoch der detaillierte Lösungsweg bekannt und/oder beschrieben werden kann. Folglich ist es nicht möglich die Zielstellung detailliert nach dem Matrjoschka-Prinzip in dessen Bestandteile zu differenzieren. Daher wird es, sofern künftig durch einen Auftraggeber noch Konzepte verlangt werden dürfen, immer ein Delta zwischen der Bekanntmachung und der tatsächlichen Bewertung der Bewertungskriterien anhand der Angebotsunterlagen geben. Diese Feststellung resultiert aus dem Grundgedanken einer konzeptionellen Bewertung, da dem öffentlichen Auftraggeber gerade nicht bekannt ist, wie seine Zielvorstellung durch die Bieter umgesetzt werden kann. Mithin muss für einen Bieter jedoch erkenntlich sein, auf welche Punkte der Auftraggeber bei seiner Entscheidung Wert legt. Darüber hinaus ist der Auftraggeber zumindest nachträglich verpflichtet im Rahmen seiner Informationspflicht gem. § 134 GWB die Entscheidungs- und Erwägungsgründe transparent und detailliert den Bietern mitzuteilen. Die Abfrage von Innovationen kann beispielsweise anhand des folgenden Kriteriums erfolgen, welches zwar den Erwartungshorizont darstellt, gleichwohl die Umsetzung des Gesamtkonzepts anhand der aufgeworfenen Zielvorstellung bewertet:

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Nachfolgend wird ein konkretes Beispiel zum Kundensupport dargestellt. Hierbei ist zu beachten, dass innerhalb der Leistungsbeschreibung detaillierte Ausführungen zu diesem Kriterium erfolgen müssen (hinsichtlich unbestimmter Rechtsbegriffe, z.B. „hohe Qualität“ und geforderter Mindestanforderungen):

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Vorliegend wird zwar der durch den Auftraggeber zu bewertende Erwartungshorizont klar dargestellt, allerdings werden für die Erwartungshorizonte keine separierten Bewertungspunkte verteilt. Vielmehr soll den Bietern die Möglichkeit gegeben werden, darzulegen, wie die einzelnen Teilbereiche der Gesamtlösung zusammenwirken. Folglich ist gewährleistet, dass durch den Bieterkreis eine konzeptionelle Lösung erarbeitet wird. Durch eine Ausdifferenzierung des Erwartungshorizontes mit einzelnen Bewertungspunkten könnte faktisch kein Konzept erarbeitet werden, da es andernfalls bei dem Kriterientypus zu einer reinen Abfrage von Stichpunkten führen würde und somit das Ziel, die Erarbeitung von Konzepten, konterkariert wird.

Aus den dargestellten Kriterientypen zeigt sich, dass durch einen Auftraggeber eine sehr umfangreiche Marktrecherche durchgeführt werden muss. Unabhängig von den zuvor getroffenen Feststellungen darf eine mangelhaft durchgeführte Marktrecherche nicht missbräuchlich dazu führen, dass durch Auftraggeber ausschließlich das Instrument „konzeptioneller“ Kriterien genutzt wird. Die Anforderungen sind im angemessenen Umfang in deren Bestandteile zu divergieren und nur bei tatsächlich innovativen Lösungswegen ist auf konzeptionelle Kriterien zurückzugreifen.

In der Summe ist festzustellen, dass ein Vergabepraktiker, welcher aktuell zu 100 Prozent eine rechtssichere Vergabe durchführen möchte, ausschließlich Kriterien wählen muss, welche er abschließend mit seinem Erwartungshorizont und Erfüllungsgrad beschreiben kann. Hierzu stehen ihm die nach dem Matrjoschka-Prinzip beschriebenen Kriterientypen (1 bis 4) zur Verfügung.

Auftraggeber, welche einen unbekannten, aber eventuell sehr guten Lösungsweg, anstreben, müssen den nachinstanzlich nicht abschließend beschriebenen Weg über konzeptionelle Kriterien wählen. Dies erfordert neben einer detaillierten Marktkenntnis ein gewisses Maß an Mut.

Gleichzeitig muss durch die Nachprüfungsinstanzen indes ein Delta zwischen der Bekanntmachung und der tatsächlichen Bewertung akzeptiert werden.

Anmerkung der Autoren:
Aus Gründen der Übersichtlichkeit und besseren Lesbarkeit wird in den Beiträgen überwiegend die männliche Form verwendet. Jede Formulierung gilt natürlich ebenso für die weibliche Form. Die von den Autoren im Vergabeblog vertretenen rechtlichen Ansichten geben ausschließlich ihre private Meinung wieder und sind keine offizielle Positionierung der Landeshauptstadt München oder von it@M zu vergaberechtlichen Fragestellungen.


[1] VK Südbayern, Beschl. v. 21.11.2016 – 37-09/16

[2] Bei einer Matrjoschka handelt es sich um eine ineinander stapelbare, russische Holzpuppe, welche aus Holz gefertigt wird.

 

Ina Bellmann

Über Ina Bellmann

Ina Bellmann ist Mitarbeiterin in der Vergabestelle für IT- und Telekommunikationstechnologie der Landeshauptstadt München. In ihr Aufgabengebiet fällt die Vergabe von Fachapplikationen für die Landeshauptstadt München. Insgesamt ist Frau Bellmann seit nunmehr sieben Jahren im Bereich Vergabewesen für Liefer- und Dienstleistungen tätig.

Michael Kaul

Über Michael Kaul

Michael Kaul ist Mitarbeiter in der Vergabestelle für IT- und Telekommunikationstechnologie der Landeshauptstadt München. In sein Aufgabengebiet fällt die Vergabe von Fachapplikationen für die Landeshauptstadt München.

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Zur fristgerechten Vorlage von vom Auftraggeber vorbehaltenen Nachweisen (VK Nordbayern, Beschl. v. 28.11.2016 – 21.VK-3194-35/16)

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BauleistungenRecht

Die Vergabekammer Nordbayern hat sich in einem Nachprüfungsverfahren zu einer europaweiten Ausschreibung von Bauleistungen zum Angebotsausschluss bei nicht fristgerechter Vorlage von vorbehaltenen Nachweisen zur Eignung von Nachunternehmen geäußert.

 

§§ 122,160 GWB;§§ 6b,16 EU VOB/A

Leitsatz

  1. Angebote sind auszuschließen, bei denen der Bieter Erklärungen oder Nachweise, deren Vorlage sich der öffentliche Auftraggeber vorbehalten hat, auf Anforderung nicht innerhalb einer angemessenen, nach dem Kalender bestimmten Frist vorgelegt hat.
  2. Eigenerklärungen, die als vorläufiger Nachweis dienen, sind nach § 6b EU VOB/A 2016 von den Bietern, deren Angebote in die engere Wahl kommen, durch entsprechende Bescheinigungen der zuständigen Stellen zu bestätigen. Werden Kapazitäten anderer Unternehmen in Anspruch genommen, so muss die Nachweisführung auch für diese Unternehmen erfolgen.

Sachverhalt

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Baumeisterarbeiten im Offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. In der Bekanntmachung hatte er keine Eignungskriterien angegeben. In der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes hatte er von den Bietern gefordert, mittels benannter Formblätter eine Eigenerklärung zur Eignung und ein Verzeichnis der Leistungen/Kapazitäten anderer Unternehmen mit dem Angebot einzureichen. Auf gesondertes Verlangen des AG waren die Verpflichtungserklärungen anderer Unternehmen vorzulegen. Am Wettbewerb beteiligten sich 18 Bieter, wobei Bieter A mit seinem Angebot auf Platz 1 lag. Darauf forderte der AG den A auf, innerhalb von 6 Tagen alle in der Eigenerklärung zur Eignung genannten Bestätigungen und Nachweise für die benannten Nachunternehmer vorzulegen. Für den Nachunternehmer, der Betonstahlverlegungsarbeiten ausführen sollte, legte A zwar die Eigenerklärung zur Eignung und die Verpflichtungserklärung vor, nicht jedoch die Referenzen und deren Bescheinigung. Der AG schloss darauf das Angebot des A aus; nach erfolgloser Rüge stellte A Nachprüfungsantrag.

Die Entscheidung

Der Nachprüfungsantrag  des A hat keinen Erfolg. Teilweise ist er bereits unzulässig, da A das vollständige Fehlen von Eignungskriterien in der Bekanntmachung nicht gerügt hat. Der Antrag ist aber auch unbegründet. Das Angebot des A ist vielmehr zu Recht ausgeschlossen worden, weil er die vom Auftraggeber geforderten Referenzbescheinigungen des von ihm benannten Nachunternehmers nicht vorgelegt hat.

Rechtliche Würdigung

Der Nachprüfungsantrag ist teilweise unzulässig, weil A das vollständige Fehlen von Eignungskriterien in der Bekanntmachung nicht gerügt hat.  Ein Antrag ist unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden (§ 160 Abs. 3 Nr. 2 GWB). Eine Rügepräklusion wegen unterbliebener Rüge tritt bei ins Auge fallenden Rechtsverstößen ein, d.h. der Verstoß muss so offensichtlich sein, dass er einem verständigen Bieter bei der Vorbereitung seines Angebots auffallen muss. Hier sind in der Bekanntmachung keine Eignungskriterien aufgeführt, insbesondere finden sich zur wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit sowie zur technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit keinerlei Angaben. Damit ist es für einen Bieter offensichtlich, dass die Bekanntmachung die Vorgaben des § 122 Absatz 4 Satz 2 GWB nicht erfüllt. In dieser Vorschrift heißt es, dass die Eignungskriterien in der Auftragsbekanntmachung aufzuführen sind. Daraus kann der Bieter durch bloßes Lesen unschwer erkennen, dass die Eignungskriterien bereits in der Bekanntmachung aufzuführen sind. Für das Entstehen der Rügeobliegenheit reicht es aus, wenn sich die Vorstellung von einem Vergaberechtsverstoß beim Antragsteller dergestalt zu hinreichender Gewissheit verdichtet hat, dass ein vernünftiger Bieter an seiner Stelle eine Rüge als nicht aussichtslos anbringt. Wegen der klaren Festlegung des § 122 Absatz 4 Satz 2 GWB, dass Eignungskriterien bereits in der Bekanntmachung aufzuführen sind, kann ein Bieter von einem Erfolg einer diesbezüglichen Rüge ausgehen.

Unabhängig davon ist der Antrag aber auch unbegründet. Das Angebot des A ist auszuschließen, weil er die geforderten Referenzbescheinigungen des für die Betonstahlverlegungsarbeiten benannten Nachunternehmers nicht vorgelegt hat.
Nach § 16 Nr. 4 EU VOB/A sind Angebote auszuschließen, bei denen der Bieter Erklärungen oder Nachweise, deren Vorlage sich der öffentliche Auftraggeber vorbehalten hat, auf Anforderung nicht innerhalb einer angemessenen, nach dem Kalender bestimmten Frist vorgelegt hat. Nach § 6b Abs. 1 Nr. 2 EU VOB/A sind Eigenerklärungen, die als vorläufiger Nachweis der Eignung dienen, von den Bietern, deren Angebote in die engere Wahl kommen, durch entsprechende Bescheinigungen der zuständigen Stellen zu bestätigen. Werden die Kapazitäten anderer Unternehmen (Nachunternehmen) in Anspruch genommen, so muss die Nachweisführung gemäß § 6d Abs. 3 EU VOB/A auch für diese Unternehmen erfolgen. Da dies der A hier unterlassen hat, ist der Ausschluss seines Angebotes zwingend geboten.

Praxistipp

Die Entscheidung ist für beide Seiten, Auftraggeber wie Auftragnehmer, von besonderem Interesse. Einmal schreibt sie dem AG nochmals eindeutig ins Stammbuch, dass er zwingend alle Eignungskriterien in seiner Bekanntmachung anzugeben hat (§ 122 Abs. 4 Satz 2 GWB). Dem Auftragnehmer dagegen wird deutlich vor Augen geführt, dass er einerseits alle von ihm geforderten Eignungsnachweise auch für die von ihm benannten Nachunternehmer vorlegen muss, andererseits welche Anforderungen bei der Erkennbarkeit von Mängeln in der Bekanntmachung (hier: völliges Fehlen von Eignungskriterien) an die Bieterseite gestellt werden.

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Anspruch auf Preisprüfung bei ungewöhnlich billigem Konkurrenzangebot

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Liefer- & DienstleistungenRecht

Wie der Bundesgerichtshof mit Beschluss  vom 31.01.2017 – Az. X ZB 10/16 entschieden hat, dürfen öffentliche Auftraggeber (hier: Berliner Feuerwehr) bei Ausschreibungen der Notarztversorgung im Rettungsdienst nicht ohne Weiteres dem billigsten Anbieter den Zuschlag erteilen.

Erscheint ein Angebotspreis aufgrund des signifikanten Abstands zum nächstgünstigen Gebot (in casu: 30 Prozent) oder ähnlicher Anhaltspunkte, wie etwa der augenfälligen Abweichung von preislichen Erfahrungswerten aus anderen Beschaffungsvorgängen, ungewöhnlich niedrig, so können Mitbewerber über den Weg des Nachprüfungsverfahrens verlangen, dass die Vergabestelle die Preisbildung bzw. die dieser zugrunde liegende Kalkulation überprüft. Dabei ist eine Interessenabwägung zwischen dem Offenlegungsinteresse des unterlegenen Bieters und dem berechtigten Geheimhaltungsinteresse des Konkurrenten vorzunehmen.
Der Bundesgerichtshof hat in dem Leitsatzbeschluss  ferner festgestellt, dass die entsprechenden Ausschlussvorschriften der Vergabeverordnung (§ 60 VgV) im Einzelfall drittbieterschützende Wirkung zugunsten von Mitbewerbern entfalten können.

Anm. d. Red.: Die Entscheidung des BGH wird in Kürze ausführlich auf Vergabeblog.de besprochen.

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Pflicht zur Addition von Planungsleistungen

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Liefer- & DienstleistungenRecht

Die bisherige Vergabepraxis von freiberuflichen Leistungen, insbesondere Planungsleistungen, könnte in absehbarer Zeit eine bedeutsame Veränderung mit empfindlicher Folge erfahren. Hintergrund ist nicht etwa die Einführung der mit Spannung erwarteten Unterschwellenvergabeverordnung, sondern die vermeintlich erfreuliche Mitteilung des Bundeswirtschaftsministeriums vom 18.11.2016 an den Deutschen Städte und Gemeindebund über die Einstellung des am 11.12.2015 von der EU-Kommission eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland in der Sache „Freibad Stadt Elze“ (Niedersachsen). Die Kommission beanstandete, dass im Rahmen des Vorhabens bei der Berechnung des Auftragswertes von Planungsleistungen die verschiedenen Planungsleistungen nicht zusammengefasst wurden, sondern jeweils einzeln bewertet worden sind.

I. Einleitung

Die dogmatische Unterteilung in ober- und unterschwellige Vergaben führte in der Vergangenheit dazu, dass Auftragsvergaben über freiberufliche Leistungen unterhalb des geltenden EU-Schwellenwertes nicht in den Anwendungsbereich der Vergabeverordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) fielen. Da aber für den unterschwelligen Bereich kein entsprechendes Pendant zur VOF existierte, war für die Vergabe freiberuflicher Leistungen allenfalls ein Rückgriff auf die Verdingungsordnung für Lieferungen und Leistungen (VOL/A) denkbar. Deren Bestimmungen sollten aber ausdrücklich nicht für die Vergabe freiberufliche Leistungen gelten. Ob nun unbeabsichtigte Regelungslücke oder beabsichtigtes Schlupfloch, die Vergabe von freiberuflichen Leistungen genießt bei vielen Auftraggebern den Status einer „vogelfreien“, also wettbewerbslosen Auftragsvergabe. Trotz der umfassenden Neuerungen durch die Vergaberechtsreform vom 18.04.2016 trat für die unterschwelligen Vergaben von freiberuflichen Leistungen bislang keine Änderung ein. Dies dürfte eine Vielzahl von Auftraggebern in ihrem Entschluss bestärken, Aufträge über freiberufliche Leistungen unterhalb des geltenden EU-Schwellenwertes immer noch ohne vorherige Herstellung von Wettbewerb gezielt an einzelne Auftragnehmer zu vergeben. Doch damit soll nun endgültig Schluss sein, wenn es nach der Kommission geht.

II. Begründungszusammenhang der Kommission

Die Kommission sieht unter Berufung auf die Rechtsprechung des EUGH (EuGH, Urteil vom 15. März 2012 – C-574/10 – „Autalhalle Niedernhausen“) in der Aufteilung einzelner freiberuflicher Leistungen, sofern diese eine innere Kohärenz aufweisen und in einem funktionalen Zusammenhang stehen, eine unzulässige Unterteilung in der Absicht, die Anwendung der Bestimmungen des Teils 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) oder der Vergabeverordnung (VgV) zu umgehen.

Dreh- und Angelpunkt der Argumentation bildet die Auslegung des § 3 Abs. 7 S. 2 VgV. Unabhängig von der rechtlichen Bewertung besitzt der von der Kommission verwendete Begründungszusammenhang unter Rückgriff auf die Regelung des § 3 Abs. 7 S. 2 VgV eine gewisse Raffinesse. Zum einen verlegt er die für die Kommission bislang außerhalb ihrer originären Zuständigkeit liegende unterschwelligen Vergaben über freiberufliche Leistungen mittelbar in ihre Regelungshoheit und zum anderen wird gleichzeitig die Einhaltung der Grundsätze des Vergaberechts bedeutsam gestärkt.

Zu Beginn eines Vergabeverfahrens hat jeder Auftraggeber die Frage zu beantworten, ob der nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 VgV geschätzte Auftragswert den jeweils für die konkrete Auftragsvergabe geltenden EU-Schwellenwert erreicht bzw. überschreitet (vgl. § 106 GWB i.V.m. § 1 VgV sowie Artikel 4 der Richtlinie 2014/24/EU). Ausgehend von dem Wortlaut des § 3 Abs. 7 S. 2 VgV und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EUGH vertritt die Kommission die Ansicht, dass hierbei „eine Aufteilung nicht gerechtfertigt ist, wenn die Leistung, die aufgeteilt wird, im Hinblick auf ihre technische und wirtschaftliche Funktion einen einheitlichen Charakter aufweist. Im Rahmen dieser funktionellen Betrachtungsweise sind organisatorische, inhaltliche, wirtschaftliche sowie technische Zusammenhänge zu berücksichtigen. Anhand dieser Kriterien ist zu bestimmen, ob Teilaufträge untereinander auf solch eine Weise verbunden sind, dass sie als ein einheitlicher Auftrag anzusehen sind. Die Werte derart miteinander verknüpfter Leistungen sind zusammenzurechnen, obgleich sie möglicherweise konsekutiv erbracht werden.“ (EuGH, Urteil vom 15. März 2012 – C-574/10 – „Autalhalle Niedernhausen“).

Im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland in der Sache „Freibad Stadt Elze“ (Niedersachsen) geht die Kommission nun einen entscheidenden Schritt weiter: Nach Ansicht der Kommission sei von der Pflicht zur Addition von Planungsleistungen nämlich auch dann auszugehen, wenn die jeweiligen Leistungen eine unterschiedliche Spezialisierung erfordern und unterschiedlichen Preisregeln unterlägen (vgl. Aufforderungsschreiben – Vertragsverletzung Nr. 2015/4228 C(2015)8759 final).

III. Bestandsanalyse des § 3 Abs. 7 S. 2 VgV

Nun stellt sich die Frage, ob die Regelung des § 3 Abs. 7 S. 2 VgV überhaupt einer Auslegung im Sinne der von der Kommission verfolgten Absicht zugänglich ist. Dies hat im Ergebnis erheblichen Einfluss darauf, ob Auftraggeber zukünftig vermehrt zur Durchführung von europaweiten Ausschreibungen bei Planungsleistungen verpflichtet werden.

Die Regelungen der VgV beruhen letztlich auf der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG. Die in § 3 Abs. 1 bis 12 VgV niedergelegten Regelungen finden ihre Vorgaben in Art. 5 der RiLi 2014/24/EU, dessen Inhalt maßgeblich bei der Auslegung zu berücksichtigen ist.

So entspricht z. B. die Formulierung des § 3 Abs. 2 S. 1 und 2 VgV wortgleich dem Inhalt des Art. 5 Abs. 3 RiLi 2014/24/EU. Bereits dort wird deutlich, dass sowohl Art. 5 Abs. 3 RiLi 2014/24/EU als auch § 3 Abs. 2 VgV eine unzulässige Unterteilung in Einzelaufträge bei der Berechnung des geschätzten Auftragswertes grundsätzlich ausschließen.

Zum Tragen kommt der vorgenannte Grundsatz in Übereinstimmung mit Art. 5 Abs. 8 RiLi 2014/24/EU bei der Anwendung des § 3 Abs. 7 S. 1 VgV. Kann das beabsichtigte Bauvorhaben oder die vorgesehene Erbringung einer Dienstleistung zu einem Auftrag führen, der in mehreren Losen vergeben wird, ist der geschätzte Gesamtwert aller Lose zugrunde zu legen. Mit einfachen Worten bedeutet dies, dass die einzelnen Gewerke eines Bauvorhabens für die Berechnung des Schwellenwertes zu addieren sind. Insoweit spielt es keine Rolle, dass die einzelnen Gewerke (z.B. Abbruch-, Tischler-, Elektrik- und Malerarbeiten) teilweise eigenen voneinander unabhängigen Berufsständen mit getrennten Tarifverträgen und unterschiedlichen Ausbildungsvoraussetzungen entspringen und allein durch das Bauvorhaben in funktionaler Hinsicht miteinander verbunden sind. Art. 5 Abs. 8 RiLi 2014/24/EU, der als Schablone für § 3 Abs. 7 S. 1 VgV betrachtet werden kann, unterscheidet dabei nicht zwischen den einzelnen Bauleistungen oder Dienstleistungen, wozu auch Planungsleistungen ihrem Wesen nach zu zählen sind. Dies wird durch die Aufnahme von Planungsleistungen in den Katalog des Art. 5 Abs. 13 lit. c) RiLi 2014/24/EU bestätigt.

Die gleiche Vorgehensweise wird durch die Regelung in § 3 Abs. 8 VgV im Falle von Lieferungen bestimmt. Hierzu kann auf eine Entscheidung der Vergabekammer Baden-Württemberg verwiesen werden (VK Baden-Württemberg · Beschluss vom 29. Januar 2015 · Az. 1 VK 59/14). Hiernach liegt Gleichartigkeit vor, wenn die Lieferungen in einem inneren Zusammenhang stehen. In der Entscheidung wurde die Pflicht zur Addition im Zusammenhang mit der Lieferung von Möbeln und einem Lernsystem festgestellt, die für sich genommen als Leistungen nicht gleichartig waren.

Der Wortlaut einer Regelung muss grundsätzlich als Belastungsgrenze etwaiger Auslegungen beachtet werden. Insoweit stellt sich die Frage, wie die Formulierung von § 3 Abs. 7 S. 2 VgV zu verstehen bzw. auszulegen ist. Auf den ersten Blick könnte die Formulierung „gleichartige Leistungen“ dazu verleiten, Planungsleistungen, die in technischer Hinsicht verschieden sind, so z.B. Objektplanung, Tragwerksplanung und technische Ausrüstung als nicht gleichartig anzusehen. So der Leitfaden zur Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge- Vergabe von Architektenleistungen. Hiergegen spricht jedoch die Möglichkeit, dass der Begriff der „gleichartigen Leistung“ einer europarechtskonformen Auslegung zugänglich ist. Hiernach sind Leistungen wie bereits dargestellt gleichartig im Sinne der RiLi 2014/24/EU, wenn die Leistungen vorhabenbezogen in einem funktionalen Zusammenhang stehen, also eine innere Kohärenz zueinander aufweisen.

IV. Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten:

· § 3 Abs. 2 VgV greift aufgrund seiner wortgleichen Formulierung dasselbe Systemverständnis hinsichtlich der Methodik zur Berechnung des geschätzten Auftragswerts auf wie Artikel 5 Abs. 3 RiLi 2014/24/EU und Artikel 9 Abs. 3 der überholten RiLi 2004/18/EG. Dies kommt in der Anwendung des § 3 Abs. 7 S. 1 VgV für Bau- und Dienstleistungen sowie in § 3 Abs. 8 VgV im Falle von Lieferungen zum Ausdruck.

· Für eine abweichende Methodik bei der Berechnung des geschätzten Auftragswertes im Falle von freiberuflichen Leistungen auf der Grundlage von § 3 Abs. 7 S. 2 VgV lässt Art. 5 Abs. 8 der RiLi 2014/24/EU keinen Raum. Die Aufnahme von Planungsleistungen in den Katalog des Art. 5 Abs. 13 lit. c) der RiLi 2014/24/EU qualifiziert diese lediglich als eine durchaus gängige Variation einer Dienstleistung.

· Eingebunden in den vorgenannten Kontext und mit Blick auf die vergleichbare Behandlung von Lieferungen, lassen sich Planungsleistungen ohne Weiteres in das bestehende Regelungsgefüge des § 3 VgV einfügen.

· Die systemwidrig klingende Formulierung des § 3 Abs. 7 S. 2 VgV ist bei gleichbleibendem Wortlaut einer europarechtskonformen Auslegung zugänglich und bestätigt die einheitliche Methodik zu Berechnung des geschätzten Auftragswertes.

Der Deutsche Städte und Gemeindebund zieht daraus den Schluss, dass insbesondere Kommunen bei der Gewährung von EU-Fördermitteln (Bsp.: EFRE) die Auffassung der Kommission und speziell die genauen Zuwendungsvoraussetzungen beachten müssen. Laut der Begründung für die Vergaberechtsmodernisierungsverordnung (VergRModVO) entspricht die Umsetzung der Richtlinie 2014/24/EU einer „Eins-zu-Eins-Umsetzung“ in nationales Recht. (Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 139 – Drucksache 18/7318 Begründung A. Allgemeiner Teil). Insoweit erscheint es nicht nachvollziehbar, warum die von der Kommission dargestellte Lesart zu § 3 Abs. 7 S. 2 VgV auf unterschiedliche Weise gelten soll. Der Regelungsinhalt erstreckt sich auf einen einheitlichen Anwendungsbereich, nämlich die Vergabe von Planungsleistungen. Öffentliche Auftraggeber im Sinne des GWB sind unabhängig von der Inanspruchnahme von EU-Fördermitteln zur Einhaltung der in der VgV niedergelegten Bestimmungen verpflichtet.


V. Praxistipp

Um den Aufwand bei der Vergabe von Planungsleistungen möglichst gering zu halten, sollten Auftraggeber von der Regelung des § 3 Abs. 9 Gebrauch machen. Hiernach dürfen Aufträge mit einem geschätzten Auftragswert unter 80.000 Euro netto nach nationalen Vorschriften vergeben werden, solange die Summe dieser Lose 20 % des Gesamtwertes aller Lose nicht übersteigt.

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Wer einen Bauauftrag zu früh vergibt, riskiert Fördermittel! (VGH Bayern, Urt. v. 06.12.2016 – 22 ZB 16.2037)

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BauleistungenRecht

Wie gewonnen, so zerronnen: Diese bittere Erfahrung musste der bayrische Auftraggeber einer fördermittelfinanzierten Baumaßnahme machen. Dabei hatte er gar nicht gegen Vergaberecht verstoßen. Er hatte den Auftrag nur zu früh erteilt oder aber, je nach Betrachtungsweise, den Fördermittelantrag zu spät gestellt.

BayHO Art. 23; BayVwVfG Art. 48 Abs. 1, 2

Leitsatz

  1. Ein Zuwendungsbescheid kann zurückgenommen werden, wenn der Zuwendungsempfänger entgegen den Förderrichtlinien vorzeitig ohne Zustimmung mit der Maßnahme beginnt. Hat der Zuwendungsempfänger (schriftlich bestätigt) Kenntnis von den Förderrichtlinien und wird zudem im Antragsformular darauf hingewiesen, dass der vorzeitige Maßnahmenbeginn ohne Zustimmung einen Förderausschluss zur Folge hat, kann er sich nicht darauf berufen, ihm sei die Förderschädlichkeit des vorzeitigen Maßnahmenbeginns nicht bewusst gewesen.
  2. Ein Antragsteller, der vor Erteilung eines Förderbescheids bzw. ohne Genehmigung des vorzeitigen Maßnahmebeginns mit der Realisierung eines Projektes beginnt, gibt zu erkennen, dass er das Projekt ungeachtet einer möglichen staatlichen Förderung realisieren will und kann. In einem solchen Fall widerspräche die Gewährung einer Förderung den Vorgaben des Art. 23 BayHO, wonach staatliche Zuwendungen nur gewährt werden sollen, wenn das staatliche Interesse nicht ohne die Zuwendung befriedigt werden kann.
  3. Aus der Zustimmung zum vorzeitigen Beginn einer Teilmaßnahme ergibt sich kein schutzwürdiges Vertrauen, dass mit dem Gesamtvorhaben ohne Zustimmung begonnen werden kann.

Sachverhalt

Ein öffentlicher Auftraggeber stellte für die Realisierung eines Biomasseheizkraftwerks einen Fördermittelantrag. Schon zuvor hatte er jedoch die dafür erforderlichen Bauleistungen gesamthaft ausgeschrieben und beauftragt.

Als der Zuwendungsgeber die gewährten Fördermittel später wegen des vorzeitigen Beginns der Baumaßnahme zurückforderte, machte der Auftraggeber geltend, er habe die Behörde in einer Besprechung im Vorfeld der Antragstellung bereits über die bereits laufende Ausschreibung der Gesamtmaßnahme und den bevorstehenden Zuschlag informiert. Der Zuwendungsgeber habe ihm daraufhin versichert, dass bei entsprechender Genehmigung ein vorzeitiger Baubeginn fördermittelunschädlich sei. Der Auftraggeber meinte daher, er habe darauf vertrauen dürfen, dass die Fördermittel nicht zurückgefordert werden. Vor Beauftragung der Gesamtmaßnahme sei schließlich der vorzeitige Beginn einer Teilmaßnahme genehmigt worden.

Die Entscheidung

Ohne Erfolg! Aus Art. 23 BayHO folgt, dass Zuwendungen nicht gewährt werden dürfen, wenn der Empfänger durch vorzeitigen Baubeginn zu erkennen gibt, dass er das Vorhaben auch ohne staatliche Zuwendungen verwirklichen will.

Aus Sicht des VGH Bayern gab es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Zuwendungsgeber unvollständig oder unzutreffend auf die Förderschädlichkeit einer vorzeitigen Gesamtauftragsvergabe aufgeklärt hätte. Dem Auftraggeber war dieses Risiko zur Überzeugung des Gerichts auch hinreichend bekannt. Er hatte nämlich bei Antragstellung die Kenntnis der einschlägigen Förderrichtlinie und damit auch des Zustimmungserfordernisses bei vorzeitigem Baubeginn bestätigt. Auch aus vorangehender E-Mail-Korrespondenz ergab sich, dass ihm die Problematik des vorzeitigen Maßnahmebeginns bekannt war.

Aus Sicht des Gerichts lag auf der Hand, dass die Zustimmung zu einer Teilmaßnahme nicht die Vergabe des Gesamtauftrags rechtfertigte. Überdies enthielt diese den ausdrücklichen Hinweis, dass die Gesamtmaßnahme noch nicht geprüft werden konnte und der Beginn der Teilmaßnahme somit auf das eigene Risiko des Auftraggebers erfolgte.

Rechtliche Würdigung

Auch andere Landeshaushaltsordnungen und § 23 BHO stehen einem vorzeitigen Maßnahmebeginn ohne entsprechende Zustimmung des Zuwendungsgebers entgegen. Als Vorhabenbeginn zählt grundsätzlich bereits der Abschluss eines der Ausführung zuzurechnen Lieferungs- und Leistungsvertrags, nicht jedoch bei Baumaßnahmen die Planung, Baugrunduntersuchungen, der Grunderwerb und das Herrichten des Grundstücks (vgl. VGH München, Beschluss vom 12.09.2000; Az.: 4 ZB 97.3544).

Praxistipp

Öffentliche Auftraggeber sind grundsätzlich gut beraten, im Rahmen der Projektplanung auch die Zeiträume für die Bewilligung von Fördermitteln zu berücksichtigen und Vergabeverfahren nicht vorschnell einzuleiten oder gar mit einem Zuschlag zu beenden. Die Zustimmung zum vorzeitigen Beginn lediglich einer Teilmaßnahme kann Auftraggebern allenfalls bei der Vergabe entsprechender (Einzel-) Lose nutzen.

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Praktische Anwendungsmöglichkeiten für das dynamische Beschaffungssystem

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Politik und MarktRecht

Das in §§ 120 Abs. 1 GWB, 22 – 24 VgV geregelte dynamische Beschaffungssystem fristet bislang ein Schattendasein. Uns ist kein einziger Fall bekannt, in dem es im Rahmen einer Auftragsvergabe eingesetzt wird oder wurde. Wir meinen, dass das dynamische Beschaffungssystem in zumindest einer Fallkonstellation eine interessante Alternative gegenüber etablierten Instrumenten bieten kann.

Wesen des dynamischen Beschaffungssystems

Das dynamische Beschaffungssystem ähnelt der Rahmenvereinbarung mit mehreren Auftraggebern. Es dient der Beschaffung marktüblicher (d.h. standardisierter) Leistungen über einen begrenzten Zeitraum (§§ 22 Abs. 1, 23 Abs. 1 VgV). Es muss elektronisch betrieben werden (§ 22 Abs. 3 VgV). Während der gesamten Vertragslaufzeit kann jedes interessierte Unternehmen dem System beitreten (§ 22 Abs. 4 VgV), daher auch die Bezeichnung „dynamisch“. Dieser offene Charakter des dynamischen Beschaffungssystems ist auch der zentrale Unterschied zur Rahmenvereinbarung: Mit Abschluss der Rahmenvereinbarung stehen der/die Vertragspartner des öffentlichen Auftraggebers fest, neue Vertragspartner können während der Vertragslaufzeit nicht hinzukommen. Auch im Hinblick auf den Beschaffungsgegenstand scheint das dynamische Beschaffungssystem zumindest nach dem Gesetzeswortlaut im Vergleich zur Rahmenvereinbarung flexibler: Bei der Rahmenvereinbarung ist das „in Aussicht genommene Volumen…so genau wie möglich zu ermitteln und bekannt zu geben“ (§ 21 Abs. 1 S. 2 VgV). Beim dynamischen Beschaffungssystem reicht es hingegen aus, dass mit Inbetriebnahme des Systems „die Art und die geschätzte Menge der gewünschten Leistungen“ bekannt gegeben werden (§ 23 Abs. 3 VgV). Offenbar erkennt die Beschaffungspraxis in dieser größeren Flexibilität jedoch keinen hinreichenden Mehrwert dafür, sich auf dieses neue Instrument einzulassen. In der Praxis scheinen die Fälle selten zu sein, in denen die zu beschaffende Leistung einerseits für eine Rahmenvereinbarung nicht hinreichend präzise beschreibbar ist (sondern nur „der Art nach“ bestimmbar), andererseits aber für ein dynamisches Beschaffungssystem standardisiert genug ist. Auch im Hinblick auf den potentiellen Vertragspartner scheint es so zu sein, dass die Flexibilität, die eine Rahmenvereinbarung mit mehreren Auftragnehmern bietet, als hinreichend empfunden wird. Womöglich wird die Offenheit für Unternehmer beim dynamischen Beschaffungssystem vielfach auch als Nachteil empfunden, weil dies die Kalkulation für die Unternehmen erschwert, was sich negativ auf den Preis auswirken kann.

Flexibler als eine Rahmenvereinbarung

Für Einkaufsgemeinschaften und sonstige zentrale Beschaffungsstellen nach § 120 Abs. 1 GWB ist die Rahmenvereinbarung mit mehreren Auftragnehmern aber auch in anderer Hinsicht unflexibel: Die Vertragspartner auf Auftraggeberseite müssen nach dem Gesetzeswortlaut von Anfang an bestimmt sein (§ 21 Abs. 2 S. 2 VgV). Dies macht es gerade bei langfristigen Rahmenvereinbarungen schwer, auf Schwankungen auf der Auftraggeberseite zu reagieren, insbesondere neue interessierte Auftraggeber einzubinden. In der Vergangenheit haben daher zentrale Beschaffungsstellen auf verschiedene Art und Weise auf diesen Umstand reagiert. So genügt es wohl schon, wenn der Kreis der abrufberechtigen öffentlichen Auftraggeber zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bestimmbar und nicht schon abschließend bestimmt ist (vgl. Erwägungsgrund 60 der RL 2014/24/EU). Dadurch ist es möglich, den Kreis der abrufberechtigten Auftraggeber auf eine bestimmte Kategorie innerhalb eines regional begrenzten Gebietes zu beschränken, ohne diese namentlich zu benennen.

Andere zentrale Vergabestellen sind dazu übergegangen, als Wiederverkäufer aufzutreten, wie es auch nach § 120 Abs.4 S.2 GWB zulässig ist. Dabei erwirbt die Einkaufsgemeinschaft zunächst (und sei es auch nur für eine juristische Sekunde) die Waren und Dienstleistungen aus dem Rahmenvertrag und veräußert diese dann weiter an den jeweiligen öffentlichen Auftraggeber. In diesem Fall trägt die Einkaufsgemeinschaft allerdings das Risiko, dass sie bei Streitigkeiten zwischen Auftragnehmer und öffentlichem Auftraggeber möglicherweise in Vorleistung gehen muss.

Nachträgliche Änderungen auf Auftraggeberseite möglich

Beim dynamischen Beschaffungssystem fehlt eine dem § 21 Abs. 2 S. 2 VgV entsprechende Bestimmung. Folgt daraus, dass anders als bei der Rahmenvereinbarung Auftraggeber nachträglich hinzutreten können, dass das dynamische Beschaffungssystem also sowohl auf Unternehmer- wie auch auf Auftraggeberseite offen ist? Die Richtlinie schweigt hierzu. Der Beantwortung dieser Frage nähert man sich daher am besten, indem man nach dem Sinn dieser Beschränkung fragt: Bei der Rahmenvereinbarung muss sich jeder Marktteilnehmer auf Grundlage der Bekanntgabe entscheiden, ob er ein Angebot zwecks Einbindung in die Rahmenvereinbarung abgeben möchte. Die Hinzunahme neuer Auftraggeber ändert das Beschaffungsvorhaben grundlegend. Wer genau Auftraggeber ist, kann darüber entscheiden, ob eine Angebotsabgabe für bestimmte Marktteilnehmer interessant ist oder nicht. So kann z.B. ein Markteilnehmer seine Angebotsabgabe davon abhängig machen, wie weit die Auftraggeber von seinem Standort entfernt sind. Aus Gründen der Transparenz muss die Identität der Auftraggeber daher Gegenstand der Bekanntmachung sein und diese Information darf nicht durch nachträgliche Änderungen plötzlich nicht mehr den Tatsachen entsprechen. Beim dynamischen Beschaffungssystem kann dagegen jeder Marktteilnehmer Änderungen auf Auftraggeberseite zum Anlass nehmen, dem System nunmehr beizutreten. Die Transparenz wird hier daher nicht beeinträchtigt. Im Ergebnis kann das Schweigen des Gesetzgebers daher nur so interpretiert werden, dass das dynamische Beschaffungssystem nicht nur allen Unternehmen offensteht, sondern auch offen gegenüber weiteren öffentlichen Auftraggebern ist. Einkaufsgemeinschaften und andere zentrale Vergabestellen, die für wechselnde öffentliche Auftraggeber tätig werden, können daher das dynamische Beschaffungssystem nutzen, um flexibel auf Änderungen auf der Auftraggeberseite reagieren zu können.

Reines Online-Verfahren

Notwendig dafür sind allerdings nicht zu unterschätzende technische Voraussetzungen: Ein dynamisches Beschaffungssystem wird ausschließlich online betrieben. Da mehrere Auftragnehmer regelmäßig an dem System teilnehmen muss eine technische Möglichkeit bestehen, unterschiedliche Angebote von den geeigneten Bietern für deren Leistungen zu hinterlegen und (ggf. tagesaktuell) anzupassen. Im Gegensatz zur Angebotsabgabe mittels eines elektronischen Katalogs, der weitestgehend statisch und unverändert über die ganze Vertragslaufzeit bleibt, müssen die technischen Voraussetzungen beim dynamischen Beschaffungssystem (der Name sagt es schon) wesentlich dynamischer sein und den zugelassenen Bietern einen eigenen Zugang zum System gewähren. Der öffentliche Auftraggeber muss sich wiederum darauf einstellen, über die gesamte Vertragslaufzeit erneut in die Eignungsprüfung eintreten zu müssen, wenn ein neuer Auftragnehmer den Zugang zum System begehrt. Dies ist technisch keineswegs unmöglich. Gleichwohl sind die Anforderungen für alle Beteiligten bei der Nutzung des dynamischen Beschaffungssystems erhöht.

Zusammenfassend: Wenn die notwendigen technischen Voraussetzungen existieren, bietet das dynamische Beschaffungssystem eine attraktive Möglichkeit für zentrale Beschaffungsstellen, flexibel auf Veränderungen auf der Auftraggeberseite zu reagieren und gleichzeitig einen konstanten Konkurrenzdruck auf die Bieter aufrecht zu erhalten, um möglichst attraktive Angebote zu erhalten.

Kontribution
Dieser Beitrag wurde von Herrn Prof. Dr. Einmahl in Zusammenarbeit mit Herrn RA André Siedenberg verfasst.

Prof. Dr. Matthias Einmahl

Über Prof. Dr. Matthias Einmahl

Matthias Einmahl ist seit 2005 Professor an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen. Er unterrichtet dort Zivilrecht und öffentliche Beschaffung. Seine Arbeitsschwerpunkte außerhalb der Lehre sind öffentliche Beschaffung und Korruptionsprävention. Vor seiner Zeit als Hochschullehrer war er 8 Jahre als Richter und Staatsanwalt tätig.

André Siedenberg

Über André Siedenberg

André Siedenberg ist Berater bei der Kommunal Agentur NRW und Rechtsanwalt in Düsseldorf. In dieser Funktion unterstützt er öffentliche Auftraggeber und NGO’s bei verschiedenen vergaberechtlichen Fragestellungen. Nach seinem Referendariat in Würzburg war er zunächst im Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk des Landes Nordrhein-Westfalen im Referat für Vergaberecht beschäftigt.

 

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Leitfaden zur Beschaffung von Standardsoftware durch öffentliche Auftraggeber unter besonderer Berücksichtigung von Gebrauchtsoftware (Teil 2)

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LeitfadenIn dem ersten Teil dieses Beitrags hat unser langjähriger Autor Dr. Roderic Ortner den Lesern einen ersten Einblick in den von ihm erstellten Leitfaden zum Erwerb von Standardsoftware durch öffentliche Auftraggeber gewährt. Den Leitfaden können Sie über den Vergabeblog hier herunterladen.  In diesem zweiten Teil wird Dr. Ortner nun kurz auf die Vertragsbedingungen, die Eignungskriterien sowie die verschiedenen zulässigen Vergabeverfahren eingehen.

 

Die Vertragsbedingungen

Neben den Bewerbungsbedingungen und der Aufforderung zur Angebotsabgabe sind auch die Vertragsbedingungen ein essentieller Bestandteil der Vergabeunterlagen, denen diese als separates Dokument beizufügen sind. Auf Bundesebene und in den meisten Bundesländern ist neben der in der Regel in den Vertrag einzubeziehende VOL/B auch die EVB-IT Überlassung (Typ A) in Verträge über den Erwerb von Standardsoftware einzubeziehen. Auch die Überlassung-AGB finden in diesen Fällen Geltung. Anpassungen der vorformulierten EVB-IT Formulare sind möglich und sollten kenntlich gemacht werden. Auch dazu bietet der Leitfaden genaue Hinweise und Formulierungsvorschläge.

Eine erhebliche Falle besteht für den öffentliche Auftraggeber im Bezug auf die EVB-IT darin, dass er diese zu spät, d.h. erst nach dem Zuschlag, aufsetzt und abschließt. Ein derartiges Vorgehen verstößt jedoch gegen den Transparenz- und den Wettbewerbsgrundsatz ebenso wie das nachträgliche Verhandlungsverbot. Daher sollte der öffentliche Auftraggeber sich vorab auch eingehend mit den Vertragsbedingungen auseinandersetzen und determinieren, ob und wie er diese an sein spezielles Vorhaben eventuell anpassen will.

Zuschlagskriterien bei Standardsoftware

Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt. Welches Angebot das wirtschaftlichste ist, bestimmt sich auf Grundlage der vom öffentlichen Auftraggeber festzulegenden Zuschlagskriterien. Anhand dieser Kriterien wird das beste Preis-Leistungs-Verhältnis ermittelt. Neben dem Preis der Leistung können weitere rein leistungsbezogene Kriterien in die Bewertung der Angebote einbezogen werden, so z.B. die Kosten, die Liefer- und Ausführungsfristen sowie umweltbezogene, qualitative oder soziale Aspekte. Auch hier ist zu beachten, dass alle Kriterien und deren Gewichtung spätestens in den Vergabeunterlagen aufzuführen sind. Die Praxis ist mit solchen komplexen Kriterienkatalogen aber häufig überfordert und/oder hat schlicht das Budget nicht, so dass sie sich bei Standardsoftware in der Regel auf den Preis beschränkt. Zumindest bzgl. der Frage der Nutzungsrechte ist das aber ein Fehler, da auch Anbieter von Gebrauchssoftware grundsätzlich zugelassen sein müssen. Dann aber ist für die Rechtsicherheit des später ausgelebten Vertrages äußerst wichtig, dass man sich als Auftraggeber die lückenlose Rechtekette bei angebotener Gebrauchssoftware darlegen lässt. Hier ist zu empfehlen, ein entsprechendes Zuschlagskriterium vorzusehen. Auch diesbezüglich enthält der Leitfaden praktische Tipps und Formulierungshilfen und anschauliche Beispiele, wie die EVB-IT Vorlagen vorausgefüllt werden können, bevor sie den Vergabeunterlagen beigefügt werden.

Das zulässige Vergabeverfahren

Es handelt sich bei dem Erwerb von Standardsoftware um einen Lieferauftrag, der, da er in den Anwendungsbereich des 4. Teils des GWB fällt, nach Wahl des öffentlichen Auftraggebers in einem offenen oder nicht offenen Verfahren vergeben werden kann.

Anders als beim Zukauf von bereits vorhandenen Lizenzen ist für die Erstbeschaffung von Standardsoftware kein direkter Erwerb vom Vorlieferanten denkbar. Bei unterschwelligen Verfahren sind die unterschiedlichen nationalen Vergabeverfahren zulässig, während bei allen Aufträgen, die die gesetzlichen Schwellenwerte übersteigen, allein die öffentliche Ausschreibung zulässig ist.

Für diese und weitere Problemstellung bietet das von Dr. Ortner zusammengestellte Dokument Lösungsansätze. Der Leitfaden schließt nach diesen ausführlichen Tipps und Tricks bezüglich der einzelnen Punkte des Verfahrens mit eine Checkliste, die aus den wichtigen Fragen besteht, die sich jeder öffentliche Auftraggeber vor der Zusammenstellung der Vergabeunterlagen stellen sollte.

Praxistipp: Nachweis der Rechtekette beim Kauf von Gebrauchtsoftware

Öffentlichen Auftraggebern ist zu empfehlen, als Zuschlagskriterium Folgendes festzulegen:
„Zuschlagskriterium: Beleg der Erschöpfung des Verbreitungsrechts. Sollte ein Angebot über eine Gebrauchtsoftware nach Wertung in die engere Zuschlagswahl gelangen, so wird der öffentliche Auftraggeber den betreffenden Bieter noch vor Zuschlagserteilung auffordern darzulegen, dass sich das Verbreitungsrecht an der angebotenen Software erschöpft hat. Hierzu sind folgende Erklärungen und Unterlagen vorzulegen¹:

  1. Den Namen des Ersterwerbers sowie die Namen aller nachfolgenden Erwerber, („Rechtekette“) unter Offenlegung der zugrundeliegenden Lizenzvertragsnummern,
  2. Belege über die Unbrauchbarmachung aller Kopien der Software beim Ersterwerber und aller nachfolgenden Erwerber,
  3. Vorlage mindestens der Produktnutzungsrechte zwischen dem Rechtsinhaber und dem Ersterwerber,
  4. Bestätigung, dass Verbesserungen und Aktualisierungen von einem zwischen dem Urheberrechtsinhaber und dem Ersterwerber abgeschlossenen Vertrag gedeckt sind,
  5. Nachweis, dass die Softwarelizenzen in der EU bzw. einem Staat des EWR in Verkehr gebracht, wurden,
  6. Erklärung, dass der Bieter im Fall der Bezuschlagung vor Überlassung der Software sämtliche bei ihm verbliebenen Kopien unbrauchbar macht.

Sollte dem Bieter die Darlegung misslingen, so ist sein Angebot zwingend auszuschließen.“


Hinweis der Redaktion:
Der Autor, Herr Rechtsanwalt Dr. Ortner, wird beim 2. IT-Vergabetag, bei dem die Beschaffung von IT-Leistungen im Vordergrund steht, den Workshop: „Festlegung und Bewertung qualitativer Wertungskriterien bei IT-Vergaben“ durchführen. Informationen sowie eine Anmeldemöglichkeit zum 2. IT-Vergabetag am 6. April 2017 in Berlin finden Sie unter www.it-vergabetag.de.


¹Diese Pflicht verstößt nicht gegen den Nichtdiskriminierungsgrundsatz, da hier ein sachlicher Grund vorliegt. Sie verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Eigenerklärung, da dieser bei der Eignung greift und nicht wie hier auf Zuschlagsebene. Eine Rügepflicht gemäß § 377 HGB bezüglich der Unterlagen besteht nicht, dies würde die Rügepflicht des § 377 HGB überstrapazieren (a.A. Kubach/Hunzinger, CR 2016, 213, 215). Unabhängig davon handelt es sich bei Geschäften mit öffentlichen Auftraggebern in aller Regel ohnehin nicht um Handelsgeschäfte. Vorsichtshalber könnte der öffentliche Auftraggeber die Prüfpflicht in den Vertragsunterlagen abbedingen.

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Neues zum Umgang mit Dumping-Angeboten (BGH, Beschl. v. 31.01.2017 – X ZB 10/16)

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Der Bundesgerichtshof hat sich in einer aktuellen Entscheidung zur Reichweite des Bieterschutzes bei ungewöhnlich niedrigen Angeboten geäußert. Nach (weitgehend) übereinstimmender Rechtsprechung hatten Bieter bislang nur unter sehr engen und schwer nachzuweisenden Ausnahmetatbeständen die Möglichkeit, gegen die Bezuschlagung von ungewöhnlich niedrigen Angeboten vorzugehen. Der BGH stellt nun klar, dass unterlegene Bieter einen Anspruch auf Einhaltung der Pflicht zur Prüfung unangemessen niedriger Angebote haben. Zugleich hat er die Voraussetzungen der Zulässigkeit eines entsprechenden Nachprüfungsantrages erheblich abgesenkt und das praxisrelevante Zwischenverfahren über die Entscheidung zur Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen in der Vergabeakte ausführlich erläutert.

§ 16 Abs. 6 S. 1 VOL/A 2009; § 19 EG Abs. 6 S. 1 VOL/A 2009; § 60 VgV, § 16d Abs. 1 und 16d EU Abs. 1 VOB/A

Leitsatz

  1. Erscheint ein Angebotspreis aufgrund des signifikanten Abstands zum nächstgünstigen Gebot oder ähnlicher Anhaltspunkte, wie etwa der augenfälligen Abweichung von preislichen Erfahrungswerten aus anderen Beschaffungsvorgängen, ungewöhnlich niedrig, können die Mitbewerber verlangen, dass die Vergabestelle in die vorgesehene nähere Prüfung der Preisbildung eintritt.
  2. Wird für bereits vorliegende oder von der Vergabestelle zur Aufklärung des Preises nachgeforderte Informationen Schutz als Geschäftsgeheimnis begehrt, entscheidet die Vergabekammer zunächst in einem Zwischenverfahren über deren Offenlegung. Für die Entscheidung, ob das Geheimhaltungs- oder das Offenlegungsinteresse überwiegt, ist eine Abwägung der beiderseitigen geschützten Interessen vorzunehmen.
  3. Die Vergabekammer darf bei der Sachentscheidung Umstände berücksichtigen, deren Offenlegung sie mit Rücksicht auf ein Geheimhaltungsinteresse abgelehnt hat, das nach Abwägung aller Umstände das Interesse der Beteiligten auf rechtliches Gehör auch unter Beachtung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz überwiegt.

Sachverhalt

Die Berliner Feuerwehr schrieb die Gestellung von Notärzten aus. Ein unterlegener Bieter beantragte die Nachprüfung der beabsichtigten Vergabe unter Berufung auf § 16 Abs. 6 S. 1 VOL/A 2009: das Angebot des Zuschlagsaspiranten sei ungewöhnlich niedrig und müsse ausgeschlossen werden. Der Abstand zum nächstbesten Angebot betrug über 30 %. Die Vergabekammer wies den Antrag allerdings in Übereinstimmung mit der überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur mangels drittschützender Wirkung der Norm ab. Das Beschwerdegericht wollte sich dem anschließen; aufgrund einer divergierenden Entscheidung des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 29.10.2003, Az. 1 Verg 2/03 sah es sich jedoch an einer Entscheidung gehindert und legte die Sache dem BGH vor.

Die Entscheidung

Der BGH stellt zunächst klar, dass die Divergenzvorlage nicht an dem vergleichsweise fortgeschrittenen Alter der Saarländischen Entscheidung scheitert. Eine Divergenzvorlage zum BGH ist demnach unabhängig von zeitlichen Erwägungen immer dann zulässig, wenn das vorlegende Gericht seine Entscheidung auf einer Rechtsauffassung gründen will, die mit einer die Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichtes tragenden Rechtsauffassung unvereinbar wäre (vgl. § 179 Abs. 2 GWB).

Die Abweichung lag hier darin, dass nach Auffassung des Saarländischen Oberlandesgerichts ein Recht des zweitplatzierten Bieters auf Nachprüfung der Zuschlagsentscheidung im Fall eines ungewöhnlich niedrigen Angebotes besteht, während das Kammergericht dieses Recht mangels bieterschützender Norm verneinen wollte. Nach ständiger Rechtsprechung vieler Vergabesenate kommt § 16 Abs. 6 VOL/A 2009 bzw. § 19 EG Abs. 6 VOL/A nämlich nur dann bieterschützende Wirkung zu, wenn das niedrige Angebot mit dem Ziel der Verdrängung anderer Wettbewerber aus dem Markt (nicht nur der Ausschreibung!) abgegeben wird. Gleiches soll gelten, wenn die niedrige Preisgestaltung den Bieter voraussichtlich in so erhebliche Schwierigkeiten bringen würde, dass er den Auftrag nicht ordnungsgemäß zu Ende führen könnte.

Der BGH führt zunächst aus, dass für die Zuverlässigkeit des Nachprüfungsantrages die Darlegung von Indizien genüge, aus denen sich die Unangemessenheit des Preises ergebe. Das sei in der Regel der Abstand zum nächstgünstigen Angebot, könne aber auch in einer auffälligen Abweichung von Erfahrungswerten liegen. Die Darlegung einer etwaigen Marktverdrängungsabsicht verlangt der BGH hingegen nicht. Ein Antragsteller könne mangels Einblick in die Sphäre des Konkurrenten und auch in Anbetracht der knappen Zeit hierzu nichts vortragen.

Des Weiteren bekräftigt der BGH die Prüfungspflicht des öffentlichen Auftraggebers bei entsprechender Indizienlage. Darauf aufbauend – und das ist das Neue an dieser Entscheidung – gesteht der BGH den Wettbewerbern zu, sich ebenfalls auf die Einhaltung der Vorgaben des § 60 Abs. 3 VgV (sowie der parallelen Vorschriften in VOB/A und VOL/A) berufen zu können. Das Verbot des Zuschlags auf ein Unterkostenangebot konkretisiere den Wettbewerbsgrundsatz (§ 97 Abs. 1 GWB). Da ein Verstoß hiergegen die Position der übrigen Bewerber beträfe, könnten diese sich auf die Einhaltung der Vorschriften berufen.

Der Anspruch der Wettbewerber ist darauf gerichtet, dass der Auftraggeber die vorgeschriebene Prüfung vornimmt. § 60 Abs. 2 VgV statuiert hierfür einige Kriterien, die bei der Bewertung der Angemessenheit des Preises eine Rolle spielen können. Der BGH lässt dabei nicht unerwähnt, dass diese Kriterien ebenso bei Bauvergaben gelten, auch wenn sie in § 16d EU Abs. 1 VOB/A (anders als übrigens in § 16d Abs. 1 Nr. 2 S. 2 VOB/A) nicht ausdrücklich aufgeführt sind.

Erst wenn diese Prüfung die geringe Höhe des Preises nicht zufriedenstellend aufklären konnte, darf der Auftraggeber den Zuschlag ablehnen. Das Wort “dürfen” in § 60 Abs. 3 VgV bedeute allerdings nicht, dass die Ablehnung eines Angebots im Belieben des Auftraggebers stünde. Vielmehr sei die Ablehnung eines Angebotes grundsätzlich geboten, wenn verbleibende Ungewissheiten nicht zufriedenstellend aufgeklärt werden könnten; allerdings seien hierbei Art und Umfang der drohenden Gefahren zu berücksichtigen.

Ein zu geringer Angebotspreis berge für den Auftraggeber die Gefahr, dass der Auftragnehmer in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten kann, so bislang die Rechtsprechung. Der BGH ergänzt nun, dass öffentliche Auftraggeber auch unterhalb dieser doch eher seltenen Fälle ein Interesse daran haben können, ein zu niedriges Angebot nicht bezuschlagen zu müssen. Der Auftragnehmer könne beispielsweise versuchen, den Auftrag möglichst unaufwändig und damit möglicherweise nicht vertragsgerecht abzuarbeiten, über Nachträge eine Kompensation zu erhalten oder seine Ressourcen auf andere, profitablere Aufträge zu konzentrieren. Ein Angebotsausschluss kommt sodann in Betracht, wenn sich ein sehr günstiger Angebotspreis, dem zugleich ein erhebliches potentielles Verlustrisiko anhaftet, nicht zufriedenstellend aufklären lässt.

Die Entscheidung im konkreten Fall, nämlich ob diese Prüfung in ausreichendem Maße stattgefunden hatte, verwies der BGH zurück an die Vergabekammer. Trotz der Rückverweisung befasste sich der Senat allerdings noch sehr ausführlich mit der Frage, wie die Geheimhaltungsinteressen des betroffenen Bieters bei der Prüfung des Preises berücksichtigt werden können. Wird die Vergabeakte samt Geschäftsgeheimnissen des betroffenen Bieters dem Antragsteller zur Akteneinsicht überlassen, soll zunächst in einem Zwischenverfahren (angelehnt an § 72 GWB), dessen Ablauf der BGH ausführlich erläutert, über die Offenlegung der Geschäftsgeheimnisse entschieden werden. Die Vergabekammer entscheidet mittels rechtsmittelfähigem Beschluss; Akteneinsicht darf erst nach Bestandskraft dieser Entscheidung gewährt werden.

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung betraf zwar noch die alte Rechtslage vor April 2016, der BGH sieht jedoch keinen Unterschied im Regelungsgehalt der alten Normen im Vergleich zu § 60 VgV bzw. § 16d Abs. 1 und 16d Abs. 1 EU VOB/A. Ebenso gilt sie für soziale und besondere Dienstleistungen im Sinne des § 130 GWB. Es steht zu vermuten, dass die Entscheidung angesichts der parallelen Interessenlage auch im Anwendungsbereich der Konzessionsvergabeverordnung sowie im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich Geltung finden wird. Nebenbei bemerkt offenbart die Entscheidung wiederum das zweifelhafte Nebeneinander von VgV und EU VOB/A. In letzterer fehlt ohne erkennbaren Grund ein mit § 60 Abs. 2 VgV vergleichbarer Prüfkatalog, welcher angesichts des gemeinsamen europarechtlichen Ursprungs der Normen (vgl. Artikel 69 Abs. 2 der Richtlinie 2014/24/EU) selbstverständlich trotzdem Anwendung findet.

In der Sache ist die Entscheidung des BGH nachvollziehbar und im Interesse einer wirtschaftlichen und wettbewerblichen Beschaffung zu begrüßen. Die Vorschrift des § 60 VgV, wonach auf ein Angebot mit ungewöhnlich niedrigem Preis der Zuschlag nicht erteilt werden darf, fußt nach althergebrachter Meinung auf dem haushaltsrechtlichen Grundsatz der wirtschaftlichen und sparsamen Mittelverwendung. Geschützt wurde damit das öffentliche Vermögen. Auf diese Erwägung stützte sich die bisherige Rechtsprechung, wonach Wettbewerber keine Handhabe hatten, gegen ungewöhnlich niedrige Angebote vorzugehen (vgl. VK Bund, Beschl. v. 19.08.2016 VK-2-75/16, Entscheidungsbesprechung Michael Werner, Vergabeblog.de vom 20/10/2016, Nr. 27569). Die Norm schütze eben nicht den Wettbewerb, sondern den Haushalt. Damit war § 19 Abs. 6 EG VOL/A 2009 die einzige nicht-bieterschützende vergaberechtliche Vorschrift.

Konkurrenten konnten den Zuschlag auf ein Unterkostenangebot daher nicht verhindern. Dieser Umstand führte bei Wettbewerbern häufig zu großer Frustration und leistete dem Vorwurf an das Vergaberecht Vorschub, es würde zu einem ruinösen Preiswettbewerb und zur Anschaffung billiger (d.h. nicht unbedingt wirtschaftlicher) Leistungen führen. Selbst bei öffentlichen Auftraggebern war bisweilen Unzufriedenheit über die vermeintliche Pflicht zur Anschaffung schlechter Produkte und Leistungen festzustellen.

Insofern ist die Entscheidung des BGH sowohl für Bieter als auch für Auftraggeber von großer Bedeutung. Bieter sollten die neue Rechtsschutzmöglichkeit nutzen und bei Vorliegen entsprechender Indizien gegen eine geplante Unterkostenvergabe vorgehen. Auftraggeber bekommen klarere Regeln für die Prüfung und ggf. den Ausschluss von Unterkostenangeboten an die Hand. Die Pflicht zur Prüfung ungewöhnlich niedriger Angebote sollten Auftraggeber ernst nehmen und den Prozess ausführlich dokumentieren.

Der BGH hat allerdings offen gelassen, ob ein Antragsteller im Einzelfall auch einen Angebotsausschluss nicht nur die Prüfung der Angemessenheit des Preises durchsetzen könnte. Nach allgemeinen Grundsätzen dürfte dies bei einer Ermessensreduzierung auf Null, das heißt wenn der Angebotsausschluss die einzig rechtmäßige Handlungsalternative des Auftraggebers ist, durchaus möglich sein. Die Situation dürfte vergleichbar sein mit anderen Ausschlussgründen. Ohnehin ist die Vergabekammer nicht an die Anträge gebunden und kann der Vergabestelle entsprechende Handlungsanweisungen auf den Weg geben. Insofern kann die künftige Entscheidungspraxis der Vergabenachprüfungsinstanzen mit Spannung erwartet werden.

Ebenfalls offen gelassen hat der BGH den alten Streit zur Höhe der Aufgreifschwelle: 10 % oder 20 % Abstand zum nächsthöheren Angebot. Nach wie vor ist daher je nach Indizienlage im Einzelfall zu entscheiden, ob eine Prüfung des Preises vorgenommen werden sollte oder nicht.


Praxistipp

Nach der Entscheidung wird für Bieter die Möglichkeit eröffnet, Vergabestellen zur Prüfung von ungewöhnlich niedrigen Preisen zu zwingen. Damit geht eine Absenkung der Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Nachprüfung einher: Statt einer kaum realistischen Darlegung einer Marktverdrängungsabsicht genügt eine erhebliche Abweichung des Preises von dem nächstgünstigen Angebot oder von Erfahrungswerten.

Bei der Vergabe nach VgV werden allerdings die Preise, anders als bei Bauvergaben, nicht bekannt gegeben, so dass hier nach wie vor ein Nachweisproblem besteht. Der BGH will jedoch allgemein die Anforderungen an die Darlegung der möglichen Rechtsverletzung als nicht zu hoch angesetzt wissen, so dass Bieter auch bei VgV-Verfahren nicht vor einer Rüge bzw. einem Nachprüfungsantrag zurückschrecken sollten.


Anm. d. Red.: Siehe hierzu auch den Kurzbericht auf

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Das Wettbewerbsregister – Die 10 wichtigsten Regelungen

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Politik und MarktRechtUNBEDINGT LESEN!

Nachdem das BMWi den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Einrichtung eines Wettbewerbsregisters (WRegG) vorgelegt hat (Anm. d. Red.: Das Bundeskabinett hat diesen am 29.03.2017 beschlossen), soll dieser nun unter Hochdruck noch in dieser Legislaturperiode durch das parlamentarische Verfahren geschleust werden. Die wichtigsten 10 Regelungen des Gesetzes für Sie als Auftraggeber und auch als Auftragnehmer werden in diesem Beitrag vorgestellt.

1. Nur die im Register aufgeführten Verstöße und Straftaten rechtfertigen eine Eintragung.

Der Gesetzentwurf regelt abschließend und explizit die zur Eintragung von Unternehmen im Wettbewerbsregister führenden Straftaten und Ordnungswidrigkeiten. Dies führt zu begrüßenswerter Rechtsklarheit und Praktikabilität.

Auch Verurteilungen im Ausland können zu einem Ausschluss von öffentlichen Aufträgen führen, soweit sie der registerführenden Stelle bekannt werden. Eine Verpflichtung zur Meldung an das Register kann jedoch nur für deutsche Behörden begründet werden.

2. Verstöße und Straftaten können nur eingetragen werden, wenn sie dem Unternehmen zuzurechnen sind.

Das ist der Fall, wenn sie von einer zur Leitung des Unternehmens berufenen natürlichen Person im Zusammenhang mit dem Geschäftsverkehr begangen wurden.  Dazu gehören auch Personen, denen die Überwachung eines Unternehmens in leitender Stellung obliegt. Der Entwurf knüpft damit an die Unternehmensverantwortlichkeit des Ordnungswidrigkeitenrechts an (§ 30 OWiG).

Ist der Verstoß einer Konzerntochter zurechenbar, weil nur deren Leitungsorgane gehandelt haben, wird nur diese ins Register eingetragen. Werden die Rechtsverstöße durch die Konzernspitze begangen, erfolgt die Eintragung des Konzerns.

Verstöße von natürlichen Personen, die nicht im obigen Sinne zur Leitung berufen sind, sind nur eintragungsfähig, wenn der Inhaber des Unternehmens (Geschäftsführer oder Vorstand) seine Organisations- oder Aufsichtspflichten im Sinne von § 130 OWiG verletzt hat. Zu den erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen gehören dabei auch die Bestellung, sorgfältige Auswahl und Überwachung von Aufsichtspersonen.

3. Die gewissenhafte Planung und Durchführung von Compliance-Maßnahmen senkt das Eintragungsrisiko.

Denn dies führt dazu, dass keine Verletzung der Organisations- und Aufsichtspflichten vorliegt. Kommt es zu einem Fehlverhalten durch einen Mitarbeiter des Unternehmens, kann sich der Inhaber auf seine Compliance-Maßnahmen berufen. Das Fehlverhalten kann dann dem Unternehmen nicht zugerechnet werden, da der Inhaber seine Pflichten nicht verletzt hat. Durch eine Übertragung der Compliance-Aufgaben, z.B. auf einen Compliance-Manager, können die Anforderungen an den Inhaber abgesenkt werden. Der Compliance Manager ist nämlich zwar durch den Betriebsinhaber sorgfältig auszuwählen und zu überwachen. Aber wenn das geschieht, können Verstöße des Compliance-Managers dem Unternehmen vergaberechtlich i.d.R. nicht zugerechnet werden.

4. Vor Eintragung wird das betroffene Unternehmen von der Registerstelle angehört. Aber Vorsicht bei den Fristen!

Unternehmen, die eingetragen werden sollen, werden im Vorfeld von der Registerbehörde über den Inhalt der geplanten Eintragung informiert und können innerhalb von zwei Wochen dazu Stellung nehmen und Einwendungen geltend machen.

Diese Frist ist ohnehin schon sehr kurz. Überdies ist aber im Entwurf nicht klar geregelt, wann die Stellungnahmefrist beginnt – z.B. Absendung der Anfrage durch die Registerstelle oder Zugang der Anfrage beim Auftraggeber. Hier ist also schnelles Handeln dringend anzuraten.

5. Bei Einwendungen des Unternehmens wird ein Sperrvermerk eingetragen. Nicht geregelt ist, welche Wirkungen dieser Sperrvermerk genau hat.

Sind die Einwendungen des Unternehmens gegen die Eintragung schlüssig, so hat die registerführende Stelle die Eintragung mit einem Sperrvermerk zu versehen.

Im Gesetzentwurf ist geregelt, dass bei Auskunft an einen Auftraggeber „nur auf den Sperrvermerk hinzuweisen“ sei. Das ist wohl so zu verstehen, dass die strittige Eintragung nicht mitgeteilt werden darf, sondern nur die Existenz eines Sperrvermerks.

Das Gesetz schweigt allerdings dazu, wie der Auftraggeber mit dieser Information umgehen soll. Solange nicht die Richtigkeit der Eintragung festgestellt ist, dürfte diese und auch das Vorhandensein eines Sperrvermerks nicht gegen das Unternehmen verwendet werden. Es gibt außerdem keine Regelung, innerhalb welcher Frist die registerführende Stelle über die Einwendungen des Unternehmens zu entscheiden hat.

6. Für den Rechtsschutz wird der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, die Vergabenachprüfungsinstanzen sind nicht zuständig.

Bei der Ablehnung von Anträgen usw. ist damit das Verwaltungsgericht zuständig. Das WRegG regelt keinen Anspruch des Unternehmens bei Untätigkeit der Behörde oder auf Schadensersatz wegen rechtswidriger Eintragungen. Diese können dann nur im Wege der verwaltungsgerichtlichen Untätigkeitsklage bzw. aus dem Staatshaftungsrecht, namentlich aus den Grundsätzen der Amtshaftung hergeleitet werden.

7. Die Abfragepflicht der Auftraggeber besteht ab einem Auftragswert von 30.000 Euro.

Öffentliche Auftraggeber nach § 99 Abs. 1 bis 3 GWB, Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber sind ab einem Auftragswert von 30.000 Euro verpflichtet, vor Erteilung des Zuschlags für einen öffentlichen Auftrag beim Register abzufragen, ob der Bieter, der den Auftrag erhalten soll, eingetragen ist.

Die übermittelten Daten dürfen vom Auftraggeber nur für den Zweck der konkreten Vergabeentscheidung genutzt werden und sind nach Abschluss des Vergabeverfahrens zu löschen.

Die Pflicht zur Abfrage aus dem neuen Wettbewerbsregister soll die bisherige Pflicht der öffentlichen Auftraggeber nach dem Mindestlohngesetz und dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz zur Abfrage des Gewerbezentralregisters ersetzen.

8. Eine Gruppe der öffentlichen Auftraggeber (§ 99 Abs. 4 GWB) ist von der Abfragepflicht ausgenommen.

Die öffentlichen Auftraggeber i.S.v. § 99 Nr. 4 GWB trifft keine Abfragepflicht nach § 6 WRegG. In der Gesetzesbegründung wird dazu ausgeführt, dass Auftraggeber in privatrechtlicher Form nach § 99 Nr. 4 GWB aufgrund der Sensibilität der Daten nicht erfasst werden sollen. Dies überzeugt zum einen deshalb nicht, weil auch zu den Auftraggebern nach § 99 Nr. 2 GWB, die ihrerseits abfragepflichtig sind, Auftraggeber in privatrechtlicher Form zählen. Zum anderen erhalten die öffentlichen Auftraggeber i.S.v. § 99 Nr. 4 GWB bisher schon Daten aus dem Gewerbezentralregister. Auch dieses enthält sensible Daten.

Wenn öffentliche Auftraggeber i.S.v. § 99 Nr. 4 GWB zukünftig nach § 21 Abs. 4 AEntG, § 21 Abs. 1 Satz 5 SchwarzArbG und § 19 Abs. 4 MiLoG verpflichtet sind, anstelle eines Auszugs aus dem Gewerbezentralregister einen Auszug aus dem Wettbewerbsregister anzufordern, bleibt abzuwarten, wie die registerführende Stelle das handhaben wird.

9. Trotz Eintragung in das Wettbewerbsregister entscheidet allein der Auftraggeber über den Ausschluss eines Unternehmens.

Die Eintragung in das Register führt nicht automatisch zu einem Ausschluss eines Unternehmens von der Teilnahme an einem Vergabefahren. Öffentliche Auftraggeber und Konzessionsgeber haben weiterhin eigenständig nach Maßgabe der vergaberechtlichen  Vorschriften und der dort zum Teil eingeräumten Ermessensspielräume zu entscheiden, ob ein Unternehmen aufgrund der Eintragung im konkreten Einzelfall ausgeschlossen wird. Eine Eintragung wegen eines zwingenden Ausschlussgrundes führt demgemäß in der Regel zum Ausschluss vom Vergabeverfahren, es sei denn die in § 123 GWB selbst geregelten Ausnahmen greifen.

10. Eine Eintragung kann vor Ablauf der Eintragungsfrist wegen erfolgreicher Selbstreinigung eines Unternehmens gegen Gebühr gelöscht werden.

Ein Unternehmen kann beantragen, dass die Eintragung vor Ablauf der Löschfrist wegen erfolgreicher Selbstreinigung aus dem Register gelöscht wird. Die Eintragung ist zu löschen, wenn das Unternehmen diese Selbstreinigung nachgewiesen hat.

Auch für diesen Nachweis kann der Einsatz eines Compliance-Management-Systems hilfreich sein, da Unternehmen mit seiner Hilfe ihre ordnungsgemäße Pflichterfüllung nachweisen können.

Wenn die Registerbehörde zu dem Ergebnis kommt, dass das Unternehmen sich erfolgreich selbstgereinigt hat, wird die Eintragung gelöscht. In diesem Fall sind die Vergabestellen an die zentrale Entscheidung der Registerbehörde gebunden und dürfen das Unternehmen nicht mehr ausschließen. Dies führt zu einer deutlichen Entlastung von Wirtschaft und Vergabestellen, weil die teilweise aufwändige Prüfung der Selbstreinigung nur einmal von der zentralen Registerbehörde durchgeführt wird.

Für den Antrag auf vorzeitige Löschung wegen erfolgreicher Selbstreinigung wird anders als bei der Prüfung der Selbstreinigung nach § 125 GWB eine Gebühr i.d.R. zwischen 1.000 und 25.000 Euro fällig.


Hinweis der Redaktion: Den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einführung eines Wettbewerbsregisters können Sie hier einsehen.

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2. IT-Vergabetag am 6. April – Jetzt letzte Plätze sichern!

Addition von Planungsleistungen bei der Auftragswertberechnung: Funktionale Betrachtung entscheidend (OLG München, Beschl. v. 13.03.2017 – Verg 15/16)

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Die Praxis der Vergabe von Planungsleistungen steht vor einem Paradigmenwechsel. Im Zentrum steht die kontrovers diskutierte Frage, ob Planungsleistungen unterschiedlicher Leistungsbilder für die Berechnung des Auftragswerts zusammenzurechnen sind. Das OLG München hat als erstes deutsches Obergericht entschieden, dass die Leistungen der Objektplanung, der Tragwerksplanung und der Planung der technischen Gebäudeausrüstung für ein einheitliches Bauvorhaben grundsätzlich als gleichartige Leistungen anzusehen und damit für die Schwellenwertberechnung zu addieren sind.

VgV 2016, § 3 Abs. 7 S. 2; SektVO 2016, § 2 Abs. 7 S. 2

Hintergrund

Bereits in den Jahren vor der Reform des europäischen Vergaberechts zum 18. April 2016 bewegte die Praxis der Vergabe von Planungsleistungen verstärkt die Frage, ob Planungsleistungen unterschiedlicher Leistungsbilder bei der Schwellenwertberechnung zu addieren sind.

Ausgangspunkt im deutschen Recht ist die Vorschrift des § 3 Abs. 7 S. 2 VgV (inhaltsgleich: § 2 Abs. 7 S. 2 SektVO), wonach die Werte gleichartiger Planungsleistungen zusammenzurechnen sind. Die alte Rechtslage stellte in § 3 Abs. 7 S. 3 VgV a.F. noch auf Teilaufträge derselben Leistung ab und ließ sich daher eher im Sinne einer leistungsbezogenen Betrachtung (entsprechend der Leistungsbilder der HOAI) interpretieren.

Sachverhalt

Der Auftraggeber schrieb die stufenweise Beauftragung der Leistungen für die Tragwerksplanung für den Neubau des Verwaltungsgebäudes eines Energieversorgungsunternehmens aus. In der Auftragsbekanntmachung war angegeben, dass die Planungsdisziplinen der Tragwerksplanung, der technischen Ausrüstung, der thermischen Bauphysik und der Objektplanung lückenlos aufeinander abgestimmt und optimiert werden müssten.

Die Antragstellerin rügte im Verfahren vor der Vergabekammer verschiedene Vergaberechtsverstöße. Die Vergabekammer verwarf den Nachprüfungsantrag bereits als unzulässig, weil der Auftragswert den Schwellenwert nicht erreichte. Gegen den Beschluss wendete sich die Antragstellerin mit sofortiger Beschwerde. Der Schwellenwert sei überschritten, weil alle für den Bau erforderlichen Dienstleistungsaufträge zu addieren seien.

Die Entscheidung

Mit Erfolg. Das OLG München stellte fest, dass unterschiedliche Planungsleistungen für ein einheitliches Bauvorhaben grundsätzlich als gleichartige Leistungen anzusehen und für die Schwellenwertberechnung zu addieren sind. Im entschiedenen Fall bedurfte es zwar keiner abschließenden Entscheidung, weil bereits der Auftraggeber in der Bekanntmachung auf die funktionale, wirtschaftliche und technische Einheit der Planungsleistungen ausdrücklich hingewiesen hatte.

Der Senat nimmt in den Entscheidungsgründen umfassend und instruktiv dazu Stellung, nach welchen Kriterien die Gleichartigkeit der Planungsleistungen im Sinne des § 3 Abs. 7 S. 2 VgV und des § 2 Abs. 7 S. 2 SektVO zu beurteilen ist.

Zunächst verweist das Gericht auf die bislang herrschende Ansicht, wonach die Planungsleistung der Objektplanung, der Tragwerksplanung und der Planung der technischen Gebäudeausrüstung unterschiedliche Leistungsbilder darstellen. Für diese Auslegung spreche der Wortlaut, der auf die Gleichartigkeit und nicht auf eine wirtschaftliche oder technische Funktion der Planungsleistung abstelle. Außerdem sei eine frühere Gesetzesfassung, die auf den funktionalen Zusammenhang abstellte noch in die jetzige Fassung geändert worden.

Das OLG München lässt jedoch deutlich erkennen, dass erhebliche Bedenken bestehen, ob eine leistungsbezogene Betrachtung (entsprechend der Leistungsbilder der HOAI) mit europarechtlichen Vorgaben im Einklang stehe. Entscheidende Bedeutung komme der amtlichen Begründung der Vorschrift des § 3 Abs. 7 S. 2 VgV zu (vgl. BT-Drs. 18/7318, S. 210). Denn bei der Bewertung, ob Planungsleistungen gleichartig sind, sei ein funktionaler Zusammenhang entscheidend:

Satz 2 stellt deklaratorisch fest, dass nur die Werte solcher Planungsleistungen zusammenzurechnen sind, die gleichartig sind. Bei der Bewertung, ob Planungsleistungen gleichartig sind, ist die wirtschaftliche oder technische Funktion der Leistungen zu berücksichtigen.

Auch die Rechtsprechung des EuGH spreche für eine funktionale Betrachtungsweise (vgl. EuGH, Urt. v. 15.03.2012 C-574/10 Autalhalle Niedernhausen). Der Gerichtshof lege in den Urteilsgründen dar, dass Bau- und Dienstleistungsaufträge bei der Berechnung des Auftragswertes grundsätzlich gleich zu behandeln sind. Eine Addition unterschiedlicher Planungsleistungen sei dann angezeigt, wenn die Leistungen vorhabenbezogen in einem funktionalen Zusammenhang stehen, also eine innere Kohärenz zueinander aufweisen.

Dasselbe Verständnis wie der EuGH vertrete auch die EU-Kommission im Rahmen eines inzwischen eingestellten Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland in der Sache Freibad Stadt Elze: Planungsleistungen seien auch dann zu addieren, wenn die jeweiligen Leistungen eine unterschiedliche Spezialisierung erfordern und unterschiedlichen Preisregeln unterlägen (vgl. Aufforderungsschreiben Vertragsverletzung Nr. 2015/4228 C (2015) 8759 final).

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung des OLG München stellt klar, dass jedenfalls bei einer funktionalen, wirtschaftlichen und technischen Einheit von Planungsleistungen eine Addition der Auftragswerte für die Schwellenwertberechnung erfolgen muss. Für diese Rechtsauffassung spricht die amtliche Begründung des Normgebers der Regelung des § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV (inhaltsgleich: § 2 Abs. 7 Satz 2 SektVO). Auch die Rechtsprechung des EuGH und die Rechtsauffassung der EU-Kommission weisen eindeutig in Richtung einer funktionalen Betrachtungsweise. Ausgehend von einer funktionalen Betrachtungsweise wäre die Anwendbarkeit des Europäischen Vergaberechts bei der Vergabe von Planungsleistungen erheblich ausgeweitet.

Praxistipp

Besondere Vorsicht müssen kommunale Auftraggeber insbesondere bei der Gewährung von Fördermitteln walten lassen. Unterbleibt die Durchführung eines europaweiten Vergabeverfahrens, drohen Risiken nämlich nicht nur während des Vergabeverfahrens durch nicht berücksichtigte Wettbewerber. Risiken ergeben sich auch noch lange nachdem das Vergabeverfahren und ggf. die Maßnahme insgesamt abgeschlossen ist. Denn bei Vergaberechtsverstößen droht eine (Teil-)Zurückforderung gewährter Zuwendungen. Hinzuweisen ist außerdem darauf, dass insbesondere EU-Fördermittel (Beispiel: EFRE) besondere Zuwendungsvoraussetzungen enthalten.


Anmerkung der Redaktion:

Der Beitrag ist Teil einer umfassenden Serie zur Vergabe von Planungsleistungen und freiberuflichen Leistungen (vgl. auf der Homepage des Vergabeblog unter Serien Planungsleistungen und freiberufliche Leistungen).

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2. IT-Vergabetag 2017 – ausgebucht!

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Unser IT-Vergabetag am 6. April 2017 in Berlin ist wie bereits im letzten Jahr ausgebucht. Auf unserer Warteliste können Sie sich unverbindlich für freiwerdende Plätze vormerken lassen. Schreiben Sie uns dazu einfach eine E-Mail an info@dvnw-kongress.de. Der 2. IT-Vergabetag des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW) befasst sich in Vorträgen und interaktiven Workshops mit praxisrelevanten Fragestellungen rund um die öffentliche Beschaffung von Informations- und Kommunikationsleistungen. Das vollständige Programm finden Sie hier.

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